Holocaust
Die Begriffe Holocaust (auch Holokaust, von griechisch ολοκαύτωμα, olokáutoma: "vollständiges Brandopfer") und Shoa (hebräisch: "großes Unheil") bezeichnen im engeren Sinn den systematischen Völkermord an etwa sechs Millionen europäischen Juden während der Zeit des Nationalsozialismus. Im weiteren Sinn wird dem Holocaust auch die kollektive Ermordung von Angehörigen anderer ethnischer, religiöser und sonstiger Bevölkerungsgruppen zugerechnet, die von den Nazis als „unerwünscht“, „lebensunwert“ oder „rassisch minderwertig“ erklärt wurden. Zu letzteren gehörten vor allem die „Behinderten“, die Sinti und Roma und weitere als Zigeuner bezeichnete Gruppen, die Zeugen Jehovas, die Homosexuellen sowie polnische Intellektuelle, russische Kriegsgefangene und andere, überwiegend slawische Volksgruppen.
- Dieser Artikel befasst sich vorrangig mit dem Genozid an den europäischen Juden. Nationalsozialistische Mordaktionen gegen andere Gruppen werden in folgenden Artikeln dargestellt:
- Porajmos: zur Ermordung und Verfolgung ziganischer Völker
- Aktion T4 und Euthanasie: zum Mord an Behinderten,
- Rosa Winkel: zum Mord an Homosexuellen,
- Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus.
- Zur Verfolgung und Ermordung politisch-ideologischer Gegner des NS-Regimes siehe: Widerstand gegen den Nationalsozialismus.
- Der Artikel Shoa behandelt diesen Begriff und die Diskussion um die Singularität des Holocaust.
Die Begriffe Holocaust und Shoa
Beide Begriffe werden von Nichtjuden meist deckungsgleich für den millionenfachen Judenmord zwischen 1933 und 1945 verwendet, obwohl sich die Wortbedeutung unterscheidet.
Das Wort Holocaust stammt vom griechischen holókauton ab und bedeutet „vollständiges Brandopfer“. In diesem Sinn verwendete es erstmals der Historiker Xenophon, dann auch die griechische Übersetzung der Hebräischen Bibel, die Septuaginta. Über die lateinische Bibelübersetzung der Vulgata drang holocaustum in den englischen Sprachschatz ein, nicht aber in den deutschen, da Martin Luther den Ausdruck mit Brandopfer übersetzte.
Darum wurde der Genozid an den europäischen Juden zunächst nur im englischen Sprachraum mit dem Wort Holocaust bezeichnet, erstmals im Dezember 1942 in der Tageszeitung News Chronicle. Diese verband damit bereits Hitlers Vernichtungsplan an den Juden: „...the Jewish peoples are to be exterminated“. Von nun an behielt der Begriff im politischen Diskurs diesen Sinn und setzte sich in der angelsächsischen Geschichtswissenschaft nach 1945 allmählich durch. Aber erst der Autor Frederick Forsyth machte 1972 diesen Sinn mit seinem Roman Die Akte Odessa einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.
Zwar gab es damals auch im Deutschen das Fremdwort Holokaust, es wurde jedoch kaum im Zusammenhang mit dem Völkermord an den Juden gebraucht und in wichtigen Wörterbüchern auch nicht verzeichnet. Dies änderte sich in der Bundesrepublik Deutschland erst nach der Fernsehserie „Holocaust - Die Geschichte der Familie Weiß“ von 1979. Nun gingen „Holocaust“ oder „Holokaust“ rasch in den allgemeinen Sprachgebrauch ein und bezeichneten das, was zuvor mit Begriffen wie „Judenverfolgung“ , „Judenvernichtung“ oder „Judenmord“ umschrieben worden war.
In der historischen Forschung wurde zuvor meist vom „Mord an den europäischen Juden“ gesprochen. Dies hatte sich nur schwach vom Allgemeinbegriff „Judenfeindlichkeit“ abgehoben. Eine von den nationalsozialistischen Völkermorden losgelöste Verwendung des Begriffs Holocaust ist daher im Deutschen semantisch und sprachethisch umstritten. Man sieht darin Effekthascherei oder gar eine versuchte Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechen. Insofern beschreibt der Begriff Holocaust eher die Perspektive der Täter-Nachfahren.
Das nichtreligiöse hebräische Wort „Shoa“ (השואה; Schoa, Schoah) verwendeten Juden schon lange vor 1945 für ein „großes Unheil“ oder eine „Katastrophe“. Diesen Begriff bevorzugen Juden vor allem in Israel seit 1945 meist auch für den Holocaust, denn der Ausdruck „Holocaust“ betont nach ihrer Ansicht zu sehr die Opferrolle der Ermordeten und enthält zudem den religiösen Sinn, als sei das „Opfer“ der Juden „gottgewollt“ gewesen. Daher fand „Shoa“ auch Eingang in die israelische Unabhängigkeitserklärung von 1948.
Diesen Begriff lehnen wiederum manche Vertreter nicht-jüdischer Opfergruppen des Holocaust ab, da er ihrer Meinung nach den Blick allein auf die ermordeten Juden einengt.
Außerhalb Israels bürgerte sich „Shoa“ vor allem wegen des gleichnamigen Dokumentarfilms von Claude Lanzmann von 1985 ein, der als „narrative Chronik des Holocaust“ gilt. Wer als Nichtjude den Begriff „Shoa“ bevorzugt, verbindet damit oft Kritik am Holocaustfilm von 1979: Dieser habe den Stoff „romantisierend“ und „reißerisch“ oder gar „voyeuristisch“ umgesetzt, was für viele dem tatsächlichen Schrecken des Themas nicht angemessen erschien.
Gesellschaftliche Voraussetzungen und ideologische Grundlagen
Die Nationalsozialisten bauten ihre Ideologie auf den in fast ganz Europa verbreiteten Antisemitismus und Antijudaismus auf, der in Deutschland seit Beginn des 19. Jahrhunderts mit dem aufkommenden Patriotismus und einem seit der Jahrhundertmitte immer aggressiver auftretenden und zunehmend autoritären Nationalismus einherging. Dieser wurde durch die Niederlage der demokratischen und sozialistischen Gruppen in der Märzrevolution von 1848/49 nachhaltig gestärkt und gewann spätestens im 1871 ausgerufenen Kaiserreich einen chauvinistisch-expansiven Charakter.
Seit etwa 1870 waren in den verschiedenen Gruppen und Parteien der deutschnationalen Völkischen Bewegung, die sich bis weit in bürgerliche Kreise hinein erstreckte, immer stärker Tendenzen aufgekommen, nach denen das deutsche Volk als anderen überlegene Herrenrasse betrachtet wurde. Die Juden wurden dabei als Feindbild im eigenen Land dargestellt, und es kam zu Entwürfen erster politischer Vertreibungs- und Vernichtungsprogramme gegen alle Juden.
Im Unterschied zu vor allem religiös motivierten antisemitischen Vorurteilen, wie sie z.B. auch in Osteuropa stark verbreitet waren, verknüpfte die NS-Ideologie den Antisemitismus in Deutschland mit einer in ihren Grundzügen schon seit 1860 entwickelten pseudowissenschaftlichen Rassenlehre, die beanspruchte, die Menschheit in unterschiedliche Menschengruppen aufzuteilen, und sie in höher- und minderwertigere Rassen einzuordnen.
Hitler bauschte diese Ideologie in seinem autobiografischen Programmentwurf Mein Kampf schon in den 1920er Jahren propagandistisch auf. Dabei definierte er die Geschichtsauffassung des Marxismus, wonach die Geschichte eine Abfolge von Klassenkämpfen sei, um in eine Geschichte von Rassenkämpfen um Lebensraum, an deren Ende die „gesündeste“ und „durchsetzungsfähigste“ Rasse obsiege, nachdem sie „minderwertige“ Rassen „ausgerottet“ oder „versklavt“ habe.
Laut Hitler war die arische Rasse, zu der er das deutsche Volk zählte, zu diesem Sieg auserwählt. Als Hauptfeind in diesem Menschheitskampf sah er die Juden, die er nicht als Religionsgemeinschaft, sondern - entgegen jeglichem Augenschein -ebenfalls als Rasse definierte. Ihre besondere Bedrohung bestehe darin, die verschiedenen Rassen „vermischen“ zu wollen. Dazu griffen sie neben dem internationalen Finanzkapital auf Ideologien wie den Liberalismus, den Pazifismus, Internationalismus oder den Marxismus zurück. Dadurch würden sie an sich „gesunde Rassen“ „zersetzen“.
Wo die Nationalsozialisten „nicht-arische“ Rassen „nur“ als Untermenschen betrachteten, wurden die Juden im NS-Jargon zusätzlich als Ungeziefer und Krankheitserreger verunglimpft. Besonders drastisch wurde diese These im NS-Propagandafilm Der ewige Jude von 1940 verbreitet. Dieser verwendete dazu das Stilmittel der Dokumentation, um gegenüber einem größeren Publikum den Anschein einer objektiven Darstellung zu erwecken.
Die Geschichte des Holocaust
Die Entwicklung zum Holocaust begann 1933 mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung der Juden in Deutschland und zielte auf die Vernichtung aller europäischen Juden, derer das nationalsozialistische Regime habhaft werden konnte. Sie lässt sich grob in drei aufeinander aufbauende, sich zeitlich überlappende Phasen einteilen:
- Entrechtung und Verdrängung aus dem Verwaltungsapparat und öffentlichen Leben,
- die sogenannte Arisierung (Enteignung von in jüdischem Besitz befindlicher Unternehmen) und Ghettoisierung,
- Deportation, Massenmorde und Vergasung in den Vernichtungslagern.
Die Judenverfolgung im Deutschen Reich von 1933 bis 1939
Seit Hitlers Machtergreifung betrieben die Nationalsozialisten die systematische Entrechtung der Juden. Unmittelbar nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler (30. Januar 1933) begannen "spontane" Proteste gegen jüdische Beamte; Gerichtsverhandlungen wurden gestört, die Beseitigung jüdischer Juristen wurde in Zeitungsartikeln und Leserbriefen gefordert. Am 1. April organisierte die SA einen Boykott jüdischer Geschäfte, bei dem Läden zertrümmert und jüdische Geschäftsinhaber verprügelt wurden.
Die staatliche Verdrängung von Juden aus dem öffentlichen Dienst begann mit dem "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" am 7. April 1933, das die Entlassung aller jüdischen Beamten erlaubte. Durch ein Eingreifen des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg wurden nur die jüdischen Beamten ausgenommen, die schon vor 1914 im Staatsdienst waren, im Weltkrieg gekämpft oder dabei Angehörige verloren hatten. Von nun an wurden Juden auch aus allen Ehrenämtern entfernt; sie erhielten nur noch begrenzt Zugang zu Schulen und Universitäten; jüdische Steuerberater verloren ihre Zulassung.
1935 verschlechterte sich die Lage vieler Juden nochmals drastisch: Sie wurden nicht mehr zu Prüfungen als Ärzte und Apotheker zugelassen und vom Wehrdienst ausgeschlossen. Zahlreiche Berufsverbände erteilten für sie mitsamt ihren Ehegatten Berufsverbote, z.B. als Haushaltshilfen, Gewerbelehrer, Kirchenmusiker, Kunst- und Antiquitätenhändler, Kinobetreiber, Schwimmmeister. Im Juli kam es zudem in Berlin zu erneuten Ausschreitungen gegen jüdische Geschäfte.
Im September zementierten die Nürnberger Gesetze die rassistische Ausgrenzung: Das "Reichsbürgergesetz" beließ Juden zwar die deutsche Staatsbürgerschaft, wertete diese aber ab, indem nur "Arier" die "Reichsbürgerschaft" mit dem Privileg des Wahlrechts und voller Bewegungsfreiheit erhielten. Das "Blutschutzgesetz" verbot die Eheschließung und außereheliche Sexualität zwischen Juden und "Ariern". Dabei war zunächst unklar, wer als Jude zu gelten habe: Die "Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz" definierte dann "Volljuden" als Personen mit mindestens drei, "Mischjuden" mit bis zu zwei jüdischen Großelternteilen. Auch wer zur jüdischen Glaubensgemeinschaft gehörte, galt als "Volljude"; wer nach dem Gesetzeserlass in diese eintrat, mit einem Juden verheiratet war oder aus einer "Mischehe" gezeugt wurde, galt als "Mischling". Der angeblich biologische "Rasse"-Begriff ließ sich also juristisch nur durch Rückgriff auf nichtbiologische Merkmale wie die Religionszugehörigkeit fassen.
Im Jahr 1936 wurden wegen der Olympiade in Berlin und der damit verbundenen Aufmerksamkeit des Auslands keine weiteren Gesetze gegen Juden erlassen, und auch Alltagsschikanen traten für knapp zwei Jahre zurück.
Das Jahr 1938 verschärfte die Entrechtung und Diskriminierung der Juden dann systematisch. Am 5. Januar 1938 wurde das "Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen" erlassen, das Juden zwang, aus einer bestimmten, eng begrenzten Zahl "typisch jüdischer" Vor- und Zunamen ihren Erst- oder Zweitnamen zu wählen. Ab Februar erhielten jüdische Betriebe und Haushalte geringere Zuteilungen an Rohstoffen und Devisen. Dort durften auch keine "deutschblütigen" Frauen mehr arbeiten. Sie erhielten ab März keine öffentlichen Aufträge mehr und mussten ab dem 26. April ihr gesamtes Vermögen dem Staat offenlegen ("anmelden"). Damit begann die „Arisierung“ von Unternehmen in jüdischem Besitz.
Die staatliche Sozialfürsorge für Juden wurde eingestellt; jüdische Wohlfahrtspflegevereine mussten diese tragen. Nach den Elektrikern und Gasinstallateuren verloren ab September 1938 alle noch tätigen jüdischen Ärzte ihre Approbation, im November folgten die Anwälte, im Januar 1939 die Apotheker, Zahn- und Tierärzte. Alle jüdischen Börsen und Großmärkte wurden geschlossen. Jüdische Schüler durften nicht mehr zusammen mit deutschen Mitschülern Abitur machen. Jüdische Stiftungen mussten ihre Satzungen dahingehend ändern, dass sie nur noch der Auswanderung der Juden dienen sollten.
Nach dem "Anschluss" Österreichs kam es zu einer ersten großen Fluchtwelle meist mittelloser jüdischer Deutscher aus dem Reichsgebiet, vor allem in die Schweiz. Daraufhin verlangten deren Staatsbehörden von Deutschland die Kennzeichnung jüdischer Reisepässe. Eine Verordnung legte dann fest, dass alle Pässe jüdischer Staatsbürger ohne den Stempel eines "J" ungültig seien. Diese und weitere Restriktionen verhinderten nach Kriegsbeginn 1939 die Aufnahme tausender fluchtwilliger Juden, was für die meisten Betroffenen einem Todesurteil gleichkam.
Auch andere europäische Staaten erschwerten nun die Einreise für Immigranten aus Deutschland. Nachdem Polen Juden polnischer Herkunft, die länger in Deutschland lebten, die polnische Staatsbürgerschaft entziehen wollte, schob die Gestapo Ende Oktober 1938 etwa 15.000 Juden in einer Nacht- und Nebelaktion nach Polen ab. Betroffen waren davon auch die Eltern des Pariser Studenten Herschel Grynszpan. Dieser erschoss daraufhin einen deutschen Diplomaten.
Dies war der willkommene Vorwand für die bis dahin grausamsten Pogrome gegen Juden im Deutschland des 20. Jahrhunderts: die sogenannte „Reichskristallnacht“ vom 9. auf den 10. November 1938. Sie wurde von Joseph Goebbels eingeleitet und von zahlreichen Gauleitern und ihren Untergebenen unterstützt. Die meisten der oft Jahrhunderte alten Synagogen Deutschlands wurden angezündet und zerstört. Dazu wurden Tausende Häuser und Wohnungen von Juden verwüstet. 100 bis 400 Juden (die genaue Zahl ist unbekannt) wurden ermordet; viele wurden geschlagen, verletzt und gedemütigt. In den folgenden Tagen wurden erstmals bis zu 36.000 Juden in schon vorhandenen Konzentrationslagern interniert.
Die nationalsozialistischen Machthaber testeten damit die Bereitschaft der Bevölkerung zum Zuschauen, Wegschauen oder Mitmachen. Goebbels erklärte das staatlich gelenkte und geduldete "Überkochen der Volksseele" in Zeitungsartikeln für beendet, kündete aber zugleich an: Die "weiteren Lektionen" würden "dem Judentum auf dem Weg der Gesetzgebung erteilt werden." Gemeint war damit vor allem die nun durchgeführte Arisierung. Juden wurde eine Milliarde "Schadensersatz" für die Gebäudeschäden der Pogromnacht auferlegt. Die "Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben" verbot ihnen u.a. Einzelhandel, Versandgeschäfte, Bestellkontore, Führung von Handwerksbetrieben, Warenangebot auf Messen, Märkten oder Ausstellungen, Betriebsleitung und Tätigkeit als leitende Angestellte.
Hinzu kam Alltagsdiskriminierung: z.B. Parkbänke mit Schildern "Nur für Deutsche", "Entjudung" (Umbenennung) von Straßennamen, Uniformverbot, generelle Einstufung in die höchste Steuerklasse, Verbot der Benutzung von Schlaf- und Speisewagen der Reichsbahn, Streichung von Wohngeld. Hauseigentümer durften freiwerdende Wohnungen nicht mehr an "Volljuden" vermieten, ihnen wurden "Sonderwohnbezirke" zugeteilt. Damit begann ihre Ghettoisierung. Am 4. Juli 1939 wurden zudem alle jüdischen Vereine, Organisationen und Stiftungen zwangsweise in einer "Reichsvereinigung" zusammengeschlossen.
Diese Staatsmaßnahmen verfolgten bis zum Kriegsbeginn 1939 das klar erkennbare Ziel, die Juden aus allen Bereichen der Öffentlichkeit, Staat, Kultur und Wirtschaft auszugrenzen, um so möglichst viele Juden zur Auswanderung aus Deutschland zu drängen. Von 510.000 deutschen Juden, die 1933 den israelitischen Kultusgemeinden angeschlossen waren, verließen bis 1939 etwa 315.000 ihre Heimat und flohen ins Exil. Von den verbliebenen rund 200.000 Menschen gelang 1939 nochmals 15.000 die Flucht. Höchstens 10.000 in "Mischehen" oder illegal im Reich lebende Juden entkamen ihrer Ermordung.
Der Übergang zum systematischen Völkermord ab September 1939
Der Beginn des 2. Weltkriegs am 1. September 1939 war zugleich der Beginn der eigentlichen nationalsozialistischen Vernichtungspolitik.
Sein Ziel hatte Hitler schon 1925 in seiner autobiografischen Propagandaschrift „Mein Kampf“ und in vielen öffentlichen Reden davor zum Ausdruck gebracht: die vollständige Vernichtung des „Weltjudentums“, wie er es nannte. Dazu bot der Krieg den Nazis neue Möglichkeiten. Denn nun war Juden die legale Ausreise aus dem Deutschen Reich nicht mehr möglich. Dies erlaubte die systematische innenpolitische Erfassung und Isolierung der deutschen Juden und brachte dazu Millionen von europäischen Juden in den besetzten Gebieten, vor allem in Polen, der Ukraine, Weißrussland, der Sowjetunion und Ungarn, in die Reichweite der nationalsozialistischen Herrschaft. Von nun an wurde die organisierte industrielle Ermordung aller Juden, derer das Hitler-Regime habhaft werden konnte, geplant und betrieben.

Am 20. September 1939 beschlossen Hitler, Heinrich Himmler, Reinhard Heydrich und Albert Forster als Nahziel, binnen eines Jahres alle Juden aus dem Reich nach Polen zu bringen und dort in Ghettos zu konzentrieren. Man dachte dabei zunächst wohl noch an die Einrichtung eines überwachten "Judenreservats" an der russischen Grenze. Im März 1940 wurden die Juden der inzwischen "eingedeutschten" polnischen Gebiete südlich von Warschau und Lublin zwangsweise "umgesiedelt". In den größeren polnischen Städten wie Warschau oder Lodsch wurden hermetisch abgeriegelte Ghettos für sie eingerichtet. Dort starben daraufhin bereits viele durch Hunger, Kälte und tägliche willkürliche Morde der NS-Wachmannschaften.
Im April 1940 wurden diese Zwangsumsiedlungen jedoch vorerst wieder eingestellt, weil sich organisatorische Probleme dabei ergaben. Danach erwog das Reichssicherheitshauptamt im Juni den Plan, alle Juden aus Deutschland und den eroberten Gebieten nach Madagaskar abzuschieben. Es zeigte sich jedoch bald, dass der Krieg einen solchen Massentransport unmöglich machte. Schiffe und Flugzeuge wurden für militärische Zwecke gebraucht und waren nicht über die lange Distanz zu schützen.
Im Herbst 1940 verfuhren "Reichsgaue" eine Zeitlang uneinheitlich mit den Juden ihres Bereichs: So schoben Baden, die Pfalz und das Saarland etwa 6.500 Menschen am 22. und 23. Oktober in unbesetzte Teile Frankreichs ab. Manche Städte erließen in eigener Regie Ausgangsbeschränkungen und zogen die Radioapparate jüdischer Bürger ein. Die Gestapo konnte dies nur unterbinden, indem sie dieselben Maßnahmen reichsweit anordnete. Juden erhielten nun auch keine Kakao- und Schokoladeprodukte mehr, keine Kleiderkarten, kein Textil- und Ledermaterial. Ihre Lebensmittelkarten waren wie ihre Pässe mit einem "J" markiert, und sie durften täglich erst nach 15:30 Uhr einkaufen, wenn die meisten Regale in den Läden bereits geleert waren.
Mit dem Russlandfeldzug begann ab Sommer 1941 die Phase der nationalsozialistischen Massenmorde an Zivilisten in den eroberten Gebieten. Den vorrückenden Truppen der Wehrmacht folgten die so genannten Einsatzgruppen der SS. Diese ließen Juden in Dörfern und Städten sammeln, um sie dann massenhaft zu erschießen: zum Beispiel in Babi Jar bei Kiew. An vielen solchen Aktionen waren auch einzelne reguläre Wehrmachtseinheiten sowie drei Polizeibataillone direkt beteiligt (siehe dazu Daniel Goldhagen).
Die Wehrmacht arbeitete auch bei der organisatorische Erfassung von Juden in den besetzten Gebieten eng mit der SS zusammen. So lassen sich die Vernichtung durch den Krieg, Vernichtung durch Zwangsarbeit für den Krieg und Vernichtung in den durch Krieg eroberten Gebieten nicht voneinander trennen.
Am 9. September 1941 ordnete die Polizei an, dass alle Juden künftig einen gelben Stern in Form eines Davidssterns gut sichtbar an der äußeren Kleidung zu tragen hätten. Im Januar 1942 wurde alle ihre Wolle und Pelze beschlagnahmt. Ab März des Jahres mussten auch die Wohnungen der im Reich verbliebenen Juden mit einem "Judenstern" gekennzeichnet werden. Sie durften öffentliche Verkehrsmittel nur noch in Ausnahmefällen benutzen. Auch Juden im Alter von über 65 Jahren, die bis dahin verschont worden waren, mussten nun die Deportationszüge besteigen. Die Presse durfte nichts mehr über diese Maßnahmen berichten. Ab 19. Oktober erhielten die verbliebenen Juden wichtige Nahrungsmittel wie Fleisch, Weizenprodukte, Milch, Kunsthonig, Kakaopulver nicht mehr. Lebensmittelsendungen ins Ausland wurden von ihren Rationen abgezogen, Sonderzuteilungen für Kranke gestrichen.
Im Februar 1943 waren alle Beschäftigungsverhältnisse zwischen Deutschen und "Volljuden" bzw. "Mischjuden 1. Grades" aufzulösen. Im April wurde allen Juden, "Mischlingen" und "Zigeunern" die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Da Deportationen und Vergasungen in den Lagern längst im vollen Gange waren, war diese Maßnahme nur noch ein Beispiel zynischer bürokratischer Perfektion ohne rechtliche und faktische Bedeutung.
Es folgte das Verbot für die noch übrigen Juden, bei Rechtsstreitigkeiten den ordentlichen Rechtsweg vor deutschen Gerichten zu nutzen. Strafbare Handlungen, die sie begingen, wurden direkt von der Polizei geahndet. Angehörige von Deportierten konnten keine Ansprüche auf deren Besitz mehr geltend machen; dieser fiel an das Reich. Diese vollständige Entrechtung machte die noch im Reich lebenden Juden parallel zum Holocaust zum Freiwild.
Relativ geschützt vor der Ausrottung waren nur noch "Mischjuden" in "Mischehen" oder ausländischer Staatsangehörigkeit. Auch deren Rechte wurden immer weiter eingeschränkt: Man erwog, sie zu sterilisieren oder ihre Ehen aufzulösen. Neue "Mischehen" wurden nicht mehr genehmigt. „Mischlinge“ durften ab September 1942 keine höheren Schulen mehr besuchen; Soldaten unter ihnen mussten die Wehrmacht verlassen. Nach dem misslungenen Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurden auch alle Beamten entlassen, die mit "Mischjuden" verheiratet waren. Im Januar 1945 wurden alle "Mischlinge" zum "geschlossenen Arbeitseinsatz" befohlen.
Die Vernichtungslager
Das erste Konzentrationslager war bereits 1933 in Dachau bei München eingerichtet worden. Es diente wie andere KZs seiner Art bis 1938 vorrangig der Inhaftierung und Liquidierung politischer Gegner - darunter in den ersten Jahren des NS-Regimes vor allem Kommunisten, Sozialdemokraten, Pazifisten, linken Intellektuellen -, bot aber auch ein Modell für spätere Vernichtungslager.
Für die geplanten Morde im großen Stil galten Massenerschießungen, wie sie unmittelbar nach Kriegsbeginn in Polen einsetzten, bald als „ineffektiv“. Zudem sollten anonymisierte Tötungsmethoden die psychologische Hemmschwelle der Täter weiter senken oder ganz beseitigen. Daher erprobten die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD seit Herbst 1941 Massentötungen mit Hilfe von mobilen Vergasungswagen. Im Dezember begannen sie diese Methode in Kulmhof systematisch anzuwenden.
Sie war schon 1939-41 in der Aktion T4, der so genannten Euthanasieaktion zur Ermordung geistig und körperlich schwer Behinderter eingesetzt worden. In dieser systematischen, reichsweiten Aktion waren Medikamente, Nahrungsentzug, Injektionen und Gas als Tötungsinstrumente erprobt worden. Auch andere Einzelheiten der später im Holocaust eingesetzten Mordmaschinerie wurden damals getestet und ausgefeilt. Ärzte, Verwaltungs- und Transportspezialisten der T4-Aktion stiegen zum Teil in der SS-Hierarchie auf und gaben ihre Erfahrungen an die Mannschaften in den Vernichtungslagern weiter.
Da sich die von der SS-Führung gewünschte Mordrate auch mit den Methoden, wie sie bei der Euthanasieaktion eingesetzt worden waren, nicht erzielen ließ, wurden schließlich fabrikmäßige Vernichtungslager errichtet, deren Hauptzweck die möglichst schnelle Tötung einer möglichst großen Zahl von Juden war. Die direkte Vernichtung war dabei häufig mit der Vernichtung durch industrielle Arbeit und Arbeit zur Vernichtung gekoppelt: In vielen KZs wurden Rüstungsgüter produziert. Solche Lager wurden angelegt in
- Auschwitz-Birkenau (1941)
- Chelmno (dt. auch Kulmhof) (1941)
- Treblinka bei Warschau (1942)
- Majdanek bei Lublin (1942)
- Belzec bei Lublin (1942) und in
- Sobibor bei Lublin in Polen sowie in
- Maly Trostinez bei Minsk in Weißrussland.

Aus dem ganzen von deutschen Truppen besetzten Europa wurden bis Kriegsende Menschen allein zum Zweck ihrer Vernichtung in diese Lager deportiert. Soweit sie nicht schon beim Transport in Viehwaggons umgekommen waren, wurden sie gleich nach ihrer Ankunft in Arbeitsfähige und Nicht-Arbeitsfähige eingeteilt. Die letzteren, in der Regel Kinder und ihre Mütter, Alte und Kranke, wurden gleich nach der Selektion in Gaskammern geführt, die als Duschräume getarnt waren. Dort wurden sie mit Zyklon B, einer hochgiftigen chemischen Verbindung mit Blausäure, vergast. Das Gas verursachte einen qualvollen, bis zu 20 Minuten dauernden Erstickungstod. Die Leichen wurden anschließend in Krematorien verbrannt. Körperliche Überreste - etwa Haare, Goldzähne, Fettbestandteile der Haut - und Privatgüter der Opfer - Kleidung, Schuhe, Brillen, Koffer usw. - wurden von der SS industriell verwertet.
Hinzu kamen Menschenversuche zu militärischen, medizinischen und anderen Zwecken in den Lagern. Die Opfer wurden zum Beispiel in Druckkammern extrem hohem oder niedrigem Luftdruck ausgesetzt, in Eiswasser unterkühlt, mit Bakterien infiziert, für chirurgische Versuche und vieles mehr missbraucht. Die Täter, etwa der SS-Arzt Josef Mengele, nahmen den Tod oder lebenslange Gesundheitsschäden der Versuchspersonen bewusst und ohne jede Skrupel in Kauf.
An vielen deutschen und schweizerischen Forschungseinrichtungen fanden sich noch bis vor kurzem menschliche Körperteile, die einst von den Nazis zu "Versuchszwecken" angefordert und geliefert worden waren.
Planungsdokumente, Wannseekonferenz und Opferzahlen
Von den eigentlichen Planungen des Holocaust existieren nur wenige schriftliche Dokumente aus der Nazizeit, da der engere Kreis der Täter die Dimension und Tragweite seines Vorhabens auch im Hinblick auf die mögliche Kriegsniederlage für die Nachwelt verbergen wollte. Die direkt darin involvierten Personen unterlagen der Schweigepflicht. Die Umsetzung des Völkermords galt als „Geheime Reichssache“.
Unter führenden Nationalsozialisten war also ein klares Bewusstsein für den außerordentlichen Zivilisationsbruch dieses Völkermords vorhanden. Dafür spricht auch eine Rede Heinrich Himmlers vor SS-Offizieren, die schon an den Massenexekutionen hinter der Ostfront beteiligt gewesen waren.
Am 20. Januar 1942 fand unter der Leitung des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Reinhard Heydrich, die Wannseekonferenz bei Berlin statt. Auf ihr besprachen hochrangige Ministerialbeamte der Reichsregierung die so genannte „Endlösung der Judenfrage“, das heißt die Deportation und Ermordung aller europäischen Juden. Aus erhaltenen Akten der Konferenz lässt sich ersehen, dass 11 Millionen Menschen zur Vernichtung vorgesehen waren.
Im größten Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau wurden schätzungsweise 1.100.000 – 1.500.000 Menschen ermordet. Etwa eine Million davon waren Juden. In der seriösen historischen Forschung gilt es heute als gesichert, dass während des Zweiten Weltkriegs mindestens 5,29 Millionen, höchstens knapp über 6 Millionen Juden in Konzentrations- und Vernichtungslagern sowie bei Massenexekutionen zu Tode kamen. Absolut exakte Zahlen konnten nie ermittelt werden, da viele Deportierte gleich nach ihrer Ankunft – also ohne einzeln registriert worden zu sein – in die Gaskammern geschickt wurden. Für Hitlerdeutschland und alle von ihm besetzten Länder nennt das Werk „Dimension des Völkermords“ (siehe unten) folgende Minimalzahlen:
- Albanien: 600
- Bulgarien: 11.000
- Dänemark: 161
- Deutsches Reich: 165.000
- Frankreich und Belgien: 32.000
- Griechenland: 60.000
- Italien: 7.600
- Jugoslawien: 55.000-60.000
- Luxemburg: 1.200
- Niederlande: 102.000
- Norwegen: 735
- Österreich: 65.000
- Polen: 2.700.000
- Rumänien: 211.000
- Sowjetunion: 2.100.000-2.200.000
- Tschechoslowakei: 143.000
- Ungarn: 502.000
Jüdischer Widerstand
Weit verbreitet ist die Auffassung, die Juden hätten kaum Widerstand gegen ihre Deportationen und schließliche Ermordung geleistet. Nur wenige von ihnen ahnten zunächst etwas vom ganzen Ausmaß des ihnen zugedachten „Schicksals“. Für viele waren die Informationen über Massenvernichtungslager, die um 1942/43 unter anderem in den jüdischen Ghettos Polens, Litauens, Weißrusslands zunehmend kursierten, nichts anderes als Gerüchte. Die Vorstellung, dass sie als ganzes Volk ermordet werden sollten, erschien den meisten anfangs als wenig glaubhaft. Auch wenn sie unter den Repressionen der Nazis schon seit Hitlers Machtergreifung bzw. der Besetzung ihrer jeweiligen Herkunftsländer offensichtlich zu leiden hatten und viele von ihnen schon in den Ghettos an Hunger, Mangelkrankheiten oder in Folge gewaltsamer Übergriffe starben, nahmen sie doch an, dass ihr Leben insgesamt - zumindest als Arbeitskraft - wichtig genug war, um wenigstens als Sklavenarbeiter überleben zu können, bis die Deutschen besiegt seien. So entstand das Bild von den scheinbar willenlosen Opfern, die ihren Verfolgern nichts entgegenzusetzen gehabt hätten.
Tatsächlich war der Widerstand der Juden gegen ihre Mörder, wenngleich unter denkbar ungünstigen Bedingungen, zumindest nach dem Beginn des 2. Weltkriegs verbreiteter und vielfältiger, als weithin angenommen wird. Eines der bekannteren Beispiele dafür - und ein Fanal für den jüdischen Widerstand insgesamt - war der Aufstand im Warschauer Ghetto vom 19. April 1943 bis zum 16. Mai 1943. Er wurde organisiert durch die jüdische Kampforganisation „ZOB“ in der Endphase der Auflösung des Ghettos durch die Nazis, als alle dort noch verbliebenen Juden in die Vernichtungslager - vor allem nach Treblinka - deportiert werden sollten. Die Untergrundorganisation war von Kurieren, die zwischen dem „arischen“ Teil und dem abgeriegelten jüdischen Ghetto Warschaus unter lebensgefährlichen Bedingungen pendelten, nach und nach mit eingeschmuggelten Waffen, im Wesentlichen Handfeuerwaffen (Gewehre, Pistolen und entsprechende Munition), Handgranaten und Sprengstoff beliefert worden. Die in verschiedenen Häusern des Ghettos kämpfenden Gruppen konnten den eindringenden Räumkommandos der SS zunächst in einem Überraschungsmoment hohe Verluste beibringen und sie in die Flucht schlagen. Daraufhin kehrte die SS mit schwerem Gerät wie Panzern und Kanonen zurück. Trotz der Übermacht der Deutschen konnten sich die jüdischen Widerstandsgruppen in einem etwa vier Wochen andauernden Häuserkampf halten. Am Ende blieb den noch übrigen Kämpfern nur die Kapitulation und damit in den meisten Fällen der Tod durch Erschießen. Nur wenige Beteiligte dieses Aufstands konnten sich durch die Abwasserkanäle retten.
Auch in anderen Ghettos bildeten sich jüdische Widerstandsgruppen, die verschiedentlich Ghettobewohnern zur Flucht verhalfen, und vereinzelt auch kleinere Revolten initiieren konnten, so zum Beispiel in Bialystok und Wilna. Ferner gab es in den KZs und Vernichtungslagern Osteuropas in einigen Fällen Revolten und Aufstände der jüdischen Häftlinge bzw. Teilen von ihnen: So kam es zum Beispiel am 14. Oktober 1943 zu einem von jüdisch-russischen Kriegsgefangenen angeführten Aufstand im Vernichtungslager Sobibor in Ostpolen. Dabei gelang es den Aufständischen, neun Angehörige der Wachmannschaften zu töten, bevor die gut vorbereitete Revolte bemerkt wurde. Sie weitete sich zu einem Massenaufstand der Juden aus, denen es gelang, die Tore zum Lager zu öffnen. 320 jüdische KZ-Insassen konnten fliehen. Viele von ihnen schlossen sich anschließend verschiedenen Partisanengruppen in den Wäldern an. Das Ende des Krieges überlebten jedoch nur 47 der Flüchtlinge aus Sobibor. Die Nazis gaben das Lager in Folge der Massenflucht bis Ende 1943 auf.
Im KZ Auschwitz-Birkenau, dem größten Vernichtungslager der Nazis, gab es in der Zeit seines Bestehens etwa 700 einzelne Fluchtversuche, von denen etwa 300 erfolgreich waren. Am 7. Oktober 1944 kam es zum verzweifelten Aufstand des jüdischen Sonderkommandos in Auschwitz, das an den Krematorien, den Verbrennungsöfen für die Opfer der Massenvergasungen, eingesetzt war. Durch die Zündung des von weiblichen Gefangenen eingeschmuggelten Sprengstoffs wurde ein Teil des Krematoriums IV zerstört. 250 Gefangene versuchten eine Massenflucht. Sie alle wurden jedoch relativ schnell gefasst und umgebracht.
Europaweit waren Tausende untergetauchte Juden beteiligt am Partisanenkrieg gegen die deutschen Besatzer, insbesondere in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Italien, den Balkanstaaten und Griechenland, wo sich jüdische Partisanen meist den bestehenden Widerstandsgruppen anschlossen. In Osteuropa, vor allem im katholisch geprägten Polen, gelang es den aus den KZs und Ghettos Entkommenen eher selten, sich schon bestehenden Partisanengruppen anzuschließen, da dort oftmals auch unter NS-Gegnern antisemitische Ressentiments vorherrschten. Aufgrund dieses Umstands bildeten sich gerade in Polen stärker als in West- und Südeuropa auch eigene spezifisch jüdische Partisaneneinheiten, die trotz ihrer anfänglichen Unerfahrenheit schnell in den Ruf kamen, besonders entschlossene und motivierte Kämpfer gegen die Nazis zu sein, und die im weiteren Kriegsverlauf von der vorrückenden Roten Armee teilweise bevorzugt mit Waffen versorgt wurden. Insbesondere beim sogenannten „Schienenkrieg“, einer Serie von Anschlägen und Sabotageaktionen gegen Eisenbahntransporte der deutschen Wehrmacht an die Ostfront, traten jüdische Partisanengruppen gehäuft in Erscheinung und schlugen zeitweilig erhebliche Lücken in die Kriegsinfrastruktur der Deutschen.
Im von den Deutschen besetzten Algerien waren es jüdische Widerstandskämpfer, die bei der „Operation Fackel“ die als uneinnehmbar geltende Festung Algier von innen erstürmten, und damit einen entscheidenden Beitrag für den erfolgreichen Feldzug der Alliierten gegen die deutsche Wehrmacht in Nordafrika leisteten.
Viele Juden, die in den 1930er Jahren und zu Beginn des Krieges vor den Nazis ins sichere Ausland emigrieren konnten, schlossen sich während des 2. Weltkriegs den regulären Truppen der verschiedenen Alliierten an. In vielen Armeen gab es eigene jüdische Einheiten in unterschiedlichen Waffengattungen, die als Soldaten gegen das NS-Regime kämpften. Nach dem Krieg dienten emigrierte deutsche Juden den Alliierten oft als Übersetzer im besetzten Deutschland.
Schätzungen zufolge waren europaweit bis zu 1,5 Millionen Juden am regulären militärischen Kampf als auch im Untergrund als Partisanen aktiv am Widerstand gegen die nationalsozialistische Tyrannei beteiligt.
Widerstand in den besetzten oder verbündeten Ländern
Eine kleine Zahl europäischer Juden wurde gerettet, weil die Regierungen ihrer Heimatländer der Forderung Hitler-Deutschlands nach ihrer Auslieferung nicht nachgaben.
Finnland, seit 1941 Deutschlands Verbündeter im Krieg gegen die Sowjetunion, lieferte seine Juden größtenteils nicht aus, obwohl Himmler dies im Sommer 1942 bei einem Finnland-Aufenthalt von der finnischen Regierung gefordert hatte. Der Premier Rangell soll darauf geantwortet haben, Finnlands Juden seien Bürger wie alle anderen und dienten auch als Soldaten im Krieg gegen die Sowjetunion. Einige Juden wurden dennoch ausgeliefert, weil sie Kommunisten waren. Diese Praxis wurde aber schon ab Dezember 1942 eingestellt, nachdem Zeitungen und einige Politiker dagegen protestiert hatten. Zwar wurde jüdischen Flüchtlingen zeitweise die Einreise nach Finnland verweigert; aber die etwa 1.000 in Finnland lebenden Juden konnten fast vollständig gerettet werden.
In Dänemark ergriff König Christian X. demonstrativ Partei für die Juden, als die deutschen Besatzungsbehörden auch sie zum Tragen des Judensterns zwingen wollten. Ein zum Widerstand gehörender Mitarbeiter der Besatzungsmacht warnte die dänische Untergrundbewegung vor drohenden Razzien der SS. Daraufhin gelang es unter Mithilfe großer Teile der Bevölkerung im September und Oktober 1943, die meisten der im Land lebenden ca. 6.000 Juden in das neutrale Schweden zu schleusen. So wurde eine vergleichsweise niedrige Anzahl dänischer Juden, 161 Menschen, in deutschen Lagern ermordet. Siehe auch: Rettung der dänischen Juden.
Der italienische Faschismus war anders als der deutsche Nationalsozialismus nicht antisemitisch ausgerichtet. Dazu kam, dass Italien anfangs ein Verbündeter Deutschlands und kein von diesem besetztes Land war. Zwar wurden nach Kriegsbeginn antijüdische Gesetze erlassen, aber die Regierung und besonders die Armee widersetzten sich dem Drängen der Deutschen, die italienischen Juden in den Tod zu schicken. Sie wurden interniert, aber unter besseren Bedingungen als in den deutschen Konzentrationslagern und ohne ständige Todesdrohung. Daher flüchteten einige Juden aus dem besetzten Frankreich und aus Jugoslawien nach Italien. Erst nach dem Frontwechsel Italiens 1943 behandelten die Deutschen das Land wie ein besetztes Gebiet und überführten die italienischen Juden in ihre eigenen Vernichtungslager.
Auch das Beispiel Bulgariens - ebenfalls ein Verbündeter Deutschlands - beweist, dass ein entschiedener Widerstand die deutschen Pläne erfolgreich durchkreuzen konnte. Hier wurden Dank der festen Haltung von Regierung und Bevölkerung etwa 50.000 Juden gerettet.
Die Polen waren traditionell vom katholischen Antijudaismus und Antisemitismus geprägt. Obwohl dort viele Juden an die Deutschen ausgeliefert wurden, überlebten mehrere Tausend durch Hilfen aus der Bevölkerung. Viele Polen waren entsetzt über die Ermordung jüdischer Kinder und versteckten sie zum Beispiel in katholischen Klöstern.
Weitere von Vernichtung bedrohte Gruppen

Zum Vernichtungsprogramm der Nazis gehörte auch die Ermordung von drei Millionen russischen Kriegsgefangenen. Dazu starben mehr als zwei Millionen Osteuropäer bei der ihnen auferlegten Zwangsarbeit.
Das Motto der Nazis hieß dabei "Vernichtung durch Arbeit": Das Sterben der Zwangsarbeiter in den Arbeitslagern durch Hunger, Kälte, Überforderung und Alltags-Morde der Wachmannschaften wurde in Kauf genommen und bewusst herbeigeführt. Solange die Betroffenen arbeitsfähig waren, diente ihre Zwangsarbeit wiederum der Fortsetzung des Krieges und damit weiterer Vernichtung.
Auch die Einrichtung der Arbeitslager und die Verschleppung der Kriegsgefangenen war keine zufällige, sondern systematisch herbeigeführte Folge des Russlandfeldzugs. Über die Vernichtung der europäischen Juden hinaus hatten die Nazis im Generalplan Ost ein weitreichendes Programm zur Vernichtung und Umsiedlung ausgearbeitet. Nach diesem Plan sollten weitere als „rassisch minderwertig“ bezeichnete, vor allem slawische Völker allmählich durch Verbannung nach Sibirien ausgerottet werden.
Ein lange verdrängtes Teilkapitel des Holocaust war auch die systematische Internierung und Ermordung der Sinti, Roma und weiterer Gruppen, die von den Nazis als Zigeuner bezeichnet und eingeordnet wurden. Diese Einordnung basierte ebenfalls auf rassistischen Denkmustern und zielte auf möglichst weitgehende Ausmerzung.
Auch politisch Missliebige, wie zum Beispiel Kommunisten, Sozialisten, sogenannte Asoziale, Gewerkschaftler, Zeugen Jehovas, nicht gleichgeschaltete Christen, Mitglieder der bündischen Jugend oder Homosexuelle wurden in den Konzentrationslagern umgebracht. Der Grad ihrer Verfolgung unterschied sich aber deutlich von dem auf völlige Ausrottung zielenden Genozid an Juden, der Versklavung und Massenvernichtung der Slawen und massenhaften Internierung und Tötung der "Zigeuner".
Die Nachgeschichte des Holocaust
Juristische Aufarbeitung
Erst im Zuge der Befreiung der Gebiete, in denen sich die Vernichtungslager befanden, kam das ganze Ausmaß der nationalsozialistischen Gräueltaten ans Licht der Weltöffentlichkeit.
Die Alliierten hatten auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 neben der Entmilitarisierung auch die durchgehende „Entnazifizierung“ Deutschlands für die Zeit nach ihrem Sieg vereinbart und diesen Beschluss auf der Potsdamer Konferenz Ende Juli 1945 bekräftigt.

Die Bestrafung nationalsozialistischer Verbrechen begann mit den von den Alliierten Mächten eröffneten Nürnberger Prozessen und den Folgeprozessen zwischen 1945 und 1948, insbesondere mit dem Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher. Ab 1949, nach der Gründung der beiden deutschen Staaten, ging die Strafverfolgung in deren Zuständigkeit über, kam aber in Folge des Kalten Krieges bald vollständig zum Erliegen. Parallel hierzu wurde jedoch auch die Aufhebung von NS-Unrechtsurteilen sowie die Wiedergutmachung inbesondere enteigneter Opfer betrieben.
In der DDR fanden einige Schauprozesse gegen untergeordnete Funktionsträger des Nazi-Regimes statt, in denen es weniger um deren individuelle Verantwortung als um Schuldzuweisungen an die westdeutsche Seite ging. In der Bundesrepublik Deutschland wiederum verhinderten ehemalige Mitglieder der NSDAP als Richter und Beamte lange Zeit tatsächlich eine nachdrückliche Verfolgung der Täter. Die Initiative zu deren Aufspürung blieb im wesentlichen Privatleuten wie Simon Wiesenthal überlassen.
Erst ab 1958 begann die westdeutsche Justiz in nennenswertem Umfang, Naziverbrechen zu verfolgen. Damals erreichten der Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees Hermann Langbein und der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer die Weiterverfolgung einer Strafanzeige von Adolf Rögner, die zur Verhaftung eines berüchtigten Folterers, des ehemaligen SS-Manns Wilhelm Boger, führte. Langjährige Ermittlungen Bauers ermöglichten 1963 schließlich die Eröffnung des Hauptverfahrens zu den Auschwitz-Prozessen in Frankfurt am Main. Erst die schockierenden Zeugenberichte und das große Medienecho auf diese Prozesse erzeugte bei einem Großteil der deutschen Bevölkerung ein Bewusstsein für die NS-Verbrechen, ihre Voraussetzungen und ihre Folgen: fast 20 Jahre nach dem Krieg. Andererseits verstärkten sich nun die schon kurz nach 1945 öffentlich erhobenen Forderungen nach einem „Schlussstrich“. Die Angeklagten in den Auschwitz-Prozessen ließen keine Reue erkennen und beriefen sich stets auf den so genannten „Befehlsnotstand“. Ihre Verteidiger versuchten, die Gerichtsverfahren als „Schauprozesse“ zu diskreditieren, wobei sie einen Großteil der öffentlichen Meinung hinter sich wussten.
In den folgenden Prozessen wurden in der Regel nur die unmittelbar ausführenden Täter der unteren Ränge in der Befehlskette belangt. Die letzten größeren Verfahren gegen NS-Täter waren die Majdanek-Prozesse von 1975 bis 1981 vor dem Landgericht Düsseldorf. Von ursprünglich 15 dort angeklagten SS-Angehörigen wurden am Ende nur sechs Männer und zwei Frauen verurteilt: Dabei wurden nur eine lebenslängliche und sieben zeitlich befristete Haftstrafen zwischen drei und zwölf Jahren verhängt. Die Freisprüche und die als zu niedrig empfundenen Freiheitsstrafen lösten damals weltweite Proteste aus.
Von besonderer, nicht nur in juristischer Bedeutung erwies sich der Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem im Jahr 1961. Der ehemalige Leiter des so genannten Judenreferats im Reichssicherheitshauptamt hatte den Transport von Millionen europäischer Juden in die Vernichtungslager organisiert. Er konnte nach dem Krieg unter falschem Namen in Argentinien untertauchen. Der israelische Geheimdienst Mossad spürte ihn dort jedoch 1960 auf und entführte ihn nach Jerusalem. Der dortige Prozess gegen einen Haupttäter aus der Exekutive des NS-Regimes brachte die planerischen und administrativen Mechanismen ans Licht, die hinter dem Genozid an den Juden standen. Eichmanns Auftreten vor Gericht und seine Rechtfertigungsversuche ermöglichten einer breiten Öffentlichkeit erstmals aber auch, einen Blick auf die Psychologie der Täter zu werfen. Die Prozessbeobachterin Hannah Arendt sprach in diesem Zusammenhang von der „Banalität des Bösen“. Eichmann wurde im Dezember 1961 für schuldig befunden und zum Tod verurteilt. Nach einer Revisionsverhandlung wurde er im Mai 1962 gehängt.
Was wusste die deutsche Bevölkerung?
Während sich die Ausgrenzung und Diskriminierung der Juden in Deutschland vor aller Augen vollzog, achtete das Hitler-Regime bei der so genannten „Endlösung“ auf strengste Geheimhaltung. SS-Angehörigen war es unter Androhung der Todesstrafe verboten, über die Ermordung von Juden oder Sinti und Roma zu berichten. Die Zahl der unmittelbar an den Verbrechen beteiligten Täter, zum Beispiel Angehörige von Wachmannschaften, Einsatzgruppen, Polizeibataillonen und Wehrmachtsteilen, wird auf etwa 300.000 geschätzt.
Gegenüber der restlichen Bevölkerung wurden die Deportationen der Juden aus dem Reich offiziell als „Umsiedlungen“ bezeichnet. Ein Propagandafilm über das „Vorzeigeghetto“ Theresienstadt mit dem Titel „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“ suggerierte dieses Bild noch 1944, als viele Deutsche durch die sogenannte Flüsterpropaganda längst zu Mitwissern des Massenmords geworden waren. Eine Mehrheit der Deutschen nahm die Lüge von den angeblichen Umsiedlungen ohne zu fragen hin, obwohl solche Massendeportationen schon für sich genommen ein schweres Unrecht darstellten. Viele handelten so aus Angst vor dem NS-Terror, andere dagegen, weil sie von der antijüdischen Politik der Nazis profitierten oder ihre antisemitische Überzeugung teilten.
Dass die „Umsiedlung“ tatsächlich Massenmord bedeutete, erfuhren manche Deutschen nur vom Hörensagen, etwa von Soldaten auf Heimaturlaub. Der Widerstandskämpfer Helmut James Graf von Moltke schrieb 1943: „Mindestens neun Zehntel der Bevölkerung weiß nicht, dass wir Hunderttausende von Juden umgebracht haben.“ Doch selbst das Zehntel, das zumindest ansatzweise Bescheid wusste, hat – von wenigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen – nichts gegen den Holocaust unternommen. - Erst nach Kriegsende erfuhr die Mehrheit der deutschen Bevölkerung das ganze Ausmaß der NS-Gräuel. Manchen wurden sie auf drastische Weise zur Kenntnis gebracht: So zwangen amerikanische Besatzungstruppen die Bevölkerung Weimars, an Führungen durch das benachbarte KZ Buchenwald teilzunehmen, von dessen Existenz jeder am Ort hatte wissen müssen. Doch selbst dann wollten einige die Verbrechen der Nazis nicht wahrhaben.
Dabei waren diese nur die logische Folge dessen, was sich bis in die ersten Kriegsjahre hinein vor aller Augen in Deutschland abgespielt hatte. Niemandem konnte damals verborgen bleiben, dass die Juden nach und nach aus dem gesellschaftlichen Leben verschwanden. Antijüdische Maßnahmen wie der Boykott von 1933 und die reichsweiten Pogrome vom 9. November 1938 fanden auf offener Straße statt. Jeder wusste Bescheid über zahllose Diskriminierungen und Einschränkungen, denen die Juden unterworfen waren: von den Nürnberger Rassegesetzen über Berufsverbote, den Judenstern, die Ghettoisierung und vieles mehr. Zudem kannte jeder Zeitungsleser und Radiohörer Hitlers mehrfach wiederholte Drohung vom 30. Januar 1939, nach der ein neuer Weltkrieg „die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa“ bedeuten würde. Lange vor der Machtergreifung hatte Hitler ähnliche Drohungen bereits in seinem Buch „Mein Kampf“ ausgestoßen, das nach 1933 weite Verbreitung fand.
Obwohl der Völkermord an den Juden eine logische Konsequenz der nationalsozialistischen Rassenpolitik war, glaubten damals und glauben noch heute manche Menschen, dass die Bilder und Berichte aus den Konzentrationslagern Bestandteil der britischen und amerikanischen Kriegspropaganda seien. Damals wie heute ist viel Nicht-Wissen über den Holocaust im Grunde ein Nicht-Wissen-Wollen, eine Verdrängung aus Angst, Scham oder Gleichgültigkeit. - Dem widerspricht allerdings der US-Historiker Daniel Goldhagen, der die passive Haltung der allermeisten Deutschen gegenüber dem Holocaust aus einem tief in der deutschen Gesellschaft verwurzelten Antisemitismus erklärt und als grundsätzliche Zustimmung zum Vernichtungsprogramm der Nationalsozialisten beschreibt.
Zu Beginn der institutionalisierten Verfolgung der jüdischen Bevölkerung profitierten viele Deutsche im Zuge von „Arisierungen“ direkt vom Leid ihrer jüdischen Nachbarn. Gegen Kriegsende ließ der Überlebenskampf in den zerbombten Städten kaum einen Gedanken an das noch größere Leid anderer Menschen aufkommen. In den zerstörten Städten ging immer wieder das Gerücht um, der Luftkrieg sei die Vergeltung für das, was man den Juden angetan habe. Dies wird zuweilen als Zeichen eines untergründigen Unrechtsbewusstseins interpretiert, war aber allzu oft auch Ausdruck einer zutiefst antisemitischen Haltung, nach der „die Juden an allem Schuld“ seien oder „Amerika kontrollieren“.
Angesichts der Mittäterschaft oder Gleichgültigkeit der deutschen Bevölkerungsmehrheit sind die seltenen Taten jener nichtjüdischen Deutschen um so höher zu bewerten, die Juden halfen, zu überleben. Der heute wohl bekannteste Vertreter dieser kleinen Gruppe war Oskar Schindler, der rund 1.200 jüdische Zwangsarbeiter vor der Ermordung bewahrte.
Die Haltung der Alliierten
Schon vor 1939, vor allem aber nach Kriegsbeginn kritisierten die Alliierten die nationalsozialistische Innenpolitik, darunter auch die Verfolgung von Juden und anderen Minderheiten. Seit 1942 war ihnen die deutsche Ausrottungspolitik bekannt; seitdem verurteilten sie diese äußerst scharf und begründeten damit auch ihre Kriegsstrategie, ohne jedoch gezielte Maßnahmen zur Verhinderung des weitergehenden Holocaust zu ergreifen. Mitte Dezember 1942 sprachen die amerikanische und die britische Regierung eine Warnung aus, dass „die Verantwortlichen einer Vergeltung nicht entgehen“ würden. Dieses Vorgehen gegen die Täter im Besonderen folgte aber erst nach Kriegsende.
Als die ersten Nachrichten über die Massenvernichtung eintrafen, versuchte das US-Außenministerium deren Veröffentlichung zu unterdrücken, da sie eine Behinderung ihrer Kriegsanstrengungen fürchtete. Auf Druck der öffentlichen Meinung trat im April 1943 auf Bermuda eine internationale Konferenz zusammen, um Lösungen für Flüchtlinge zu erörtern. Sie verlief aber ergebnislos. Erst nach Intervention des Finanzministers Henry Morgenthau kündigte Franklin D. Roosevelt am 22. Januar 1944 die Einsetzung des War Refugee Board an. Dieses Gremium trug zur Rettung mehrerer Tausend Juden bei.
Die britische Regierung zeigte ihre Haltung durch verschiedene Behinderungen, Unterlassungen und Ausweichmanöver. Als im Dezember einige britische Abgeordnete verlangten, jüdischen Flüchtlingen müsse sichere Zuflucht versprochen werden, lehnte dies der britische Außenminister mit der Begründung ab, es gäbe „Sicherheitsbedenken“ und „geografische Probleme“. Anfang 1943 wurde bekannt, dass man gegen Hinterlegung einer gewissen Summe in der Schweiz 70.000 rumänische Juden hätte retten können. Die Regierung blockierte jedoch den Plan.

Am schlimmsten verfuhren die sowjetischen Behörden mit den Juden. Nach Abschluss des Hitler-Stalin-Paktes im August 1939 wurden deutsche Juden - darunter viele Kommunisten, die in Russland Zuflucht gesucht hatten - den Nazis ausgeliefert. Nach Kriegsausbruch blieb die besondere Gefährdung der Juden unberücksichtigt. Die sowjetische Berichterstattung verschwieg die deutsche Ausrottungspolitik. Jüdische Flüchtlinge fanden oft keine Unterstützung durch die Partisanen, wurden von diesen nicht als Mitkämpfer aufgenommen und zum Teil ihrer Waffen und Nahrungsmittel beraubt, was jedoch auch stark Einzelfallabhängig war.
Nach Kriegsende änderte sich die Haltung der Alliierten kaum. In der englischen und amerikanischen Besatzungszone trafen etwa 200.000 jüdische Flüchtlinge ein. Ein englischer General, der die United Nations Relief and Rehabilitation Administration leitete, behauptete, eine jüdische „Geheimorganisation“ würde Juden nach Deutschland „schmuggeln“. Sie seien „gut gekleidet, wohlgenährt und rotwangig“ und besäßen „große Geldbeträge“. Mitte 1946 untersagten die englischen Behörden jüdischen Flüchtlingen den Zugang zur britischen Besatzungszone.
Wegen solcher Erfahrungen vermuten manche Vertreter jüdischer Opfergruppen, dass einige führende Kräfte im Westen der Nazipropaganda erlagen, wonach das so genannte „Weltjudentum“ den Krieg verursacht habe, um sich der Herrschaft über die angelsächsischen Staaten zu bemächtigen. Eine gesamteuropäische Verantwortung für den Holocaust wurde aber auch in kirchlichen Kreisen nach 1945 betont: oft, aber nicht immer zur Relativierung des deutschen Schuldanteils.
Traumatisierung der Überlebenden
Viele Betroffene, die sich durch Flucht entziehen konnten oder durch oft zufällige Umstände den Tod in den Vernichtunslagern entgehen konnten, litten später unter Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Der Psychiater und Psychoanalytiker William Niederland prägte dafür in den 1960er-Jahren den Begriff vom Überlebenden-Syndrom.
Rehabilitierung und Entschädigung
Bis heute müssen Übelebende der Shoah um ihre Rehabilitierung und Entschädigung streiten.
Aufarbeitung durch die Kirchen
Die Kirchen versuchen ihrem Schuldanteil an dem Zivilisationsbruch, den der Holocaust darstellt etwa seit Beginn der 60er Jahre in einem zum Teil schmerzhaften Aufarbeitungsprozess Rechnung zu tragen.
In der EKD bekennen sich heute immer mehr Teilkirchen im Gefolge der Rheinischen Synodalerklärung von 1980 zum "ungekündigten Bund": Das jüdische Volk sei immer Gottes auserwähltes Volk gewesen und bleibe es, so dass Christsein niemals ohne jüdische Existenz möglich sei. Dies bezieht auch die Solidarität mit dem Staat Israel ein. Zudem wird erkannt, dass der Holocaust nie hätte geschehen können, wenn die Kirchen nicht jahrhunderte lang alle Maßnahmen gegen Juden - außer der fabrikmäßigen Vergasung - vorexerziert hätten. Die aus dem Judentum geerbte Nächstenliebe wird als Auftrag zum Schaffen und Bewahren von Lebensbedingungen verstanden, die eine Wiederholung ähnlicher Verbrechen nachhaltig unmöglich macht.
Einzelne Landeskirchen haben Schuldbekenntnisse verabschiedet, die sich auch von den judenfeindlichen Äußerungen und Lehrmeinungen Martin Luthers distanzierten.
Innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche ist das Verhalten Papst Pius' XII. während des Holocaust bis heute höchst umstritten. Der Papst hatte sich einerseits für die Rettung der römischen Juden eingesetzt, andererseits aber zu dem Völkermord geschwiegen, auch nachdem ihm die Tatsachen bekannt geworden waren.
In der katholischen Kirche begann die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld an Antijudaismus und Antisemitismus und mit der Verantwortung von Katholiken für den Holocaust erst nach Pius' Tod im Jahr 1958. Sein Nachfolger Johannes XXIII. sprach die Juden erstmals in der Geschichte des Papsttums als „Brüder“ an. Das von ihm initiierte 2. Vatikanische Konzil verabschiedete 1965 die Erklärung Nostra Aetate, nach der es nicht länger kirchliche Lehrmeinung sei, die Juden kollektiv für den Tod Jesu Christi verantwortlich zu machen.
In dem Schuldbekenntnis "Mea culpa" aus dem Jahr 2000 hat Papst Johannes Paul II. zwar öffentlich die Schuld einzelner Katholiken an der Verfolgung der Juden zugegeben, ohne aber konkrete Fehler, Versäumnisse oder Verbrechen von Seiten der Kirche - etwa in Bezug auf den Holocaust - anzusprechen oder Möglichkeiten der Wiedergutmachung anzudeuten.
Erklärungsansätze
Angesichts der bekannten Opferzahlen ist es bis heute schwer zu verstehen, warum und wie sich eine große Zahl von Menschen an der Planung, Durchführung und Verheimlichung des Holocaust beteiligen konnte. Eine monokausale Erklärung dafür ist nicht möglich. Die historische Forschung hat ein Bündel von Ursachen untersucht und bisher herausgestellt:
Ökonomische und soziale Motive der Täter
- Die neuen „Herren“ und ihre Anhänger zogen aus ihrer errungenen Macht ökonomische Vorteile. Vielfach bereicherten sich Nationalsozialisten und andere "Volksgenossen" am Vermögen ihrer jüdischen Mitbürger. Viele gewöhnliche Bürger waren Nutznießer der „Arisierung“, und sei es „nur“, dass die Deportation eines jüdischen Nachbarn ihre „Wohnungsfrage“ löste oder den lästigen wirtschaftlichen Konkurrenten beseitigte. Die Staatsorgane halfen oft gerade kleinen und größeren Unternehmern, unliebsame erfolgreiche Konkurrenten loszuwerden und deren Betrieb zu übernehmen.
- Dazu kamen Engpässe im Rahmen der „Heim-ins- Reich“-Bewegung: Auslandsdeutsche mussten nun untergebracht werden. Dazu wurden auch Heime für Behinderte geräumt und deren Bewohner schließlich in Lastwagen mit Abgasen ermordet (siehe u. a. NS-Tötungsanstalt Hadamar).
- Mit dem Kriegsbeginn galten die bereits ausgeplünderten Juden als „überzählige Esser“, die eine Belastung für die Versorgung von Heer und Heimat darstellten.
Bürokratische und hierarchische Motive
- Nachdem Planungen für ein „Judenreservat“ in Polen oder Übersee (Madagaskar-Plan zum Beispiel) gescheitert waren, hatten die Aufsteiger in der neuen bürokratischen Elite wegen ihres radikalen Antisemitismus keinerlei Hemmungen, für die „Problemlösung“ zur systematischen, mit bürokratischer Effizienz geplanten Vernichtung überzugehen (Wannseekonferenz).
- In vielen Vernehmungen und Prozessen nach 1945 spielte immer wieder der "Befehlsnotstand" eine Rolle. Paradebeispiel dafür waren die Aussagen des Holocaust-Planers Adolf Eichmann in seinem Prozess in Israel: Sie dokumentieren ein Zusammenwirken von Effizienz, Unterordnung in der Staatshierarchie und totaler Gefühlskälte.
Pseudowissenschaftliche Motive
- Rassistische Theorien unter dem Deckmantel der Wissenschaft hatten seit dem frühen 19. Jahrhundert in Deutschland, aber auch in anderen Staaten Europas Fuß fassen können und sich in der Biologie, Völkerkunde und Linguistik verbreitet.
- Scheinbare „Wissenschaftliche“ Grundlagen für die Identifizierung „unwerten Lebens“ lieferte die damals relativ neue Eugenik.
- Die Einbeziehung der Hochschulen in die Ausgrenzung jüdischer Wissenschaftler, die Etablierung einer "Rassenkunde", die Beteiligung zahlreicher Fachrichtungen an Unrechtsjustiz, Unrechtsmedizin, Geschichtsfälschung usw. hat eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Vorbereitung und Durchführung des Holocausts gespielt.
Psychologische Motive
- Die Tatsache, dass „ganz normale Menschen“ derart menschenverachtende Taten begehen konnten, hat Fragen zur Beeinflussbarkeit des Individuums aufgeworfen. Konzepte wie die systematische Ausgrenzung der Opfer aus dem Kreis der eigenen Gruppe zeigen die mögliche Manipulierbarkeit des Einzelnen.
- Psychologische Experimente der 1960er und 1970er Jahre haben menschliches Verhalten unter Gruppenzwang oder Autoritätsgehorsam untersucht. Bekannt wurden vor allem das Milgram-Experiment und das Stanford-Prison-Experiment mit ihren aufschlussreichen Ergebnissen.
- Tiefenpsychologische Deutungen stellen einen Zusammenhang zwischen der Verklärung unmenschlicher Erziehungsmethoden und der Gefühlsblindheit gegenüber - besonders autoritärer staatlicher - Gewalt her (Alice Miller, Wilhelm Reich, Erich Fromm, Alexander Sutherland Neill, Alexander Mitscherlich). Leichthin gesagte Sätze wie „Ein Junge weint nicht“ verharmlosen demzufolge unbewusst die seinerzeit verbreitete brutale Kindeszüchtigung.
Historische Motive
- Daniel J. Goldhagen stellte die umstrittene These auf, dass sich in Deutschland ein eliminatorischer Antisemitismus entwickelt habe, weil die Deutschen als Volk die Juden für ein Übel hielten, das es zu beseitigen gelte. - Kritiker dieser These betonen, dass sie die Ursachen des Holocaust nur zeitlich weiter in die Vergangenheit verschiebt, aber weiterhin nicht schlüssig erklären kann, warum der Antisemitismus in Deutschland mörderischer war als anderswo.
- Raul Hilberg, selbst Überlebender des Holocaust, hat in einem umfassenden Standardwerk die langfristige Vorgeschichte des Holocaust in Mitteleuropa untersucht. Er kam zu dem Ergebnis, dass besonders der christliche Antijudaismus und die mittelalterliche Judenpolitik der Kirche den Nazis sämtliche Vorbilder und Erfahrungen für ihre systematische Eskalation der Judenverfolgung angeboten hat. Einzig die Vergasung fehlte: vielleicht nur, weil dieses Mittel noch nicht erfunden worden war. - Dieser Erklärungsansatz bettet die Besonderheit des Holocaust in eine historische Kontinuität ein, ohne ihn damit zu relativieren und zu nivellieren. Denn trotz jahrhundertelangem, ebenso intensivem Judenhass, Entrechtung und Ghettoisierung haben frühere Pogrome nie die Systematik und Konsequenz erlangt, die die Nazis an den Juden vollstreckten.
Religiöse Gründe
Der Antisemitismus, den die Nationalsozialisten propagierten und mit dem Holocaust vollstreckten, ist aus komplexen Wurzeln gewachsen: vor allem dem christlichen Antijudaismus. So gibt es bereits im Neuen Testament antijüdische Polemik, die das jüdische Volk als Ganzes für den Tod Jesu Christi verantwortlich macht (z.B. Mt 27,25). Im Aufstiegsprozess der Kirche zur Staatsreligion des Römischen Reiches wurden diese situationsbedingten Aussagen zu einer antijudaistischen Theologie systematisiert. Die dafür zentrale Lehre blieb in der Kirchengeschichte quer durch alle Konfessionen die "Gottesmord"-Theorie und die "Enterbung" des Judentums durch die Kirche, dargestellt etwa an der Symbolgestalt des "Verräters" Judas.
Die Ausgrenzungspolitik der Kaiser und Päpste sorgte im Mittelalter europaweit für die Isolierung jüdischer Gemeinden. Bei sozialen Missständen, Kreuzzügen und Seuchen entlud sich der religiöse Hass dann immer wieder in Pogromen gegen die Juden. Daran änderte die Reformation wenig, da auch der späte Martin Luther ein großer Judenhasser war. Er überlieferte die mittelalterlichen antijüdischen Klischees der Neuzeit.
Dort wurden sie vom aufstrebenden Bürgertum in säkularisierter Form übernommen und mit anderen, auch außerbiblischen Motiven verknüpft. So wurde etwa aus der Gestalt des Ahasveros die Legende vom "Ewigen Juden" aufgebaut, der rast- und ruhelos durch die Zeiten wandert und die Völker aussaugt.
Weshalb diese auch sonst verbreitete Judenfeindlichkeit gerade in Deutschland zum Holocaust führen konnte, ist eine offene Frage in der Forschung.
Der Holocaust und die extreme Rechte
Rechtsextremisten in Deutschland und anderen Länderen gingen bereits unmittelbar nach Kriegsende daran, den Holocaust entweder komplett abzuleugnen, ihn zu relativieren oder gar zu verherrlichen.
Alte Nationalsozialisten und Neonazis, aber auch ihnen nahestehende deutschnationale, faschistische und revisionistische Gruppen und Parteien versuchen immer wieder, die Tatsache des Holocaust im Ausmaß, in Teilen oder gar ganz anzuzweifeln. Sehr oft wird dabei die nationalsozialistische und antisemitische Propaganda von einer Verschwörung der heutigen Siegermächte gegen Deutschland bruchlos übernommen und kaum verhohlen fortgesetzt. Herkunft, Formen, Träger und Verbreitung dieser Ideologie beschreiben die Artikel Holocaustleugnung, Rechtsextremismus und Judenfeindlichkeit heute.
In der Geschichte der Bundesrepublik gab und gibt es Gruppen, die versuchen, den Holocaust zu relativieren und die Lehren daraus zurückzudrängen, indem sie ihn in größere weltgeschichtliche Zusammenhänge einbetten und damit ein „normalisiertes Geschichtsbild“ herbeizuführen suchen. Ein Beispiel hierfür ist der Historikerstreit aus den Jahren 1986/87. Gerade auch rechtsextreme Gruppen tun dies, weil die Erinnerung an Auschwitz „Werte“ wie Nationalstolz, Militarismus und Großmachtpolitik für sie langfristig „zersetzt“ und diskreditiert.
Die Kritik an diesen Versuchen stellt nicht grundsätzlich in Abrede, dass die größeren historischen Zusammenhänge und Ursachen des Holocaust erforscht werden müssen. Aber sie bekämpft die häufig damit verbundene Verharmlosung und Herauslösung des Holocaust aus der deutschen Geschichte und ihrer Kontinuität sowie die „entlastende“ Fehldeutung von Ursachen und Wirkungen.
Verherrlichung
Eine dritte Tendenz findet sich zunehmend unter einer jüngeren Generation von Neonazis: Statt der Leugnung oder Relativierung geschieht hier zunehmend die bewusste Identifikation mit den Tätern des Judenmords und dessen Glorifizierung.
Alle fehlgeleiteten Formen des Umgangs mit dem Holocaust hängen zusammen und begünstigen einander: Die Verdrängung, Relativierung, Leugnung und Verherrlichung sind nur graduell unterschiedene Stufen einer schleichenden Distanzierung von der eigenen deutschen, schuldhaften Vergangenheit. Sie zeigen symptomatisch die noch nicht vollzogene Verarbeitung des Jahrtausendverbrechens auch in der Mitte der Gesellschaft an. Hierin besteht die Herausforderung für eine angemessene Form der Erinnerung bei denen, die nicht selbst beteiligt waren und immer weniger überlebende Opfer oder Täter befragen können.
Mahnung und Erinnerung an den Holocaust

Hauptartikel: Gedenken und Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus
Heute erinnern an den Holocaust zahlreiche Mahnmale und Museen in der ganzen Welt. Mindestens ebenso wichtig sind jedoch auch Intiativen und Organisationen, welche auf unterschiedlichsten Ebenen und mit den unterschiedlichsten Mitteln ihren Beitrag zur Erinnerungskultur des Holocaust leisten. Sie haben es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, gerade Jungendliche über den Holocaust zu informieren, deren Verantwortungsgefühl und Zivilcourage zu stärken, als auch - zum Beispiel über Projekte zum Schüleraustausch - einen internationalen Dialog herzustellen.
Die bedeutendste Holocaustgedenkstätte ist Yad Vashem in Jerusalem, welche unter anderem auch die Allee der Gerechten unter den Völkern beherbergt. In Deutschland und den ehemals deutsch besetzten Gebieten sind vor allem die Gedenkstätten auf den Geländen der ehemaligen Konzentrationslager von Bedeutung, insbesondere des KZ Auschwitz-Birkenau. Eine gesonderte Bedeutung besitzen auch das Jüdisches Museum und das vor kurzem eröffnete Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin. Wichtige Initiativen der Versöhnungsarbeit sind zum Beispiel die Aktion Sühnezeichen und die Gedenkdienste.
Literatur
Standardwerke
- Raul Hilberg: "Die Vernichtung der europäischen Juden." Übersetzt von Christian Seeger, Harry Maor u.a., Fischer TB Nr. 10611-10613, Frankfurt/Main 1990, ISBN 359624417X. – Gegenüber der amerikanischen Ausgabe ("The Destruction of the European Jews, revised and definitive edition") von 1985 aktualisierte und erweiterte Ausgabe des Standardwerks in drei Bänden.
- derselbe: "Täter, Opfer, Zuschauer. Die Vernichtung der Juden 1933-1945." Frankfurt/Main 1997, ISBN 3100336097. – Ergänzungsband, behandelt die drei titelgebenden Gruppen.
- Dieter Pohl: "Verfolgung und Massenmord in der NS-Zeit 1933-1945." Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2003, ISBN 3534151585. – Darstellung des NS-Spezialisten des Instituts für Zeitgeschichte. Aktueller Forschungsstand, komprimiert, zuverlässig, leicht lesbar, in straff gegliederten Kapiteln, enthält alle wesentlichen Teilaspekte sowohl für Erstinformation als auch Fachleute.
- Eberhard Jäckel, Peter Longerich, Julius H. Schoeps (Hrsg.): "Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden." Argon Verlag, Berlin 1993, ISBN 3870243015. – Originalausgabe: Israel/USA. Basis der 3-bändigen deutschen Ausgabe. Nicht vollständig revidiert, teilweise unzuverlässig. Nachschlagewerk für Erstinformation.
- Wolfgang Benz (Hrsg.): "Dimension des Völkermords. Die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus." R. Oldenbourg Verlag, München 1991, ISBN 3486546317. – Bis heute auch international die einzige umfassende wissenschaftliche Arbeit zahlreicher Historiker über die Opferzahlen, geordnet nach den einzelnen Ländern. Besonders wichtig, weil immer die Grundlagen der einzelnen Berechnungen offengelegt und belegt werden.
- Philippe Burrin: "Hitler und die Juden. Die Entscheidung für den Völkermord." Übersetzt von Ilse Strasmann, S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 1993, ISBN 3100463080. – Erste gründliche Arbeit zum Entscheidungsprozess. Gab weiteren Forschung wichtige Impulse.
- Saul Friedländer: "Das Dritte Reich und die Juden. Die Jahre der Verfolgung 1933-1939." Übersetzt von Martin Pfeiffer, Dtv, München 2000, ISBN 342330765X. – Gut lesbarer erster Band einer auf zwei Bände angelegten Arbeit, überwiegend aus der Perspektive der jüdischen Verfolgungsopfer.
- Peter Longerich: "Politik der Vernichtung. Eine Gesamtdarstellung der nationalsozialistischen Judenvernichtung." Piper Verlag, München/Zürich 1998, ISBN 3492037550. – Bedeutendes Werk, stellt die verschiedenen Entwicklungs- und Entscheidungsphasen im Prozess zur totalen Vernichtung der europäischen Juden dar. Fußnoten im Text stimmen in der Numerierung nur zum Teil mit dem Anmerkungsteil überein.
- derselbe: "Der ungeschriebene Befehl. Hitler und der Weg zur 'Endlösung'." Piper Verlag, München 2001, ISBN 3492042953. – Mit beiden Gutachten des Autors für den Prozess gegen David Irving. Weist die Systematik der Vernichtungspolitik und Hitlers Rolle im Holocaust anhand zahlloser Dokumente nach.
- Götz Aly: "'Endlösung'. Völkerverschiebung und der Mord an den europäischen Juden." Korrigierte 2. Auflage, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3100004116. – Stellt den Judenmord überzeugend als Konsequenz einer Kette von gescheiterten nationalsozialistischen Vertreibungs-, Umsiedlungs- und Deportationsprojekten dar und liefert auf der Basis vieler neuer Quellen überraschende Erkenntnisse.
- Christian Gerlach: "Krieg, Ernährung, Völkermord. Deutsche Vernichtungspolitik im Zweiten Weltkrieg." Pendo Verlag, Zürich/München 2001, ISBN 385842424048. – Enthält drei umfangreiche Aufsätze:
- „Die Ausweitung der deutschen Massenmorde in den besetzten sowjetischen Gebieten im Herbst 1941. Überlegungen zur Vernichtungspolitik gegen Juden und sowjetische Kriegsgefangene“
- „Die Bedeutung der deutschen Ernährungspolitik für die Beschleunigung des Mordes an den Juden 1942“
- „Wannseekonferenz“ (erweitert; bahnbrechend und international bedeutend)
- Eugen Kogon: "Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager." Kindler Verlag, München 1974. – Das erste Nachkriegsbuch zum Thema, vor allem über das KZ Buchenwald, in dem Kogon inhaftiert war. Enthält wenig zum Mord an den europäischen Juden als dem Zentrum des Holocaust.
- Leny Yāhîl: "Die Shoah. Überlebenskampf und Vernichtung der europäischen Juden.", München 1998 – umfangreiche, aber übersichtliche und lesebare Darstellung des Holocaust und der Rettungs- und Auswanderungsversuche
- James Edward Young: "Beschreiben des Holocaust: Darstellung und Folgen der Interpretation.", Suhrkamp, 1. Auflage Frankfurt/a.M. 1997, ISBN 351839231X
Sekundärliteratur
- Uwe D. Adam: Judenpolitik im Dritten Reich. Droste-Verlag 2003, ISBN 3770040635
- Claude Lanzmann: "Shoah." Düsseldorf 1986 (Interviews mit Überlebenden; Begleitbuch zu Lanzmanns monumentaler Filmdokumentation auf DVD)
- Lea Rosh, Eberhard Jäckel: "'Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.' Deportation und Ermordung der Juden. Kollaboration und Verweigerung in Europa." München 1992 (Begleitbuch zur TV-Dokumentation)
- Gerhard Schoenberner: "Der Gelbe Stern. Die Judenverfolgung in Europa 1933-1945." Frankfurt/Main 1991 (eindrucksvoller Fotoband)
- Vincas Bartusevicius, Joachim Tauber, Wolfram Wette (Hrsg.): "Holocaust in Litauen." Böhlau, Köln 2003, ISBN 3412139025
- Wolfgang Benz (Hrsg.): "Legenden, Lügen, Vorurteile. Ein Wörterbuch zur Zeitgeschichte." München 1992.
- Christopher R. Browning: "Ganz normale Männer." Rowohlt Tb. Reinbek 1999, ISBN 3499608006
- derselbe: "Die Entfesselung der 'Endlösung'." Propyläen 2003, ISBN 3549071876
- derselbe: "Der Weg zur 'Endlösung.'" Reinbek 2002
- Jan Tomasz Gross: "Nachbarn: der Mord an den Juden von Jedwabne." Beck, München 2001, ISBN 3406482333
- Jean-Claude Pressac: "Die Krematorien von Auschwitz." München 1995, ISBN 3492121934
- derselbe: "Auschwitz: Technique and operation of the gas chambers." Beate Klarsfeld Foundation, 1989. Kopie online unter [1]
- Peter Neitzke, Martin Weinmann (Übersetzer): "Konzentrationslager. Dokument F 321". (96 Fotos) Verlag 2001, Nr. 18027 2001 Judaica
- Michael Schneider: "'Volkspädagogik' von rechts: Ernst Nolte, die Bemühungen um die 'Historisierung' des Nationalsozialismus und die 'selbstbewußte Nation'." Gesprächskreis Geschichte 11, Bonn 1995, ISBN 3860774638 Electronic ed.: Bibliothek der FES, 1998.
- Themenhefte Landsberger Zeitgeschichte Heft 2: "Das Ende des Holocaust in Bayern"; Heft 4: "Die Vernichtung der Juden im Rüstungsprojekt Ringeltaube" [2]
- Richard Rhodes: "Die deutschen Mörder." Bergisch Gladbach 2004
- Gerd R. Ueberschär: "Orte des Grauens. Verbrechen im Zweiten Weltkrieg." Primus Verlag 2003, ISBN 3896782320
Verfilmungen
Schon oft wurde der Holocaust in Filmen oder Fernsehproduktionen thematisiert. Hier eine kleine Auswahl bekannter dramaturgischer Aufarbeitungen für Kino und Fernsehen (Spielfilme) in chronologischer Reihenfolge:
- Tödlicher Sturm (USA, 1940; Regie: Frank Borzage)
- Jakob der Lügner (DDR, 1975; Regie: Frank Beyer)
- Aus einem deutschen Leben (Bundesrepublik Deutschland, 1977; Regie: Theodor Kotulla)
- Holocaust - Die Geschichte der Familie Weiß (4-teilige TV-Serie, USA, 1978; Regie: Marvin J. Chomsky)
- Auf Wiedersehen, Kinder (Frankreich, Bundesrepublik Deutschland 1987, Regie: Louis Malle)
- Sobibor (Großbritannien, 1987; Regie: Jack Gold)
- Kornblumenblau (Polen, 1988; Regie: Lezek Wosiewicz)
- Triumph des Geistes - Ein Boxer in der Hölle (USA, 1989; Regie: Robert M. Young)
- Korczak (Polen, Deutschland, Frankreich, 1990; Regie: Andrzej Wajda)
- Schindlers Liste (USA, 1993, Regie: Steven Spielberg)
- Die Karwoche (Polen, 1996; Regie: Andrzej Wajda)
- Das Leben ist schön (Italien, 1997; Regie: Roberto Benigni)
- Zug des Lebens (Frankreich, Belgien, Israel, 1998; Regie: Radu Mihaileanu)
- Jakob der Lügner (USA, Frankreich, Ungarn, 1998; Regie: Peter Kassovitz)
- Klemperer - Ein Leben in Deutschland (12-teilige TV-Serie (vgl. Victor Klemperer), Deutschland 1999; Regie: Kai Wessel)
- Anne Frank - Die wahre Geschichte (USA, 2001; Regie: Robert Dornhelm)
- Uprising - Der Aufstand (USA, Großbritannien, Deutschland, Österreich, 2001; Regie: John Avnet)
- Die Wannseekonferenz (USA, 2001; Regie Frank R. Pierson)
- Die Grauzone (USA, 2001; Regie: Tim Blake Nelson
- Der Pianist (Großbritannien, Frankreich, Polen, 2002, Regie: Roman Polanski)
- Der Stellvertreter (Frankreich, Deutschland, 2002; Regie: Constantin Costa-Gavras)
- Babij Jar (Deutschland, Russland, 2003; Regie: Jeff Kanew)
Siehe auch
- Geschichtsrevisionismus
- Holocaustleugnung
- Aktion Reinhardt
- Antizionismus
- Erziehung im Nationalsozialismus
- Ewa Paradies
- Liste der Konzentrationslager
- Abzeichen in den Konzentrationslagern
- Liste bekannter Opfer des Nationalsozialismus
- Portal Nationalsozialismus
- Singularität der Shoah
- Wehrmacht und NS-Verbrechen
- Verbrechen gegen die Menschlichkeit
- Verwendung des Begriffs Holocaust
- Zionismus
Weblinks
Für Weblinks zu Gedenkstätten, Initiativen und Erinnerungskultur zum Thema Holocaust siehe Gedenken und Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus und in den dort verlinkten Artikeln.
Allgemeine Informationen
- Peter Ortag: Jüdische Kultur und Geschichte. Hrsg: Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung. 5. Auflage 2003 - Kapitel B/III/6 „Der Holocaust“
- Shoa - Der NS-Massenmord an den Juden Europas
- „Holocaust-Referenz“, Argumente gegen Auschwitzleugner
- The Mazal Library Umfangreiches Online-Archiv zum Holocaust (engl.)
- Holocaust Memorial Museum englisch
- Jüdisches Leben in Deutschland 1914-2005, Website der Bundeszentrale für politische Bildung und des Deutschen Historischen Museums (dt. & engl.)