Von dem Gesamtumfang der antiken Literatur ist nur ein relativ geringer Teil durch Abschriften in die Neuzeit überliefert worden. Der weitaus größte Anteil der antiken Bücherverluste wird in den Zeitraum bis etwa 800 n. Chr. datiert. Die ältesten erhaltenen Handschriften stammen aus der Spätantike, jener Zeit, in der das römische Reich christlich wurde. In der von christlichen Institutionen getragenen Überlieferung wurde dem Codex aus Pergament vor dem herkömmlichen Papyrus der Vorzug gegeben. Die antiken Papyri sind über den regulären Überlieferungsweg nicht erhalten. Erst seit 1900 konnte durch Zufallsfunde, etwa aus dem trockenen Wüstensand von Ägypten, einzelne Papyrusfragmente geborgen werden.
In neuerer Zeit können die Überlieferungslinien der gesamten heute erhaltenen Literatur skizziert werden. Wesentlich dafür waren Erkenntnisse aus Gebieten wie Archäologie, Papyrologie, Paläographie, Kodikologie und begleitende technische Fortschritte, wie etwa Ultraviolett- und Infrarotfotografie. Die Ursachen für den Bücherverlust sind indes noch nicht abschließend geklärt. Einer verbreiteten Ansicht der Forschung zufolge sind die antiken Papyri im Laufe der Zeit in Bibliotheken verrottet. Über das Schicksal der antiken Großbibliotheken sind allerdings nur spärliche Informationen vorhanden. Das Serapeum, das die Stadtbibliothek von Alexandria darstellte, wurde im Zuge der Religionskämpfe 391 von Christen zerstört. Private heidnische Buchbestände der Antike wurden in ungewissem Umfang durch Christen verfolgt.
Der Bücherbestand der Antike und seine Überlieferung
Durch die Überlieferung in Bibliotheken, also vor den Papyrusfunden ab 1900, waren von der griechischen Literatur vor dem Jahr 500 etwa 2000 Autorennamen bekannt, aber nur von 253 Autoren waren zumindest Teile ihrer Schriften erhalten. Für die römische Literatur waren es 772 Autorennamen, aber nur von 144 waren Schriften erhalten geblieben.[1] Dies führte zu der häufig anzutreffenden Schätzung, wonach weniger als 10% der antiken Literatur überliefert wurde.[2] Die fast 3000 Autorennamen stellen dabei eine Mindestzahl dar, nämlich die in überlieferten Texten erwähnten. Spätestens seit dem Frühmittelalter wurde die Textüberlieferung von christlichen Institutionen (besonders Klöstern) gewährleistet, wobei sich damit ein Selektionsprozess verband und christliche Autoren bevorzugt wurden. Bezogen auf den Gesamtzeitraum der Antike stellten die christlichen Autoren aber eine relative Minderheit dar.
Eine Abschätzung des antiken Bestandes an Titeln und Büchern ist nur indirekt über die Bibliotheksgeschichte möglich. Die bekannteste Bibliothek der Antike, die Bibliothek von Alexandria, wuchs von 235 v. Chr. bis 47 v. Chr. von 490.000 auf 700.000 Rollen, größtenteils in griechisch.[3] Eine Rolle entsprach etwa einem Titel (siehe Glossar). Die Titelproduktion der griechischen Welt betrug daher mindestens 1100 pro Jahr. Extrapoliert auf das Jahr 350[4] ergäbe das einen Bestand von über einer Million Titel, sofern man von einem linearen Bestandszuwachs ausgeht.[5]
Der Umfang des lateinischen Schrifttums lässt sich nicht genau bestimmen, dürfte aber in der gleichen Größenordnung liegen. Bedenkt man, dass eher triviale Werke aus den Provinzen wahrscheinlich keinen Eingang in die großen Bibliotheken fanden,[6] so kann man den Gesamtbestand der Antike auf mehrere Millionen Titel schätzen. Unter der Annahme einer durchschnittlichen Verbreitung von 10–100 Exemplaren sind dies um 100 Millionen Rollen oder, neutral umschrieben, Bücher (siehe Glossar). Von diesen Millionen Büchern aus der Zeit vor 350 ist kein einziges in einer Bibliothek überliefert worden. Fast alle Quellen aus heidnischer Zeit, also etwa vor 350, wurden wahrscheinlich nur als christliche Editionen (um 400 erstellt) überliefert.
Die Anzahl der überlieferten antiken Texte (ohne Funde) wurde bisher noch nicht genau bestimmt. Die Größenordnung dürfte bei etwa 3000 liegen, 1000 davon in Latein. Der größte Teil davon liegt nur in Bruchstücken vor. Das gesamte überlieferte heidnische Textvolumen umfasst zumindest in Latein wahrscheinlich weniger, als in 100 Codices passen würde. Der Bruch im Bestand an handschriftlich überlieferten Buchexemplaren ist daher erheblich und könnte in der Größenordnung von eins zu 1000 liegen. Diese Zahl ergibt sich, wenn man den geschätzten Gesamtbestand an Titeln von einigen Millionen den einigen 1000 überlieferten Titeln gegenüberstellt, oder wenn man – unabhängig davon – die letzte antike Bibliothek (Konstantinopel, 475 mit 120.000 Büchern abgebrannt)[7] mit der ersten bekannten mittelalterlichen (Cassiodor, 576 mit ca. 100 Codices) vergleicht.[8]. Die Bibliothek des Cassiodor war im Unterschied zu derjenigen in Konstantinopel eine Privatbibliothek, die kaum über Duplikate verfügt haben dürfte.
Wahrscheinlich fast alle uns überlieferten Bücher enthielten eine christliche Subskription.[9] Dies war ein kurzer Vortext, der beschrieb, wann das Buch kopiert wurde und wer es auf seine Richtigkeit überprüft hatte. Solche Subskriptionen waren auch in heidnischer Zeit zumindest bei wertvollen Büchern üblich. Sie bestätigten die Fehlerfreiheit der Abschrift. In einem Brief schreibt Bischof Synesius von Cyrene (um 400), dass ihm der Besitz „unüberarbeiteter Kopien“ von heidenfeindlichen Christen zum Vorwurf gemacht wurde.[10] Dies mag darauf hindeuten, dass die christliche Subskription nicht nur ausschließlich Schreibfehler, sondern in geringerem Umfang auch inhaltliche Veränderungen betroffen haben könnte. Rein formelle Dinge, wie Schriftart oder gar ein Bilderverbot, können für diese Zeit ausgeschlossen werden.
Bei der Überlieferung von Zahlenangaben geht die Textkritik bisweilen von bewussten Verfälschungen aus, die aus der christlichen Ideologie um 400 im Kampf gegen das Heidentum und später erklärt werden können. Es gibt jedoch nur sehr wenige philologisch wahrscheinlich zu machende umfassende Interpolationen des heidnischen Grundtextes durch Christen (z. B. bestimmte Teile der Germanen-Exkurse im 5. Buch von Caesars Bellum Gallicum, die keine heidenpolemische Tendenz erkennen lassen), und aufgrund der Uneinheitlichkeit der Textüberlieferung ist eine umfassende, systematische Verfälschung sehr unwahrscheinlich.
Der Bücherverlust
Die Antike besaß eine große Zahl an Bibliotheken. Öffentliche Stadtbibliotheken und private mit 20.000 bis 50.000 Rollen sind bekannt, sowohl in Rom (29 öffentliche um 350) als auch in den Provinzen. Bei Caesars Besuch in Alexandria verbrannte nicht die große Bibliothek, sondern ein Lagerhaus am Hafen mit 40.000 Rollen, wahrscheinlich eine Jahresproduktion,[11] die für den Export bestimmt war.[12] Die Bibliothek von Alexandria umfasste in hellenistischer Zeit mehr als 490.000 Rollen,[13] diejenige in Pergamon 200.000 Rollen. Spätestens in der Kaiserzeit dürften einige Städte dieses Niveau erreicht haben, weil eine Bibliothek ein Statussymbol war.
Über die Bestandszahlen der großen Bibliotheken Roms sind keine Angaben überliefert. Archäologisch kann über die Größe von Wandnischen für Bücherschränke bei der Palatina unter der Ulpia Trajana auf mindestens 100.000 Rollen geschlossen werden. Wahrscheinlich befanden sich darin aber nur die kostbarsten Rollen. Auch die Bibliothek von Pergamon hatte fast alle ihre Bestände in Depoträumen. Von der Größe der Gebäude hätten die Hauptbibliotheken Roms, wie auch in Alexandria und Athen, jeweils Millionen Rollen Platz geboten. Bei einer solchen geografischen Verteilung der antiken Literatur konnten einzelne Ereignisse wie der Verlust einer Bibliothek für die Überlieferung kein wesentliches Problem darstellen.
Umschreibung auf Pergament
Eine verbreitete Ansicht der Forschung ist die Umschreibungs-/Verrottungsthese, derzufolge um 400 eine Umschreibung von Papyrusrollen auf Pergamentcodices stattgefunden habe. In der christlich dominierten Zeit oder sogar schon früher habe die Gesellschaft dann das Interesse an den heidnischen Rollen verloren. Sie seien daher nicht weiter kopiert worden und im Laufe des Mittelalters in Bibliotheken verrottet, während die haltbareren Pergamentcodices überdauerten. Demnach seien die antiken Bücher vergangen, aber nicht aktiv vernichtet worden.[14]
Standardwerke zur Überlieferungsgeschichte, welche diese Ansicht vertreten, betreiben keine Quantifizierung. So ist der neueren Literatur nicht zu entnehmen, wie groß der Verlust überhaupt war. Die Gesamtdarstellung der Überlieferungsgeschichte von Reynolds und Wilson („Scribes and Scholars“) etwa gibt keine Angaben zur Größe der Bibliotheken Cassiodors und Isidors. Es werden heute verlorene Schriften erwähnt, die um 600 noch zitiert worden seien, ohne zu erörtern, ob dabei aus den Originalwerken oder aus bereits vorliegenden Exzerpten zitiert worden ist, wie dies für Isidor nachgewiesen worden ist.[15] Alternative Erklärungsmodelle zur Umschreibungs/Verrottungsthese sind bislang vernachlässigt worden.[16]
Neuere papyrologische und paläographische Ergebnisse
Die Vermutung einer geringeren Haltbarkeit von Papyrus wird von Papyrologen bezweifelt. Roberts und Skeat, die das Thema in „The Birth of the Codex“ 1983 untersuchten, kamen zu dem Ergebnis, dass der Papyrus unter normalen Bedingungen in seiner Haltbarkeit dem Pergament nicht nachsteht.[17] Um 200 konnte man in einer Bibliothek in Rom eine 300 Jahre alte Papyrusrolle lesen.
Das Material hätte also über 400 Jahre aushalten müssen. Aber nach 800 haben die vielen antiken Rollen sicher nicht mehr existiert. Aus den Katalogen und der Kopiertätigkeit dieser Zeit können wir dies sicher schließen. Sowohl im lateinischen Westen als auch im griechischen Osten konnte man ab 800 nur noch auf Codices zurückgreifen, die nach 400 geschrieben waren.[18]
Außerdem enthält der C.L.A. mindestens 7 Papyrus-Codices, die in Bibliotheken aus der Zeit zwischen 433 und 600 bis heute zumindest in Teilen überlebten. Einer, C.L.A. #1507, um 550, liegt in Wien und hat noch 103 Seiten. Wenn diese 1500 Jahre überdauern konnten, hätten die vielen anderen mindestens 400 Jahre halten müssen. Der Verlust kann also nicht durch die Haltbarkeit von Papyrus, Rollen oder Codices erklärt werden, zumindest soweit „normale Bedingungen“ gegeben waren, die etwa durch Gebäudeschäden gestört sein könnten.
Was die These der Umschreibung auf Codices anbetrifft, so sieht es danach aus, als seien nach 400 plötzlich viel weniger Bücher und diese nur noch in Form von Codices (aus Pergament) produziert worden. Die in Oxyrhynchos gefundenen Buchrollen (ca. 34 % der gesamten Papyri, 66 % waren Urkunden)[19] zeigen eine rege Buchproduktion im 2. und 3. Jahrhundert (655 und 489 Stück) und einen massiven Einbruch im 4. und 5. Jahrhundert (119 und 92 Stück) sowie nur noch eine geringe Produktion danach (41, 5 und 2 Stück nach dem 7. Jahrhundert, als auch die Stadt verschwand).
Ein ähnliches Bild liefert der C.L.A. für das lateinische Europa. Danach wurden von 400 bis 700 im lateinischen Europa (außer Italien, wo die Produktion relativ gesehen weit höher war) etwa 150 Codices produziert. Davon entfallen 100 nur auf Frankreich. Das bestätigt auch die weitere Paläografie nach dem Zeitraum des C.L.A. Die Bestände der großen Klosterbibliotheken um 900 (Lorsch, Bobbio, Reichenau, alle um 700 Codices) stammen fast alle aus der Zeit nach 750 und zeigen damit die so genannte Karolingische Renaissance. Für viele antike Bücher mit reichhaltiger Überlieferungstradition stammen die ältesten heute erhaltenen Kopien aus dieser Zeit. Wahrscheinlich kopierte man damals Bücher aus dem 5. Jahrhundert, die heute nicht mehr erhalten sind. Der C.L.A. kennt für die Zeit bis 800 nur 56 überlieferte klassische Bücher, davon nur 31 aus dem 5. Jahrhundert. Der in absoluten Zahlen höchste Bestand erhaltener Codices stammt aus dem Hochmittelalter.
Es gab also nicht nur eine Auswahl und Selektion in der Phase der Umschreibung, sondern auf Grund dieser Ergebnisse überhaupt eine extrem reduzierte Buchproduktion. Erreichte sie vor 300 wahrscheinlich die Größenordnung von 100.000 pro Jahr, so lag sie nach 400 bei durchschnittlich 10 pro Jahr (wobei für einzelne Jahre, Zeitabschnitte oder Regionen erhebliche Abweichungen in beide Richtungen möglich sind). Dieser Wert gilt für den lateinischen Bereich auf Basis des C.L.A. Der C.L.A. zeigt eine Durchschnittsrate an überlieferten Handschriften von 1 bis 2 pro Jahr für 400 bis 700. Eine Produktionsrate von durchschnittlich 10 Büchern pro Jahr für den lateinischen Westen ergäbe sich aus einem geschätzten Verlustfaktor von 5 bis 10.
Die Umschreibung auf Pergament kann also damit erklärt werden, dass aufgrund dieser geringen Produktion für den billigen Papyrus kein Bedarf mehr bestand und man das bisher edlere, aber nun leichter verfügbare Pergament vorzog. Papyrus wurde nur noch in Ausnahmefällen für Bücher oder Urkunden verwendet und war im lateinischen Bereich ab etwa 600 kaum noch verfügbar.
Auswahlkriterien bei der Überlieferung
Das naturwissenschaftlich-technische Wissen in der Spätantike war sicher so umfangreich und kompliziert, dass eine mündliche Überlieferung nicht mehr möglich war. Insofern dieses Wissen mit heidnischen Namen und Anschauungen verbunden war, konnte es in Konkurrenz zum Christentum stehen. Grundsätzlich waren christliche Institutionen daran interessiert, die wichtigsten Schriften der klassischen Wissenschaften zu erhalten, außer dort, wo sie dem Christentum entgegengesetzt waren, wie in der besonders ausgefallenen Bühnentechnik der Römer, welche die Christen bekämpften.[20] Bereits in vorchristlicher Zeit war der naturwissenschaftlche Fortschritt der griechischen Welt eher in Kompendien konserviert als erweitert worden.[21]
In der heidnisch-römischen Kultur waren pornografische Darstellungen aller Art im gesamten Alltag verbreitet.[22] Dies stand christlichen Moralvorstellungen diametral entgegen, und entsprechend dürften derartige Schriften einen größeren Teil des Verlustes ausgemacht haben. Um 200 verdammte Kirchenvater Tertullian nicht nur die heidnischen Philosophen, sondern auch die Schauspieler und wünschte sie zur Hölle.[23] Isidor warnt später ausdrücklich vor den heidnischen Dichtern[24] und stellt Schauspieler auf die gleiche Stufe mit Prostituierten, Verbrechern und Räubern.[25] Ähnliche Einstellungen zu Schauspielern finden sich schon bei Autoren der heidnischen Antike. Mit der Christianisierung wurden ursprünglich heidnische Veranstaltungen, wie etwa die Gladiatorenspiele, aber auch Sport- und Kunstfeste (Agone) verboten bzw. ihnen Geldmittel entzogen.
Komplett verschwunden sind – außer solchen Papyrusfunden, die nicht in den Überlieferungsweg eingebunden waren – die heidnischen Ritualtexte, etwa von Mysterienreligionen, ebenso magische Texte. Für den lateinischen Bereich sind vor allem republikanische Geschichtswerke, Dichtkunst aller Art, sowie besonders Tragödien an nachgewiesenen Verlusten zu beklagen. Die verlorenen Werke waren allerdings oft, jedoch nicht immer, zweitklassiger Qualität. Der Verlust an kaiserzeitlichen Geschichtsschreibern ist möglicherweise auch durch vorchristliche Textzensur zu erklären (etwa Cremutius Cordus). Das zehnte Buch der Institutio oratoria des Quintilian bespricht gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. zahlreiche heute verlorene literarische Werke.
Für die thematische Gewichtung der Literatur gibt es einige Hinweise. Zu Beginn der Kaiserzeit hatten die (verlorenen) 493 Rollen der Enzyklopädie des Varro folgende Verteilung: 34 % Unterhaltung (Poesie und Satire), 39 % Wissenschaft (Philosophie und angewandte Wissenschaft, Technik), 27 % Geschichte (8 % Literatur und Theater, 16 % Berühmte Personen und Völker, 3 % Religion).[26]
Die um 1900 in der ägyptischen Provinzstadt Oxyrhynchos gefundenen Papyri stammten aus einer antiken Müllhalde von 100 bis 600. Sie scheinen ein großes Spektrum der Bevölkerung zu repräsentieren.[27] Man fand darunter auch Rollen mit Literatur. Der daraus ablesbare Geschmack des Volkes hat noch immer Ähnlichkeit mit der Gewichtung von Varro: 56 % Unterhaltung (33 % Epik, 12 % Tragödien, 5 % Bukolik), 44 % Sachbuch (21 % Geschichte, 18 % Philosophie, 5 % Reden).[28]
Im Gegensatz zur Antike zeigt die Buchproduktion nach 400 eine extreme Zunahme religiöser, christlich theologischer Titel bis auf 80–90 % der Bestände im Mittelalter.[29] Der säkulare Anteil von 10–20 % umfasste vor allem Worterklärungen und Grammatika. Unterhaltung, Zeitgeschichte und jede Art von Wissenschaft hatte in den christlichen Bibliotheken des Mittelalters einen Anteil von unter 5 %. Bei dem geringen Bestand der meisten Bibliotheken konnte man solche Bücher nur in den wenigen großen Klosterbibliotheken (etwa 10–20 nach dem Jahr 800) unter Beständen von einigen 100 Codices erwarten.[30]
Geographische Verteilung der Überlieferung
- Siehe Hauptartikel: Codices Latini Antiquiores (C.L.A.)
Zeitraum der Bücherverluste
Innerhalb der Überlieferungsgeschichte ist der Zeitraum von 350 bis 800 der entscheidende, da antike Werke, die danach noch erhalten waren, wieder reichhaltig produziert wurden und zu keinem Zeitpunkt ähnlich viel Text verloren ging.[31] Im Hochmittelalter meinte man, Papst Gregor der Große (540-604) habe die große Palatina-Bibliothek in Rom verbrennen lassen.[32] Nach heutigem Forschungsstand ist ausgeschlossen, dass Papst Gregor dies getan haben könnte. Denn der Verlust muss bereits vor seinem Pontifikat stattgefunden haben. Die Palatina-Bibliothek, von Augustus gegründet und wahrscheinlich die größte Roms, verschwand aus der Geschichte ohne jeden Hinweis auf ihr Schicksal. Dies ergab der Forschungsstand seit den 1950ern, wonach gesichert erschien, dass der Verlust vor 500 eingetreten war.[33] Mit dem Abschluss des C.L.A. in den 1970ern wurde diese Erkenntnis noch weiter gefestigt.
Der Klassischen Philologie des 19. und frühen 20. Jahrhundert standen diese quantitativen Ergebnisse nicht in gleichem Umfang zur Verfügung.[34] Durch die Konkordatslehrstühle ergab sich außerdem vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine gewisse Rechristianisierung der deutschen Geschichtsforschung. Eine ähnliche Entwicklung zeigte sich auch in den angelsächsischen Ländern.[35] Durch den damit einhergehenden Konsens einer friedlichen Koexistenz der Weltanschauungen ergab sich für die Überlieferungsgeschichte eine etwas prekäre Lage. Eine Darstellung der entscheidenden spätantiken Phase hätte Ursachen beschreiben müssen, welche die Christianisierung Europas in einem etwas akzentuierten Licht erscheinen lassen.[36]
Die wissenschaftliche Diskussion über die Gründe für den Untergang des Weströmischen Reiches wird ebenfalls seit über 200 Jahren geführt, ohne dass ein Konsens in Sicht ist. Während nach der Mehrheit der Forschung für den Untergang des Reichs die Barbareneinfälle eine wenigstens nicht unwichtige Rolle spielten,[37] hat der Untergang der antiken Literatur und damit der antiken Kultur möglicherweise auch interne Ursachen gehabt. Der Verlust an Literatur gehörte wohl zu den nachhaltigsten Folge des Unterganges.
Auch wenn die Märtyrergeschichten übertrieben erscheinen, kann kein Zweifel bestehen, dass der römische Staat seit Kaiser Decius (247–251) das frühe Christentum phasenweise systematisch verfolgen ließ.[38] Die Christen wendeten diese Maßnahmen später gegen das Heidentum. Für die meisten dieser Maßnahmen seitens der Christen lässt sich ein früheres Beispiel aus der Christenverfolgung finden.[39]
Heiden und Christen im Reich lebten noch lange Zeit weitgehend konfliktlos zusammen, wobei sich verschiedentlich erhebliche Spannungen ergaben, die teilweise in Gewaltakte umschlugen. Gerade in neuester Zeit ist das gewaltsame Vorgehen der Christen wieder betont worden.[40] Die offizielle Religionspolitik hing vom jeweils herrschenden Kaiser ab. Religiöse Konflikte waren aber oft sozial motiviert oder wurden von christlichen institutionellen oder spirituellen Autoritäten geschürt. Der Umfang der Konversionen in der Aristokratie ist zuletzt von M. Salzman aufgrund des literarischen Befundes zusammengestellt worden.[41].
Seit dem 3. Jahrhundert wurde im Bereich der Philosophie der Neuplatonismus mit seinen verschiedenen Schulrichtungen populär und verdrängte spätestens im christlichen Reich die übrigen Philosophenschulen. Er verband die platonische Ideenlehre mit der monotheistischen Vorstellung der höchsten Idee, und stand dadurch sowohl in besonderer Konkurrenz als auch in Dialog und Austausch mit dem Christentum. Es handelt sich um eine von der Christianisierung unabhängige Bewegung, die den christlichen Monotheismus eher etablierte als durch diesen selbst an Attraktivität gewann. Er trug zu einem stärker mystisch orientierten Wissenschaftsdiskurs bei.[42]
Heidnische Schulen in Athen und Alexandrien existierten bis ins 6. Jahrhundert, verloren jedoch nach und nach an Einfluss oder passten sich der christlichen Umwelt an.[43] Die Platonische Akademie in Athen, oft als „Hort paganer Traditionen“ bezeichnet, wurde von Justinian I. 529 geschlossen und im selben Jahr ein Taufbefehl für Heiden erlassen. Im 4. Jahrhundert erlebte die literarische Produktion von Heiden und Christen eine späte Blütezeit. Aus dem 5. Jahrhundert ist immer noch heidnische Literatur aus beiden Teilen des Reiches überliefert (etwa Zosimos, Rutilius Namatianus, Martianus Capella). Zu Beginn des 6. Jahrhunderts übersetzte und kommentierte Boëthius Werke des Aristoteles.
Eingrenzung des Verlustes: vor 500
Wie bereits erwähnt waren die antiken Bücher ab 800 sicher nicht mehr vorhanden. Es gibt Hinweise, dass sie bereits ab 500 weitgehend verloren waren.
Cassiodor lebte von ca. 490 bis 583 in Italien. Er war zunächst Senator und Sekretär des Ostgotenkönigs Theoderich. Während des Kriegs mit Ostrom (Gotenkrieg) zog er sich nach seinem Aufenthalt in Konstantinopel[44] um 540 auf seine privaten Ländereien nach Süditalien zurück und gründete das Kloster Vivarium. Er sprach Latein, Griechisch und Gotisch, sammelte und übersetzte Bücher von Griechisch nach Latein. Sein erklärtes Ziel war die Rettung der klassischen Bildung, und er machte als erster das Kopieren von Büchern zur Pflicht für Mönche.
Aufgrund seiner wohlhabenden Position und seiner weiten Kontakte, auch in den griechischen Bereich, war er in einer außergewöhnlich guten Position, die wichtigsten zu seiner Zeit im Mittelmeerraum noch verfügbaren Bücher zu bekommen. [45] In seinen eigenen Texten beschreibt er seine Bibliothek, einzelne Bücher und gibt Zitate aus ihm wahrscheinlich vorliegenden Werken. Aufgrund dieser Angaben haben zunächst A. Franz und später R.A.B. Mynors „a provisional indication of the contents of the library at Vivarium“ („einen vorläufigen Überblick über den Bestand der Bibliothek von Vivarium“) erstellt.[46] Das Ergebnis war, dass Cassiodor nicht wesentlich mehr antike Texte kannte als wir heute. Er hatte die einzige größere Bibliothek des 6. Jahrhunderts, über deren Inhalt etwas bekannt ist. Auf Grundlage der Zitierungen verfügte sie etwa über 100 Codices.
Ähnlich war die Situation bei Bischof Isidor von Sevilla, der von ca. 560 bis 636 in Spanien lebte. Er hatte die einzige Bibliothek des 7. Jahrhunderts, über deren Inhalt etwas bekannt ist. Paul Lehmann unternahm eine entsprechende Untersuchung von Isidors Schriften. Er kam zu dem Ergebnis, dass Isidor wahrscheinlich auf mindestens drei Büchern Cassiodors aufbaute. Lehmann: „Die meisten Schriften, die Isidor mit Titel und Verfasser angibt, hat er wahrscheinlich nie gelesen.“[47] Isidor hat 154 Titel zitiert.[48] Seine Bibliothek war demnach wahrscheinlich deutlich kleiner als die von Cassiodor, da ein Codex mehrere Titel umfasste (siehe Glossar).
Die Fortexistenz großer Bibliotheken ist ab ca. 500 nicht mehr belegt. Kleine Klosterbibliotheken hatten vielleicht nur einen Umfang von 20 Büchern.[49] Wie das sehr faktenreiche Standardwerk „Geschichte der Bibliotheken“ 1955 schrieb, musste der Verlust vor 500 eingetreten sein: „Bereits zu Beginn des 6.Jahrhunderts war der große Verlust an antiken Texten eingetreten, und der Vorrat der Schriftsteller, die Cassiodor und Isidor zur Hand waren, überschreitet nicht erheblich den Kreis des auch uns Bekannten.“[50]
Haas[51] verweist auf einen konkreten Fall von Wissensverlust in der Spätantike, bezogen auf Bücher. Ein Asclepiades war um 490 einer der wenigen heidnischen Gelehrten in Alexandria. Er und sein Kreis hielten sich für die letzten Priester des Osiris und verwendeten Hieroglyphen bei rituellen Handlungen. Haas geht aber davon aus, dass dieser Kreis Hieroglyphen nicht mehr lesen konnte. Denn Asclepiades Sohn, Horapollon, verfasste das einzige überlieferte spätantike Werk über die Bedeutung der Hieroglyphen. Darin fehlt aber jeder Hinweis auf deren lautsprachliche Funktion. Es werden nur phantasievolle allegorisch-mystische Funktionen beschrieben.[52] Bis ins 4. Jahrhundert wurden Hieroglyphen verwendet, und es waren damals sicher entsprechende Bücher dazu vorhanden. Selbst ein ausgewiesener Fachmann scheint demnach um 500 in seiner Privatbibliothek im Gelehrtenzentrum Alexandria kein solches Buch mehr besessen zu haben.
Der Höhepunkt der Religionskämpfe: ca. 350–400
In der Zeitspanne von 300 bis 800 gab es immer wieder Ereignisse, bei denen einzelne Bibliotheken zerstört worden sein könnten, insbesondere Barbareneinfälle und Naturkatastrophen.[53] Die letzte bekannte Bibliothek ist die Palastbibliothek von Konstantinopel, die 475 mit 120.000 Codices durch ein Feuer zerstört wurde. Die nächste bekannte Bibliothek ist erst wieder 100 Jahre später die von Cassiodor mit etwa 100 Codices.
Die Zeit um 391 war ein Höhepunkt der christlich-heidnischen Religionskämpfe. Der konvertierte Heide Firmicus Maternus hatte um 350 in seiner apologetischen Schrift De errore profanarum religionum den Söhnen Konstantins die Zerstörung von Tempeln empfohlen. Im Jahre 391 erließ Kaiser Theodosius I. ein Gesetz, wonach alle heidnischen Tempel zu schließen seien. Im Begriff der damaligen Zeit waren heidnische Tempel aber die meisten nicht-kirchlichen Kulturgebäude, etwa eine den Göttern geweihte Bibliothek oder auch das Museum, ein Tempel der Muse. In diesem Kontext wurde Theodosius' Edikt von manchen Forschern als Versuch interpretiert, auch alle heidnischen Bibliotheken zu vernichten.[54]
Unter Honorius gab es 399 einen Erlass zum Schutz öffentlicher Kunstwerke, die mit wohlwollender Unterstützung von „Autoritäten“ durch Christen zerstört wurden.[55] Ein ähnlicher Erlass sollte die ländlichen Heiligtümern vor den Verwüstungen des religiösen Fanatismus schützen.[56] Im Jahre 408 wird durch ein reichsweites Gesetz die Zerstörung aller bis dahin verbliebenen heidnischen Kunstwerke angeordnet (Ikonoklasmus).[57]
Wir wissen von der Bibliothek im Serapeum, das die Stadtbibliothek von Alexandria darstellte[58], dass sie 391 von Christen zerstört wurde. Von dem Museum von Alexandria, das die berühmte große Bibliothek enthielt und als Gebäude bis etwa 380 belegt ist,[59] gibt es nach 400 keine Spur mehr. Im 5. Jahrhundert wird das Gelände als Ödnis beschrieben. Johannes Philoponos erwähnt um 520 die „große Bibliothek“, die einstmals der Stolz Alexandrias war.[60] Bei Ausgrabungen 2003 stieß man auf Fundamente.
Es gibt einzelne literarische Hinweise auf Büchervernichtungen. Ammianus Marcellinus (ca. 330 bis ca 395), die wichtigste Quelle für diesen Zeitraum, erwähnt die Verfolgung und Hinrichtung offenbar gebildeter Leute, denen der Besitz von Büchern mit verbotenem Inhalt vorgeworfen wurde. Ihre Codices und Rollen wurden in großer Zahl öffentlich verbrannt. Bei den Büchern soll es sich angeblich um „Zaubertexte“ gehandelt haben. Ammianus meinte aber, es seien vor allem Werke der „artes liberales“, der klassischen antiken Wissenschaften gewesen. Infolgedessen hätten, nach Ammianus, in den „östlichen Provinzen“ „aus Furcht vor ähnlichen Schicksalen die Besitzer ihre ganzen Bibliotheken verbrannt“.[61]
Ammianus kritisiert außerdem die oberflächliche Unterhaltungslust der römischen Oberschicht und fügt dabei ein: „Die Bibliotheken waren geschlossen für immer, wie Grüfte.“[62] Dies wurde im 19. und dem größten Teil des 20. Jahrhunderts von den meisten Gelehrten so interpretiert, als wären die großen öffentlichen Bibliotheken Roms geschlossen gewesen. In neuerer Zeit vermuten manche, die Aussage könne sich nur auf die Hausbibliotheken und die Vergnügungen des römischen Adels bezogen haben.[63]
Etwas später, um 415, besuchte der christliche Gelehrte Orosius Alexandria. Er beschreibt, er habe dort selbst in einigen Tempeln leere Bücherregale gesehen. Diese seien „von unseren Zeitgenossen in unserer Gegenwart ausgeplündert worden.“ [64] Auch in Rom scheinen ab 400 die großen Bibliotheken geschlossen oder leer gewesen zu sein. Selbst unter der Annahme, die Gebäude der Trajansbibliothek hätten 455 noch gestanden,[65] gibt es keinen Hinweis, wonach sie oder andere dort noch geöffnet waren oder noch Bücher enthielten.
Die Notitia Dignitatum, ein Katalog der offiziellen Verwaltungsposten im Römischen Reich um 400, zeigte keinen Hinweis, dass noch irgendjemand für Bibliotheken zuständig war. Aus anderen Dokumenten und Grabinschriften wissen wir aber, dass die Verantwortung für eine oder mehrere Bibliotheken vor 300 als wichtiges und ehrenvolles Amt betrachtet wurde. Hätte es nach 400 noch die großen Bibliotheken gegeben, so wäre ihre Verwaltung von höchster Bedeutung gewesen. Denn der Verwalter hätte bestimmt, welche Bücher nach der Christianisierung noch verfügbar sein durften und welche nicht. Durch Schließung der großen Bibliotheken wäre dieses Problem zu umgehen gewesen.
Es gibt auch einen Beleg für christliche Literaturverfolgungen aus der Zeit um 400 von Johannes Chrysostomos (349–407), der Bischof von Konstantinopel war, aktiv in der Bekämpfung des Heidentums und einer der bedeutendsten christlichen Gelehrten seiner Zeit. In einer apologetischen Schrift gegen die Heiden schreibt er, dass seit dem gewonnenen Kampf des Christentums die Philosophen und Redner der Heiden nur noch lächerlich gewesen seien wie dumme Kinder und niemand mehr hätten überzeugen können: „Ihre Schriften wurden so gering geschätzt, das ihre Bücher schon vor langer Zeit verschwanden, die meisten sind bei ihrem ersten Erscheinen zugrunde gegangen. Wenn man überhaupt noch etwas von ihnen erhalten findet, so findet man es aufbewahrt bei Christen.“[66]
Johannes Chrysostomos neigt jedoch in Bezug auf die christlich-heidnischen Religionskämpfe zu Übertreibungen und die Schrift stellt eher einen Kampfaufruf als eine historische Beschreibung dar. Mit den „Philosophen“ ist wohl in erster Linie eine Randgruppe umherziehender Philosophen gemeint, welche eine Konkurrenz zu christlichen Predigern darstellten. Aufschlussreich ist, dass hier ein christlicher Literat und Akteur in den Religionskämpfen das christliche Bildungsmonopol bereits um 400 zumindest als Wunschdenken formuliert.
Vernichtung von „Zauberbüchern“
Die antike Literatur war wahrscheinlich auch in kleinen und kleinsten privaten Bibliotheken verbreitet. Der Verlust der großen Bibliotheken konnte daher wahrscheinlich nicht einmal die Hälfte des Bestandes betreffen. Der vollständige Verlust der Millionen vor ca. 350 erstellten Büchern muss ein längerer Prozess gewesen sein. Häretische Schriften, wie diejenigen des Arius, wurden aufgrund von Anzeigen aus der Bevölkerung vernichtet.[67] Ein effektives System staatlicher Verfolgung wäre im spätantiken Reich nicht möglich gewesen, aber Denunziationen haben sicher zur freiwilligen Beseitigung verfolgter Literatur führen können.[68]
In der antiken und frühmittelalterlichen Geschichtsschreibung wird eine systematische Vernichtung klassisch-heidnischer Literatur durch Christen nur gelegentlich explizit erwähnt. Es ist bekannt, dass so genannte „Zauberbücher“ verfolgt wurden. Diese Literaturgattung war zu Beginn des ersten Jahrtausends eher selten (siehe Häufigkeit von Zauberbüchern). Sie wurde seit der offiziellen Anerkennung des Christentums im 4. Jahrhundert deutlich häufiger zum Ziel von Verfolgungen.
Eine umfangreiche Arbeit mit christlich apologetischer Tendenz[69] von Speyer widmete sich 1981 dem Thema der antiken Büchervernichtung. Zum Aspekt „Die Vernichtung der heidnischen Literatur“ fand Speyer Hinweise auf die Vernichtung christenfeindlicher Schriften, von heidnischen Ritualbüchern, von lasziver Literatur (Erotik, Pornographie) und von Zauberbüchern. Demnach sind Schriften der klassischen Literatur und Wissenschaften nie gezielt vernichtet worden.[70] Verfolgung von Zauberschriften, wahrscheinlich Fluch- und Schadsprüche/Rituale, gab es schon zu heidnischer Zeit. Gebildete, wie Plinius der Ältere, hielten Zauberei schlicht für Betrug.[71]
Im Volksglauben war Magie aber immer mehr oder weniger vorhanden. In christlicher Zeit, ab ca. 350, gibt es weitaus mehr Belege für die Verfolgung von Zauberbüchern. Da Ammian über die Verbrennung von Büchern der klassischen Wissenschaften im Rahmen von Zauberbücher-Verfolgungen berichtet, ist es möglich, dass auch andernorts heidnische Literatur in diesem Zusammenhang vernichtet wurde.
Ob ein Buch Magie oder Wissenschaft enthielt, war nur durch sein Lesen erkennbar. Selbst dann bedurfte es noch einiger Bildung, den Unterschied in jedem Fall zu erkennen, und nicht jeder Christ, der in Büchervernichtungen involviert war, dürfte über eine hinreichende Bildung verfügt haben. Ein heidnisches Buch konnte als Zauberbuch erkannt werden, wenn es einem berühmten Heiden oder einer Gottheit gewidmet ist oder nur einen inzwischen als Magier angesehenen Wissenschaftler zitierte. Der Vorwurf der Magie war sehr weit gefasst und könnte gegen heidnische Literatur verwendet worden sein.[72]
Die Verbrennung von Zauberbüchern durch Christen geht nach Speyer auf eine Passage in der Apostelgeschichte zurück. [73] Dabei wird erzählt, wie Paulus Dämonen austrieb, um Kranke zu heilen. Er war dabei erfolgreicher als die „Söhne eines jüdischen Hohenpriesters Skeva“, die als „umherziehende jüdische Beschwörer“ bezeichnet werden.[74] Nach dem Triumph von Paulus in der Stadt: „Viele aber von denen, die gläubig geworden waren, kamen und bekannten und verkündeten ihre Taten. Viele aber von denen, welche vorwitzige Künste getrieben hatten, trugen die Bücher zusammen und verbrannten sie vor allen; und sie berechneten den Wert derselben und fanden ihn zu fünfzigtausend Stück Silber.“ (Apg 19,18-19). In dieser Passage kann man nur aus dem Kontext vermuten, dass Bücher mit Zaubersprüchen gemeint sind.[75] Die laut der Überlieferung große Menge der hier vernichteten Bücher macht entweder die Passage unglaubwürdig oder erlaubt den Schluss, dass es sich keineswegs nur um Zauberbücher im heutigen Sinne gehandelt hat. Abgesehen von dieser Bibelstelle gibt es erst wieder ab dem 4. Jahrhundert Nachweise für die Verbrennung von „Zauberbüchern“ im Rahmen christlicher Bekehrung.
Von ca. 350 bis ins Mittelalter hinein gibt es einige Schilderungen, dass der Besitz von „Zauberbüchern“ lebensgefährlich war, sie gezielt gesucht und vernichtet wurden. Es gibt zumindest einen Beleg für die Tötung eines ihrer Besitzer in der Zeit um 350–400:
„In dieser Zeit wurde mit größter Strenge gegen die Besitzer von Zauberbüchern vorgegangen. Von Johannes Chrysostomos erfahren wir, dass Soldaten seine Heimatstadt Antiochien am Orontes genau nach magischen Schriften durchsuchten. Als er selbst zu dieser Zeit mit seinem Freund am Orontes entlangging, sahen sie einen Gegenstand auf dem Fluss schwimmen. Sie zogen ihn heraus und erkannten, dass sie ein verbotenes Zauberbuch in Händen hielten. Im selben Augenblick zeigten sich in ihrer Nähe Soldaten. Doch es gelang ihnen noch, das Buch unbemerkt im Gewand zu verstecken und es wenig später wieder in den Fluss zu werfen. So entgingen sie der Lebensgefahr. Wie Chrysostomos weiter berichtet, hatte ein Besitzer eines Zauberbuches dieses aus Angst vor den Verfolgern in den Fluss geworfen. Er wurde dabei beobachtet, der Zauberei überführt und mit dem Tode bestraft.“
Außer Ammianus gibt es offenbar noch weitere Quellen, wonach zu dieser Zeit zum Auffinden heidnischer Bücher auch Hausdurchsuchungen durchgeführt wurden, wobei es sich hierbei um „Ritualbücher“ gehandelt haben könnte. [76] Etwa 100 Jahre später (487 bis 492) gibt es einen weiteren Bericht von Hausdurchsuchungen. Studenten in Beirut fanden bei einem „Johannes mit dem Beinamen ‚Walker‘ aus dem ägyptischen Theben“ Zauberbücher. Er hatte sie dann selbst verbrannt und wurde gezwungen, die Namen von anderen Besitzern anzugeben. Daraufhin begannen die Studenten „unterstützt vom Bischof und der weltlichen Obrigkeit“, eine größere Suchaktion. Sie fanden bei anderen Studenten und einigen namhaften Personen derartige Bücher und verbrannten sie vor der Kirche.[77]
In einem Gesetz der Spätantike wurden seit 409 „Mathematiker“ verpflichtet, „ihre Bücher vor den Augen der Bischöfe zu verbrennen, andernfalls seien sie aus Rom und allen Gemeinden zu vertreiben.“[78] Üblicherweise wurden Mathematiker in der Spätantike mit Astrologen gleichgesetzt. Dies erscheint aber nicht zwingend. Unter Mathematik verstand die Antike wesentliche Teile der klassischen Wissenschaften. Nur im einfachen Sprachgebrauch wurden darunter Astrologen (Sterndeuter) verstanden.[79] Die Umsetzung dieses Verbots könnte sich, wie bei allen gegen die Heiden gerichteten Gesetzen, allerdings schwierig gestaltet haben.
Im Jahre 529 ließ Kaiser Justinian die Akademie von Athen schließen. Im Jahre 546 erließ er ein Lehrverbot für Heiden und ließ heidnische „Grammatiker, Rhetoren, Ärzte und Juristen“ verfolgen und 562 „heidnische Bücher“ öffentlich verbrennen. [80] Die Reihenfolge dieser Ereignisse könnte darauf hindeuten, dass die heidnischen Bücher im Zuge der Verfolgung von Heiden gefunden wurden („Vernichtungs- und Duldungsphase“). Explizit sind Verfolgungen von Zauberbüchern nur aus dem Osten belegt, wobei die Überlieferungslage im Westen insgesamt ungleich dürftiger ist.
Religiös motivierte Gewalt
Es gibt zahlreiche Belege religiös motivierter Gewalt in der Spätantike, so schilderte um 380 Libanios, der freilich als Heide nicht unbefangen war, in einem Brief an Kaiser Theodosius I. extreme Zerstörungswut an heidnischen Tempeln durch „Banden schwarz gekleideter Mönche“.[81] Antike Statuen mit abgeschlagener Nase, wie man sie heutzutage ausgestellt sieht, wurden nahezu sicher in der Spätantike von Christen demoliert, in der Mehrzahl um 400.[82]
In seinem Buch zu christlichem Fanatismus in der Spätantike verortet Sauer zerstörte heidnische Tempel sowie Zerstörungen von Kulturgütern (Ikonoklasmus)[83] vor allem im Westen. Dies könnte darauf zurückgeführt werden, dass hier (vor allem in Deutschland) die Ausgrabungen zahlreicher und sorgfältiger waren. Letzteres war entscheidend, um aus Beifunden wie Münzen den ungefähren Zeitraum der Zerstörung der Tempel zu ermitteln. Sauer sieht in dieser Art von Zerstörungen eine Parallele zu modernen Erscheinungsformen des Fundamentalismus.[84] Seiner Meinung nach waren sie exzessiv und umfassten das ganze Reich:
„There can be no doubt on the basis of the written and archaeological evidence that the Christianisation of the Roman Empire and early medieval Europe involved the destruction of works of art on a scale never before seen in human history“
„Auf der Grundlage des literarischen und archäologischen Befundes kann es keinen Zweifel geben, dass die Christianisierung des Römischen Reiches und des frühmittelalterlichen Europa an der Zerstörung von Kunstwerken in einem Ausmaß beteiligt war, wie man es in der Geschichte der Menschheit nie zuvor sah.“
Es gibt vereinzelte archäologische Zeugnisse, dass Tempelzerstörungen mit grausamen Hinrichtungen einhergingen. In dem mit Felsen verschlossenen und zugeschütteten Mithrastempel von Sarrebourg fand man schon 1905 das Skelett eines schmächtigen Mannes mit hinter dem Rücken gefesselten Händen, der offenbar lebendig begraben worden war.[85] Ein weiterer Fund in einem Mithrastempel deutet zusätzlich auf eine Pfählung hin.[86] Ein Forschungsprogramm am nationalen Gesundheitsamt der USA brachte im anthropologischen Vergleich die Anwendung von Gewalt in den Zusammenhang sexueller Enthaltsamkeit.[87]
Der Umfang an religiös motivierter Gewalt wird indes relativiert durch eindeutige Belege darüber, dass anders als die „radikalen Christen“, die heidnische Bildung insgesamt ablehnten, viele tolerante Christen heidnische Kultur und Glauben in Einklang bringen wollten.[88] Extreme Gewalt ging von beiden Seiten aus: In Alexandria kam es 391 zu Straßenkämpfen, als Christen von Heiden gekreuzigt wurden, und in Apameia in Syrien wurde der Ortsbischof Markellos von Heiden verbrannt.[89] Von christlichen Autoren werden ausschließlich christliche Märtyrer als Opfer heidnischen Terrors stilisiert, was propagandistisch motiviert gewesen sein mag, um das Christentum als friedfertige Bewegung zu präsentieren. Neueste Survey- und Datenbankforschungen zum Umfang von Tempelzerstörungen bestätigen das Bild einer nachhaltigen Zerstörung für heidnische Gebäude auch im Osten des Reiches, wenngleich nicht als Konsequenz einer systematischen Verfolgung, so doch in der Summe der allerorts auftretenden lokalen Religionskämpfe.[90] Heidnische Gebäude wurden oft zerstört, um Baumaterial für christliche Neubauten zu gewinnen.
Endzeiterwartungen
Der Untergang Roms, die Eroberung des Reichs durch Barbaren wurde von manchen Zeitgenossen als apokalyptisch wie ein Weltuntergang empfunden. Es gibt keinen Hinweis, dass dieses Ereignis (oder noch schlimmere im 6. Jahrhundert) als Rache an Rom für die Hinrichtung von Jesus Christus oder ähnlichem interpretiert wurde. Die heutige Interpretation der Bibel war im wesentlichen auch die damalige und ließ dies nicht zu.
Relevanter ist allerdings der Endzeitgedanke des NT, der dem des AT durchaus ähnelt. Im AT musste der jüdische Staat erst in höchste Not geraten, ehe Gott seine Himmlischen Heerscharen schickte, um das Reich Gottes auf Erden zu errichten.[91] Auch im NT muss sich erst eine große Katastrophe ereignen, bevor das Paradies auf Erden kommt und die Geschichte der Menschheit sich erfüllt. So lautet die Prophezeiung in der Apokalypse des Johannes. Der Glaube an das nahe bevorstehende katastrophale Ende der Welt durchzieht das ganze Mittelalter.
Unwahrscheinlich ist, dass für einzelne Personen der Spätantike dies eine Motivation gewesen sein könnte, Literatur zu vernichten. Es bestand die Möglichkeit zum Trost in der Misere, wenn späteren Generationen dafür ein viel besseres Leben sicher ist.[92] In allen Glaubeninterpretationen des Christentums ist es aber strikt verboten, durch irgendwelche Taten Gott direkt zum Handeln zu provozieren. Ebenso verboten sind alle vermeidbaren Handlungen, die andere Christen in Gefahr bringen. Diesem Ethos zufolge ist es unwahrscheinlich, dass Endzeiterwartungen Christen zu Büchervernichtungen motiviert haben könnten.
Bildung in den „Dunklen Jahrhunderten“
Der Verlust antiker Titel sowie des öffentlichen Zugangs zur Literatur hatte sicherlich unmittelbare Auswirkung auf den Bildungstand der Gesamtbevölkerung, wie auch das rückläufige Interesse an klassischer Bildung für den Verlust selbst mitverantwortlich ist.
Die antike Welt hatte wahrscheinlich einen relativ hohen Alphabetisierungsgrad. Plinius schrieb seine Enzyklopädie ausdrücklich für Bauern. Papyrusfunde aus Ägypten bestätigen, dass auch arme Bauern in den Provinzen offenbar lesen und schreiben konnten. Ein Grabstein, gefunden in Bayern, gesetzt von einem Sklaven für einen Sklaven, deutet sogar auf Alphabetisierung ländlicher Sklaven in den Provinzen. Für städtische Sklaven war dies schon länger belegt. Johannes Chrysostomos schrieb eine Schrift gegen die Heiden, wobei er als Zielgruppe ebenfalls die Unterschicht benannte, wahrscheinlich war dieser Text allerdings zum mündlichen Vortrag, etwa im Gottesdienst, gedacht.
Seit dem späten 4. Jahrhundert wurden Heiden zunehmend aus dem Bildungsbetrieb zurückgedrängt. Julian Apostata hatte 362 durch das Rhetorenedikt noch versucht, die Christen vom Lehrbetrieb faktisch auszuschließen. Dieser staatliche Eingriff schlug später auf die Heiden zurück. Die Bewahrung heidnischer Traditionen konzentrierte sich im Westen auf die entmachtete stadtrömische Senatsaristokratie (sog. „Symmachus-Kreis“).
Aus der christlichen apologetischen Literatur ist zu entnehmen, dass das Argument heidnischer kultureller und literarischer Überlegenheit in der christlich-heidnischen Auseinandersetzung eines der gewichtigsten war, die letzte Waffe im Kampf beider Religionen.[93] Spätantike christliche Literaten hatten zu Anfang des 5. Jahrhunderts Zugang zu heidnischer Literatur (z.B. Porphyrius, dessen Werke auf christlichen Befehl 448 vernichtet wurden) Augustinus von Hippo (354-430) argumentierte zwar für den Erhalt des heidnischen Schrifttums; aber im Prinzip nur verschlossen in einer Bibliothek, denn er wollte es weder verbreitet noch gelehrt sehen. Er sprach sich gegen die Lehre der ars grammatica und alles, was dazu gehört, aus. Nur kirchliche Schriften seien zu benutzen.[94]
Papst Gregor der Große (540-604) nahm eine deutlich negative Haltung zur antiken Bildung ein. Er vermied strikt antike Zitate.[95] Ebenso Isidor von Sevilla, der in seinen Regeln für das Mönchstum warnte, nur sehr gefestigten Schülern dürfe erlaubt sein, heidnische Schriften zu lesen. Hagendahl: Man fühlt sich nach Cassiodor, sagt Manitius, „in eine andere Welt versetzt: Mystik, Aberglaube und Wundersucht überwuchern jetzt die früher oft so logische und sachgemäße Darstellung“.[96] Allerdings wird der Umgang mit heidnischer Literatur von christlichen Literaten kontrovers beurteilt. Spätestens seit 400 gab es eine deutliche Tendenz christlicher Apologeten, klassisch-heidnische sowie neuplatonische Ansätze in das christliche Weltbild zu integrieren, soweit sie mit diesem nicht völlig unvereinbar waren. Dies bezog sich besonders auf Autoren, die bereits in der Antike eine herausragende Bedeutung besaßen und im Idealfall als Vordenker für das Christentum interpretiert werden konnten (etwa Cicero und Seneca).
Als Folge der Zurückdrängung von Heiden sowie der Barbareneinfälle und des damit verbundenen Verlustes städtischer Strukturen konnte vermutlich auch der Klerus den Alphabetisierungsgrad nicht halten. Cassiodor schrieb ein Lehrbuch zur antiken Grammatik, dessen Zielgruppe seine Mönche waren. Lowe: „Von den Regeln der Orthographie und Grammatik, die er niederlegte, kann man ermessen, wie tief die Gelehrsamkeit zu seiner Zeit bereits abgesunken war.“[97]
Die Briefe des Bonifatius, in denen er den Bildungsnotstand des Klerus zu seiner Zeit beklagt, zeigen, dass ein langsamer Verfall stattgefunden haben muss, der sich über viele Generationen erstreckte. Alkuin bemühte sich, den Bildungsstand im karolingischen Reich zu heben. Der Ausgangspunkt dieser Bestrebungen, der fundamentale Bildungsverlust, indiziert ebenfalls eine sehr langfristige Entwicklung, die bereits im 5. Jahrhundert eingesetzt haben muss.[98] Zur Zeit Isidors wurde ein Gesetz erlassen, das Analphabeten vom Amt des Bischofs ausschloss – dem höchsten Amt, das die Kirche damals zu vergeben hatte. Dies deutet darauf hin, dass in der Schicht der Aristokratie, aus der sich die Bischöfe in Westrom rekrutierten, ein signifikanter Bildungsverfall eingetreten war. Das genannte Gesetz hat ausweislich der Briefe des Bonifatius keine besondere Tragweite gehabt.
Nicht wenige Klosterinsassen des Mittelalters waren zumindest auf dem Kontinent Analphabeten. Selbst manche Schreiber von Codices malten nur das textliche Bild der Vorlage ab.[99] Dies hatte aber auch den Vorteil, dass die Kopien dieser Zeit sehr originalgetreu sind – man wagte nicht, die Vorlage zu „verbessern“. Es ist vor allem der Kopiertätigkeit der Mönche zu verdanken, dass nicht ein noch größerer Teil der antiken Literatur verloren gegangen ist.
Aus dem 16. und 17. Jahrhundert zurückrechnend kommt man für den Beginn des Spätmittelalters (um 1250) auf einen Alphabetisierungsgrad in Kontinentaleuropa von etwa 1 %.[100] Grob geschätzt bedeutet dies: Die 90 % Landbevölkerung waren Analphabeten, von den 10 % Stadtbevölkerung waren es dann wiederum nur 10 %, die lesen und schreiben konnten (in Skandinavien war dies die Saga-Zeit mit sehr hohem Alphabetisierungsgrad). Das Mittelalter zeigte von 700 bis 1500 aber Hinweise für eine ständige Zunahme der Schriftlichkeit.
Obwohl es auch im lateinischen Westen des 7. und 8. Jahrhunderts einzelne Belege literarischer Produktion gibt, setzt diese im Frankenreich erst seit der Karolingischen Renaissance wieder vermehrt ein: Spätestens im 9. Jahrhundert scheint ein Schulkanon für die höhere Bildung entstanden zu sein, wobei im Bereich der Grammatik (der in den artes liberales eine bevorzugte Stellung zukam) vor allem die Schriften Priscians und des Aelius Donatus gelesen wurden. In der Karolingerzeit entstanden einige große wissenschaftliche Zusammenfassungen (siehe Hrabanus Maurus), die aber generell stark theologisch-philosophisch geprägt waren. Erst im späten 10./frühen 11. Jahrhundert wurden im naturwissenschaftlichen Bereich größere Fortschritte erzielt, auch beeinflusst vom arabischen Wissen.[101]
Die Islamische Expansion führte zwar einerseits zum Verlust an Buchbeständen infolge militärischer Kollateralschäden, andererseits ist in den nun eroberten ehemaligen Randgebieten des Reiches, etwa Palästina und Syrien, anders als im lateinischen Westen eine weitgehende kulturelle Kontinuität zu beobachten. Das Interesse der Araber an griechischer nichtchristlicher Literatur war groß, einige Texte (z.B. von Aristoteles und seinen Schülern) sind nur über diesen Weg in die Neuzeit überliefert worden.[102] In jüngerer Zeit wurde auch im arabischen Raum die Büchervernichtung während der Spätantike mit den Grundlagen des Christentums in Verbindung gebracht.[103]
Für den byzantinischen Raum widerspricht besonders die Suda, ein um 970 kompiliertes Lexikon mit Referenzen auf heute verlorene Werke, dem für den lateinischen Westen anzunehmenden eingetretenen Verlust heidnischer Papyrustexte um 500. Es ist jedoch möglich, dass die Autoren der Suda selbst nur noch auf Sekundärreferenzen, bereits früher kompilierte Lexika, zurückgriffen und ihnen zumindest ein Teil der erwähnten Texte nicht mehr vorlag.
Glossar
Das Buch
Der Begriff „Buch“ ist in der Überlieferung nicht immer eindeutig. Erst aus dem Kontext kann man schließen oder vermuten, ob eine Rolle oder ein Codex gemeint ist. Allgemein gilt ein Buch als ein Titel und ein Band. Dies ist heute üblich, galt aber nicht für den Codex vor 1500. Ein physisches Buch wird im Deutschen als Band bezeichnet, dies muss aber nicht für das englische „Volume“ gelten.
Die Rolle
Die Rolle war in der Antike ein Buch mit literarischem Inhalt (im Gegensatz zu Urkunde oder Brief) aus Papyrus und meist einseitig beschrieben. In etwa kann man eine Rolle mit einem Titel gleichsetzen (s.u.). Am wichtigsten für statistische Angaben sind die Rollen von Oxyrhynchos. Die Buchrollen unter den Funden von Oxyrhynchos stammen vom 1. bis zum 7. Jahrhundert. Der Datensatz betrifft daher fast nur das 1. bis 4. Jahrhundert. Er reicht nicht vor das 1. Jahrhundert, da die lokalen Bedingungen, wahrscheinlich die in Tiefe zunehmende Bodenfeuchte, das tiefere, ältere Material, vernichtet haben.
Nach den Daten von W.A. Johnson (1992) betrug die durchschnittliche Länge 10.3 m. Dies ist jedoch eine Hochrechnung von Fragmenten, beeinflusst auch durch einige vermutlich große Rollen (19 bis 29 m) Herodot, Platon und Thukydides. Die Existenz solch großer Rollen scheint andernorts belegt. Axon erwähnt eine 120 Fuß (40 m) lange Homer–Rolle, geschrieben mit Goldbuchstaben, als Bestand der Palastbibliothek von Konstantinopel um 400.[104] Vermutlich war es ein immer ausgebreitet präsentiertes Ausstellungsstück aus einer heidnischen Schule oder Bibliothek.
Hagedorn schätzt die durchschnittliche Rolle auf 3 bis 4 m, glaubt aber, „Rollen von 10 m Länge dürften keine Seltenheit gewesen sein.“ Pöhlmann kommt von Literaturrecherchen auf einen Wert von 6 bis 11 m.[105] Vielleicht kann man von einer durchschnittlichen Länge der Buchrolle von 6 bis 8 m ausgehen. Besonders relevant ist dieser Wert aber nur zur Berechnung der Bestände von Schränken in Wandnischen, wenn nur noch diese Gemäuerüberreste von einer antiken Bibliothek vorhanden sind.
Wichtiger ist die durchschnittliche Anzahl der Buchstaben pro Rolle. Sie betrug bei Johnsons Datensatz von Oxyrhynchos 83.300 pro Rolle. Werte von 150.000 scheinen für 10 bis 12 m lange Rollen großer Werke, etwa Herodot, noch üblich gewesen zu sein. Die durchschnittliche Buchstabenbreite betrug 3,3 mm, konnte aber auch von 5 bis unter 2 mm reichen. Die Anzahl der Buchstaben pro Rolle ist daher unabhängig von der durchschnittlichen Größe der Rolle.
Axon stellte eine Statistik von 14 Werken von 7 überlieferten berühmten lateinischen Autoren auf. Sie sind zwar nur als Codex überliefert, da sich aber die Werke in Rollen („Bücher“, „Volumes“) unterteilten, kann man gut auf die Anzahl der Rollen schließen. Es waren insgesamt 141 Rollen mit zusammen 7.755.903 Buchstaben. Axon erhielt so einen Durchschnittswert von 53.860 Buchstaben pro Rolle. Die Vermutung liegt nahe, dass die Römer, wohlhabender und praktischer veranlagt als die Ägypter, etwas kleinere Rollen bevorzugt haben. Im folgenden wird der Wert von Oxyrhynchos mit 83.300 Buchstaben pro Rolle verwendet, da er auf einem größeren Datensatz beruht.
Der Codex
Der Codex, der unseren heutigen Büchern ähnelt, war bereits im 1. Jahrhundert in Rom auch für triviale Literatur üblich. [106] Meist aus Pergament war der Codex mitunter handlicher, aber immer teurer als die Papyrus-Rolle. Codices mit Papyrusseiten waren ebenfalls üblich. Die meisten antiken Codices sind durch Funde aus Ägypten bekannt und enthielten vom Umfang her etwa 4 Papyrus-Rollen. Allerdings änderte sich die Größe des Codex in drastischer Weise in der Spätantike.
Bis zum 3. Jahrhundert ist kein Codex bekannt, der mehr als 300 Seiten (150 Blätter) gehabt hätte, die meisten hatten weniger. Aus dem 5. Jahrhundert sind Codices überliefert, die mindestens 638, 1460, 1600 und 1640 Seiten hatten. Ulpians 35 Rollen „Ars Edictum“ fanden sich zu der Zeit in 3 Codices zu je 14, 11 und 7 Rollen. Gregor der Große erwähnt, er habe in 6 Codices den Text von 35 Rollen untergebracht.[107] Roberts und Skeat rechnen bis Ende der Spätantike mit durchschnittlich 6 Rollen pro Codex.[108] Die großen Codices der Spätantike waren aber unhandliche, überformatige Monstren von 10 bis 20 kg Gewicht. Ein Wert von 4 Rollen pro Codex passt weitaus besser zum lateinisch-mittelalterlichen Codex, der um 800 auch etwa diese Textmenge (4 × 83.300) und Titelzahl umfasste. Gegen Ende des Mittelalters könnte sich beim Übergang vom Pergament zum billigeren Papier die Titelzahl weiter verringert haben. Mit der Verbreitung des Buchdrucks war nur noch ein Titel üblich. Der Begriff Codex sollte eher handschriftlichen Büchern vorbehalten sein. Es gab sie noch bis ins 18. Jahrhundert, da das Kopieren einzelner Bücher deutlich billiger war als eine Auflage im Druck.
Titelzahl bei Rolle und Codex
In der Antike sehr verbreitete große Werke enthielten einige Rollen pro Titel. Die lateinische Aufstellung Axons (s.o.), die er für repräsentativ hält, kam bei 14 Titeln (Werken) auf durchschnittlich 10 Rollen pro Titel. Allerdings bezieht sich dieser Wert nur auf überlieferte Bücher. Aus der Antike selbst gibt es für die Zeit um 235 v. Chr. eine deutliche Aussage. Demnach enthielt die Bibliothek von Alexandria damals von 490.000 Rollen 400.000 (81,6 %) mit „gemischtem Inhalt“. [109] Damit könnten nicht nur mehrere Titel, sondern sogar mehrere Autoren pro Rolle gemeint sein. Mehrere Titel auf einer Rolle könnte auch auf ungewöhnlich große Rollen in der Anfangszeit der Bibliothek hindeuten. Unsere Daten zur Größe der Rollen stammen vor allem aus der wirtschaftlich besseren, pragmatischeren römisch-kaiserzeitlichen Periode. Sieht man die Rollengröße der alten griechischen Klassiker (Homer, Herodot, usw.) im Verhältnis zu den Werten von Oxyrhynchos oder der Lateiner-Statistik von Axon, so zeigt dies eine Verringerung der durchschnittliche Größe der Rolle. Dies würde eher auf nur einen Titel pro Rolle führen.
Wie lässt sich die Diskrepanz zwischen dem antiken Wert von einer Rolle pro Titel zu dem überlieferten Bestand von im Mittel 10 Rollen pro Titel erklären? Es könnte mit der Überlieferung durch große spätantike Codices zu tun haben. Die Editionen um 400 werden die berühmtesten (erlaubten) Werke ihrer Zeit enthalten haben. Dies waren vor allem große Werke von Plinius, Livius und Aulus Gellius mit 37, 35 und 20 Rollen. Die 3 Titel von Tacitus, die je eine Rolle umfassen, wurden wohl nur überliefert, weil sie mit den Annales (12 Rollen) und Historia (5) in einem Codex zusammengefasst waren. Bei einer personenbezogenen Titelauswahl mit Neigung zu den berühmtesten und damit meist größten Werken ist beim so erhaltenen Corpus ein deutliches Anwachsen der Rollenzahl pro Titel zu erwarten.
Interessant ist dazu die Feststellung von J. O. Ward. Demnach war das im Mittelalter zirkulierende Medium nicht der Codex, der heute in der Bibliothek steht, sondern das „Booklet“. Es war vom Umfang her nicht größer als 1 bis 2 Rollen. Mehrere Booklets wurden dann im Mittelalter, meist sogar später, zu Codices zusammengebunden. [110] Da ein zirkulierendes Booklet mindestens einen Titel umfassen musste, scheint die typische Titelgröße auch im Mittelalter bei 1 bis 2 Rollen gelegen zu haben. Die Größe eines durchschnittlichen Werkes, eines Titels, vor der Zeit des Buchdrucks, war daher eher im Bereich eines größeren Zeitschriftenartikels und nicht dem eines heutigen Buches. Die Gleichsetzung eines Titels mit einer Rolle dürfte für die Antike zumindest die Größenordnung sicher treffen.
Häufigkeit von Zauberbüchern
Unter einem Zauberbuch versteht man heute ein Grimoire. Sie enthalten angeblich geheimes Wissen über Magie, Dämonen und Hexerei. Typisch sind Sammlungen von Zaubersprüchen, Anleitungen für Rituale oder zur Herstellung von nicht funktionierenden Wundermitteln.[111]
Von solchen Büchern streng zu trennen sind Notizen, die im Rahmen von Ritualen geschrieben wurden. Sie enthalten Bittgesuche an Götter, Beschwörungen oder Verfluchungen. Solche Notizen auf Blei, Stein, Holz oder Papyrus sind zu Hunderten gefunden worden. Ebenfalls nicht unter Zauberbücher fallen einzelne kurze magische Texte wie Rezepte zu jeweils einem Ritual.
Aus dem Vorhandensein von Zauberbüchern in der Überlieferung oder in einzelnen Papyrusfunden lässt sich wenig über die Häufigkeit aussagen.[112]
Die Papyrusfunde von Oxyrhynchus sind aber aus einer Zeit, in der es kaum oder keine Verfolgung von Zauberbüchern gab. Da sie aus einer Müllhalde stammen, zeigen sie wahrscheinlich einen Querschnitt der damals gebrauchten Bücher, wobei allerdings Verwaltungstexte überrepräsentiert sein könnten. Der Themenvergleich mit den Titeln des Varro (s. o.) unterstützt diese Vermutung.
Die Studie von Julian Krüger[113] über die Literaturrezeption in Oxyrhynchos präsentiert auf Seite 227 bis 245 Inhaltsangaben zu 1485 Papyrustexten.[114]
Davon sind nur 14 mit Zauberei verbunden:
- PSI 1290 Initiationritus zu Mysterien
- P. Oxy. 1380 Anrufung der Isis
- P. Oxy. 1381 Preisung des Imuthes-Asklepios
- P. Oxy. 885 Abhandlung über Divination (Wahrsagen)
- P. Oxy. 2332 Töpferorakel
- P. Oxy. 886 Magischer Text
- P. Oxy. 887 Magischer Text
- P. Harr. 55 Magischer Text
- P. Laur. 123 Magischer Text
- P. Oxy. 658 Heidnisches Opfer
- P. Oxy. inv. 50 4B 23/I(1–3)b Liebeszauber
- P. Oxy. 2753 "Magische Sprüche
- PSI 29 Magische Sprüche
- P. Osl. 76 Über Divination (Wahrsagen)
Diese 14 wären weniger als 1 % der Gesamtmenge. Bei nährer Betrachtung dürften die meisten aber einfache Bitt- oder Beschwörungsnotizen sein. Selbst Nr. 1, 4, 5 und 14 scheinen höchstens Einzelthemen, aber keine Sammlungen zu sein. Zählt man sie dennoch als Zauberbücher, so kommt man auf einen Anteil von 0,3 % an der Gesamtsammlung. Dies zeigt, dass der Anteil der Zauberbücher unter den Büchern der Antike sehr gering war. Wahrscheinlich eher eines von Tausend als eines von Hundert.
Siehe auch
Literatur
- Michael von Albrecht: Geschichte der römischen Literatur. Bd. I und II. München 1997.
- William E. A. Axon: On the Extent of Ancient Libraries. In: Transactions of the Royal Society of Literature of the United Kingdom. Second Series, Vol. X., London 1874. S. 383–405.
- Robert Barnes: Cloistered Bookworms in the Chicken-Coop of the Muses. The Ancient Library of Alexandria. In: Roy MacLeod (Hrsg.): The Library of Alexandria. London 2000.
- Karl Christ, Anton Kern: Das Mittelalter. In Georg Leyh (Hrsg.): Handbuch der Bibliothekswissenschaft, Band 3,1, Geschichte der Bibliotheken, Bd. 1. Wiesbaden 1955.
- Mostafa El-Abbadi: Life and Fate of the ancient Library of Alexandria. 2ed. Paris 1992.
- Hans Gerstinger: Bestand und Ueberlieferung. Graz 1948.
- Angelika Haese: Mittelalterliche Bücherverzeichnisse aus Kloster Lorsch. Wiesbaden 2002.
- Dieter Hagedorn: Papyrologie. In: H.-G. Nesselrath: Einleitung in die griechische Philologie. 1997.
- Michael H. Harris: A History of Libraries in the Western World. London 1995.
- George W. Houston: A Revisionary Note on Ammianus Marcellinus 14.6.18: When did the Public Libraries of Ancient Rome close?. In: Library Quarterly, Bd. 58 (1959), Nr. 2, S. 258–264.
- Wolfram Hoepfner: Antike Bibliotheken. Mainz 2002.
- Herbert Hunger: Geschichte der Textüberlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur. Bd. 1.: Antikes und mittelalterliches Buch- und Schriftwesen. Zürich 1961.
- Elmer D. Johnson: A History of Libraries in the Western World. London 1965.
- William A. Johnson: The Literary Papyrus Roll. Yale 1992.
- Robert A. Kaster: Geschichte der Philologie in Rom. In: F. Graf, (Hg.): Einleitung in die lateinische Philologie. Stuttgart 1997.
- Manfred Landfester: Geschichte der antiken Texte. Werklexikon. Der Neue Pauly Supplemente 2. Stuttgart 2007.
- Max Manitius: Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, Bd. I, München (1911)
- Fritz Milkau, Georg Leyh (Hrg.), Handbuch der Bibliothekswissenschaft. 2. Aufl. Wiesbaden 1952–1961.
- Edward A. Parsons: The Alexandrian library. Glory of the Hellenic world. Its rise, antiquities, and destructions. 1952.
- Egert Pöhlmann: Einfuehrung in die Ueberlieferungsgeschichte und in die Textkritik der antiken Literatur. 1994.
- Encyclopedia of Library History. New York 1994.
- Leighton D. Reynolds (Hrsg.): Texts and Transmission. Oxford 1983.
- Leighton D. Reynolds und Nigel G. Wilson: Scribes and Scholars. A Guide to the Transmission of Greek and Latin Literature. 3rd Ed. Oxford 1991.
- Colin H. Roberts, Theodore C. Skeat: The Birth of the Codex. London 1983
- Eberhard Sauer: The archaeology of religious hatred in the Roman and early Medieval world. Stroud & Charleston 2003.
- Wolfgang Speyer: Büchervernichtung und Zensur des Geistes bei Heiden, Juden und Christen. Stuttgart 1981.
- John O. Ward: Alexandria and its Medieaval Legacy. The Book, the Monk and the Rose. In Roy MacLeod (Hrsg.): The Library of Alexandria. London 2000.
- Edward J. Watts: City and School in Late Antique Athens and Alexandria. Berkeley 2006.
Anmerkungen
- ↑ Gerstinger (1948).
- ↑ Although much Greek literature has been preserved, the amount actually brought down to modern times is probably less than 10% of all that was written „Obwohl viel an griechischer Literatur überliefert worden ist, beträgt der Anteil dessen, was tatsächlich bis in die Neuzeit erhalten geblieben ist, weniger als 10% von dem, was geschrieben wurde.“ (Johnson 1965). Das gleiche Buch bekam von einem neuen Autor 30 Jahre später eine bedeutende Veränderung dieser Textstelle: Why do we know so little about Greek libraries when such a relatively large amount of classic Greek literature has been preserved? It is estimated that perhaps ten percent of the major Greek classical writings have survived. „Warum wissen wir so wenig über die griechischen Bibliotheken, wenn ein solch relativ großer Bestand der klassischen griechischen Literatur überliefert wurde? Man schätzt, dass knapp 10% der größeren klassisch-griechischen Schriften überlebt hat.“ (Harris, 1995, S. 51). Harris’ Schätzung bezieht sich nun nur noch auf die „major“ („größeren“) Schriften, ohne diese näher zu bestimmen. Im Kontext mit dem vorangegangen Satz müssen die meisten Leser den Eindruck bekommen, als seien mehr als 10% der gesamten Literatur überliefert.
- ↑ So die überlieferten Bestandszahlen beim Tod des Bibliotheksvorstehers Kallimachos (ca. 240–235 v. Chr. nach Parsons) bis zum Besuch Caesars in Parsons (1952).
- ↑ Die große Bibliothek existierte damals wahrscheinlich noch, von Caesar wurde sie jedenfalls nach heutigem Stand der Forschung nicht zerstört, vgl. Sylwia Kaminska, in: Hoepfner (2002). Dem caesarkritische Geschichtsschreiber Cassius Dio zufolge vernichtete das Feuer nur Warenhäuser am Hafen, die Getreide und Bücher enthielten. Dies ist auch das Ergebnis der Analyse von Barnes (2000) und der umfangreichen Quellenkritik von Parsons (1952). Das Museion, das Gebäude der Bibliothek, ist bis um 380 nachgewiesen, so Mostafa El-Abbadi (1992; siehe unten).
- ↑ Schätzung von Parsons (1952). Der Kleine Pauly schätzt unter dem Stichwort Alexandria ohne Begründung nur 900.000. Es ist möglich, dass eine Rückgang bereits während der so genannten „Krise des 3. Jahrhunderts.“ eingetreten sein könnte und daher die Produktion nicht linear war, allerdings wird der Umfang dieser Krise in der jüngeren Forschung relativiert. Etwa Christian Witschel: Krise-Rezession-Stagnation? Der Westen des römischen Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr. Frankfurt am Main 1999.
- ↑ Für die frühe Kaiserzeit kann vermutet werden, dass es für Autoren eine Ehre war, in den großen Bibliotheken vertreten zu sein.
- ↑ Codex Theodosianus 14,9,2; Zonaras 14,2.
- ↑ Zur Palastbibliothek von Konstantinopel siehe Pöhlmann (1994). Die Schätzung von 100 bei Cassiodor beruht auf der Titelliste von Franz und Mynors (siehe unten) sowie etwa 4 Titeln pro Codex, was eher typisch um 800 war. Die Codices im 5. Jahrhundert waren aber meist deutlich größer als um 800. Daher könnte die Verlustrate bei Titeln in diesem Beispiel sogar die 10.000 erreichen.
- ↑ Da die meisten Codices nur als Fragmente erhalten sind fehlt meist die Seite mit diesem Eintrag. Die erhaltenen Einträge (beginnend im späten 4. Jh.) zeigen aber auf die Zeit nach 400. Da fast alle heute (in Fragmenten) existierenden Handschriften aus der Zeit nach 400 stammen, kann man schließen, dass die überlieferten Codices diesen Eintrag hatten.
- ↑ „Schließlich verteidigt dies auch meine Bibliothek, welcher die gleichen Männer [heidenfeindliche Christen] zum Vorwurf machen, dass sie unbearbeitete Abschriften enthält. Diese verachtenswerten Gesellen haben nicht einmal von Dingen wie diesen ihre Hände gelassen.“ Brief 154 des Synesius von Cyrene an Hypatia, zitiert nach Geocities (englisch).
- ↑ Eine Rolle mit 83.300 Zeichen benötigt bei 1 Zeichen pro Sekunde etwa 23 Stunden Schreibzeit. Zusammen mit der Herstellung der Papyrusrolle und einigen Zeichnungen ist das gut innerhalb von 4 Arbeitstagen machbar. Mit 400 Personen (Alexandria hatte nach Diodor (17, 52) über 300.000 Einwohner, mit den Unfreien könnten es über 1 Million gewesen sein [Der Neue Pauly Bd. I, Sp. 464]) wäre ein Auftrag von 40.000 Rollen dann innerhalb von 400 Tagen zu erledigen.
- ↑ Bucheditionen aus Alexandria wurden als besonders hochwertig betrachtet und stellten offenbar ein Handelsprodukt dar. Unter Kaiser Domitian (81–96) konnte der Verlust einer öffentlichen Bibliothek in Rom mit einer Lieferung aus Alexandria ausgeglichen werden. (Pöhlmann, 1994).
- ↑ Tzetzes, Prolegomena de comoedia Aristophanis 2,10.
- ↑ Etwa Pöhlmann (1994).
- ↑ Die Autoren erwähnen mehrere heute verlorene antike Schriften, die um 600 noch zitiert wurden und schließen daraus: „The bulk of Latin literature was still extant“ („Der Großteil lateinischer Literatur war noch vorhanden“, S. 81). Aus der Existenz einiger älterer Bücher ist auch nicht auf die Fortexistenz des Gros des antiken Bestands zu schließen. Dass die Bibliotheken von Cassiodor und Isidor aber zu etwa 90% uns heute bekannte antike Werke umfasste zeigt, dass der entscheidende Auswahlprozess auf 1 : 1000 bereits vorher geschehen sein dürfte.
- ↑ Reynolds und Wilson (1991) vertreten ausschließlich die Umschreibungs-/ Verrottungsthese, ohne mögliche Alternativansichten zu diskutieren. Sie bezweifeln eine Verbreitung des Codex bereits im 1. Jahrhundert und halten die von Martial erwähnten Codex-Editionen der Klassiker für einen erfolglosen Versuch. Obwohl der archäologische Fund von Teilen eines Pergamentcodex aus Martials Zeit (De Bellis Macedonicis, P. Lit. Lond. 121, von unbekanntem Autor in Latein um AD 100) gerade auf eine frühe Verbreitung hindeutet – auch wenn der deutlich teurere Codex sicher weniger zahlreich war als die Rolle. Die Behauptung, der Codex „may have cost rather less to produce“ („dürfte in der Herstellung eher günstiger gewesen sein als die Papyrusrolle“, S. 35) ist nicht belegt. Papyrusseiten können mit dem aus Papyrus selbst gewonnenen Klebstoff zu beliebig langen Rollen verklebt werden. Wie die Funde von Oxyrhynchus zeigen, war dies sogar Teil der antiken Büroarbeit. Die Arbeit, einen Codex mit Holzdeckeln zu erstellen, ist erheblich umfangreicher. Die Erzeugung einer Pergamentseite aus Schafhaut erfordert viele langwierige Arbeitsschritte und ein vielfaches an technischem Aufwand und an Arbeitszeit gegenüber einer Papyrusseite. Mit Bezug auf Galen (s.u.) wird behauptet eine Papyrusrolle könne bis zu 300 Jahre alt werden (S. 34). Aber Galen erwähnte das Studium einer wahrscheinlich 300 Jahre alten Rolle nur um die Sorgfalt seiner Textedition zu belegen. Er hat das Alter des Papyrus nicht als etwas besonderes erwähnt. Daher kann aus seinem Zitat auch auf ein erreichbares Mindestalter für Rollen geschlossen werden. Die Annahme, die durchschnittliche Lebensdauer der Rollen sei geringer, ist nicht belegt.
- ↑ The durability of both under normal condition is not open to doubt. Many instances of long life of writings on papyrus could be quoted, but this is no longer necessary, since the myth that papyrus is not a durable material has at last been authoritatively and, one would hope, finally refuted by Lewis („Über die Widerstandsfähigkeit beider Materialien unter normalen Bedingungen besteht kein Zweifel. Einzelfälle von Papyri, bei denen die sich die Erhaltung der Schrift als langlebig erwies, könnten hier in großer Zahl angeführt werden, doch ist dies gar nicht mehr notwendig, da der Mythos, dass Papyrus kein widerstandsfähiges Material sei, autoritativ und – zumindest sollte man dies hoffen – endgültig durch Lewis widerlegt worden ist“; op. cit. S. 60-61). (Naphtali Lewis: Papyrus of Classical Antiquity. Oxford 1974.) Aus: Roberts und Skeat (1983), S. 6f.
- ↑ Mit Ausnahme von ca. 10 Codices (deren Datierung um bis zu 80 Jahre schwankt) sind alle heute (in Fragmenten) existierenden Codices aus der Zeit nach 400. Über die verlorenen Codices, die im Westen während der karolingischen Renaisance als Basis dienten, sind wir mittels der Kopien hinreichend informiert, wonach sie nach 400 stammten. Die "Abmalung" von Text und Bildern hat dies ermöglicht. Die Aussage, um 400 seien die Archetypi unserer Überlieferung (Ost und West) entstanden, geht auf Alphonse Dain: Les manuscrits. Paris 1949, zurück. Zweifel daran bei Karl Büchner, in: Herbert Hunger: Geschichte der Textüberlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur. 1. Antikes und mittelalterliches Buch- und Schriftwesen. Zürich 1961). Als Karl Büchner um 1960 an Hungers Kompendium der griechischen und lateinischen Überlieferung mitarbeitete, sah er im Lateinischen viel mehr offene Überlieferungslinien als im Griechischen (Hunger, 1961, S. 374). Die besonders für den griechischen Osten getroffene Aussage von Dain konnte auf der Basis des C.L.A. auch für den Westen bestätigt werden.
- ↑ Julian Krüger: Oxyrhynchos in der Kaiserzeit. Frankfurt a.M. 1990.
- ↑ Etwa konnte nach den antiken Berichten das Kolosseum geflutet werden. Die Möglichkeiten dieser ausgefallenen Bühnentechnik wird etwa in Martial, De spectaculis (daneben auch von Sueton), beschrieben, die jedoch keinerlei technische Angaben bieten. Maßgeblicher Aufsatz von Kathleen Coleman: Fatal Charades. Roman Executions Staged as Mythological Enactments. In: Journal of Roman Studies 80 (1990), S. 44-73. Zu christlichen Einstellungen über römische Spektakel siehe Magnus Wistrand: Entertainment and Violence in Ancient Rome. The Attitudes of fhe Ancient Writers in the First Century AD. Göteborg 1992, S. 78f., zu Einstellungen gegenüber römischen Spielen in der Antike allgemein a.a.O., passim. Epigraphische Befunde zum Niedergang griechischer Agone im Spätmittelalter bei Michael Lehner: Die Agonistik in Ephesos der römischen Kaiserzeit. Diss. München 2005 (Onlinepublikation im Verzeichnis der Digitalen Hochschulschriften der LMU München). Texte zur Technik dieser Spektakel sind nicht überliefert.
- ↑ Dazu Brigitte Englisch: Die Artes liberales im frühen Mittelalter (5.-9. Jh.). Stuttgart 1994, bes. S. 28. W. H. Stahl: Roman science. Origins, development and influence to the Middle Ages. Madison 1962 (Nachdruck: Westport (Connecticut) 1978, S. 46ff., hält Poseidonios für richtungsweisend.
- ↑ Pornografische Bilder oder Statuen waren weitaus mehr verbreitet, als es die meisten heutigen Sammlungen zeigen. Viel Material wurde in Sondersammlungen weggeschlossen oder im 19. Jahrhundert sogar an der Fundstelle wieder verborgen. Auch pornografische Schriften machten wahrscheinlich einen deutlich größeren Anteil in der Antike aus als in der Überlieferung. In der Antike konnten pornografische Schriften aus öffentlichen Bibliotheken entliehen werden. Dies wurde sogar zur Förderung der Gesundheit ausdrücklich empfohlen.
- ↑ Sauer (2003), S. 14. Tertullian: De spectaculis, 30.
- ↑ Christ und Kern (1955), S. 306.
- ↑ Hans-Joachim Diesner: Isidor von Sevilla und das westgotische Spanien. Berlin 1977, S. 38.
- ↑ Nach Titelliste unter „Varro“ in Der Kleine Pauly, Bd. 5, Sp. 1131ff.
- ↑ Julian Krüger, Oxyrhynchos in der Kaiserzeit, 1990.
- ↑ Johnson (1992).
- ↑ Reynolds (1983); Haese (2002).
- ↑ Empfehlenswert die Übersicht von Christ und Kern (1955), ebenso Ward (2000).
- ↑ Zu Verlusten in späteren Jahrhunderten siehe etwa Franz Brunhölzl: Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters. Bd. I.: Von Cassiodor bis zum Ausklang der karolingischen Erneuerung. München 1975, passim. Anfang des 7. Jahrhunderts wurden in Irland Annalen verfasst, die eine Fassung der Kirchengeschichte des Eusebius in griechischer Sprache verwendet haben, die anderweitig in Westeuropa nicht bezeugt ist. Hierzu: John Morris: The Chronicle of Eusebius: Irish Fragments. In: Bulletin of the Institute of Classical Studies of the Universitz of London 19 (1972), S. 80-93.
- ↑ So Johannes von Salisbury (1120-1180) in Policraticus (De nugis curialium et vestigiis philosophorum, 1. ii. c. 26).
- ↑ Cassiodors Bibliotheksbestand wurde schon 1937 rekonstruiert (s. u.), der von Isidors Bibliothek von einem französischen Autor in den 1950ern.
- ↑ Theodor Mommsen (1817-1903) (zu seinem Einfluss vgl.Thomas Wiedemann: Mommsen's Roman History: Genesis and Influence) hielt angeblich die Überlieferung der Kaiserzeit für verfälscht. Daran, dass er diese Behauptung aufgestellt hat, konnten sich Fachkollegen in letzter Zeit noch erinnern. Unklar ist, ob er es je publizierte. Unklar ist ebenfalls, ob er eine parteiische Abfassung der Texte, oder eine direkte Verfälschung von Texten oder nur eine verfälschende Auswahl meinte. Ein überzeugender Nachweis systematischer Textverfälschung in der Überlieferungsgeschichte ist ihm jedenfalls nicht gelungen.
- ↑ Während in Deutschland der anti-katholische Kulturkampf eine wesentliche Rolle spielte, waren es in den USA und Großbritannien eher marxistisch oder linksintellektuell geprägte Strömungen. Wie deren materialistisch geprägte Sicht des Mittelalters in den letzten Jahrzehnten mit Hilfe der katholischen Kirche revidiert wurde, beschrieb anschaulich der bedeutende US-Mediävist Norman Cantor in seinem Buch Inventing the Middle Ages (1991).
- ↑ Das Schicksal der Hypatia wurde seit Voltaire im 18. Jahrhundert als Kampfargument säkularer Strömungen gegen die katholische Kirche vorgebracht. (Maria Dzielska: Hypatia of Alexandria. London 1995, S. 2ff.).
- ↑ Vor allem nach dem Zusammenbruch der Rheingrenze 406/07, vgl. zusammenfassend dazu Peter Heather: The Fall of the Roman Empire. London u.a. 2005.
- ↑ W.H.C. Frend: Martyrdom and Persecution in the Early Church. Oxford 1965; Glen W. Bowersock: Martyrdom and Rome. Cambridge 1998.
- ↑ Besonders Speyer (1981) verweist auf diese Parallelen.
- ↑ Michael Gaddis: There Is No Crime for Those Who Have Christ. Religious Violence in the Christian Roman Empire (Transformation of the Classical Heritage). Berkeley, CA 2006. Bzgl. der Zeitumstände im 4. Jahrhundert vgl. etwa Arnaldo Momigliano (Hrsg.), The Conflict Between Paganism and Christianity in the Fourth Century. Oxford 1963.
- ↑ Michele R. Salzman: The Making Of A Christian Aristocracy. Social And Religious Change In The Western Roman Empire. Cambridge, MA 2002; vgl. Karl Leo Noethlichs, Kaisertum und Heidentum im 5. Jahrhundert, in: J. von Oort und D. Wyrwa (Hrsg.), Heiden und Christen im 5. Jahrhundert. Leuven 1998, S. 1–31; Herbert Bloch: Ein neues Zeugnis der letzten Erhebung des Heidentums. In: Richard Klein (Hrsg.): Das frühe Christentum im Römischen Staat. Darmstadt 1982, S. 145.
- ↑ Michael Frede und Polymnia Athanassiadi (Hrsg.): Pagan Monotheism in Late Antiquity. Oxford 1999.
- ↑ Watts (2006).
- ↑ Kaster (1997), S. 15.
- ↑ Christ und Kern über Cassiodors Bibliothek: „In unermüdlichem Sammeln und Suchen, unterstützt durch das Abschreiben seiner Mönche, hat er sie vereinigt. Aus ganz Italien, aus Afrika und den verschiedensten Ländern waren die Codices gekommen; die reichen Mittel Cassiodors, der Ruf seines Namens hatte den Erwerb ermöglicht.“ Christ und Kern (1955), S. 287.
- ↑ R. A. B. Mynors: Cassiodori Senatoris Institutiones. Oxford 1937.
- ↑ Paul Lehmann: Erforschung des Mittelalters, Ausgewählte Abhandlungen und Aufsätze, Bd. II, Stuttgart 1959.
- ↑ Encyclopedia of Library History (1994).
- ↑ „Die bedeutenderen Bibliotheken der Antike verschwanden um 600 n. Chr., und frühe Klosterbibliotheken könnten um die 20 Bücher umfasst haben.“ Ward (2000) glaubt, auch ohne Verweis auf Cassiodor und Isidor den Verlust vor 500 belegen zu können.
- ↑ Christ und Kern (1955), S. 243.
- ↑ Christopher Haas: Alexandria in Late Antiquity. London 1997, S. 129 und 171f. Haas bezieht sich zu dem Kreis auf Damaskios: Leben des Isidor, fr. 174 (ed. Zintzen, S. 147).
- ↑ Iamblichos (um 250-330) hatte durch seine Schrift De mysteriis Aegyptorum eine mystische Wahrnehmung altägyptischer Weisheiten propagiert.
- ↑ Der Buchbestand der (kleineren) Celsus-Bibliothek in Ephesos etwa war bereits im 3. Jahrhundert durch ein Feuer zerstört und wurde später nicht mehr ersetzt.
- ↑ Johnson (1965), S. 77; Wendel und Göber sehen diese Motivation auch auf lokaler Ebene: Handbuch der Bibliothekswissenschaft. Bd. 1, S. 79.
- ↑ Der Wortlaut des entsprechenden Gesetzes vom 29. Januar 399 lautet: Sicut sacrificia prohibemus, ita volumus publicorum operum ornamenta servari. Ac ne sibi aliqua auctoritate blandiantur, qui ea conantur evertere, si quod rescriptum, si qua lex forte praetenditur. „Genauso wie wir Opfer verbieten, so wollen wir doch auch, dass Kunstwerke in öffentlichen Gebäuden gerettet werden und dass diejenigen, die versuchen, Kunstwerke zu zerstören, nicht von einer Autorität dazu noch eingeladen werden, indem ein Erlass oder ein Gesetz bei einer bestimmten Gelegenheit zum Vorwand dient.“ (Codex Theodosianus 16,10,15).
- ↑ Codex Theodosianus 16,10,1 vom 10. Juli 399.
- ↑ "Wenn irgendwelche Bildnisse noch in Tempeln oder Schreinen stehen, und wenn sie heute oder jemals zuvor Verehrung von Heiden irgendwo erhielten, so sollen sie herunter gerissen werden." – Codex Theodosianus 16,10,19; Watts (2006), S. 199.
- ↑ So die Interpretation von Wendel und Göber (s.o.), zusätzlich gestützt durch die Aussage des Aphthonius von Antiochia, der sie Ende des 4. Jahrhunderts besuchte. Er beschrieb die Räume voll mit Büchern, die für jeden zugänglich seien und „die ganze Stadt anzogen um die Weisheiten zu verinnerlichen.“ (Aphthonius, Progymnasmata 12).
- ↑ Mostafa El-Abbadi (1992): „Synesius von Cyrene, der gegen Ende des 4. Jahrhunderts unter Hypathia studierte, sah das Museion und beschrieb die Bilder der Philosophen darin. Wir haben keinen späteren Beleg über seinen Fortbestand im 5. Jahrhundert. Da Theon, der renommierte Mathematiker und Vater der Hypatia, die selbst ein anerkannte Wissenschaftlerin war, das letzte bezeugte akademische Mitglied war (um 380).“ [33 Synesius, Calvitii Encomium 6.], [34 Suidas, s.v. Theon].
- ↑ Milkau und Leyh (1940): Geschichte der Bibliotheken: Bd. 1, Kapitel 2, S. 80.
- ↑ „Sodann wurden zahllose Bücher und viele Haufen von Schriftrollen zusammengetragen und vor den Augen der Richter verbrannt. Man hatte sie in Häusern wegen ihres angeblich verbotenen Inhalts ausfindig gemacht, und nun sollten sie dazu dienen, den üblen Eindruck der Hinrichtungen zu verwischen. Dabei handelte es sich größtenteils doch nur um Werke über die verschiedenen freien Wissenschaften und über Rechtsfragen.“ (Ammianus Marcellinus 29,1,41). Nach den Hinrichtungen, die mit dem Besitz von „Zaubertexten“ begründet wurden: „So kam es denn in den östlichen Provinzen, dass aus Furcht vor ähnlichen Schicksalen die Besitzer ihre ganzen Bibliotheken verbrannten; denn ein solcher Schrecken hatte alle erfasst.“ (Ammianus Marcellinus 29,2,4)
- ↑ Bibliothecis sepulcrorum ritu in perpetuum clausis: Ammianus Marcellinus 14,6,18.
- ↑ Am deutlichsten vertreten wird dies von Houston (1959). Houston nennt wesentliche Vorgänger mit anderer Meinung und begründet dann seine vor allem mit 2 Punkten: Es gebe keine weiteren Hinweise auf eine Schließung, und zumindest die Trajansbibliothek sei bis 455 nachweislich geöffnet gewesen. Das Edikt Kaiser Theodosius’ I. von 391 zum Schließen heidnischer Tempel und der Kampf des Christentums um die kulturelle Vorherrschaft mit der Zerstörung von Bibliotheken werden von ihm aber nicht erwähnt. Aber gerade dieser Hintergrund war bisher ein wesentlicher Grund, Ammians Text so zu interpretieren. Houston führt stattdessen an, ein Draconitus solle gegen Ende des 4. Jahrhunderts einen Text in der „scola“ des Trajansforums in Rom gelesen und editiert haben. Wenn dies vor 390 war, ist es nicht relevant. Selbst danach sollten Schulen am Trajansforum, was eine Art Geschäftszentrum Roms war, noch lange zu erwarten sein. Über die Existenz der Bibliothek sagt es nichts. Ein weiteres Argument Houstons ist aus Sidonius Apollinaris entnommen. Dieser schrieb, er habe 455 eine Statue verliehen bekommen. Sie sei auf dem Trajansforum „zwischen den Autoren der beiden Bibliotheken“ aufgestellt worden. Die Trajansbibliothek war in zwei Gebäude (latein/griechisch) verteilt und Statuen der Autoren standen davor. Da die Statuen noch standen, schließt Houston, auch die Bibliotheksgebäude mussten noch da gewesen sein – und sie müssten auch noch geöffnet gewesen sein. Woraus er dies schloss, schrieb Houston nicht.
- ↑ Paulus Orosius: Die antike Weltgeschichte in christlicher Sicht. Übers.: Adolf Lippold. Zürich 1986. Buch VI Kap. 15, 32. Alternative Übersetzung: as we are told, these were emptied by our own men in our own day when these temples were plundered – this statement is true enough „wie man uns sagte, wurden diese durch unsere eigenen Leute zu unserer Zeit ausgeplündert – diese Aussage ist mehr als wahr.“ (Paulus Orosius: The seven books of history against the pagans. übersetzt von Irving Woodworth Raymond, Columbia University Press 1936, (Book Six) S. 298).
- ↑ wegen Sidonius Apollinaris, s.o. Houston.
- ↑ Johannes Crysostomos, Liber in S. Babylam et Contra Gentes 11: „Die Philosophen und begabten Redner standen in der Öffentlichkeit in großem Ansehen, aufgrund ihrer Würde und Sprachbegabung. Nach dem Kampf gegen uns waren sie nur noch lächerlich und schienen dummen Kindern gleich. Sie waren nicht in der Lage, irgendjemanden aus so vielen Nationen und Völkern zu ändern, weder einen Weisen noch einen Ungebildeten, nicht Frauen, Männer oder kleine Kinder. Ihre Schriften wurden so gering geschätzt, das ihre Bücher schon vor langer Zeit verschwanden, die meisten sind bei ihrem ersten Erscheinen zugrunde gegangen [bzw. zerstört worden]. Wenn man überhaupt noch etwas von ihnen erhalten findet, so findet man es aufbewahrt bei Christen.“ (nach M. Shatkin: Saint John Chrysostom Apologist (Fathers of the Church 73), Washington, DC 1984).
- ↑ ῾Ο δὲ βασιλεὺς ᾿Άρειον μὲν ὑπερορίῳ φυγῇ ἐζημίωσε· καὶ τοῖς πανταχῇ ἐπισκόποις καὶ λαοῖς νομοθετῶν ἔγραψεν ἀσεβεῖς ἡγεῖσθαι αὐτόν τε καὶ τοὺς αυτοῦ ὁμόφρονας καὶ πυρὶ παραδιδόναι, εἴ τι αὐτῶν εὑρίσκοιτο σύγγραμμα, ὥστε μήτε αὐτοῦ μήτε τοῦ δόγματος, οὖ εἰσηγήσατο, ὑπόμνημα φέρεςθαι. εἰ δέ τις φωραθείη κρύπτων καὶ μὴ παραχρῆμα καταμηνύσας ἐμπρήσῃ, θάνατον εἶναι τὴν ζεμίαν καὶ τιμορίαν εἰς κεφαλήν. „Der Kaiser [Konstantin] bestrafte Arius mit Verbannung, auch schrieb er an die Bischöfe und Gemeinden im ganzen Reich, wobei er in Gesetzesform vorschrieb, ihn und seine Gesinnungsfreunde für gottlos zu halten und ihre etwa aufgefundenen Schriften dem Feuer zu übergeben, damit weder von ihm noch von der durch ihn eingeführten Lehre eine Erinnerung übrig bleibe. Falls jemand überführt würde, der eine solche Schrift verstecke und nicht nach sofortiger Anzeige verbrenne, solle darauf die Todesstrafe stehen.“ Sozomenos, Historia Ecclastica 1,21,4. Übersetzt von Günther Christian Hansen. Tournhout 2004.
- ↑ Vgl. Jens-Uwe Krause: Kriminalgeschichte der Antike. München 2004.
- ↑ Das Libanius-Zitat zum Kampf gegen Heiden wird nicht erwähnt. Chrysostomos' obiges Zitat ist nur als Referenz vermerkt, woraus nicht hervorgeht, dass nach dessen Aussage die Bücher der Heiden gleich nach ihrem Erscheinen vernichtet wurden. Speyer stellt moralisch zweifelhafte christliche Aktionen als Reaktion auf vorangegangene Aktionen der Heiden dar.
- ↑ Speyer erwähnt aber nicht, dass Chrysostomos von der Vernichtung der Bücher der heidnischen Philosophen und Redner (beide Teile der klassischen Wissenschaften) schreibt.
- ↑ Plinius der Ältere schrieb in seinem 30. Buch der „Naturgeschichte“ auch eine kurze Geschichte der Magie. Darin polemisierte er von Anfang an gegen den „leeren und unsinigen Glauben an die Magie“. Er nennt sie darin fraudulentissima artium, die „betrügerischste aller Künste“. (Fritz Graf: Gottesnähe und Schadenzauber: die Magie in der griechisch-römischen Antike. München 1996, S. 48)
- ↑ So wirft Eusebius den heidnischen Gegenkaisern des Konstantin I. magische Praktiken vor, was vermutlich propagandistisch motiviert war.
- ↑ Speyer (1981), S. 130.
- ↑ Apg 19,13-14; Elberfelder Übersetzung, wie auch folgend.
- ↑ Bereits der jüdisch-hellenistische Verfasser des Pseudo-Phocylides aus dem 6. Jahrhundert hielt sie für Magier-Bücher.
- ↑ Dies vermutet Speyer (1981), S. 34.
- ↑ Lebensbeschreibung des Monophysiten Severos von Antiochien, verfasst von Zacharias Rhetor (gest. vor 553). Speyer (1981), S. 132.
- ↑ Codex Theodosianus 9,16, 12 (= Codex Iustinianus 1,4,14): mathematicos, nisi parati sint codicibus erroris proprii… Speyer (1981), S.170: „… Astrologen haben ihre Schriften vor den Augen der Bischöfe zu verbrennen, andernfalls seien sie aus Rom und allen Gemeinden zu vertreiben“.
- ↑ Mathematik ist „die Gesamtheit des von der Philosophie geforderten Lernstoffs, also Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik(-theorie), ja noch in der Kaiserzeit fielen Grammatik (elem. Sprachlehre und Philologie) wie Rhetorik mit darunter… Im Latein nach Gell. 1,9,6 die arithm. und geometr. Operationen bedürfenden Wissenschaften, im vulg. Sprachgebrauch einfach die Nativitäts-Astrologie…“ Der Kleine Pauly, Bd. 3, S. 1078.
- ↑ Speyer (1981), S. 136.
- ↑ „Sie demolieren die Tempel mit Holzbalken, Steinen und Werkzeugen aus Eisen oder auch ohne diese Gegenstände mit Händen und Füßen. Dann werden sie zur leichten Beute; obwohl sie die Dächer zerstören, die Mauern zum Einsturz bringen, die Statuen niederwerfen und die Altäre niederreißen, haben die Priester zu schweigen oder sie müssen sterben.“ Libanius (Rede 30,8) nach Sauer (2003), S. 159. Es scheint sich der Mob betätigt zu haben, während sich die Geistlichkeit offenbar von diesem Vandalismus distanzierte.
- ↑ Gesetz zur Zerstörung heidnischer Kunstwerke 408: Codex Theodosianus 16,10,19.
- ↑ Ein christliches Bilderverbot gab es erst im um 700 in Byzanz.
- ↑ Sauer vergleicht die religiös motivierten Zerstörungen der Spätantike mit denen der Taliban in Afghanistan. So habe die systematische Zerstörung archäologischer Funde in den Lagerräumen des Kabuler Kulturministeriums (Berichte veröffentlicht in: The Journal Archaeology (May/June 2002, 24: Sauer, 2003, S. 164) eine Parallele in den intensiven spätantiken Zerstörungen im Dendera-Tempel, die Mönche auf Leitern Wochen oder gar Monate beschäftigt haben müssten. (Sauer, 2003, Chapter 7: Destruction at Dendera: a colossal task).
- ↑ Das Mithraeum von Sarrebourg zeigte starke Spuren von Ikonoklasmus. Ein Reliefbild wurde in über 300 Teile zerschlagen. Die jüngste gefundene Münze stammte aus dem Jahr 394. Die Hände des Mannes waren mit eisernen Handschellen hinter seinem Rücken gefesselt. Er hatte keine Grabbeigaben und kaum Kleidung. Es gab keinen bekannten Ritus, der bei einem Toten oder Verletzten eine solche Fesselung vorsah. Demnach wurde der Mann wahrscheinlich lebendig in der Gruft eingeschlossen und ist nach einigen Tagen darin verstorben. Beim nicht unbeträchtlichen Wert solcher Eisenteile in der Spätantike lässt dies auf Täter schließen, die keine materiellen Interessen hatten. Archäologische Diskussion des Falles bei Sauer über das Buch verteilt.
- ↑ Man fand das Skelett eines gepfählten Mannes, der offenbar zum Sterben in den Raum gelegt wurde, ehe man ihn zuschüttete. Der Fund fand in der Schweiz, an der Via Mala statt.
- ↑ Der Physiker Carl Sagan zitierte diese Studie in "Cosmos", den er 1980 in Anlehnung an Humboldts "Kosmos" schrieb und der zum meistgedruckten englischsprachigen Sachbuch der Populärwissenschaft wurde. (deutsche Übersetzung: "Unser Kosmos", München 1982). Er war ein Vertreter der säkular-naturwissenschaftlichen Weltanschauung. Der wissenschaftliche Leiter dieses Programms hatte die Ergebnisse 1976 publiziert. Die Vereinigung unabhängiger Nuklearwaffen-Wissenschaftler wurde darauf aufmerksam und veröffentlichte es in ihrem in Fachkreisen sehr berühmten Journal. (James W. Prescott: Body Pleasure and the Origins of Violence, in: The Bulletin of The Atomic Scientists, November 1975, S. 10-20). Sagan, der, was wenig bekannt ist, auch mit Nuklearwaffen beruflich zu tun hatte, wurde dadurch darauf aufmerksam. Er präsentiert es in seinem Buch nicht nur im Kontext mit dem gewaltsamen Ende der Antike sondern auch mit der Gefahr eines erneuten Untergangs der modernen Kultur durch einen Atomkrieg. Es verwertete statistische Analysen der anthropologischen Daten von 400 Kulturen. Meist aus dem 19. und 20. Jahrhundert, aber auch aus der Antike. Dazu Erkenntnisse der experimentellen Gehirnforschung an Menschen und Primaten, der Kriminologie und Gerichtsmedizin. Der wissenschaftliche Leiter des Programms war James W. Prescott.
- ↑ Vgl. die um 430 verfasste apologetische Schrift des Theodoret: P. Canivet (ed.): Théodoret de Cyr, Thérapeutique des malades Helléniques, Bd. 1. Paris 1958 (Sources Chrétiennes 57).
- ↑ Hartmut Leppin, Theodosius der Große, Darmstadt 2003, S. 169f., 173.
- ↑ Siehe Johannes Hahn: Gewalt und religiöser Konflikt. Die Auseinandersetzungen zwischen Christen, Heiden und Juden im Osten des Römischen Reiches (von Konstantin bis Theodosius II.). Berlin 2004 (Klio Beihefte, N.F., Bd. 8).
- ↑ Deutlicher als im AT sind diese Endzeiterwartungen in den Schriften von Qumran zu finden. Wahrscheinlich repräsentieren diese Schriften eher das Denken in Judäa im 1. Jahrhundert als das AT. Nach der in den 1990er bekannt gewordenen Interpretation von Eisenman könnten diese Endzeitgedanken eine Motivation beim jüdischen Aufstand gegen Rom gewesen sein. Man wollte vielleicht sogar den Untergang des Staates provozieren, damit die Prophezeiung sich erfüllen konnte.
- ↑ In der spätantiken Welt mit der noch aus dem Heidnischen kommenden Neigung, Zeichen zukünftiger Ereignisse zu sehen und Vorhersagen zu machen, könnte dies eine Überlegung gewesen sein. Sie entspricht allerdings nicht dem vorwiegenden Heilsversprechen des MA oder der Moderne. Denn dies ist über das Jüngste Gericht streng personalisiert.
- ↑ Besonders die Schrift des Julian, Contra Galilaeos sowie deren Repliken, besonders durch Kyrillos von Alexandria.
- ↑ Kaster S. 14 f.
- ↑ Corp. iur. can. 1,86,5: Sacram scripturam, non grammaticam licet exponere episcopis Herbert Hagendahl: Von Tertulian zu Cassiodor. Göteborg 1983. S. 113 f.
- ↑ Hagendahl, a.a.O., S. 114. Max Manitius: Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, Bd. I. München 1911, S. 94.
- ↑ E. A. Lowe: Handwriting. In: The Legacy of the Middle Ages, Oxford 1926, S. 203.
- ↑ Johannes Laudage, Lars Hageneier, Yvonne Leiverkus: Die Zeit der Karolinger. Darmstadt 2006, S. 106 ff.
- ↑ Nach Hunger (1961) merkt man es daran, dass ganze Zeilen fehlten und vom Korrektor nachgetragen wurden.
- ↑ So die Schätzung von Carlo M. Cipolla: Literacy and Development in the West. London 1969. Sie wird unterstützt durch die Stichprobe von Montaillou in Südfrankreich. In diesem Dorf wurden 1308 alle 250 Einwohner über dem Alter von 12 Jahren von der heiligen Inquisition verhaftet. Aus den Akten der Inquisition geht hervor, dass nur 4 Personen (1,6 %) lesen konnten. (Montaillou: The Promised Land of Error von Emmanuel LeRoy Ladurie (1978). Nachdr. in Harvey J. Graff: The Literacy Myth. Literacy and Social Structure in the Nineteenth-Century City. New York 1979, S. 46f). Auf einen Wert von 1,0–1,4 % in England um 1300 kommt man, wenn man die ersten statistisch nachweisbaren Werte von 1530 (David Cressy: Levels of Illiteracy in England, 1530-1730. In: Historical Journal 20 (1977), 1-23, S. 13: Chart: Illiteracy of Social Groups, Diocese of Norwich, 1530-1730) mit der Anzahl der Schulen von 1340–1548 (Jo A.H. Moran: The Growth of English Schooling 1340-1548. New Brunswick, NJ 1985) zurückrechnet und mit der Bevölkerungsverteilung korrigiert.
- ↑ Vgl. Hans-Werner Goetz, Europa im frühen Mittelalter (Handbuch der Geschichte Europas 2). Stuttgart 2003, S. 250ff.
- ↑ Christian Gastgeber, s.v. Überlieferung II. Literatur, Der Neue Pauly Bd. 15/3 (2003), Sp. 711f. Der Kalif von Córdoba, al-Hakam II., ließ für seine Bibliothek 400.000 Bücher (wohl überwiegend muslimischen Inhalts) aus den nun islamischen Gebieten Nordafrikas und des Orients ordern. (Arnold Hottinger: Die Mauren. Arabische Kultur in Spanien. Zürich 1995, S. 75f., 96).
- ↑ Mostafa El-Abbadi (1992), S. 165.
- ↑ Axon (1874), S. 383-405.
- ↑ Pöhlmann (1994), S. 124.
- ↑ Martial macht um 85 AD in zwei seiner Bücher, im Proömium und im 14. Buch der Epigramme, Werbung für Codex-Editionen von seinem Verleger Secundus und nennt auch gleich dessen Adresse. Er preist sie als handlicher, empfiehlt sie als Reiselektüre (Taschenbuch?), nennt sie aber auch umfangreicher, da sie das Gesamtwerk eines Autors enthalten können, Homers Odyssee oder Ilias in je einem Codex. Secundus Codex-Angebot enthielt außer den berühmten griechischen und lateinischen Klassikern auch Werke von Martial.
- ↑ Roberts und Skeat (1983), S. 48.
- ↑ Roberts und Skeat (1983), S. 76.
- ↑ Aus der illuminierten Handschrift von Tzetzes, reproduziert und analysiert bei Parsons (1952).
- ↑ Ward (2000), S. 165.
- ↑ Sie funktionierten sicher nicht, da sie sonst in einem Medizin- oder Ingenieursbuch gestanden hätten. Man hätte sie dann nicht in einem Zauberbuch als "geheimes Wissen" verkaufen können. Dies ist der besondere Unterschied zwischen einem Zauberbuch der frühen römischen Kaiserzeit und etwa einem 1000 Jahre älteren. In solch früherer Zeit könnte tatsächlich relevantes Wissen, etwa in Medizin, als Herrschaftswissen zur Legitimierung einer Priesterkaste, geheim gehalten worden sein.
- ↑ Sie könnten als Belegmaterial der spätantiken Verfolgung gehäuft vorkommen. Oder wegen der Strafbarkeit ab 400 n. Chr. eben kaum überliefert worden sein. Ähnlich für Funde: Wurden sie gehäuft vergraben wegen der Strafbarkeit oder waren sie deshalb kaum vorhanden? Eine statistische Aussage wäre erst möglich wenn man die Entstehungszeit und Verlustzeit mit der Gesamtzahl aller Papyrifunde korreliert. Graf bietet eine Übersicht zum Forschungsstand über Zauberpapyri. Da er solch quantitative Aussagen nicht erwähnt sind sie wahrscheinlich noch nicht erstellt worden. (Fritz Graf: Gottesnähe und Schadenzauber: die Magie in der griechisch-römischen Antike. München 1996).
- ↑ Julian Krüger: Oxyrhynchos in der Kaiserzeit. Frankfurt a.M. 1990.
- ↑ Krüger, Oxyrhynchos, S. 161: 891 Stücke einseitig mit Literatur beschrieben, 180 beidseitig mit Literatur und 234 mit Literatur auf der einen und Urkunden auf der anderen Seite. Das ergibt 891 + 180 × 2 + 234 = 1485 Textseiten mit Literatur.