Leo Trotzki

Lew Dawidowitsch Trotzki (auch Leo Trotzki; russisch Лев Давидович Троцкий; gebürtig Lew Dawidowitsch Bronstein; russisch Лев Давидович Бронштейн ; * 7. November 1879 in Janowka, Ukraine; † 21. August 1940 in Coyoacán im Süden von Mexiko-Stadt) war ein marxistischer Revolutionär und sowjetischer Politiker. Er war Volkskommissar (Minister) für Kriegswesen, Volkskommissar des Auswärtigen, für Ernährung, Transport, Verlagswesen. Er gilt als Gründer der Roten Armee und Begründer des Trotzkismus.
Hinweis zur Datierung
- Die Datumsangaben in diesem Artikel beziehen sich alle auf den Julianischen Kalender, der in Russland bis 1918 benutzt wurde. Zwischen dem Julianischen und unserem Gregorianischen Kalender bestand im 20. Jahrhundert ein Zeitunterschied von 13 Tagen. Die Oktoberrevolution beispielsweise fand also - nach westlicher Zeitrechnung - am 7. November statt.
1879 - 1897: Kindheit und Jugend
Bronstein wurde als fünftes Kind jüdischer Kolonisten im ukrainischen Janowka (im Kreis Jelisawetgrad, Gebiet von Cherson) geboren und besuchte in seiner Jugend die Realschule der Kleinstadt Mykolajiw (Nikolajew). Sein Vater war Landwirt, der es zu bescheidenem Wohlstand gebracht hat.
Aus seiner Familie ging mit seiner Schwester Olga noch eine weitere revolutionäre Person hervor, die Lew Borissowitsch Kamenew heiratete, einen einflussreichen Parteitheoretiker der Bolschewiki und eine der Hauptfiguren des thermidorianischen Triumvirates gegen die sog. Linksopposition der Zwanziger Jahre.

Die Jahre im provinziellen Janowka erlebte der spätere Volkskommissar weder als unbeschwert noch als bedrückt, und sprach später von einer biederen Kleinbürgerkindheit, farblos in der Schattierung, beschränkt in der Moral, nicht von Kälte und Not, aber auch nicht von Liebe, Überfluss und Freiheit geprägt, wie er in seiner Autobiografie "Mein Leben" berichtet.
1868 ging Bronstein auf die deutsch-jüdische (Grund-)Schule im Nachbarort Gromokley und ab 1888 besuchte er alleine die deutsch-lutherische "Realschule zum Heiligen Paulus" in der Hafenstadt Odessa und machte sein Abitur in Mykolajiw neun Jahre später als Bester seines Jahrgangs. Schon ein Jahr zuvor begann der 17-Jährige sich politisch von einer individualistischen, radikaldemokratischen Protesthaltung zum intelligenzlerischen Volkstümler zu orientieren. Das Volkstümlertum gehört mit dem Marxismus zu den beiden populärsten Denkweisen jener Tage. Er trat einem Diskussionszirkel junger Oppositioneller bei, in dem er die Positionen der Volkstümler vertrat. Seine Kontrahentin war die sieben Jahre ältere Alexandra Lwowna Sokoslowkaja, die er später heiratete. Im Jahre 1897 war der frische Sozialist schon maßgeblich an der Gründung des sozialdemokratischen Südrussischen Arbeiterbundes beteiligt (die Eltern hatten schon vor Monaten aufgehört, ihren Sohn materiell zu unterstützen), er fungierte in dieser Organisation als Propagandist und Verbindungsmann zwischen den Gruppen in Nikolajew und Odessa.
1898 - 1902: Erste Haft und Flucht
Ein Jahr später nahm die zaristische Polizei Trotzki, der bis dahin noch Bronstein genannt wurde, im Rahmen von Massenverhaftungen, deren Anlass der Verrat des Tischlers Nesterenko war, fest und ließ ihn in den Gefängnissen von Mykolajiw, Cherson und Odessa einsitzen. 1899 wurde er zur Verbannung nach Sibirien verurteilt, wo er seinem Zorn gegen das Sankt Petersburger Regime und die Ungerechtigkeit mit intensiven Studien der gesellschaftlichen Wissenschaft, das heißt des dialektischen und historischen Materialismus sowie der marxistischen Weltanschauung, ein solides Fundament unter die Füße stellte.

Im Moskauer Überführungsgefängnis Butyrskaja heiratete der Revolutionär 1900 Alexandra, die seine politischen Ansichten teilte und ihn wenig später in die Verbannung nach Irkutsk begleitete. Noch im selben Jahr wird seine erste Tochter geboren.
Im Jahre 1902 verließ er wegen seiner revolutionären Arbeit seine Frau und die beiden kleinen Töchter, (die Jüngste war nur vier Monate alt) und floh aus der Verbannung. Um die Flucht zu bewerkstelligen, legte er sich einen gefälschten Pass auf den Namen "Trotzki" zu, womit er sich, seinem Hang zur Ironie folgend, nach dem Oberaufseher des Gefängnisses in Odessa benannte.
1902 - 1917: Vor dem Umsturz
Wenig später, im Herbst 1902, kam er, der Einladung von Wladímir Iljítsch Lenin folgend, nach London und schlüpfte in seiner Wohnung unter. In diesem Exil übernahm Trotzki die Rolle des leitenden Redakteurs der sozialdemokratischen Zeitung Iskra (Der Funke), eine Tätigkeit, die ihm übrigens den Spitznamen Leninscher Knüppel einbrachte; nach dem Wendepunkt in der Geschichte der russischen Sozialdemokratie 1902 führte er diese Arbeit jedoch nicht mehr fort. Bald schon trat er der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) Georgi Walentinowitsch Plechanows bei und vertrat auf dem in der britischen Hauptstadt durchgeführten II. Parteitag der SDAPR den sog. Sibirischen Bund. In dieser Zeit lernte Trotzki auch Alexander Parvus (eigentlich Israil Lasarewitsch Helphand) kennen, der ebenfalls aus einem jüdischen Dorf in der Nähe von Odessa stammt, aber im wesentlichen in der deutschen SPD sein politisches Betätigungsfeld gefunden hat. Der ältere Parvus prägt den jungen Trotzki sehr stark, seine "Theorie der permanenten Revolution" basiert auf Ideen von Parvus.
Auf eben diesem zweiten Parteitag der SDAPR kam es zur ideologischen Spaltung der Partei über die Frage, wer denn alles als Parteimitglied betrachtet werden kann. Opponenten bei dieser Auseinandersetzung waren einerseits Lenin, nach dessen Meinung nur Personen Parteimitglied sein konnten, die sich persönlich engagierten, und andererseits Trotzki, der es für die Parteimitgliedschaft ausreichend hielt, dass eine Person die Partei unterstützte. Bei der folgenden Abstimmung siegten die Anhänger Lenins, die in der Folge Bolschewiki (deutsch: Mehrheitler) genannt wurden; ihnen standen die Menschewiki (deutsch: Minderheitler) entgegen. Trotzki versuchte einerseits, zwischen den Parteifraktionen zu vermitteln, andererseits schwenkte er stark in die Nähe der Menschewiki ein, und verfasste auch Schriften, in welchen er Lenin Machtgier als Grund seiner Politik unterstellte und ihn einen Diktatorenkandidaten oder auch "Maximilien de Lénine" nannte. Es ist kaum verwunderlich, dass das Verhältnis der beiden künftigen Revolutionsführer durch diese Polemiken lange Zeit angeschlagen blieb. In späteren Schriften rekurierte und selbstkritisierte Trotzki häufig seine menschewikische Position.
1903 hielt sich Trotzki zeitweise in Paris auf, wo er die Kunstgeschichtsstudentin Natalia Sedowa kennen lernte. Bis zu seinem Lebensende in Mexiko blieb sie treu an seiner Seite.
Im selben Jahr brach er endgültig mit der menschewistischen Parteinahme, und stellte mit der Theorie der permanenten Revolution die kühne Prophetie auf, dass nicht das vollkommen als zaristisch diskreditierte russische Bürgertum einen Umsturz nach dem Muster der Französischen Revolution durchführen werde, sondern dass die Arbeiterklasse, zwar von proportionalem Fliegengewicht, jedoch von einem zukünftig gewaltigem Einfluss, im Bündnis mit den ärmsten Schichten der Bauernschaft und den Landproletariern die Diktatur des Proletariats, gestützt auf den Bauernkrieg errichten werde, wie es Karl Marx bereits 1848 als Parole für das mittelalterlich dahindümpelnde Deutschland formulierte.
Von August 1904 an wohnte Trotzki für ein halbes Jahr in München.
Nach dem St. Petersburger Aufstand im Oktober 1905 kehrte er nach Russland zurück, wo er zusammen mit Parvusals Mitglied des St. Petersburger "Sowjets (Rat) der Arbeiterdeputierten" diente. In dieser Zeit verfasste er die Schrift "Bilanz und Ausblick - Russland in der Revolution". Doch die Reaktion machte dieser ersten wahrhaftigen Massenbewegung in Russland den Garaus, zerschlug die politischen Bestrebungen und schickte Trotzki, der zum Vorsitzenden des Sowjets aufgestiegen war und der sich für die Dezemberaufstände engagiert hatte, nach einem wenig wirksamen Schauprozess ein zweites Mal in die lebenslange Verbannung, dieses Mal in das Gouvernement Tobolsk. Er floh bereits bei dem Transport und entkam in das habsburgische Wien, ebenso wie Parvus, mit dem Trotzki allerdings in späteren Jahren bricht, als dieser seine ganz eigene Interpretation der Theorie der "Permanenten Revolution" lebt, und zunächst von 1910 bis 1914 in Konstantinopel das Osmanische Reich in Zusammenarbeit mit den Jungtürken "revolutioniert" und später dann, während des Ersten Weltkrieges, mit amtlichen deutschen Stellen zusammenarbeitet (mit diesen 1917 aber auch Lenins Reise im plombierten Eisenbahnwaggon nach Russland organisiert). 1906 wird sein drittes Kind, ein Junge, geboren. Ein Jahr später folgt der zweite Sohn.
Auf dem Parteitag von 1907, abermals in London, schloss er sich weder den Bolschewiki noch den Menschewiki an, sondern stand einer zentristischen Fraktion vor, welche einen radikalen Wiedergänger der alten SDAPR darstellen wollte.
Ab 1908 gab er zusammen mit seinem Kameraden Adolf Joffe die Zeitung Prawda (Wahrheit) heraus, welche man nicht mit Lenins Prawda verwechseln sollte, die ab 1912 erschien. In jener Zeit versuchte übrigens vor allem Kamenjew, Trotzki von der Kommunistischen Partei und Lenin zu überzeugen; Trotzki fuhr aber unverdrossen mit seiner Kritik an Lenin fort, der in seinen Augen ein sektiererischer Wirrkopf blieb.
Trotzki führte nun das Leben eines rastlosen Emigranten; zeitweise arbeitete er als Kriegsberichterstatter auf dem Balkan, wobei er erste militärische Erfahrungen sammelte.
Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges reiste Trotzki in die Schweiz. Auf der dortigen Zimmerwalder Konferenz 1915 gehörte er mit Lenin, dem er sich stetig annäherte, zu den Unterzeichnern des von ihm verfassten "Internationalen Sozialistischen Antikriegsmanifestes". Wenig später reiste er weiter nach Frankreich. Allerdings betrachteten die Behörden Trotzki als gefährlichen Agitator und schoben ihn nach Spanien ab, wo er ebenso verhaftet und ausgewiesen wurde. .
1917 - 1918: Oktoberrevolution
Ende 1916 zog er mit seiner Kameradin Natalija Sedowa in die USA, wo sie ein halbes Jahr später die Nachricht von der russischen Februarrevolution erreichte, durch welche die bürgerliche Provisorische Regierung unter dem Fürsten Lwow und seinem sozialdemokratischen Kriegsminister Kerenski an die Macht kam.

Auf dem Weg in das neue Russland wurde Trotzki in Halifax verhaftet und in ein Internierungslager gebracht. Allerdings setzte der Petrograder Sowjet (1914 wurde St. Petersburg in Petrograd umbenannt) die Provisorische Regierung unter Druck, für Trotzki zu intervenieren, und so kam er im Mai 1917 in Petrograd an. Dort schloss Trotzki sich erneut einer zentristischen Arbeiterpartei an, diesmal der Überregionalen Organisation vereinigter Sozialdemokraten, die das Ziel hatte, die Bolschewiki und Menschewiki auszusöhnen. Doch in dieser Form dauerte die Beziehung nicht lange an. Die wechselnden Verhältnisse schleuderten die noch nicht gefestigten Zwischenschichten entweder der Reaktion oder der Revolution in die Arme, und so schloss sich die Überregionale Organisation zusammen mit Trotzki, den im Theoretischen zuletzt allein noch die Frage einer sozialdemokratischen Massenpartei von Lenin unterschieden hatte, den Bolschewiki an.
Im September 1917 wurde Trotzki abermals Vorsitzender des Petrograder Sowjets und organisierte in dieser Funktion die Kampfverbände der Roten Garde. Als am 10. Oktober 1917 das Zentralkomitee der Partei endlich den Entschluss zu einem bewaffneten Aufstand gegen die schwache Regierung von Alexander Kerenski fasste, stimmte Trotzki - wie die Mehrheit seiner Genossen - dafür. Unter seiner Federführung wurde am 16. Oktober 1917 das Militärrevolutionäre Komitee des Petrograder Sowjets gegründet. Dieses Komitee setze den Befehl der Provisorischen Regierung, zwei Drittel der Petrograder Stadtgarnison an die Front des Ersten Weltkriegs zu beordern, außer Kraft, eine Aktion, welche der eigentliche Beginn der Revolte war, zu der laut Trotzki der Aufstand des 25. Oktober 1917, also das zentrale Datum der Oktoberrevolution, lediglich zusätzlichen Charakter hatte.
In der Nacht zum 26. Oktober war Trotzki zusammen mit Lenin und den restlichen Mitgliedern des Militärrevolutionären Komitees im Smolny-Institut, wo Boten mit Nachrichten aus den verschiedenen Teilen der Stadt eintrafen, um von den Ereignissen und den Erfolgen der Aufständischen zu informieren. Nach der Übernahme von Bahnhöfen, Postämtern, Telegraphenamt, Ministerien und der Staatsbank sowie dem Sturm auf den Winterpalast, etablierte am 26. Oktober um 5 Uhr morgens der am Vortag einberufene II. Gesamtrussische Kongress der Arbeiter- und Sozialdeputierten eine Regierung des Sowjet (Rat) der Volkskommissare". Gleich danach wurden die Dekrete Über den Frieden und Über den Grund und Boden verabschiedet.
In dieser neuen Regierung saßen ausschließlich Vertreter der Bolschewiki. Indes betrachteten die etablierten Parteien der Duma den Umsturz als militärischen Putsch und verweigerten der selbsternannten neuen Sowjetregierung die Unterstützung. Auf den Straßen bewegte sich die leidende und durch den Krieg hungernde Bevölkerung in Protestmärschen. Am 4. November traten nach erheblichen Differenzen auch einige Mitglieder der Bolschewiki aus dem Zentralkomitee der Partei und dem Rat der Volkskommissare aus. Sie verlangten die Schaffung einer Koalitionsregierung, der Vertreter aller Parteien angehören sollten.
In dieser Auseinandersetzung blieb Trotzki auf der Seite Lenins. Er war der Meinung, dass im Augenblick der Revolution die kommunistische Partei nicht einen Schritt weit zurückweichen dürfte. Diesem Machtkalkül verhalf die spätere Entwicklung zum Erfolg.
Gleich nachdem die Bolschewiki die Macht erlangt hatten, wurde er zum Volkskommissar für äußere Angelegenheiten ernannt. Seine Hauptaufgabe sah er darin, Frieden mit dem Deutschen Reich und dessen Verbündeten (wie Österreich-Ungarn) zu schließen. Er leitete die Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk, die er der schwachen Position des revolutionären Russlands und der offen imperialistischen Position der Obersten Heeresleitung in der Frage der Sowjetukraine wegen solange wie möglich hinauszuzögern versuchte. Trotzkis Verhandlungspartner auf deutscher Seite war General Ludendorff. Das zögerliche Entgegenkommen der neuen Sowjetregierung provozierte am 18. Februar 1918 einen deutschen Einmarsch, welcher mit dem für Sowjetrussland einem Würgegriff gleichkommenden Frieden von Brest-Litowsk am 3. März endete. Trotzki trat daraufhin von seinem Amt als Volkskommissar (Minister) für Auswärtiges zurück.
1918 - 1922: Gründung der Roten Armee und Bürgerkrieg

Trotzki versuchte nach dieser auch persönlichen Niederlage mit seiner ganze Kraft die inneren Verhältnisse im riesigen Russland zu ordnen, wo der Bürgerkrieg zwischen den sowjetischen "Roten" und den zaristisch-demokratischen "Weißen" wütete. Trotzki wurde am 14. März 1918 zum Volkskommissar für das Kriegswesen ernannt. Ende März baute er die Rote Arbeiter- und Bauernarmee (Рабоче-крестьянская красная армия bzw. Rabotsche-Krestjanskaja Krasnaja Armija, genannt Rote Armee) auf: Er organisierte die Umwandlung der bisherigen, zerstreuten Roten Garde in ein straff geführtes Territorialheer. Dies allerdings unter großen Schwierigkeiten: das Kommandopersonal wurde bisher von den Soldaten gewählt. Dieser demokratische Ansatz hinderte die Umwandlung in eine neue zentral geführte Armee. Er schaffte die demokratischen Strukturen teilweise ab, verstieß das eigenmächtige und konservative Kosakentum aus der Kavallerie und verband die Verteidigung der neuen Regierung mit dem Freiheitskampf unterdrückter Nationalitäten des ehemaligen Zarenreiches, was zu der Klage der Exilrussen führte, die Bolschewiki kämpften mit lettischen Stiefeln und chinesischem Opium. Außerdem heuerte er in Ermangelung eines eigenen qualifizierten Führungsstabes ehemalige zaristische Offiziere als so genannte Militärspezialisten an. Gerade dieser Aspekt führte zu harscher Kritik innerhalb der Partei, besonders Josef Stalin, der in jenen Tagen in Zarízyn stationiert war, beklagte sich über die diktatorischen Maßnahmen des Kriegskommissars. Er und die übrigen Opponenten der herrschenden Militärorganisation fanden aber aufgrund der militärischen Erfolge von Trotzkis Methoden kein Gehör.
Am 6. April bekam Trotzki noch zusätzlich das Ressort für Marineangelegenheiten. Die Regierung war von dem 1914 in Petrograd umbenannte St. Petersburg nach Moskau umgezogen. 1919 benannten sich die Bolschewiken in Kommunistische Partei Russlands (KPR) um, die ab 1952 nach weiteren Umbenennungen endgültig Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) hieß. Unangefochtener Führer war Wladimir Iljitsch Lenin, der sich mit Trotzki weitgehend ausgesöhnt hatte.
Das Territorium der Sowjets wurde zeitweise durch die Weiße Armee fast auf das Gebiet der alten Moskauer Fürstentümer reduziert, die Versorgungslage der von den Kommunisten besetzten Städte war schlecht, die Truppen der Roten Armee, deren nur schlecht ausgebildete Arbeitermilizen mit Freischärlermethoden zu kämpfen gezwungen waren, kämpfte gegen einen bestens geschulten und gerüsteten Gegner. Der vielgliedrigen, fraktionierten zaristischen Armee waren durch Hunger und Krankheit ganze Bataillone durch (Fahnen-)Flucht abhanden gekommen. Zudem hatte die neue Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR) mit einer großangelegten Invasion zu kämpfen: So befanden sich zum Beispiel Truppen Polens, 70 000 Japaner, 2 500 Briten, 1 500 Franzosen, 1 500 Italiener und 8 000 US-Soldaten in Russland und ließen der Weißen Armee erhebliche finanzielle und materielle Unterstützung zukommen.
Bis 1920 gelang es der Roten Armee in einem verbissenen und verlustreichen Kampf, die Weißen bis in den Osten des riesigen russischen Reiches zurückzudrängen. Im Februar desselben Jahres erlitt die Weiße Armee eine schwere Niederlage in Sibirien. Trotzki proklamierte den nationalen Krieg gegen Polen und seine Verbündeten, die in die Ukraine einmarschiert waren, und machte ihn zur Chefsache im Kriegskommissariat. Durch das so genannte "polnische Wunder an der Weichsel" Mitte August wurde die Rote Armee allerdings einmal vernichtend geschlagen. Jedoch konnte sie sich erholen und eroberte Weißrussland und die Ukraine.
Im Mai 1921 fiel die Krim, die letzte Festung der Weißen. Bis zum Ende de russischen Bürgerkriegs 1922 eroberten die Roten Aserbaidschan, Armenien und Georgien und 1922 wurde die Sowjetunion (Советский Союз) gegründet.
Immer wieder wurde Trotzki die brutale und blutige Niederschlagung von Bauernaufständen und dem Matrosenaufstandes in der vor Petersburg liegenden Seefestung Kronstadt von 1921 vorgeworfen. (Die Kronstätter Matrosen waren einst eine Kerngruppe der Oktoberrevolution.) Auch in den Dreißiger Jahren, als Stalin Trotzki zum Zielobjekt von Verleumdungskampagnen machte, was seinen eigenen Attacken gegen die Bürokratie, den Totalitarismus und den Nationalismus in der Sowjetunion an Schärfe nahm. Trotzki verteidigte sich damit, dass die Aufstände, die sich vor allem gegen die Lebensmittel-Konfiskationen richteten, den neuen Staat zum Tode verurteilt hätten, wenn er sie nicht rechtzeitig bekämpft hätte: "Ich weiß nicht [...], ob es unschuldige Opfer (in Kronstadt) gab [...]. Ich bin bereit zuzugeben, dass ein Bürgerkrieg keine Schule für menschliches Verhalten ist. Idealisten und Pazifisten haben der Revolution immer Exzesse vorgeworfen. Die Schwierigkeit der Sache liegt darin, dass die Ausschreitungen der eigentlichen Natur der Revolution entspringen, die selbst ein Exzess der Geschichte ist. Mögen jene, die dazu Lust haben (in ihren armseligen journalistischen Artikeln), die Revolution aus diesem Grund verwerfen. Ich verwerfe sie nicht."
1922 - 1929: Machtkampf mit Stalin
Nach der Gründung der Sowjetunion, bzw. UdSSR (Советский Союз) begann Trotzki die entstehende Bürokratie, den Totalitarismus der Machthaber und den aufkommenden Nationalismus zu kritisieren, was nicht selten auf Ablehnung traf und sich ab 1924 klar gegen Josef Stalin richtete.
Trotzki, zur Zeit der Revolution und des Bürgerkriegs unzweifelhaft der zweite Mann der Sowjetmacht, verlor bereits ab 1921 stetig an Einfluss. Lenin kritisierte Trotzkis "übertriebenes Selbstvertrauen", es wird von Trotzkis Arroganz gesprochen, die ihn von den nachgeordneten Parteiebenen isolierte. Im Oktober 1923 kritisierte er dann das bereits von Stalin dominierte Zentralkomitee, worauf eine heftige Gegenreaktion folgte. Trotzki erkrankte, sein Auftritt bei der Trauerfeier für Lenins zweiten Todestag platzte.
Nach dem Tode Lenins 1924 brach ein offener Machtkampf zwischen Trotzki und Stalin über die Zukunft der Sowjetunion und des Kommunismus aus. Trotzki verstand es schlechter als Stalin, Parteiapparat und -basis an sich zu binden. Stalin mit seinen bürokratischen Machtinstrumenten wollte einen totalitären "Sozialismus im eigenen Land" festigen, während Trotzki das Erbe des Marxismus mit dem Imperativ der Weltrevolution und der Arbeiterdemokratie (Proletarier aller Länder, vereinigt euch!) gegen alle von ihm so genannten reaktionären Angriffe durch den Sowjetthermidor zu verteidigen versuchte und damit der internationalen Arbeiterschaft zum Sieg helfen wollte. Er ging ähnlich wie Lenin davon aus, dass nur eine weltweite Revolution zum langfristigen Bestand des Kommunismus beitragen könne. Diese Ansicht ging als Trotzkismus in die Geschichte ein.
Nachdem Stalin immer mächtiger wurde, verlor Trotzki 1925 sein Amt als Kriegskommissar. Es folgte die Kennzeichnung von "Trotzkismus" als "Abweichlertum"; schließlich kam es auch zu antisemitischen Kampagnen gegen Trotzki und Sinowjew. Alle Schriften und Werke des "jüdischen Verschwörers" und "Lakaien des Faschismus" galten als Ketzerei. Stalin ließ aus offiziellen Dokumenten und Testen seinen Namen tilgen. 1927 wurde Trotzki aus dem Politbüro und der KPdSU entlassen und am 31. Januar 1929 in die Verbannung nach Alma-Ata (in Kasachstan) geschickt. Noch im selben Jahr wies man ihn aus dem Land aus und entzog ihm die Staatsbürgerschaft.
1929 - 1940: Exil und Tod

Er lebte dann vier Jahre auf der türkischen Insel Prinkipo, wo er u.a. seine Autobiographe "Mein Leben. Versuch einer Autobiographie" verfasste, die neben anderen Werken in Deutschland von Alexandra Ramm-Pfemfert übersetzt wurde. 1933 gewährte die Regierung Daladier ihm Asyl in Frankreich, er wohnte erst in Royan, später in Barbizon. Der Aufenthalt in Paris war ihm verboten. Bereits 1935 wurde ihm signalisiert, dass sein Aufenthalt in Frankreich nicht länger erwünscht sei, und er nahm ein Angebot Norwegens auf Asyl an. Er lebte dort als Gast Konrad Knudsens nahe Oslo. In seiner regen publizistischen Tätigkeit griff er die Moskauer Prozesse an und verhöhnte Stalin, er möge doch seine Auslieferung verlangen. Augenscheinlich stimmte seine Einschätzung, dass dieser lieber darauf verzichtete, Trotzki im Auslieferungsverfahren weitere Möglichkeit der Agitation zu bieten, aber Trotzki wurde nichtsdestotrotz von den norwegischen Behörden unter Hausarrest gesetzt. Verhandlungen mit der norwegischen Regierung ergaben schließlich die Ausreise nach Mexiko, unter der Auflage strenger Geheimhaltung auf einem Frachtschiff.
In seinem Exil agitierte er weiter gegen Stalin, deckte nach seinen Möglichkeiten die Verbrechen der GPU und der Gulags auf und veröffentlichte verschiedene kommunistische Schriften (zum Beispiel Die verratene Revolution, 1936).

Noch im gleichen Jahr begann Stalin, die Neue Ökonomische Politik zu revidieren, mit großer Grausamkeit die Kollektivierung der Landwirtschaft durchzusetzen und mit Arbeitsarmeen die Schwerindustrie der Sowjetunion zu errichten. Auch dies wurde von Trotzki und seinen Anhängern, der Untergrundpartei der Linken Opposition einer vernichtenden Kritik unterzogen, zumal Trotzki sich schon für eine umfassende Industrialisierung in einem vernünftigen Tempo und eine freiwillige Kollektivierung der Bauernschaft auf der Basis einer wiederauferstandenen Sowjetdemokratie ausgesprochen hatte.


1938 gründete Trotzki die marxistische Organisation Vierte Internationale, um der inzwischen unter Stalins Dominanz stehenden Dritten Internationalen entgegenzuwirken. Am 24. Mai 1940 überlebte er einen Angriff auf das ihm von seiner zeitweiligen Geliebten Frida Kahlo geschenkte Haus in Coyoacán in der Avenida Río Churubusco 410. Der Angriff wurde von mehreren, von Stalin gesandten und als mexikanische Polizisten getarnte Agenten durchgeführt. Aus Angst vor weiteren Anschlägen ließ er danach das Haus zur Festung ausbauen: Die Mauern wurden erhöht, Holztüren durch Eisentüren ersetzt, Fenster teilweise zugemauert. Sieben bis acht Wachleute schützten das kleine Anwesen in der verkehrsreichen inneren Ringstraße im Süden von Mexiko-Stadt rund um die Uhr.
Vier Monate später jedoch konnte Stalin über seinen Gegner triumphieren. Ein Sowjetagent erschlich sich als Frank Jascon Trotzkis Vertrauen und gab sich als Anhänger aus. Am 20. August kam Jascon, der eigentlich Jaime Ramón Mercader del Río Hernández hieß, zu Besuch bei seinem Lehrer. Kurz nach 18:00 h griff Mercader ihn in seinem Arbeitszimmer mit einem Eispickel an, wobei Trotzki schwer am Kopf verletzt wurde. Die Leibwächter fanden ihn blutüberströmt, aber noch lebend. Einen Tag später starb Leo Trotzki an den Folgen des Mordanschlags.
Nachleben
Die Reaktionen um Trotzkis Ableben fallen höchst unterschiedlich aus. Noch 1940 wurde Mercader von Stalin zum Held der Sowjetunion ernannt. Nach Verbüßung der 20-jährigen Freiheitsstrafe wurde der Mörder Trotzkis nach Moskau eingeladen, wo er den Leninorden erhielt. In Mexiko dagegen trauerte man um Trotzki. 300 000 Menschen begleiteten Trotzkis Leichenzug in Mexiko. Seine Leiche wurde eingeäschert und im Garten, wo Trotzki Kakteen züchtete, seines Hauses begraben. 32 Jahre später kam die Asche seiner in Paris gestorbenen Frau Natalja dazu. Diese Stelle markiert heute ein weißer, mit Hammer und Sichel gekennzeichneter Stein mit einer roten Fahne. Das Haus des Anschlags kann heute als "Museo León Trotsky" besichtigt werden.
Die KPdSU hat den Schöpfer der Revolution und Gründer der Roten Armee nie rehabilitiert, selbst der als "Stalin-Säuberer" bekannt gewordene Chruschtschow und der Reformer Gorbatschow versagten ihm jegliche posthume Würdigung. 1989 entgegnete das Politbüro-Mitglied Wladimir Jakowlew Gregor Gysi: "Trotzki war ein erbarmungsloser Mensch, dessen Hände über und über mit Blut befleckt sind."
Im Jahr 2005 wurde der verschollen geglaubte Eispickel wiedergefunden. Das Mordinstrument wurde nach Trotzkis Tod im Kriminologischen Museum in Mexiko-Stadt ausgestellt, dann aber wegen Diebstahlgefahr durch eine Kopie ersetzt. Ein mexikanischer Geheimdienstler, auch ein Mitbegründer des Museums, habe den Originalpickel an sich genommen und aufbewahrt, schreibt "La Jornada" (linksgerichtete mexikanische Tageszeitung). Seine Tochter berichtete, dass ihr Vater, viermal vergeblich versucht hatte den Eispickel zurückzugeben. Doch niemand wollte das Original zurück haben. Dann nahm diese Tochter den Eispickel an sich und präsentierte ihn in einer Radiosendung.
Siehe auch: Linke Opposition
Literatur
Primärliteratur
- Deutschland - Der Schlüssel zur internationalen Lage. 1931
- Die Balkankriege 1912-13. Sowjetischer Staatsverlag, 1926 ISBN 3-88634-058-9
- Die permanente Revolution. Berlin 1929 ISBN 3-88634-061-9
- Mein Leben. Versuch einer Autobiographie S. Fischer Verlag, Berlin 1929
- Neunzig Jahre Kommunistisches Manifest. 1937
- Verratene Revolution. Was ist die Sowjetunion und wohin treibt sie? Antwerpen-Zürich-Prag 1936 (Neuausgabe: Veritas-Verlag, Zürich, 1957) ISBN 3-88634-053-8
(sämtliche Schriften sind auch digital bei marxitst.org zu finden)
Sekundärliteratur
- Pierre Broué: Trotzki. Eine politische Biographie. (2 Bände) Neuer ISP Verlag, Köln 2003 ISBN 3-929008-33-5
- Willy Huhn: Trotzki - Der gescheiterte Stalin. Karin Kramer Verlag, Berlin 1973. ISBN 3-87956-017-X
- Hans Jürgen Mende (Hrsg.:) L. Trotzki: Terrorismus und Kommunismus. 1920
- Joel Carmicheal: Trotzki - Die Revolution frißt ihre Väter Heyne-Verlag, Garching Hochbrück 1989 ISBN 3453035275
Weblinks
Vorlage:Wikiquote1 Vorlage:Commons2
- marxists.org: Alls Schriften Trotzkis als html
- dhm.de: Biographische Zeittafel
- judentum-projekt.de: Biografien, sozialpolitische Einstellung und Trotzkis Leben als Jude
Personendaten | |
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NAME | Bronstein, Lew Dawidowitsch |
ALTERNATIVNAMEN | Lew Dawidowitsch Trotzki |
KURZBESCHREIBUNG | Ukraino-russischer Revolutionär, Politiker und Gründer der Roten Armee |
GEBURTSDATUM | 7. November 1879 |
GEBURTSORT | Janowka, Russland, heute Ukraine |
STERBEDATUM | 21. August 1940 |
STERBEORT | Coyoacán im Süden von Mexiko-Stadt |