Caligula

dritter römischer Kaiser
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Vorlage:Dynastie Gaius Caesar Augustus Germanicus (* 31. August 12 in Antium; † 24. Januar 41 in Rom), posthum bekannt als Caligula, war von 37 bis 41 römischer Kaiser. Caligulas Jugend war von den Nachstellungen des ehrgeizigen Seianus geprägt. Nach hoffnungsvollem Regierungsbeginn, der allerdings durch persönliche Schicksalsschläge getrübt war, übte der Kaiser seine Herrschaft zunehmend als autokratischer Monarch aus und ließ in Hochverratsprozessen zahlreiche Senatoren in willkürlicher Ausschöpfung seiner Amtsgewalt zum Tode verurteilen. Diese Phase der Gewaltherrschaft endete mit der Ermordung und Einzelmaßnahmen zur Vernichtung des Andenkens an den Kaiser. Da der Kaiser weithin als herausragendes Beispiel für einen Gewaltherrscher gilt und sein Leben von Skandalgeschichten umrankt ist, ist Caligula wie kaum eine zweite Herrscherpersönlichkeit der Antike zum Gegenstand belletristischer und populärwissenschaftlicher Bearbeitungen geworden.

„Der Kaiser“

Herkunft

 
Germanicus: Wunschnachfolger des Tiberius und Vater des Caligula

Geboren als Sohn des Germanicus und Agrippina der Älteren mit dem Namen Gaius Iulius Caesar, war Caligula durch die Mutter Urenkel von Kaiser Augustus, durch den Vater Urenkel von Augustus’ Frau Livia (siehe Julisch-claudische Dynastie). Der Name Caligula (lateinisch = „Soldatenstiefelchen“, Diminutiv zu caliga) bezieht sich auf die genagelten Soldatenstiefel der Legionäre, die caligae, welche die Rheinlegionen für den mitreisenden Sohn ihres Oberbefehlshabers Germanicus anfertigen ließen. Der Name war zu Lebzeiten ungebräuchlich.

Jugend

Caligulas Kindheit verlief nicht glücklich: Bereits im Jahre 19 verstarb sein Vater Germanicus während der Ausführung eines Militärkommandos im Osten des Reiches, wobei Gerüchte aufkamen, dass Tiberius seine Vergiftung angeordnet habe, um ihn von der designierten Nachfolge auszuschalten. Der Hof des Tiberius war in der Folgezeit von der intriganten Politik des mächtigen Praetorianerpraefekten Seianus geprägt, der den Plan fasste, durch systematische Ausschaltung der natürlichen Erben des Tiberius seine eigene Nachfolge durchzusetzen. Diesem Plan kam der Tod von Caligulas Bruder, Drusus Caesar, im Jahre 23, den Seianus' Frau später als geplanten Giftmord ihres Gatten darstellte, sehr gelegen. Caligulas Mutter, Agrippina die Ältere, machte Seianus unter dem Vorwurf von Verschwörungen bei Tiberius verdächtig, woraufhin Agrippina und Caligulas Bruder Nero im Jahre 29 in die Verbannung geschickt wurden, die beide nicht überlebten.

 
caliga

Das Sorgerecht für den jungen Caligula war bereits 27 an die Mutter des Tiberius und Witwe des Augustus, Livia, übergegangen. Nach ihrem Tod wurde Caligula schließlich der Obhut seiner Großmutter Antonia übergeben. Wohl um ihn als einzig verbliebenen männlichen Erben des Tiberius von Mordversuchen zu schützen, wuchs der jugendliche Caligula isoliert im Umfeld seiner drei Schwestern auf, unter denen er eine besondere Zuneigung zu Drusilla entwickelte. Dass Tiberius an seiner Regierungsfähigkeit zweifelte und ihn deshalb vom politischen Leben ausschloss, ist vermutlich eine spätere Konstruktion, da die Quellen sonst von der allgemeinen Beliebtheit des jungen Caligula berichten: Vorsicht und Intelligenz hätten den Kaiser die Zeit bis zur Hinrichtung des Seianus im Jahre 31 überleben lassen, allerdings in späteren Jahren eine ständige Angst vor vermeintlichen oder realen Verschwörungen mitverursacht. Vermutlich von dem engen Umgang Caligulas mit seinen Schwestern motiviert, der später zur propagandistischen Erhöhung der Frauen führte, wird vom Inzest der Geschwister berichtet. Vor allem aus dynastischen Gründen - Kindszeugungen in engen Verwandtenverhältnissen waren in der Kaiserfamilie nicht ungewöhnlich - kann ein Inzest allerdings nicht ausgeschlossen werden.

Tiberius berief den jungen Caligula noch im Jahr 31 zu seinem Alterssitz auf Capri. Dort entwickelte sich ein enges Verhältnis zwischen den beiden Männern: beide sollen am gemeinsamen Zusehen von Folterungen und an sexuellen Ausschweifungen Gefallen gefunden haben, doch dürfte es sich hierbei um einen zumindest tendenziösen Passus des anekdotenreichen Biographen Sueton handeln, der ein ähnliches Verhalten auch anderen Kaisern zuschreibt, ebenso bei dem überlieferten Gerücht, Caligula habe den kranken Tiberius mit einem Kissen erstickt. Besonders bei Todesfällen von Herrschern war das Aufkommen böswilliger Gerüchte verbreitet (vgl. Tac. ann. 4,11).

Regierungsantritt

 
Statue des Tiberius auf Capri

Mit dem Tod des Tiberius am 16. März 37 war die Nachfolge Caligulas relativ sicher. Zwar hatte Tiberius in seinem Testament Caligulas Cousin, Tiberius Gemellus, zum Miterben eingesetzt, der Senat erklärte es aber auf Betreiben des Praetorianerpraefekten und Nachfolger des Seianus, Macro, für ungültig. Die von Augustus geschaffene Prätorianergarde mit ihrem Praefekten hatte traditionell ein enges Verhältnis zum Kaiser und mag daher gehofft haben, den jungen Caligula als Marionette zu gebrauchen. Jedenfalls ließ sie ihn am 18. März zum Kaiser ausrufen. Nach feierlichem Einzug in Rom übertrug der Senat am 28. März sämtliche Amtsfunktionen und Privilegien, die Augustus und Tiberius über die Zeit auf sich vereinigt hatten, an Caligula. Er war damit der erste Kaiser, dem die Einzelherrschaft von Amts wegen zufiel und der sich nicht erst bewähren oder legitimieren musste.

Nach den unruhigen letzten Regierungsjahren des Tiberius, die durch den Putschversuch des Seianus und die anschließenden Prozesse geprägt waren, wurden mit seiner Herrschaft große Hoffnungen verbunden, unter anderem wegen der Popularität seines Vaters Germanicus, der schon unter Augustus Wunschnachfolger war.

Die ersten beiden Jahre (37–38 n. Chr.)

In den ersten Monaten seiner Regentschaft machte sich Caligula bei den herrschaftstragenden Gruppen beliebt: Er beschloss Steuersenkungen, das Aussetzen von Hochverratsprozessen und die Rückführung Verbannter. Der Tempel des vergöttlichten Augustus wurde symbolträchtig zu Beginn seiner Herrschaft eingeweiht, um Abstammung und Verbundenheit zum ersten Kaiser zum Ausdruck zu bringen. Caligula veranstaltete auch aufwändige Feste und Spiele mit Wagenrennen, Tier- und Gladiatorenkämpfen, die unter anderem auch während seiner Regierungszeit an Grausamkeit zunahmen, dabei aber dem Geschmack der Zeit entgegenkamen; blutige Gladiatorenkämpfe wurden in der Antike, soweit bekannt, zumindest nicht nachhaltig kritisiert.[1] Viele Grausamkeiten des Kaisers fanden im Zusammenhang von Spielen oder anderen öffentlichen Spektakeln statt. Der Prätorianergarde ließ er erstmalig ein Geldgeschenk (Donativum) zukommen, brauchte durch diese Maßnahmen allerdings das kaiserliche Vermögen auf.

 
Ptolemaios von Mauretania

Möglicherweise aus Überanstrengung in Ausführung der Pflichten seines Amtes erlitt Caligula nach 6 Monaten Herrschaft einen Nervenzusammenbruch mit anschließender schwerer Krankheit. Sueton berichtet darüber mit den Worten: Bis hierhin vom Kaiser, jetzt muss über das Scheusal berichtet werden (Suet. Cal 22,1). Dieser Periodisierung liegt ein gängiges Erzählmuster der antiken Biographie zugrunde, die das Leben eines Menschen möglichst in Kategorien aufzuteilen bestrebt war. Tatsächlich begannen in der Zeit nach Caligulas Genesung die ersten Hochverratsprozesse: Der Kaiser ließ seinen ehemaligen Miterben, Tiberius Gemellus, seinen Schwiegervater, Silanus, und den einflussreichen Macro unter dem Vorwurf einer Verschwörung verhaften und zum Selbstmord zwingen. Ein Schicksalsschlag traf Caligula am 10. Juni 38 mit dem Tod seiner Lieblingsschwester Drusilla, für die der Kaiser sonst nur bei Herrscherpersönlichkeiten übliche Ehrungen beschließen ließ. Kurze Zeit später heiratete Caligula die vornehme Römerin Lollia Paulina, von der er sich allerdings bald zugunsten einer gewissen Caesonia trennte, die als moralisch fragwürdig galt.

Außenpolitik

Caligulas kurze Regierungszeit sah nur vergleichsweise kleine Expansionsbemühungen, deren Zeitabfolge schwer zu rekonstruieren ist. Germanien und Britannien als Ziel, überschritt er im Herbst 39 mit einem Heer die Alpen. Wohl in der Tradition seines Vaters Germanicus betrachtete Caligula die römische Expansion in Germanien als nicht abgeschlossen, doch blieben seine militärische Unternehmungen weitgehend erfolglos. Die Militärterritorien des ober- und niedergermanischen Heeres blieben Provisorien und erreichten erst unter Domitian 85 n. Chr. den Status und die Infrastruktur einer Provinz. Militärische Einzelheiten des Britannienfeldzuges, der wohl nur geringe Erfolge hatte, sind nicht überliefert. Statt dessen berichten die Quellen von großenteils grotesk anmutenden Aktionen des Kaisers während des Heereszuges.

Der im Umkreis der kaiserlichen Familie aufgewachsene, romfreundliche Herodes Agrippa I. wurde 37 als König von Judäa eingesetzt, sein Herrschaftsgebiet zwei Jahre später erweitert. Aus unbekannten Ursachen ließ Caligula im Jahre 40 Ptolemaios, den König von Mauretania, zunächst nach Rom einladen, anschließend ermorden und sein Gebiet annektieren. Die Quellen berichten von Neidgefühlen des Caligula, welche der eindrucksvolle Auftritt des Königs im Amphitheater auslöste, politische Motive für die Ermordung, die ja zur weiteren Expansion des Reiches beitrug, sind jedoch anzunehmen.

Bautätigkeiten

 
Porta Maggiore mit Aquaedukt des Claudius, das von Caligula begonnen wurde

Caligula ist auch als Liebhaber und Räuber nichtitalischer Kunstschätze, bevorzugt aus dem opulenten Bestand griechischer Tempel, in die Geschichte eingegangen, so wollte er etwa die Zeus-Statue des Phidias, ein Weltwunder der Antike, nach Rom bringen lassen. Seit Fortschreiten der Expansion und administrativer Einteilung des Reiches in Provinzen waren allerdings Fälle von Kunstraub durch Statthalter und Verwaltungsbeamte häufig, was sich in den zahlreichen Belegen diesbezüglicher Anklagen spiegelt, die vermutlich bei weitem nicht das tatsächliche Ausmaß zum Ausdruck bringen.[2] Da Caligula sich nur kurzfristig im Osten des Reiches aufhielt, mag die Initiative zum Kunstraub im Einzelfall eher beim verantwortlichen Statthalter als beim Kaiser gelegen haben. Caligula wird dieses Verhalten zumindest nicht unterbunden haben, da es ja gerade in seinem Interesse lag, seine Herrschaft mit hellenistischen Symbolen auszuschmücken.

Sein freizügiger Umgang mit Geld schlug sich in bisweilen spektakulären Bauvorhaben nieder: Archäologisch nachweisbar sind ein Leuchtturm bei Boulogne in Nordfrankreich, der Wiederaufbau des Palastes des Polykrates in Samos, der Baubeginn zweier stadtrömischer Aquaedukte, Reparaturen an der Stadtmauer und von Tempeln in Syrakus sowie eines Bades in Bologna. Literarische Belege existieren für Projekte zum Bau eines Kanals über den Isthmus bei Korinth, von Straßenverbindungen über die Alpen, den Ausbau des Hafens von Rhegium sowie der so genannten liburnischen Galeeren, eine Art antiker Kreuzfahrtschiffe zum Privatgebrauch des Kaisers, die aufgrund eindeutiger Inschriften mit zwei im Lago di Nemi gefundenen Schiffwracks indentifiziert wurden.

In Rom wurde an den Abhängen des Vatikanhügels ein Circus errichtet, das Theater des Pompeius renoviert, ein aufwändiges Amphitheater aus Holzbalken aufgestellt, das Staatsgefängnis (Carcer Tullianus), das der Hinrichtung politischer Gegner diente, ausgebaut sowie die Privatgemächer und Lustgärten des Kaisers luxuriös ausgestaltet (so genannte Gärten der Kaiserinmutter). Als besonders spektakulär und Zeichen der Eitelkeit des Kaisers wird die Überbrückung der Bucht von Neapel zwischen Puteoli und Baiae mit Booten beschrieben. Archäologische Überreste von Bauten an der Residenz des Caligula wurden 2003 auf dem Gelände des Forum Romanum gefunden.

„Das Scheusal“

Nach nur vier Jahren der Herrschaft fand Caligula den Tod von Hand der Prätorianergarde unter Führung des Offiziers Cassius Chaerea während eines Theaterbesuchs. Die Verschwörung wurde von einem Teil des Senatorenstandes und anderen einflussreichen Persönlichkeiten am Kaiserhof organisiert. Die üblicherweise stark stilisierte Todesdarstellung ist nach der Art einer rituellen Opferung inszeniert, worin sich der Gedanke der Vergeltung für den Wunsch Caligulas nach göttlicher Verehrung spiegelt.[3] Caligulas Ermordung erfolgte, nachdem er den Senat durch demonstrative Ausschöpfung der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten des Prinzipats brüskiert hatte. Über die Gründe und den genauen Ablauf der Verschwörung gibt Flavius Josephus den ausführlichsten Bericht, über die Chronologie der vorausgegangenen Vorgänge lässt sich allerdings wenig sicheres sagen, da die Darstellung des Sueton für diese Zeit ungeordnet, diejenige des Cassius Dio teilweise verloren und in den erhaltenen Teilen nicht widerspruchslos ist.

Gewalt

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As des Caligula

Hauptgrund der Verschwörung war Caligulas ausufernde Anwendung von Gewalt, vor allem gegen Senatoren: Der Kaiser ließ die Hochverratsprozesse, die nach dem Tod des Tiberius vorübergehend ausgesetzt wurden, etwa gegen Mitte der Regierungszeit in großem Umfang wieder aufnehmen. Mindestens 36 Fälle von teils grausamen Hinrichtungen oder anderen schweren Bestrafungen, wie der Verbannung, sind literarisch unter Angabe des Namens belegt, wobei es sich bei diesen Opfern in der Regel um Angehörige der Oberschicht, teilweise auch um Soldaten oder Bühnendarsteller handelte (Barret, S. 242f.). In einigen Fällen führte Caligula Folterungen von Senatoren durch, die rechtlich grundsätzlich von der Folter immun waren (d.h. er behandelte den Senatorenstand insgesamt wie Sklaven). Hierzu boten allerdings die Hochverratsgesetze einen gewissen rechtlichen Spielraum. Sueton erwähnt die Ermordung solcher Angehöriger der Oberschicht, die sich in der Verbannung befanden. Caligula mag hierbei durch seine Jugenderfahrungen ein übertriebenes Bedrohungspotenzial wahrgenommen haben. Durch die anfänglichen Prozesse wuchs auch die tatsächliche Gefahr eines Mordanschlages.

Dem Kaiser wird daher das Motto oderint, dum metuant (Suet. Cal. 30,1: „Sollen sie mich doch hassen, solange sie mich fürchten“) zugeschrieben, das auf ein Zitat einer Tragödie des Lucius Accius zurückgeht. Hierin spiegelt sich der politische Stil der autokratischen Herrschaft, die Widerstand durch Gewalt bekämpft, anstatt durch Annäherungen und Mitspracherecht diesen erst gar nicht aufkommen zu lassen.

Hinrichtungen von Senatoren werden beinahe ausnahmlos als Willkürakte des Kaisers beschrieben, der entweder aus sadistischer Mordlust oder in Reaktion auf geringfügige Vergehen (wie Kritik an der Kleidung des Kaisers) handelte. Das gleiche gilt für grausame Tötungen, besonders im Umfeld des nichtaristokratischen Kaiserhofs, bei denen der Kaiser seinen Anspruch auf totale Ermessensfreiheit zynisch zum Ausdruck brachte. Abweichend davon lässt sich aus der allgemeinen Regierungsrichtung vermuten, dass es Caligula letztlich mehr oder weniger um eine systematische Ausschaltung des Senats ging, durch Beseitigung einiger Senatoren und Einschüchterung der übrigen. Für diese Annahme sprechen Auffälligkeiten seiner Regierung, die im Folgenden diskutiert werden.

Es finden sich außerdem überlieferte Berichte von Zwangsprostitution und Vergewaltigungen seitens des Kaisers, denen Angehörige der Oberschicht zum Opfer fielen. In der Forschung werden jedoch einige Berichte über Caligula (und andere Kaiser) in ihrer Historizität angezweifelt und dem Bereich der Tyrannentopik zugewiesen, da sich auch bei anderen verhassten Herrschern der römischen und vorrömischen Antike vergleichbare Berichte in auffälliger Weise wiederholen. Unbestätigte Gerüchte sowie literarische Bearbeitungen, z.B. im Rahmen von Tragödien oder Bezugnahmen auf typologisch vergleichbare Herrscherpersönlichkeiten, finden oft als historische Berichte Eingang in die Literatur. Antike Geschichtsschreibung dient nicht ausschließlich der Tatsachenbeschreibung. Einige Geschichtsschreiber geben in methodischen Abschnitten darüber Auskunft, dass fiktionale Elemente zur nachdrücklichen Charakterisierung einer Person als legitim galten. Nur selten lässt sich allerdings mit letzter Sicherheit entscheiden, was zu diesem Bereich zu zählen ist, so dass sich gerade im Falle des Caligula eine Reihe historischer Probleme ergeben.[4]

Caligula und der Senat

Durch demonstrative Gesten der Demütigung, die oft an Hofzerimonielle orientalischer Despoten erinnern, zielte Caligula auf eine politische Ausschaltung des hohen Standes. Bei der Ämtervergabe überging der Kaiser gezielt unerwünschte Bewerber und machte sich auch dadurch unbeliebt. Anders als seine Vorgänger bekleidete Caligula das höchste Staatsamt, den Konsulat, zumeist selbst. Die Quellen berichten unter den zahllosen Extravaganzen des Kaisers, dass er auch sein Lieblingspferd Incitatus mit dem Konsulat bestallen wollte. Sollte Caligula sich tatsächlich in dieser Richtung geäußert haben, so wohl mit der Absicht, den Senat zu beleidigen.

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Caligula ließ sich auf Münzen zusammen mit seinen Schwestern darstellen

Caligula stand einem orientalischen Herrschaftsverständnis nahe, was eine demonstrativ extravagante Lebensweise sowie die Verehrung im Staatskult schon zu Lebzeiten, nicht erst nach dem Ableben mit einschloss (obwohl sich im Westen des Reiches heute keine Belege in Form von Tempelanlagen, Inschriften oder Münzen finden, die Caligula eindeutig in Zusammenhang mit einer persönlichen Verehrung bringen; vgl. aber [1] siehe auch Cäsaropapismus). Die öffentliche Darstellung seiner Verbundenheit zu seinen Schwestern und besonders zu Drusilla könnte von ägyptischen Geschwisterherrschaften inspiriert sein. Ein solcher Herrschaftsstil, dem sich etwa auch Gaius Iulius Caesar und besonders Marcus Antonius verbunden fühlten, war der römischen Oberschicht seit jeher suspekt. Der Kaiser brachte dieses Herrschaftsverständnis durch bewusst anti-römischen, orientalischen Kleidungsstil sowie durch Ersetzung von Götterbildern mit dem eigenen Poträt oder dem von Verwandten zum Ausdruck. Soweit Gründe für Hinrichtungen genannt sind, stehen diese zumeist mit einer Kritik dieser Herrschaftsauffassung in Zusammenhang.

Wie im Falle des Antonius berichten die Quellen von den Plänen des Kaisers, die Hauptstadt des Reiches von Rom nach Alexandria zu verlegen, was einer endgültigen Entmachtung des Senats gleichgekommen wäre. Darin mögen sich Pläne zu einer radikalen Reichsreform spiegeln, basierend auf der Erkenntnis, dass sich ein Imperium von der Größe des römischen Reiches nicht mehr mit dem Personalbestand einer mittelitalienischen Stadt verwalten ließ, sondern nur mit Hilfe einer entwickelten Bürokratie und Hierarchie wie im hellenistisch-ptolemäischen Ägypten. Caligula mag gehofft haben, unter Übergehung des Senatorenstandes seine Regierung zunehmend auf Teile des Ritterstandes zu stützen, der einerseits durch Degradierungen, andererseits durch die Förderung loyaler Mitglieder personell umstrukturiert und dem Kaiser botmäßig gemacht werden sollte.

Gruppen außerhalb der Oberschicht

Die Gewaltherrschaft des Caligula erstreckte sich in erster Linie auf den Senat, der ihn deshalb hasste. Da nach Caligulas Tod Reaktionen weitgehend ausblieben, scheint der Kaiser allerdings auch bei anderen herrschaftslegitimierenden Gruppen, wie dem Heer oder der stadtrömischen Bürgerschaft, trotz der Freigebigkeit seiner ersten Regierungsmonate teilweise unbeliebt geworden zu sein. Mitunter drastische Steuererhöhungen infolge der erhöhten Ausgaben könnten hierfür ein Grund gewesen sein. Caligula hat dabei auch ungewöhnliche Maßnahmen getroffen, wie die Besteuerung und öffentliche Förderung der Prostitution. Flavius Josephus berichtet außerdem von Willkürakten und Gewaltaten gegenüber der stadtrömischen Bevölkerung bei Spielen, die gewöhnlich als öffentliche Plattform für Forderungen z.B. nach Getreidespenden dienten und insofern als Ausgangspunkte für Volksaufstände Gefahrenpotential besaßen.[5] Der jüdische Historiker spricht allerdings auch davon, dass Caligula bei Teilen der Bevölkerung, die an aufwändigen Spielen interessiert war, bis zu seinem Tod beliebt geblieben war, ebenso bei dem Teil des Heeres, der seine Soldzahlungen pünktlich erhalten hatte. Auch andere Quellen lassen auf relative Beliebtheit des Kaisers beim Volk in Rom bzw. Italien schliessen, vermutlich jedoch nicht in den Provinzen zumindest des griechischen Ostens, wo Caligula sich durch Kunstraub und Tempelplünderungen unbeliebt gemacht hatte.

Juden

Während von Caligulas Politik und seiner Einschätzung in den Provinzen kaum systematische Informationen überliefert sind, gibt es hauptsächlich aufgrund der Darstellungen des Flavius Josephus sowie des Philo von Alexandria Berichte über Caligulas Interventionen in Zentren des jüdischen Glaubens. Diese lassen jedoch nur sehr bedingt Rückschlüsse auf die Bewertungen des Kaisers in anderen Bevölkerungsgruppen zu, da der jüdische Monotheismus unvereinbar mit der von Caligula forcierten hellenistischen Herrscherverehrung der griechischen Bevölkerung stand, die mit den Juden auf engstem Raum zusammenlebte. Insofern trug Caligula neben anderen Ursachen zur späteren dramatischen Entwicklung, der Zerstörung des Tempels durch Titus sowie der Diaspora unter Hadrian, mit bei.

 
Tempel von Jerusalem im Modell

Alexandria war seit dem Hellenismus multikulturell geprägt und besaß neben Griechen und hellenisierten Ägyptern eine starke jüdische Minderheit. Religiöse Auseinandersetzungen kamen wiederholt vor. Während der Anwesenheit des Herodes Agrippa I. verschärften sich Hassgefühle der griechischen Bevölkerung, die zu einem lokalen Pogrom führten. Der römische Statthalter Aulus Avillus Flaccus hatte bereits im Vorfeld Sanktionen einseitig nur gegen die jüdische Bevölkerung angeordnet und gab dieser nun die Hauptschuld an den Vorfällen, mit der Folge, dass die Juden in getrennte Wohnorte innerhalb der Stadt zwangsumgesiedelt wurden. Es handelt sich dabei um das erste historisch belegte jüdische Ghetto. Diese Zustände gaben Anlass zu einer Gesandtschaftsreise, an der Philo teilnahm und die er ausführlich beschreibt. Noch vor der Audienz mit Caligula, der die aus Griechen und Juden bestehende Gesandtschaft versetzt hatte, trafen im Jahre 40 aus Jerusalem schockierende Nachrichten ein, der Kaiser habe die Umwandlung des jüdischen Tempels in ein Zentrum des Kaiserkults in Autrag gegeben. Die Gespräche endeten ergebnislos.

Caligulas Versuch, den Kaiserkult gewaltsam durchzusetzen, erfolgte als Vergeltungsmaßnahme auf Übergriffe von Juden gegen den Kaiserkult praktizierende Griechen in Judaea. Sie verursachte weitere Unruhen in Antiochia, dem Verwaltungssitz von Syria, deren Statthalter Publius Petronius mit Anfertigung und Aufstellung einer Kaiserstatue im Tempel Jerusalem beauftragt wurde, diese aber mit Rücksicht auf die mobilisierte jüdische Bevölkerung hinauszögerte. Die folgenden Ereignisse lassen sich alternativ so rekonstruieren, dass Caligula entweder auf Fürsprache des Herodes Agrippa von seinem ursprünglichen Befehl absah oder auf seinen Entschluss beharrte und Petronius die Aufforderung zum Selbstmord übersandte, die allerdings erst nach dessen Tod überbracht wurde. Aufgrund der Ereignisse wurde die Nachricht vom Tode des Caligula bei der jüdischen Reichsbevölkerung mit Freude aufgenommen, daraus resultierende Verschärfungen der Anspannungen mussten von Claudius beschwichtigt werden.

Caligula als Präzedenzfall

Der kurze Prinzipat des Caligula zeigte die Gefahren auf, die sich aus der unscharfen Stellung des Kaisers innerhalb der grundsätzlich fortbestehenden Verfassung der römischen Republik ergaben. Es wird heute vielfach davon ausgegangen, dass Caligula bei Amtsantritt ein ähnliches Bündel an Vollmachten erhalten hatte, wie dies für Vespasian inschriftlich überliefert ist (Lex de imperio Vespasiani). Einige Forscher erkennen darin die praktische Übertragung der völligen Ermessensfreiheit.[6] Zumindest bei Wahlen brauchte der Kaiser auf den Senat formal keine Rücksicht zu nehmen; die republikanische Verfassung sah allerdings das Prinzip der Kollegialität vor, das unter Augustus und in der Anfangszeit des Tiberius zumindest propagandistisch aufrecht erhalten wurde. Das aus republikanischer Zeit stammende Hochverratsgesetz (Lex maiestatis) war unscharf und ließ willkürliche Prozesse und Verurteilungen sowie Folter und Hinrichtungen, unabhängig von Statusgrenzen, zu. Da Caligula in seinen letzten beiden Regierungsjahren hiervon rücksichtslos Gebrauch machte, konnte die so ausgeübte Autokratie nur durch Tod und Damnatio memoriae beendet werden. Das Beispiel des Caligula wies daher auf spätere Kaiserherrschaften voraus: freiwillig ausgeübte Umgänglichkeit und Zurückhaltung seitens des Kaisers waren Bedingungen für dessen Würdigung bei späteren Generationen. Trotzdem blieb Caligula kein Einzelfall in der römischen Kaiserzeit.

Historische Probleme

Maßnahmen nach Caligulas Tod

 
Besonders Commodus galt als zweiter Caligula: Historischer Zufall oder Ähnlichkeit der Überlieferung?

Wann immer ein Kaiser ermordet wurde, wurde es üblich, zusätzlich das Andenken an den toten Kaiser zu löschen. Schon der Tod des Tiberius hatte zu Einzelaktionen, wie dem Umwerfen von Kaiserstatuen sowie der Forderung nach Schändung des Leichnams geführt. Nach Caligulas Tod forderte der Senat zeitweise sogar die kollektive Verdammung aller Vorgänger sowie Wiederherstellung der Republik. Vermutlich kam allerdings kein formaler Senatsbeschluss auf Auslöschen des Andenkens an Caligula zustande, da der Nachfolger Claudius den Präzedenzfall für einen Kaisermord und den Tod seines Neffen nicht gänzlich legitimieren konnte. Dennoch ließ Claudius mit Rücksicht auf den Senat sämtliche Regierungsmaßnahmen seines Vorgängers für ungültig erklären, seinen Namen aus Inschriften entfernen, Schriften über seine Regierung vernichten, Statuen zerstören und Münzen mit dem Bildnis des Caligula aus dem Verkehr ziehen. Einzelne archäologische Zeugnisse für eine Tilgung von Kaisernamen oder Mutilierung von Statuen, besonders in den Provinzen, könnten von spontanen, nicht öffentlich angeordneten Einzelaktionen verursacht sein.[7]

Diese Vorgänge könnten die literarische Darstellung beeinflusst haben: Da der Bericht des Tacitus für die Regierungszeit Caligulas verloren ist, ist neben dem viel späteren Cassius Dio sowie Flavius Josephus der Kaiserbiograph Sueton die literarische Hauptquelle. Etwa das erste Drittel der Caligula-Vita des Sueton, das überwiegend Jugend und Regierungsbeginn des Kaisers darstellt, bezieht sich auf positive oder neutrale Bewertungen oder auf außerliterarisch überprüfbare Fakten (politische Ämter, Bauten). Aus der zweiten Hälfte der Regierung sind hauptsächlich nur noch solche Informationen überliefert, die von den Untaten des Kaisers berichten. Sueton vertritt das senatorische Geschichtsbild, seine Darstellung lässt daher überwiegend nur Rückschlüsse auf das Verhältnis zwischen Caligula und dem Senat zu und sagt wenig über die Bewertung Caligulas bei anderen herrschaftstragenden Gruppen aus. Die Biographie trägt deutlich Züge der Ideologie der Adoptivkaiser, die sich mit Ausnahme des Augustus von den Kaisern der julisch-claudischen Dynastie distanzieren wollten. Als kaiserlicher Archivar hatte der Biograph Zugriff auf Dokumente der Regierung Caligulas, gibt aber kaum Informationen über Herkunft, Historizität oder Tendenz einer Quelle. Einige Argumentationen erscheinen aus heutiger Sicht unsachlich (vgl. bes. Suet. Cal. 25,4; 49,3). Viele Beschreibungen des Sueton, besonders solche, die willkürliche Gewalthandlungen gegen Senatoren zum Inhalt haben, werden aber von Josephus bestätigt, der zur Zeit der Flavier schrieb.

Wahnsinn?

Sueton, der in der Tradition antiker Biographie steht, den Charakter einer Person aus ihrer Herrschaft zu konstruieren, schildert Caligula ein halbes Jahrhundert später explizit als geisteskrank, bei Zeitgenossen findet sich dieser Vorwurf jedoch eher nur als Andeutung. Das vielleicht authentischste Zeugnis des Philo, der als Bürger der Provinz Judaea von der senatorischen Tradition weitgehend unbeeinflusst blieb, schildert den Kaiser als arrogant und zynisch, jedoch nicht als psychotisch. Seneca überliefert, hauptsächlich während seiner von Caligula verschuldeten Verbannung, Bilder grausamer Folterungen und Hinrichtungen des Kaisers, die ihn als Sadisten beschreiben (Sen. ira 3,18-19). Seneca definiert außerdem den Begriff des Wahnsinns als Entartung eines Tyrannen, ohne dabei Caligula namentlich zu erwähnen. Flavius Josephus gebraucht den Begriff des Wahnsinns zur Charakterisierung des Kaisers mehrere Male, jedoch ist nicht genau zu unterscheiden, ob er damit auf eine tatsächliche psychische Störung anspielt oder eher die Willkürhandlungen des Kaisers pejorativ bezeichnet.

Caligula in der Forschung

 
Das Mausoleum des Augustus diente dessen posthumer Verehrung

Aufgrund der problematischen Überlieferungslage existieren vergleichsweise wenige monographische Untersuchungen zu Caligula. Vor allem in der älteren Forschung ist die Ansicht verbreitet, Caligula sei im Verlauf seiner Herrschaft größenwahnsinnig und geisteskrank geworden, was ein Resultat der praktisch inzestuösen Familienpolitik der julisch-claudischen Kaiserfamilie sei (Cäsarenwahnsinn; s.u.). Neuere übergreifende Darstellungen zum Thema bezweifeln teilweise, dass Caligula geisteskrank war, oder diskutieren diese Frage nicht. Allerdings gilt Caligula trotz der möglicherweise stark einseitigen Überlieferung weithin als willkürlicher Gewaltherrscher, dessen Regierung nur aufgrund der inneren Stabilität des Reiches ohne negative Folgen blieb.[8] Die letzten drei erschienenen Caligula-Biographien spiegeln die Bandbreite der heutigen Lehrmeinung wider: Ferill (1991) beschreibt das in den Quellen dargestellte Bild des wahnsinnigen und irrational grausamen Tyrannen als historisch, Barret (1989) diskutiert umfangreich Alternativen zur überlieferten Darstellung, Winterling (2003) rehabilitiert großenteils den Kaiser. Die beiden letztgenannten Arbeiten haben großen Zuspruch in der Forschung gefunden (Rezension zu Winterling).

Winterling stellt vor allem Caligulas Geisteskrankheit vehement in Frage: Der Kaiser war ein Zyniker, der mit "doppelbödiger Kommunikation" (zynische Anspielungen auf zeitgenössische Verhältnisse[9]) gegenüber dem Senat auftrat, um diesen zu demütigen. Diese Äußerungen, die in ihrer Bedeutungsbreite heute nur noch schwer nachzuvollziehen sind, haben vor allem in der modernen Rezeption zum Bild des irrational handelnden Kaisers beigetragen. Ebenfalls entscheidend für die Annahme eines Größenwahns in der modernen Bewertung war die Selbstinszenierung Caligulas als lebender Gott, die aber in Kontinuität zum Kaiserkult des Augustus steht (der er es aber zumindest in der Stadt Rom noch vermieden hatte, schon zu Lebzeiten als Gott verehrt zu werden) und, für den Osten des Reiches, in der Tradition des hellenistischen Herrscherkultes. Entscheidend für die Legendenbildung in der Antke waren Selbstschutzgründe des Senats, der den Vorwurf der Geisteskrankheit erfunden hat, um erlittene, letztlich aber akzeptierte Demütigungen des autokratischen Kaisers historisch zu rechtfertigen. Dies spiegelt sich in der Entwicklung der literarischen Überlieferung wider, bei der sich der Verdikt des Wahnsinns im Sinne eine psychischen Störung graduell entwickelt findet.

Eine Legendenbildung des "wahnsinnigen" Kaisers aus der Kommunikation zwischen Kaiser und Senat zu erklären, ist einerseits auch deshalb schlüssig, da für Caligula schon als Kind die Nachfolgefrage erstmalig weitgehend sicher war und er den Prinzipat nicht mit den gleichen Konsensritualen legitimieren musste, wie es der Senat unter Augustus gewohnt war – anders als Tiberius, der sich zu Beginn seiner Herrschaft demonstrativ der Einwilligung im Senat versicherte, gleichwohl in seinen letzten Regierungsjahren als grausamer Tyrann galt. Ob Caligula andererseits gerade durch diese ungeheure Machtfülle pathologische Züge von Größenwahn entwickelte, ist letztlich eine spekulative Frage.

Caligula-Rezeption

Die für spätere Bearbeitungen des Tyrannen-Stoffes wegweisende Theorie des Caesarenwahnsinns ist erstmalig in einem 1894 erschienenen Essay von Ludwig Quidde dargelegt; obwohl auch antike Autoren von einer Degenerierung sprechen, ist ihnen eine genetische Ursache völlig unbekannt: Die römische Welt (wie überhaupt voraufklärerische Gesellschaften) beruhte auf dem Konzept des mos maiorum (der Sitten der Vorfahren), das die Verdienste einer angesehenen Ahnenreihe automatisch auf Nachgeborene übertrug. Quidde ließ sich also vom naturwissenschaftlichen Fortschritt und nicht zuletzt von darwinistischen Ansatz seiner Zeit inspirieren. Der Essay war außerdem als indirekte Kritik an Wilhelm II. gedacht.

Das in den antiken Quellen überlieferte Bild des grausamen Tyrannen sowie Quiddes Bild des Wahnsins bei Kaisern der julisch-claudischen Dynastie bestimmen die zahlreichen populärwissenschaftlichen, belletristischen und literarischen Darstellungen Caligulas, die sich aus dem reichlich überlieferten anekdotischen Material zur Person des Kaisers bedienen, und insofern nicht als historisch schlecht recherchiert gelten können, jedoch bisweilen zur Wirkungssteigerung weniger Wert auf quellenkritische Vorbehalte legen.

 
Grabstein des Camus

In Anspielung an die totalitären Regime seiner Zeit verfasste der nur 25-jährige Albert Camus 1938 das Drama Caligula. Historisch setzt es nach dem Tod der Drusilla und der damit verbundenen Krise des Kaisers ein, der die Sinnlosigkeit des Lebens erkennt und damit Camus' philosophische Konzeption des Existenzialismus versinnbildlicht.

Tinto Brass setzte 1979 den Skandalfilm Caligula (dt. Untertitel Aufstieg und Fall eines Tyrannen) in Szene. Malcolm McDowell (weitere Hauptrolle in Uhrwerk Orange) gab den Kaiser, Peter O’Toole (Lawrence von Arabien) den Tiberius. Der Film war bei seiner Kinoaufführung stark gekürzt und wurde wegen der als unerträglich empfundenen Aufeinanderfolge von Szenen mit sexuellen Ausschweifungen oder Folterexzessen schnell aus dem Programm genommen, erreichte jedoch hohe Verkaufszahlen in der VHS- und später in der teilweise rekontruierten DVD-Fassung. Der ursprünglichen Verfilmung folgten weitere Produktionen, die den historischen Stoff als Fassade für zumeist niveaulose Sex- und Gewaltorgien benutzten.

Im Rahmen des New York Musical Theatre Festival wurde am Broadway 2004 ein Musical Caligula: An Ancient Glam Epic uraufgeführt. Die Inszenierung, die ebenfalls die Skandalgeschichten um den Kaiser thematisiert, avancierte zum Publikumsliebling und wurde in der Presse überwiegend positiv rezensiert. Eine politisch gefärbte Singleauskopplung diente der Mobilisierung von Wählern in der bevorstehenden Präsidentenwahl. (Rezension)

Am 19. August 2006 strahlte der US-amerikanische History Channel eine Reportage über Caligula aus, welche die dem Interpretationsspielraum der Quellen entnommenen Untaten des Kaisers in den Mittelpunkt rückt: die Beförderung von Incitatus, Inzest mit allen Schwestern, Mord an der von ihm geschwängerten Drusilla, erzwungene Prostitution von Senatorenfrauen, Massenvergewaltigungen männlicher und weiblicher Senatoren durch den Kaiser.

Quellen

Anmerkungen

  1. In der älteren Forschung wurde zwar vor allem der 7. Brief Senecas der epistulae morales als Gegenbeweis angeführt. Moderne Darstellungen sehen allerdings auch darin keine fundamentale Kritik an der Gewalt bei Gladiatorenspielen. Die Literatur ist zahlreich. Besonders nah am Thema der Einschätzung von Gewalt bei Autoren: M. Wistrand, Entertainment and Violence in Ancient Rome. The Attitudes of Roman Writers of the first Century A.D., Göteborg 1992.
  2. Zahlreiche Literatur zum Thema; siehe J.-U. Krause et al. (Hrsg.), Bibliographie zur römischen Sozialgeschichte, Bd. 2, Stuttgart 1998, 555-557, s.v. Repetunden.
  3. J. Scheid, La mort du tyran: chronique de quelques morts programmés, in: Du châtiment dans la cité. Supplices corporels et peine de mort dans le monde antique. Table ronde Rome 9-11 novembre 1982, Collection de l’École française de Rome 79, Rom, Paris 1984, 177-193.
  4. Zahlreiche Literaur zu fiktionalen Elementen in der Geschichtsschreibung. Eine Zusammenstellung und Diskussion bei M. Zimmermann, Kaiser und Ereignis. Studien zum Geschichtswerk Herodians, München 1999, 9-13. Zur hellenistischen Tyrannentopik immer noch nützliche Einführung bei H. Berve, Die Tyrannis bei den Griechen, München 1967, bes. 490ff. und Anm., S. 737-753. Ausführliche Übersicht über Tyrannenmotive bei römischen Kaisern: T. Arand, Das schmähliche Ende. Der Tod des schlechten Kaisers und seine literarische Gestaltung in der römischen Historiographie, Frankfurt a.M. 2002, 73-102.
  5. Vgl. etwa E. Flaig, Den Kaiser herausfordern. Die Usurpation im Römischen Reich, Frankfurt a.M., New York 1992, 38-93.
  6. Vgl. P.A. Brunt, Lex de imperio Vespasiani, in: JRS 67, 1977, 95-116, dessen grundlegender Beitrag zur Prinzipatsverfassung heute allerdings nur noch insofern weitgehend unbestritten ist, als die für Vespasian überlieferte Gewaltenübertragung bereits bei Vorgängern erfolgte, nicht jedoch in der Frage, ob damit tatsächlich der Spielraum der völligen Ermessensfreiheit übertragen wurde.
  7. Suet. Cal. 60; Suet. Cl. 11,3; Cass. Dio 60,3,4-5,1; 60,8,6; 59,30,1a; 60,22,3; Tilgung des Kaisernamens in den folgenden Inschriften: ILS 194; 205; 5674; 5948 6396; IGR 1,1057; 4,146; 4,1721. Die Lex de imperio Vespasiani erwähnt Caligula nicht.
  8. Moderne Standarddarstellungen zur frühen Kaiserzeit in der deutschsprachigen Fachliteratur etwa: K. Christ, Geschichte der Römischen Kaiserzeit, 4. Auflage, München 2002; H. Bellen, Grundzüge der römischen Geschichte, Bd.2: Die Kaiserzeit: Von Augustus bis Diocletian, Darmstadt 1998. Weitere Studien zur Frage der Historizität des Wahnsinns bei G. Fagan, Anm. 7.
  9. Zum Begriff siehe S. Bartsch, Actors in the Audience. Theatricality and Doublespeak from Nero to Hadrian, Cambridge 1994.

Primärquellen

Sekundärliteratur

  • Aloys Winterling: Caligula – Eine Biografie. München 2003, ISBN 3-406-50206-7 (Ausführliche Besprechung in Göttinger Forum für Altertumswissenschaft 7 [2004], S. 1017–1031, hier online (PDF)).
  • Anthony A. Barrett: Caligula: the Corruption of Power. Batsford 1989, ISBN 0713454873.
  • Michael Grant: The Twelve Caesars. New York 1975.
  • Arther Ferrill, Caligula, Emperor of Rome. London 1991
  • Dirk Rohmann: Gewalt und politischer Wandel im 1. Jh. n. Chr., München 2006.
  • Donna W. Hurley: An Historical and Historiographical Commentary on Suetonius’ Life of C. Caligula. Atlanta 1993.

Belletristische Darstellungen

  • Ludwig Quidde: Caligula. Eine Studie über römischen Cäsarenwahnsinn. Leipzig 1894.
  • Josef Toman: Tiberius und Caligula. München 1982.
  • Siegfried Obermeier: Caligula. Der grausame Gott. München 1992.

Film

Commons: Caligula – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Siehe auch


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