Großer Nordischer Krieg
Großer Nordischer Krieg | |||||
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Datei:Stora nordiska kriget.jpg Gemäldezusammenschnitt dem Uhrzeigersinn nach: Schlacht von Poltawa, Schlacht von Gangut, Schlacht bei Narva, Schlacht bei Gadebusch, Schlacht von Storkyro | |||||
Datum | 12. Februar 1700 – 10. September 1721 | ||||
Ort | Mittel-, Nord- und Osteuropa | ||||
Ausgang | alliierter Sieg | ||||
Friedensschluss | Präliminarfrieden zu Stockholm, Frieden von Stockholm, Frieden von Frederiksborg, Frieden von Nystad | ||||
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Der Große Nordische Krieg war ein in Nord-, Mittel- und Osteuropa geführter Krieg um die Vorherrschaft im Ostseeraum in den Jahren 1700 bis 1721.
Eine Dreierallianz, bestehend aus dem Russischen Zarenreich, den Personalunionen Sachsen-Polen und Dänemark-Norwegen, griff im März 1700 das Schwedische Reich an, das von dem 18-jährigen, als jung und unerfahren geltenden König Karl XII. regiert wurde. Trotz der ungünstigen Ausgangslage blieb der schwedische König zunächst siegreich und bewirkte, dass Dänemark-Norwegen (1700) und Sachsen-Polen (1706) aus dem Krieg ausschieden. Als er sich 1708 anschickte, Russland in einem letzten Feldzug zu besiegen, erlitten die Schweden in der Schlacht bei Poltawa im Juli 1709 eine verheerende Niederlage, die die Kriegswende bedeutete.
Von dieser Niederlage ermutigt, traten die ehemaligen schwedischen Gegner Dänemark und Sachsen wieder in den Krieg gegen Schweden ein. Von nun an bis zum Kriegsende hatten die Alliierten die Initiative in der Hand und drängten die Schweden in die Defensive. Erst nachdem der als uneinsichtig und stur geltende schwedische König im Herbst 1718 während einer Belagerung von Frederikshald unter ungeklärten Umständen fiel, konnte der für Schweden aussichtslos gewordene Krieg beendet werden. Die Friedensbedingungen im Frieden von Nystad, dem Frieden von Frederiksborg und dem Frieden von Stockholm bedeuteten das Ende des schwedischen Status als europäische Großmacht und den gleichzeitigen Aufstieg Russlands als neue Großmacht.
Vorgeschichte
Die Ursache des Großen Nordischen Krieges war von verschiedenen Faktoren bestimmt und hatte ihre Ursprünge zu Beginn des 17. Jahrhunderts. In zahlreichen Kriegen gegen das Königreich Dänemark, das Königreich Polen-Litauen und das Russische Zarenreich hatte Schweden bis 1660 die Vormachtstellung im Ostseeraum errungen. Dabei hatte es das Zarenreich im Frieden von Stolbowo (1617) vom Zugang zur Ostsee abgedrängt und Dänemark mit dem Frieden von Oliva (1660) die uneingeschränkte Herrschaft über den Sund entrissen. In den folgenden Jahren war Schweden außenpolitisch von Frankreich unterstützt worden und konnte seinen Besitzstand wahren.
Als Folge dieser Entwicklungen zeichneten sich am Ende des 17. Jahrhunderts folgende Konfliktlinien in Nordosteuropa ab:

- Einen Streitpunkt zwischen Dänemark und Schweden stellte die Frage um die gottorfschen Anteile in den Herzogtümern Holstein und vor allem Schleswig dar. Die Herzogtümer waren seit 1544 in königliche, gottorfsche und gemeinsam regierte Anteile aufgeteilt worden.[1] Trotzdem verblieb Holstein formell deutsches und Schleswig dänisches Lehen. Nach dem Frieden von Roskilde 1658 wurden die Anteile der mit den Schweden alliierten Gottorfer im Herzogtum Schleswig vom dänischen Lehen entbunden. Die dänische Außenpolitik, die sich durch die Allianz der Gottorfer mit den Schweden von zwei Seiten bedroht sah, versuchte sich die verlorenen Gebiete wieder einzuverleiben. Die Unabhängigkeit des Teil-Herzogtums Schleswig-Holstein-Gottorf garantierte lediglich die schwedische Regierung, welche davon ausging, dass sie mit dem verbündeten Territorium im Falle eines Krieges gegen Dänemark über eine strategische Basis für Truppenaufmärsche und Angriffe auf das dänische Festland verfügte.[2]
- Ein weiterer Streitpunkt zwischen Dänemark und Schweden bildeten die früher dänischen und seit 1658 zu Schweden gehörenden Provinzen Schonen (Skåne), Blekinge und Halland. Die Frage nach der staatlichen Zugehörigkeit Schonens haate bereits 1675 zum letztlich Kerfolglosen Kriegseintritt Dänemarks in den Nordischen Krieg von 1674 bis 1679 geführte.[2]
- Unter König Karl XI. von Schweden (1655–1697) war es zu den so genannten Reduktionen gekommen, durch welche der Landbesitz des Adels größtenteils an die Krone überging. Diese Praxis stieß unter anderem in Livland auf den Widerstand der betroffenen Fürsten, die sich nun um ausländische Hilfe bemühten.[2]
- In Russland hatte Zar Peter I. (1672–1725) erkannt, dass das Fehlen eines Zugangs zur Ostsee den russischen Handel beeinträchtigte. Seine Anstrengungen richteten sich vor allem deshalb gegen Schweden, welches die Ostseeküste besetzt hielt.[2]
- Kurfürst August I. von Sachsen (1670–1733) war im Jahre 1697 als August II. zum König von Polen gewählt worden. Er strebte danach, sich in Polen Anerkennung zu verschaffen und das Königtum dadurch in eine Erbmonarchie umwandeln zu können. Dabei beriet ihn der aus Livland geflohene Johann Reinhold von Patkul (1660–1707). Dieser meinte, dass die Rückeroberung des einst polnischen Livlands August zu einigem Prestige verhelfen würde. Der lokale Adel würde diesen Schritt willkommen heißen und sich gegen die schwedische Herrschaft erheben.[2]
Zwischen den drei potentiellen Gegnern Schwedens zeichnete sich bald nach der Thronbesteigung des erst 15-jährigen Karls XII. von Schweden (1682–1718) der Zusammenschluss zu einer Allianz ab. Bereits im ersten Regierungsjahr hatte der junge König seinen Schwager Friedrich IV. (1671–1702), den Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf zum „Oberbefehlshaber aller schwedischen Truppen in Deutschland“ gemacht und ihn beauftragt, die Landesverteidigung des Gottorfer Teil-Herzogtums zu verbessern. Diese offensichtlich militärischen Vorbereitungen gaben im Juni 1698 den Anstoß zu ersten Bündnisverhandlungen zwischen Dänemark und Russland.[3] Im August 1698 trafen sich Zar Peter I. und König August II. schließlich in Rawa, wo sie erste Absprachen für ein gemeinsamen Angriff auf Schweden trafen.[4] Den formalen Abschluss der Allianz stellte der am 11. Novemberjul. / 21. November 1699greg. abgeschlossene Vertrag von Preobraschenskoje dar. Erst am 23. Novemberjul. / 3. Dezember 1699greg. erfolgte der Abschluss einer weiteren Allianz zwischen Zar Peter I. und König Friedrich IV. von Dänemark (1671–1730). Dänemark war seit März 1698 auch mit Sachsen in einer Defensivallianz verbündet. In beiden Verträgen wurde Schweden allerdings nicht expliziet als Ziel dieser Abkommen erwähnt. Sie verpflichteten die Vertragspartner lediglich dazu, sich im Falle eines Angriffs, oder wenn der Handel eines der Länder durch andere Staaten beeinträchtigt würde, Beistand zu leisten. Weiterhin ließ Zar Peter I. Klauseln einfügen, laut denen er erst nach einem Friedensschluss zwischen Russland und dem Osmanischen Reich (→ Russisch-Türkischer Krieg (1686–1700)) an die Bestimmungen der Verträge gebunden war.[5]

Schweden konnte in der ersten Phase aufgrund seiner Anfangserfolge weitgehend das Kriegsgeschehen bestimmen. Zentrale Kriegsschauplätze waren in erster Linie Sachsen-Polen und das bis dato schwedische Livland und Estland, welches bis 1706 durch die Russische Zarenarmee in einem separat geführten Nebenkrieg erobert werden konnte.
Der alliierte Angriff auf Schweden und seine Abwehr (1700)
Am 12. Februar 1700 fiel die sächsische Armee ohne Kriegserklärung in das schwedische Livland ein um Riga zu belagern. Doch der livländische Adel stellte sich entgegen der Erwartungen nicht auf die Seite der Sachsen. Die Einnahme der Festung Riga scheiterte daher. Der Feldzug war damit gescheitert. Die polnische Adelsrepublik fühlte sich von August II. betrogen und erklärte, dass Polen sich nicht im Krieg mit Schweden befände. Nur einige polnische Adelige wie Fürst Hieronim Augustyn Lubomirski schlugen sich anfangs auf seine Seite. Der erst 18 Jahre alte schwedische König Karl XII. ordnete nach dem sächsischen Angriff die allgemeine Mobilmachung an. Die schwedische Armee war kein Söldnerheer wie in anderen Ländern üblich. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts betrug die Truppenstärke der Karoliner, wie die schwedischen Soldaten seit ihrem Gründer Karl XI. hießen, 76.000 Soldaten[6]. Die Soldaten der einzelnen Einheiten lebten in Friedenszeiten als Bauern in ihren Dörfern (so genannte Indelningsverket). Da sie einander kannten, hielten sie im Kampf eng zusammen. Fahnenflucht war in der schwedischen Armee so gut wie unbekannt. Frankreich unter Ludwig XIV. unterstützte Schweden finanziell, welches damals mit Schwedisch-Pommern, Holstein-Gottorp, Finnland, Karelien, Ingermanland und Livland nur circa 3 Millionen Einwohner hatte. Jedes Jahr zahlte der Sonnenkönig über 1.000.000 Livres.
Nach dem sächsischen Einfall in Livland erklärte am 11. März 1700 Dänemark Schweden den Krieg und marschierte in das schleswig-holsteinische Teilherzogtum Schleswig-Holstein-Gottorf ein. Wilhelm III., damals zugleich König von England, Schottland und Irland sowie Statthalter der Niederlande, wünschte die Erhaltung des Friedens in Nordeuropa und garantierte den Status Quo. Da Dänemark der Angreifer war und Großbritannien sowie die Niederlande Garantiemächte des Altonaer Vertrages waren, stellte er sich auf die Seite Schwedens und schickte unter Admiral George Rooke ein englisch-holländisches Geschwader mit 25 Linienschiffen zur Unterstützung Schwedens nach Göteborg. Schweden verfügte über eine Flotte von 38 Linienschiffen und 12 Fregatten, Dänemark hatte 33 Linienschiffe und 7 Fregatten. In einem kühnen Manöver gelang der schwedischen Flotte die Durchfahrt durch die kleinere der beiden Fahrrinnen im Öresund, außerhalb der Reichweite der Kanonen der dänischen Sundfestungen. Die schwedische Flotte vereinigte sich mit dem englisch-holländischen Geschwader, und der dänischen Flotte von 33 Schiffen stand jetzt ein mächtiges Geschwader von mehr als 60 Schiffen gegenüber, so dass der dänische Admiral keine Seeschlacht wagte. Unter dem Schutz dieser Flotte konnte Karl XII. am 23. Juli 1700 auf der dänischen Hauptinsel Seeland landen, Kopenhagen einschließen und im August mit der Belagerung der dänischen Hauptstadt beginnen.
Der dänische König Friedrich IV. sah sich jetzt in einer katastrophalen Lage: Seine Flotte stand einer viel stärkeren feindlichen gegenüber, seine Hauptstadt stand unter Belagerung, während sein Heer gegen Herzog Friedrich IV. von Holstein-Gottorf weit weg im Herzogtum Holstein operierte. Friedrich IV. musste seine Niederlage eingestehen und schloss am 18. August 1700 mit Schweden den Frieden von Traventhal. Der erste Feldzug im Großen Nordischen Krieg endete somit schnell und fast unblutig. Der Status Quo Ante wurde wieder hergestellt, und Dänemark schied aus der Koalition gegen Schweden aus.

Derweil griff vom Osten her Russland aktiv in den Krieg ein. In den letzten Monaten vor der Kriegserklärung hatte Zar Peter I. in der Gegend um Nowgorod und Pleskau ein Heer von 60.000 Mann zusammengezogen. Um zu verhindern, dass die Schweden davon Nachricht bekämen, ließ er fast alle Postverbindungen mit Schweden abbrechen. Gleich nach erfolgter Kriegserklärung am 19. August rückten das versammelte Heer und andere Truppenabteilungen in das schwedische Estland und Ingermanland ein. Am 19. September 1700 erschien das Heer vor der schwedischen Festung Narva und eröffnete am 1. und 2. Oktober die Belagerungsarbeiten. Narva stand unter Kommando von Rudolph Henning Horn mit 1000 Mann Besatzung. Zusätzlich beteiligten sich weitere 1000 bewaffnete Bürger an der Verteidigung der Festung. Das russische Belagerungsheer, der Größe um eine vielfaches überlegen, bestand zu einem erheblichen Teil aus frisch eingezogenen und ungeübten Mannschaften. Ein Sturmangriff folgte dem anderen, ohne dass die russischen Belagerer Fortschritte erzielen konnten.[7] König Karl XII. entschloss nach dem Sieg über Dänemark, das Heer August II. anzugreifen und die Festung Riga zu entsetzen. Am 1. Oktober ging die aus 200 Schiffen und mit 8000 Mann besetzte Flotte in Segel. Karl XII. ging mit dem Entschluss zur Überfahrt zu dieser fortgeschrittenen Jahreszeit ein hohes Risiko ein. Nachdem die Flotte vor Kurland in einen schweren Seesturm geriet, erreichten die Schiffe, zum Teil in verschiedenen Häfen, mit unterschiedlichen Verlusten die Ziel-Küste in Livland und Estland. Die gesamte Flotte kehrte nach Karlshamn zurück, um weitere 4000 Mann und den Rest der Artillerieparks überzusetzen. Auch diese Fahrt verlief im Großen und Ganzen glücklich. Der ursprüngliche Plan gegen Riga zu marschieren wurde fallengelassen, da König August bereits den Rückmarsch angetreten hatte. Aus diesem Grund marschierte das schwedische Heer gegen Narva, um die bedrängte Stadt zu entsetzen. Zum Schutz Livlands hinterließ Karl XII. 5000 Mann, sodass für den Marsch gegen Narva nur 8000 Mann verblieben. Am 20. November erreichte das schwedische Heer Narva und griff das viel größere russische Heer, das sich in seinen Verschanzungen hielt, an. In der Schlacht von Narva besiegte er die zahlenmäßig deutlich überlegene Armee der Russen. Bei einem Angriff auf die russischen Linien im Schutz eines Schneesturms wurden diese von der routinierten schwedischen Armee durchbrochen und das feindliche Heer in zwei Teile gespalten. Viele von Peters Truppen, zumeist Rekruten, flohen vom Schlachtfeld und ertranken in der Narva. Der Rest der geschlagenen Truppen zog sich undiszipliniert und führungslos nach Nowgorod zurück, wo allerdings nur ein kleiner Teil ankam; die meisten desertierten, erfroren oder verhungerten auf dem Weg dorthin.
Die Schlacht von Narwa ist einer der größten Siege der schwedischen Militärgeschichte. Ende 1700 hatte Karl XII. Schweden erfolgreich verteidigt und alle feindlichen Truppen von schwedischem Territorium vertrieben. Anstatt das geschlagene russische Heer zu verfolgen, um es vollständig zu vernichten und seinen Gegner Zar Peter I. auch zum Frieden zu zwingen, wandte sich der König nun seinem dritten Gegner, dem sächsischen Kurfürsten und König von Polen, zu. Die sich anschließende Kriegsphase bis 1706 war gekennzeichnet durch eine Zweiteilung des Konfliktes. In jahrelangen Feldzügen verausgabte sich der schwedische König Karl XII. mit dem schwedischen Heer in Polen und Sachsen. Trotz mehrfacher Friedensangebote von König August II. blieb Karl XII. uneinsichtig und forderte die Absetzung des polnischen Königs. Im Windschatten des polnischen Kriegsschauplatzes erhielt Zar Peter I. so die Gelegenheit, seine Armee zu reorganisieren und aus den Erfahrungen der Niederlage von Narva zu lernen. Schrittweise verbesserte sich die russische Armee und nahm sukzessive das schwedische Livland, Estland und Ingermanland ein, das durch die Belastung auf dem polnischen Kriegsschauplatzes weitgehend ungedeckt war.
Kriegsschauplatz Polen (1701-1706)
Der Krieg in Polen war von einer persönlichen Fehde zwischen Karl XII. und August II. geprägt. Entgegen aller Ratschläge seiner Berater, lehnte es Karl XII. stets ab, vorteilhafte Friedensangebote seines Gegners zu akzeptieren. Vordergründiges Ziel Karls XII. war es, zu jedem Preis August II. den polnischen Königsthron zu entziehen. Die militärische Entwicklung auf dem Baltikum hielt Karl XII. für nebenrangig. Er erwartete jederzeit die russische Armee aufs neue besiegen zu können, wie bei Narwa 1700.
- (Grundzüge Verlauf)
Schwedische Eroberung Polens (1701–1703)

Der polnische König August II. hatte in kurzer Zeit seine Verbündeten Dänemark und Russland verloren. Das siegreiche Heer Karls XII. stand zudem an der Grenze zu Polen. Im Februar 1701 trafen sich August II. und Peter I. um ihr Bündnis zu erneuern. Peter I. brauchte Zeit um die russische Zarenarmee zu reorganisieren und aufzurüsten, August selbst brauchte einen starken Verbündeten im Rücken der Schweden. Als nachteilig erwies sich für August die Weigerung seiner polnischen Untertanen, sich an dem Krieg militärisch zu beteiligen. Ungeachtet der Zusammenkünfte beider Partner, die mit großen beiderseitigen Versprechungen gepaart waren, versuchten beide Partner, von den schweren Niederlagen gegen die Schweden nachhaltig beeindruckt, ihrerseits aus dem Krieg auszukehren. Ohne Mitwissen ihres Bündnispartners boten sie dem Schwedenkönig Karl XII. Separatfrieden an. Karl XII. wollte keinen Friedensschluss und rüstete verstärkt für einen neuen Feldzug gegen Polen. Dazu ließ er für 1701 insgesamt 80.492 Mann aufstellen. 17.000 Mann wurden zur Deckung des Landesinneren abgestellt, 18.000 Mann schützten Schwedisch-Pommern, 45.000 Mann waren auf Livland, Estland und Ingermanland verteilt. [8] Der größte Teil der schwedischen Truppen in Livland wurde um Dorpat konzentriert.
Nach den üblichen Heerschauen begann am 17. Juni 1701 der schwedische Vormarsch über Wolmar und Wenden nach Riga. Karl XII. plante sein Heer über die Düna zwischen Kokenhusen und Riga passieren zu lassen. Die Sachsen hatten dieses Vorgehen ihrerseits vermutet und an mehreren Übergangsstellungen entlang der Düna Feldbefestigungen errichtet. Am 19. Juli 1701 standen sich eine 25.000 Mann starke sächsisch-russische Armee und 20.000 schwedische Soldaten[9] bei Riga an der Düna gegenüber. Der sächsische Oberbefehlshaber Adam Heinrich von Steinau ließ sich durch schwedische Ablenkungsmanöver täuschen und zersplitterte seine Einheiten entlang der Düna. So gelang es der schwedischen Infanterie, den reißenden Fluss zu überqueren und einen Brückenkopf zu bilden. Die sächsische Armee erlitt in der Schlacht an der Düna eine Niederlage, konnte sich aber sammeln und sich bis auf preußisches Territorium geordnet zurückziehen. Die russischen Truppen zogen sich ebenso, von der erneuten Niederlage geschockt, nach Russland zurück. Ganz Kurland stand der schwedischen Armee damit offen. Karl XII. besetzte mit seinen Truppen Mitau, die Hauptstadt des Herzogtums Kurland, das unter polnischer Lehnshoheit stand.
Die polnisch-litauische Republik, protestierte gegen die Verletzung des polnischen Hoheitsgebietes, denn nicht diese (vertreten durch den Sejm) befand sich im Krieg mit Schweden, sondern nur der König von Polen. August der Starke bot Karl XII. erneut Verhandlungen an. Die Ratgeber Karls XII. empfahlen ihm, mit dem König von Polen Frieden zu schließen. Doch Karl XII. blieb starrsinnig und verlangte vom Sejm die Wahl eines neuen Königs. Dies lehnte die Mehrheit des polnischen Adels ab.[10]

Im Januar 1702 verlegte Karl das schwedische Heer von Kurland nach Litauen. Am 23. März 1702 verließ Karl XII. das Winterquartier in Litauen und marschierte in Polen ein. Karl XII. wartete nicht auf die geplanten Verstärkungen aus Pommern, sondern marschierte mit seinem Heer gegen Warschau. Am 14. Mai 1702 ergab sich die polnische Hauptstadt kampflos. Es wurde zur Zahlung einer hohen Kontribution gezwungen, bevor Karl XII. seinen Marsch nach Krakau fortsetzte. Auf dem Weg dorthin stellte sich das 24-30.000 Mann starke polnisch-sächsische Heer den nur 12.000 Mann zählenden Schweden entgegen. Die Drohung, das für einen Frieden mit Karl XII. als Kompensation ein Teil des polnischen Territoriums Schweden zugesprochen werden würde, veranlasste nun auch den polnischen Adel, sich an dem Krieg beteiligen. August II. wurde es aber nur erlaubt maximal 6000 sächsische Soldaten auf polnisches Territorium zu führen. Die polnische Kronarmee unter Lubomirski selbst war schlecht ausgerüstet, mangelhaft verpflegt und wenig motiviert für die Sache des sächsischen Königs zu kämpfen. Dies erleichterte den Schweden einen umfassenden Sieg am 19. Juli 1702 in der Schlacht bei Klissow südlich von Kielce. Die Polen und Sachsen unterlagen erneut gegen die Schweden. 48 Kanonen wurden erbeutet, 2.000 Sachsen getötet oder verletzt, 700 Sachsen gerieten in schwedische Gefangenschaft. Auf schwedischer Seite wurden 300 Schweden getötet und 800 Soldaten verletzt.[11] Die Schweden erbeuteten den gesamten Tross mit Augusts II. Feldkasse mit 150.000 Reichstalern und seinem Silbergeschirr. Die geringe Truppenstärke der Schweden erlaubte aber keine weitergehende Verfolgung der geschlagenen Polnisch-Sächsischen Armee. Dadurch konnte August II. die verbliebenen Einheiten seines Heeres sammeln und sich in die östlichen Landesteile von Polen zurückziehen. Augusts II. schneller Rückzug erlaubte es Karl XII. Krakau drei Wochen später am 31. Juli 1702 zu besetzen.
August II. bot den Schweden nach dieser Niederlage abermals Friedensverhandlungen an. Er wollte den schwedischen Forderungen so weit als möglich entgegenkommen. Nur König von Polen wünschte er zu bleiben. Auch der Kardinal-Primas unterbreitete im Namen der Republik Polen Vorschläge für einen Frieden. Er bot Karl XII. Polnisch Livland, Kurland und eine hohe Kriegsentschädigung an. Karl XII. hätte lediglich auf die Absetzung des Königs verzichten müssen. Ein weiteres Mal zeigte Karl XII. sich starrsinnig und beharrte auf der Absetzung Augusts II.. [12] Nach einem Beinbruch Karls XII. verzögerte sich der weitere Vormarsch um ein paar Wochen. Nach dessen Genesung setzte sich der Vormarsch entlang der Weichesl fort. Ende Herbst 1702 verlagerte Karl XII. seine Truppen in die Winterquartiere bei Sandomierz und Kasimierz bei Krakau.

In den ersten Monaten des Jahres 1703 ruhte der Krieg. Im März brach Karl XII. mit seinem Heer in Richtung Warschau auf, das er Anfang April erreichte. August II. hatte wiederum die Zeit nutzend, ein sächsisch-litauisches Heer errichtet. Dieses Heer lagerte bei Pultusk. Karl XII. beschloss dieses Heer zu vernichten. Mit einem starken Heer ritt er aus Warschau aus, überschritt den Bug und erreichte mit seiner Kavallerie am 21. April 1703 Pultusk. Hier schlugen die Schweden die völlig überrumpelten Sachsen in der Schlacht bei Pultusk. Der Sieg kostete den Schweden lediglich 12 Mann, während die sächsisch-litausiche Armee mehrere Hundert Tote und Verwundete und zudem 700 Gefangene verlor.[13] Nach der Niederlage bei Pultusk waren die Sachsen zu schwach um sich der schwedischen Armee im offenen Feld zu stellen. Sie zogen sich in die Festung Thorn zurück. Karl XII. zog daraufhin nordwärts gegen Thorn, um den letzten Rest der demoralisierten sächsischen Armee zu vernichten und nahm nach einer monatelangen Belagerung von Thorn die Stadt im September 1703 ein. Die Einnahme von Thorn brachte König Karl XII. die vollständige Kontrolle Polens. Die Schweden erbeuteten 96 Kanonen, 9 Mörser, 30 Feldschlangen 8000 Musketen und 100.000 Taler. Mehrere Tausend gingen in Kriegsgefangenschaft. Damit diese Stadt, die den Schweden ein halbes Jahr widerstanden hatte, künftig nicht mehr im Stande war, Widerstand zu leisten, wurden ihre Befestigungssanlagen geschleift.[14] Am 21. November verließen die Schweden Thorn in Richtung Elbing. Aufgrund seines Kriegsruhms, der Karls XII. vorauseilte, wohl aber auch durch das Beispiel Thorns abgeschreckt, unterwarfen sich dem Schwedenkönig viele weitere Städte und wurden gegen Zahlung hoher Tribute verschont. Kurz vor Weihnachten ließ Karls XII. sein Heer in Westpreußen Winterquartiere beziehen, da diese Gegend vom bisherigen Krieg unberührt blieb und das Heer zu versorgen im Stande war.
Wahl eines neuen schwedentreuen Königs von Polen 1704
Nach den Feldzügen von 1702 und 1703 wurde die militärische und wirtschaftliche Position des polnischen Königs und sächsischen Kurfürsten Augusts II. aussichtslos. Aufgrund der verheerenden, wirtschaftlichen Folgen, spaltete sich nun der polnische Adel in unterschiedliche Lager auf. 1704 gründete sich die schwedenfreundliche Konföderation von Warschau und drängte auf eine Beendigung des Krieges. Ihr schloss sich Stanislaus Leszczyński an. Dieser führte ab 1704 die Friedensverhandlungen mit dem schwedischen König Karl XII, der das Vertrauen in Leszczyński gewann und ihn bei einer erneuten Königswahl zum polnischen König am 12. Juli 1704greg. unterstützte. Auch in Sachsen gab es Widerstand gegen die Polenpolitik des Kurfürsten. August führte eine Akzisesteuer ein, um seine Kriegskasse zu füllen und die Armee aufrüsten zu können. Das brachte die sächsischen Stände gegen ihn auf. Außerdem erregte er den Unmut der Bevölkerung durch aggressive Methoden der Rekrutenwerbung.
Durch russische Unterstützung gelang es August II. erneut ein Heer von 23.000 Sachsen, Kosaken und Russen aufzustellen. Litauen, Wolhynien, Rotrussland und Kleinpolen waren dem sächsischen König weiterhin zugetan, sodass August II. mit seinem Hof nach Sandomierz zurückzog. Dort hatte der polnische Adel eine Konföderation zur Unterstützung von August II. gebildet. Sie kämpften gegen die schwedische Besetzung Polens und gegen den von Schweden geforderten neuen König. Die Konföderation von Sandomir unter dem Hetman Adam Mikołaj Sieniawski weigerte sich, die Abdankung Augusts II. und die Thronbesteigung Stanislaus Leszczynskis anzuerkennen. Die Konföderation hatte allerdings nur geringen militärischen Wert; ihre Truppen konnten allenfalls den Nachschub der Schweden stören.
Ende Mai 1704 brach Karl XII. von seinem Winterquartier auf nach Warschau um die geplante Königwahl zu schützen. Das Heer bestand aus 17.700 Mann Infanterie und 13.500 Mann Kavallerie, allesamt hoch motiviert.[15] Am 12. Juli 1704 wurde gegen den Willen der Mehrheit des polnischen Adels unter dem Schutz der schwedischen Armee Stanislaus I. Leszczyński zum König gewählt.
Karl XII. zog nach der erfolgten Wahl mit einem starken Armeekorps gegen die abtrünnigen Gebiete. August II. wich Karl XII. aus, so dass das schwedische Herr im Juli bis Jaroslaw vorrückte. August II. zog nun mit dem Heer nach Warschau. Anstatt diesem zu folgen, eroberte Karl XII. in einem Sturmangriff Ende August das schlecht befestigte Lemberg, bei einem Verlust von 30 Mann.[16] Währenddessen war August II. mit seinem Heer nach Warschau gezogen, wo sich der neue Gegenkönig aufhielt und nahm dieses ein. In der Stadt selbst standen 675 Schweden und etwa 6000 Polen, die den neuen, Schwedentreuen König schützen sollten. Die meisten polnischen Soldaten desertierten, so dass allein die Schweden Widerstand leisteten. Am 26. Mai 1704 musste die schwedische Garnison vor August II. kapitulieren. Nach der Einnahme von Warschau zog August II. nach Großpolen. Das dortige schwache schwedische Kontingent musste sich daraufhin zurückziehen.
Nachdem sich das schwedische Heer vor Lemberg zwei Wochen aufgehalten hatte, kehrte es Mitte September nach Warschau zurück. Zwischenzeitlich erhielt Karl XII. Nachricht über die Einnahme Narvas durch russische Truppen. Einen Zug dorthin schloss er aber weiter aus. August II. entfloh nach Ankunft Karls XII. aus Warschau und übertrug Graf von der Schulenburg das Kommando. Auch dieser wagte keine offene Feldschlacht und zog sich nach Posen zurück, wo ein russisches Kontingent unter Kommando von Patkul die Stadt eingeschlossen hatte. Karl XII. ließ das sächsisch-polnische Heer verfolgen. Im Oktober wurde eine russische Abteilung von 2000 Männern in einem Gefecht besiegt, wobei 900 Russen fielen.[17] Die übriggebliebenen Russen kämpften am Folgetag bis fast zum letzten Mann. In den nächsten Tagen holte Karl XII. einen Teil der sächsischen Armee ein. 5000 Sachsen standen etwa vier schwedischen Dragonerregimentern gegenüber. Das Gefecht endete im wesentlichen Ergebnislos. Aufgrund der anstrengenden Märsche, musste bereits Anfang November Winterquartier bezogen werden. Karl XII. wählte hierzu den an Schlesien grenzende Distrikt Großpolen aus, da dieses vom Krieg bisher weitestgehend verschont geblieben war.

Krönung des schwedentreuen Königs in Warschau 1705
Die erste Hälfte des Jahres 1705 verlief in Polen ohne militärische Ereignisse. Die Stadt Rawitsch bildete das Hauptquartier für die schwedische Armee unter Oberkommando des Königs Karl XII. Zu der Zeit wurde entschieden, dass der im Vorjahr gewählte Kandidat Karls XII., Stanislaus Leszczyński, zum neuen polnischen König gekrönt werden solle. Diese Krönung sollte im Juli 1705 vonstatten gehen. Seine Gegner sammelten daraufhin eine Streitmacht von 10.000 Mann in Warschau, um diese Krönung zu verhindern. Um die Sicherheit des Thronfolgers zu gewährleisten, sendete Karl XII. seinen Generalleutnant Carl Nieroth mit einer 2000 Mann starken Streitmacht nach Warschau.
Für die Schweden war die Sicherung der Thronfolge deshalb so wichtig, da nur mit ihrem Wunschkandidaten die zu dem Zeitpunkt angelaufenen Friedensverhandlungen mit Polen abgeschlossen werden konnten. Der eigentliche polnische König, der Wettiner August II., war zu der Zeit zwar zu Friedensverhandlungen mit Schweden bereit, dennoch wollten die Schweden ihrerseits einen für ihre Zwecke fügsameren Kandidaten auf dem polnischen Thron sehen. Somit sahen die Schweden mit der Entthronung Augusts II. die einzige Möglichkeit, Frieden in ihrem Sinne zu schaffen. Am 31. Juli 1705 kam es bei Warschau zur Schlacht von Rakowitz, in der eine aus Sachsen und Polen bestehende Armee von einer fünfmal kleineren schwedischen Armee besiegt wurde. Als Folge wurde am 4. Oktober 1705 Stanislaus Leszczyński in Warschau zum neuen polnischen König gekrönt. Am 18. November 1705 schließt Polen den Warschauer Friede mit Schweden. August II., der König des Landes und Kurfürst von Sachsen, akzeptierte diesen Frieden nicht und erklärte, dass nur zwischen Schweden und Polen kein Krieg mehr herrsche, jedoch nicht zwischen Schweden und dem Kurfürstentum Sachsen.
Im Dezember 1705 überschritten 20.000 Mann russischer Truppen unter Feldmarschall Georg Benedikt von Ogilvy die polnische Grenze, um sich mit den sächsischen Truppen zu vereinen. Karl zog ihnen mit dem Hauptteil seiner Armee von fast 30.000 Mann entgegen. Ein Heer von 10.000 Mann unter Carl Gustaf Rehnskiöld wandte sich gegen die Sachsen, die inzwischen wieder eine Stärke von 19.000 Soldaten hatten. Die russische Armee verschanzte sich in der Festung Grodno und wartete auf Entsatz. Unterdessen kam es am 13. Februar 1706 zwischen der sächsischen und der schwedischen Armee zur Schlacht bei Fraustadt, in der die Schweden unter Rhenskiöld den Sachsen unter General von der Schulenburg eine vernichtende Niederlage zufügten. Da die russische Armee in Grodno nicht mehr auf Hilfe hoffen konnte, wagte sie einen Ausbruch. Sie entkamen den Verfolgern und konnten sich über die Grenze retten. Karl XII. erkannte, dass er eine Entscheidung in Russland herbeiführen musste. Dafür brauchte er aber Rückenfreiheit.
Eroberung Sachsens und Abdankung König Augusts II. (1706)
Am 27. August 1706 rückte die schwedische Armee in das Kurfürstentum Sachsen ein. Sie eroberte Zug um Zug das Kurfürstentum und erstickte jeden Widerstand im Keim. Das Land wurde rigoros ausgebeutet. Die Besetzung von Reichsterritorium durch Karl XII. war ein eindeutiger Bruch des Reichsrechts, war Karl XII. schließlich auch selbst Reichsfürst durch die schwedischen Besitzungen Schwedisch-Pommern und Bremen-Verden. Zudem marschierte Karl XII. ungefragt durch Schlesien, das habsburgisches Territoium war. Einen weiteren Reichskrieg konnte aufgrund des gleichzeitigen Krieges mit Frankreich aber nicht durchgesetzt werden. Die Aussicht, das sich Karl XII. mit den aufständischen Ungarn verbündete oder in die habsburgische Erblande einmarschierte, und damit eine erneute Konstallation wie im Dreißigjährigen Krieg eintrat, galt es aus Sicht des Wiener Hofes zu verhindern.[18] Die Gefahr, dass der parallel stattfindende Große Nordische Krieg sich mit den Kämpfen in Mitteleuropa im Zuge des Spanischen Erbfolgekrieg war zu diesem Zeitpunkt groß. Beide kriegführenden Seiten waren daher bemüht, den König von Schweden als Verbündeten zu gewinnen. Zu diesem Zweck war der Kaiser sogar zu Zugeständnissen an die evangelischen Christen in den schlesischen Erblanden bereit. So erteilte er die Erlaubnis zum Bau der sogenannten Gnadenkirchen. Karl XII. hatte jedoch kein Interesse, sich in die Auseinandersetzungen einzumischen[19] und zog erneut gegen Russland. Kurfürst August, der seit der Schlacht bei Fraustadt keine nennenswerten Truppen mehr in Polen hatte, bot Karl XII. Friedensverhandlungen an. Seine Unterhändler Carl Piper und Olof Hermelin unterzeichneten am 24. September 1706 in Altranstädt einen Friedensvertrag.
In der Schlacht bei Kalisch schlugen nach dem Friedensvertrag zwischen Schweden und Sachsen die verbündeten russischen, sächsischen und polnischen Truppen die schwedischen Truppen unter General Mardefelt. Die schwedischen Truppen wurden in der Schlacht völlig vernichtet. Über 100 Offiziere (unter ihnen auch polnische Magnaten) und General Mardefelt gerieten in Gefangenschaft. August lehnte trotzdem eine Annullierung des Friedensvertrages ab und kehrte nach Sachsen zurück. Am 19. Dezember ratifizierte er den Friedensvertrag.
Kriegsschauplatz Baltikum (1701–1706)

Nachdem klar war, dass die schwedische Hauptarmee auf dem polnischen Kriegsschauplatz gebunden war, nutzte Zar Peter I. die Situation und ließ die verbliebenen russischen Kräfte nach dem Desaster von Narva ihre Aktivitäten in den schwedischen Baltikumprovinzen wieder aufnehmen.
Den Zeitgewinn nutze Zar Peter I., um unter enormen Anstrengungen seine Armee wieder aufrüsten und reorganisieren zu lassen. Durch Rekrutierungen konnte die Armee wieder verstärkt werden und umfasste 1705 bereits wieder 200.000 Soldaten, nach den 34.000 verbliebenen im Jahr 1700.[20] Er ernannte ausländische Experten, die die Truppen – ausgestattet mit modernen Waffen – in den Methoden der westeuropäischen Kriegsführung schulen sollten. Um die bei Narva verlorengegangene Artilleriewaffe schnell wieder aufzubauen, ließ Peter I. Kirchenglocken konfiszieren, um aus ihnen Kanonen herzustellen. So verfügte die russische Armee im Frühjahr 1701 wieder über 243 Kanonen, 13 Haubitzen und 12 Mörser.[20] Die schwedischen Kräfte im Baltikum unter Kommando von Wolmar Anton von Schlippenbach waren nur sehr schwach [21] und wurden zudem in drei autonome Korps getrennt. Jedes dieser Korps für sich war zu schwach, um den russischen Kräften mit Erfolg entgegentreten zu können. Auch wurden die separierten Korps nicht koordiniert geführt.[22] Schwedische Verstärkungen wurden primär dem polnischen Kriegsschauplatz zugeführt, so dass ein strategisch wichtiger Punkt nach dem anderen von der russischen Armee erobert werden konnte.
Von ihrem Hauptquartieren bei Pskow und Nowgorod aus begann Ende 1701 die erste russische Invasion nach Livland mit einer etwa 26.000 Mann zählenden Streitmacht. Bei dem sich anschließenden Feldzug gelang es Schlippenbach, mit einer etwa 2000 Mann starken schwedischen Abteilung im September das etwa 7000 Mann zählende russische Hauptheer unter Boris Scheremetjew in zwei Begegnungen bei Rauge und Kasaritz zu schlagen, wobei die Russen 2000 Verluste erlitten. Dessen ungeachtet unternahmen die Russen weiterhin sich stetig intensivierende begrenzte Angriffe auf livländisches Gebiet, dem die zahlenmäßig schwachen Schweden immer schwieriger nachkommen konnten.

Historiengemälde von A. Kotsebu (1815–1889)
Während der zweiten großen Invasion nach Livland unter der Führung von General Boris Scheremetjew gewannen die Russen gegen die etwa 2200 Mann zählende[23] schwedische livländische Armee unter Kommando von Schlippenbach in der Schlacht bei Erestfer am 30. Dezember 1701. Die schwedischen Verluste werden auf etwa 1000 Mann geschätzt. Nachdem sie die Gegend geplündert und zerstört hatten, zogen sie sich allerdings wieder zurück. Im Sommer 1702 fand die dritte große, etwa 40.000 Mann zählende, russische Invasion statt. Am 19. Juli erlangten die Russen entscheidende Siege gegen die etwa 6000 Mann zählenden Schweden[24] in den Gefechten bei Hummelshof (oder Hummelsdorf), nahe Dorpat und Marienburg in Livland, bei der nach schwedischen Angaben 840 Tote und 1000 Gefangene in der Schlacht selbst und weitere 1000 Schweden während der sich anschließenden Verfolgung zu beklagen waren.[25] Die Schlacht bedeutete das Ende der livländischen Armee und den Grundstock für die russische Eroberung Livlands. Wolmar und Marienburg (im August) und die ländlichen Gebiete Livlands fielen nach den beiden Schlachten in russische Hände.
Feldmarschall Boris Scheremetjew führte dann die russische Armee nordwärts Richtung Ingermanland. Am 11. Oktober 1702 ging dabei die mit 450 Schweden besetzte Festung Nöteborg in russischen Besitz über. Diese am Zufluss der Newa aus dem Ladogasee gelegene Festung kontrollierte die Mündung und wurde aufgrund dieser strategisch wichtigen Bedeutung von Peter I. in Schlüsselburg umgetauft.

Historiengemälde von Nikolai Sauerweid, 1859
Nachdem im Mai 1703 die schwedische Festung Nyenschantz an der Mündung der Neva in den Golf von Finnland durch Boris Scheremetjew mit Hilfe der neuerrichteten Russischen Marine erobert werden konnte, begann Zar Peter I. im sumpfigen Delta der Newa 1703 mit dem Aufbau einer Festung und später mit einer Stadt, die 1711 mit dem Namen Sankt Petersburg neue russische Hauptstadt werden sollte. Der Rest von Ingermanland, inklusive Jaama und Koporje, fiel danach schnell den Russen zu.
Im Sommer des Jahres 1704 wurde eine russische Armee, unter dem Kommando von Feldmarschall Georg Benedikt von Ogilvys (1651–1710), von Ingermanland aus zur Eroberung von Narva angesetzt. Gleichzeitig stieß eine weitere russische Armee gegen Dorpat vor. Ziel dieser Operationen war die Einnahme dieser wichtigen Grenzfestungen, um dadurch das im Vorjahr eroberte Ingermanland mit dem neuen St. Petersburg zu schützen und die Möglichkeit zur Eroberung Livlands zu gewinnen. Am 14. Juli 1704 fiel Dorpat in russische Hände und am 9. August Narva. 1706 waren nur noch wenige Hauptorte und Festungen, namentlich Riga, Pernau, Arensburg und Reval, in schwedischen Händen.
Die russischen Siege wurden durch eine deutliche numerische Überlegenheit sichergestellt. Die russische Taktik konzentrierte sich auf Angriffe auf isolierte und nur mit kleinen Garnisonen versehene schwedische Festungen. Besonders am Anfang vermied es die russische Armee noch, größere Festungen anzugreifen. Ein besonderes Kennzeichen dieses Kriegsschauplatzes war auch die planmäßige Anwendung der Taktik der verbrannten Erde seitens der Russen. Das Ziel, das die Russen damit verfolgten, war es, das Baltikum als mögliche schwedische Basis für weitere Operationen untauglich zu machen. Eine große Zahl an Einwohnern wurde im Zuge dieser Taktik durch die russische Armee verschleppt. Viele dieser Verschleppten endeten als Leibeigene auf den Gütern hoher russischer Offiziere oder wurden als Sklaven an die Tataren oder die Osmanen veräußert.[26] Durch die Einsätze und die militärischen Erfolge auf diesem Kriegsschauplatz in diesen Jahren hatte die russische Armee wertvolle Erfahrung und Selbstvertrauen gewonnen. Die Siege zeigten, wie effektiv sich die Zarenarmee in nur wenigen Jahren entwickelt hatte.
Kriegsschauplatz Russland (1707–1709)

Nachdem August II. 1606 aus dem Krieg ausgeschieden war, blieb nur noch Russland als einziger Kriegsgegner Karls XII. erhalten. Mehrere Friedensangebote Zar Peters I. im Februar, Juni und August 1707 lehnte der in Sachsen verweilende Karl XII. ab, da er diese für ein Täuschungsmanöver hielt. Tatsächlich war aber Zar Peter I. Friedensbereit und hätte sich mit mit dem Zuspruch von Ingermanland zufrieden gegeben. Durch den Entschluss des schwedischen Königs wurde ihm aber die Fortsetzung des Krieges aufgezwungen.[27]
Karl XII. erkannte für sich, dass nur ein Vorstoß in das Herz des Russischen Zarentums den Krieg beenden könnte, und wandte sich im September 1707 in einem Feldzug gegen Russland. Als er Sachsen verließ und durch Polen nach Russland zog, hatte er seine Armee auf 44.000 Mann vergrößert (seine Hauptarmee bestand aus 36.000 Soldaten), neu eingekleidet und mit neuen Waffen ausgerüstet. Seine Kriegskasse war um mehrere Millionen Taler größer. In Polen stießen 8.000 schwedische Rekruten sowie 16.000 Soldaten von Seiten Leszczyńskis und Józef Potockis zu ihm.[28]Somit zog der König mit fast 70.000 Soldaten gegen Moskau. Der Feldzug verlief zunächst erfolgreich. Nach einer viermonatigen Ruhepause überschritt Karl XII. in einem Winterfeldzug am 1. Januar 1708 die Weichsel und nahm Grodno ein. Das schwedische Heer setzte, nachdem am 1. Juni der Sommerfeldzug begonnen wurde, am 18. Juni über die Beresina und schlug am 4. Juli 1708 eine 20.000 Mann starke russische Armee in der Schlacht von Golowtschin. Im September schlug es eine russische Armee von 16.000 Mann bei Smolensk. Zu diesem Zeitpunkt war es nur noch 10 Tagesmärsche von Moskau entfernt. Da die Schweden aber durch die russische Taktik der verbrannten Erde an Versorgungsmängeln litten, befahl Karl XII. General Adam Ludwig Lewenhaupt, von Riga aus mit 11.000 Mann Verstärkung und Versorgungszügen zu ihm zu stoßen. Karl XII. ließ den Vormarsch daher bei Mogilev stoppen. Dies war auch durch die erfolgreich Störung der Nordroute durch Zar Peter I. durch eine bewusste Verheerung der Gebiete zurückzuführen, die eine Versorgung der schwedischen Armee unmöglich machte.[29] So entschloss sich Karl XII. im Herbst 1708 zu einem Angriff auf Moskau über die Ukraine, da die dortigen Versorgungsbedingungen eine bessere Grundlage für die Fortsetzung des Feldzuges boten.
Eine schwedische Streitkraft von 12.000 Mann, die Ingermanland von Finnland aus erobern und die neue russische Stadt Sankt Petersburg niederbrennen sollte, musste aufgrund der starken Verteidigung der Stadt diesen Plan aufgeben und unter einen Verlust von 3000 Mann den Rückzug nach Vyborg antreten. 1708 erschienen erneut russische Truppen in Polen. Ihnen gelang es während des außergewöhnlich harten Winters 1708/1709, in der Schlacht bei Lesnaja am 9. Oktober 1708 den Tross der schwedischen Armee zu erbeuten, die damit von ihrer Versorgung abgeschnitten war. Der schwedische General Lewenhaupt und über 6000 Soldaten schafften es im Anschluss an die Schlacht, ohne Versorgungstross zum schwedischen Hauptheer zu stoßen.
Während der König wartete, erhielt er in Mogilev Nachricht vom Ataman der ukrainischen Kosaken, Iwan Masepa. In der Ukraine herrschte seit 1707 ein Bauernaufstand, dem sogenannten Bulavinaufstand, der sich gegen die Zarenherrschaft direkt richtete und von Peter I. rigoros niedergeschlagen wurde. Masepa, einst ein Verbündeter Zar Peters, war in Ungnade gefallen und suchte einen Weg, die Ukraine aus der russischen Umklammerung zu lösen. Er versprach, dass er einen Großaufstand anführen und ihn mit einer 100.000 Mann starken Armee unterstützen würde, wenn die Schweden in die Ukraine vorrückten. Karl XII. marschierte daraufhin entgegen dem Rat seiner Generäle in die Ukraine. Doch die erwartete Verstärkung durch die mit Schweden verbündeten Kosaken unter Ataman Iwan Masepa blieb aus. Die Russen hatten eine Armee unter Prinz Alexander Danilowitsch Menschikow entsandt, der Baturyn, Masepas Hauptstadt, besetzte und viele seiner Unterstützer tötete. So konnte Masepa nur einen kleinen Teil der versprochenen Männer aufstellen, zunächst 3000 Mann, später 15.000 Mann.[30] Nichtsdestoweniger verbrachte Karl XII. den Winter in der Ukraine, immer noch selbstbewusst seine Ziele zu erreichen. Doch der Winter von 1708/09, der schwerste in dem Jahrhundert, wirkte sich verheerend für die Schweden aus.
So war zu Beginn des Frühjahrs 1709 nur noch ein Drittel der schwedischen Armee in Russland, etwa 20.000 Mann mit wenigen Kanonen einsatzbereit. Besonders die in Deutschland angeworbenen Soldaten hatten die Kälte nicht verkraftet. Weitere Unterstützung boten die Verbände der Saporoger Kosaken, die von Masepa aufgestachelt wurden und Zar Peter zwangen seine Anstrengungen zu teilen. Trotz der angespannten Versorgungslage entschied sich König Karl XII., die Stadt Poltava zu belagern, einen Nachschubstützpunkt mit großen Vorräten an Schießpulver und anderen Versorgungsgütern. Er blockierte die Stadt ab Mai, eine schnelle Kapitulation erwartend; jedoch hielten die Russen, die die Garnison im Vorfeld verstärkt hatten, aus. Nachdem Zar Peter die Saporoger Kosaken geschlagen hatte, wandte er sich mit seiner 60.000 Mann starken Armee der belagerten Stadt Poltawa zu, um diese zu entsetzen. Die russische Armee überquerte den Fluss Worskla und errichtete ein befestigtes Lager ein paar Kilometer nördlich der Stadt. Als Zar Peter die Lage der schwedischen Armee mitgeteilt bekam, gab er seine bisherige Politik der Schlachtausweichung auf. Karl XII. entschied sich zur Attacke auf das befestigte Lager am Morgen des 8. Juli 1709. Lewenhaupt forderte die Aufgabe der Belagerung, aber König Karl XII. lehnte ab und ließ die Belagerung von Poltawa aufrechterhalten. Lediglich 12.500 Mann wurden in der eigentlichen Schlacht eingesetzt. Da es einen Mangel an Schießpulver gab, mussten die Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten und leeren Musketen in die Schlacht gehen. Lediglich vier Kanonen wurden für die Attacke auf schwedischer Seite eingesetzt. So kam es in der Ukraine zur entscheidenden Schlacht bei Poltawa. Entsprechend dem Charakter Karls XII. sollte eine Überraschungsattacke die Russen in Verwirrung und Auflösung stürzen. Doch die Schweden erlitten eine vernichtende Niederlage.
Nach der Schlacht sammelten sich die zurückflutenden Schweden im Lager bei Puschkariwka. Insgesamt bestand die gesamte schwedische Armee noch aus etwa 15.000 Mann und 6.000 Kosaken[31]. Als Rückzugslinie stand der Weg nach Süden zur Verfügung. Nach einer Reorganisierung und Auffrischung sollte die Armee durch osmanisches Gebiet nach Polen zurückgeführt werden. Noch am Schlachttag marschierte die Armee entlang der Worskla nach Süden ab. Am 10. Juli traf das Heer bei Perewolotschna am Zusammenfluss von Worskla und Dnepr ein und musste feststellen, dass die wenigen Boote nicht ausreichten, um die gesamte schwedische Armee zu evakuieren.[32]
Man beschloss daher im schwedischen Hauptquartier, dass Karl XII., die Verwundeten, sowie eine Eskorte aus Schweden und Kosaken den Dnepr überqueren und auf osmanisches Gebiet ziehen sollten. Das Heer hingegen sollte die Worskla wieder hinauf marschieren und nach Süden zur Krim einschwenken. Von dort sollte es wieder zum König stoßen. In der Nacht zum 30. Junijul. / 11. Juli 1709greg. setzte der König mit Iwan Masepa, dessen Gefährten Kost Hordijenko, sowie 900 Schweden und 2000 Kosaken über den Fluss. Die Armee, die nun unter dem Befehl des Generals Lewenhaupt stand, bereitete den Abmarsch für den folgenden Morgen vor. Um 8 Uhr traf jedoch eine russische Kolonne von 6.000 Dragonern und 3.000 Kalmücken unter General Menschikow ein. Lewenhaupt leitete sofort Verhandlungen ein und man einigte sich schließlich, zu kapitulieren, obwohl man den gegenüberstehenden russischen Truppen zahlenmäßig fast doppelt überlegen war. Am Morgen des 30. Junijul. / 11. Juli 1709greg. um 11 Uhr kapitulierte das schwedische Heer mit rund 14.000 Soldaten, 34 Geschützen und 264 Fahnen. Die verbliebenen Kosaken flüchteten größtenteils auf ihren Pferden, um der Bestrafung als Verräter zu entgehen.[33] Die Kolonne König Karls XII. erreichte wenige Tage später am 17. Juli den Bug, wo der Pascha von Otschakow seine Erlaubnis erteilte, das Osmanische Reich zu betreten. Eine Nachhut von 600 Mann schaffte das Übersetzen über den Bug nicht mehr und wurde von 6.000 russischen Reitern unter General Wolkonski eingeholt und niedergemacht.[34] Damit endete der russische Feldzug Karls XII. in einer desaströsen Niederlage, die die Wende in diesem Krieg bedeutete.
Erneuerung der Trippelallianz

Die Kriegshandlungen konzentrieren sich in dieser Phase fast nur noch auf die schwedischen Herrschaftsgebiete. So fanden schwere Kämpfe um die schwedischen Besitzungen in Norddeutschland statt, die 1715 mit der Eroberung durch die Alliierten endeten. Weitere Kämpfe fanden im heutigen Finnland, der Ostsee und Norwegen statt.
Nach dem Sieg bei Poltawa war das schwedische Kernland weitgehend vom Schutz durch die eigenen Truppen entblößt. Zudem befand sich der schwedische König tausende Kilometer vom Schwedischen Reich entfernt. Unter Ausnutzung dieser günstigen Bedingungen wurden in kurzer Zeit die alten Bündnisse der einstigen Alliierten wieder erneuert. Zuerst wurde Polen von der schwedischen Herrschaft befreit. Die russische Armee marschierte hierzu in das schwedisch besetzte Polen ein. Nach Verhandlungen des Zaren Peter I. mit den ehemaligen Bündnispartner kündigte Kurfürst August den Frieden von Altranstädt mit Schweden auf. Am 20. August 1709 marschierten erneut sächsische Truppen in Polen ein. Die schwachen schwedischen Truppen mit 9000 Mann zogen sich nach Stettin und Stralsund, in Schwedisch-Pommern zurück. Der von den Schweden inthronisierte polnische König Stanislaus Leszczynski floh über Stettin und Kristianstad nach Stockholm. Zar Peter I. ließ die schwedischen Truppen durch eine russische Abteilung unter Kommando von Menschikow bis nach Pommern verfolgen. Die Rolle Polens als Kriegsführende Macht hatte sich seit Kriegsbeginn immer weiter reduziert. So blieb Polen in der Folgezeit nur eine untergeordnete Rolle als Kriegsführende Macht, da es August II. nicht gelungen war, die Königmsacht zu stärken. Die Wiedereinsetzung der Königswürde für August II. konnte auch nur noch mit russischer Hilfeleistung erwirkt werden. Symbol für die nun folgende Fremdbestimmung und Außensteuerung der polnischen Republik. [35]
Am 28. Juni 1709 erneuerten auch Dänemark und das Kurfürstentum Sachsen ihren Bündnisvertrag. Das Kurfürstentum Hannover erhob Anspruch auf Bremen und Verden (Aller). Friedrich I. König in Preußen wurde von Friedrich IV. und August II. beim Dreikönigstreffen 1709 stark umworben, meidete aber aufgrund der Belastungen im Spanischen Erbfolgekrieg und aufgrund von Neutralitätsvereinbarungen mit Schweden einen offenen Kriegseintritt gegen Schweden.
Nachdem König Karl XII. vom Osmanischen Reich aus erneut Friedensverhandlungen ablehnte, vereinbarten Dänemark und das Zarentum Russland einen Plan, der die schwedische Hauptstadt Stockholm bedrohen sollte um so Schweden zum Frieden zu zwingen. Es wurden hierzu zwei Eroberungsrouten festgelegt. Eine sollte angeführt durch Dänemark durch das südliche Schweden führen und die andere, von Russland angeführt über die Eroberung von Finnland und den Alandinseln Stockholm von der Seeseite her bedrohen. In den Folgejahren kam es insbesondere auf dem Kriegsschauplatz in Norddeutschland zu gemeinsamen alliierten Aktionen, während der Kriegsschauplatz in der nördlichen Ostsee und in Finnland allein von Russland getragen wurde.
Kriegsschauplatz Schonen (1709-1710)
Die südliche Angriffsroute wurde von den Alliierten als die wichtigere angesehen und wurde primär verfolgt. Im Spätherbst 1709 begannen die Dänen mit der Umsetzung des Plans der Bedrohung Stockholms durch eine Invasion in Schonen. Eine große dänische Invasionsflotte wurde hierzu auf dem Öresund zusammengezogen. Am 1. Novemberjul. / 12. November 1709greg./ 2. November 1709schwed. landete die Invasionsstreitmacht beim Fischerdorf Råå. Die schwedische Seite leistete hier so gut wie keine Gegenwehr. Die Armee war nach Poltawa zu sehr gehandicapt, da mehrere Regimenter nicht mehr existierten. Obwohl Schwedens Armee kurz nach Poltawa mit der Rekrutierung neuen Personals begann, konnte Magnus Stenbock im Spätsommer 1709 erst ein schonisches Regiment präsentieren, das kampftauglich war. Da ein Gegenangriff sinnlos erschien, zog man sich nach Småland zurück. Im Dezember kontrollierte Dänemark fast das gesamte zentrale Schonen mit Ausnahme von Malmö und Landskrona. Ziel der dänischen Seite war es, die schwedische Flottenbasis in Karlskrona zu erobern, und so arbeitete sich die dänische Armee schnell voran. Im Januar 1710 besiegte die dänsiche Streitmacht eine kleinere schwedische Einheit bei Kristianstad.
Magnus Stenbock arbeitete eifrig daran, die schwedische Armee zu verstärken. Mehrere neue Regimenter versammelten sich bei Växjö, wo die unerfahrenen Truppen auf dem Eis eines zugefrorenen Sees Kampftechniken übten. Bis zum 4. Februarjul. / 15. Februar 1710greg./ 5. Februar 1710schwed. war Stenbocks Truppe nach Osby gezogen, wo sich ihnen weitere Verbände anschlossen. Die schwedische Streitmacht in Südschweden zählte nun 16.000 Mann. Helsingborg galt nach Stenbocks Meinung als Schlüssel zu Schonen und so marschierte das Heer südwärts, um die dänischen Versorgungslinien abzuschneiden. Nach einem schwedischen Sieg in der Schlacht von Helsingborg verschanzten sich die Reste der dänischen Armee hinter den Schutzwällen Hesingborgs. Magnus Stenbock vermied einen weiteren Angriff, da die Dänen hier in überlegener Position waren. Stattdessen belagerte Stenbock die Stadt. Der schwedische Kriegsrat befand die eigene Armee als zu schwach für eine Erstürmung der Stadt und so wartete diese ab. Am 4. März jul./ 15. März greg./ 5. März 1710 schwed. war die dänische Seite so weit ausgezehrt, dass sie Schonen verließ und sich zurück nach Dänemark einschiffte. Das Unternehmen war damit gescheitert und der originäre Kriegsplan als auch ein rasches Kriegsende nicht mehr zu erfüllen. Die dänischen Verluste bei dem gescheiterten Invasionsversuch waren niederschmetternd. Über 7500 Mann waren gefallen, verwundet oder gefangen genommen. Die schwedische Seite hatte etwa 2800 Tote oder Verwundete zu beklagen.
Russische Offensiven im Osten (1710-1711)
Während Karl XII. beim Sultan über den Kriegseintritt des Osmanischen Reichs verhandelte, vollendete Zar Peter die Eroberung von Livonien und Estland. Die Russen eroberten im Juni Viborg, am 4. Juli 1710 ergab sich die Stadt Riga nach längerer Belagerung den Truppen des russischen Generals Boris Petrowitsch Scheremetew und im September ergab sich Reval dem russischen Kommandeur Fjodor Matwejewitsch Apraxin. Damit erhielten die Russen drei hochseetüchtige Ostseehäfen und eine verbesserte Verdeidigungsbasis für St. Petersburg, welches daraufhin zur Hauptstadt des Russischen Reiches erklärt wird. Danach verlagerte sich die Aufmerksamkeit Russlands aufgrund des Krieges gegen das Osmanische Reich für einige Zeit weg von Finnland.[36]
Zar Peters großer Sieg bei Poltawa und seine nachfolgenden Eroberungen im Baltikum wurden insbesondere am Hof des Sultans auf Drängen des Krim-Chans , Karl XII. und Mazepas mit Argwohn verfolgt. Peter schickte seinen Botschafter nach Istanbul und forderte die Auslieferung Karls. Ahmed III. ließ den Botschafter ins Gefängnis werfen. Am 10. November 1710 erreichte den russischen Monarchen die Kriegserklärung. Damit ergab sich für Zar Peter eine gefährliche Situation, die den Erfolg bei Poltawa in Frage stellen konnte, da von den Verbündeten keine Hilfeleistungen zu erwarten waren. Daraufhin fiel Zar Peter I., selbst durch eine schwere Krankheit geschwächt, mit seiner Armee ins Osmanische Reich ein. Die osmanischen Truppen kesselten ihn bei Huși, einem kleinen Ort am Pruth, ein. Die osmansiche Armee nutzten jedoch ihre überlegene Position nicht aus und ließen ihn ehrenvoll abziehen. Im Frieden vom Pruth verpflichtete Peter sich, die Festung Asow abzutreten und sich aus den Gebieten der Kosaken zurückzuziehen.
Kriegsschauplatz Finnland (1713–1714)

Zar Peter I. wendete sich nach der erfolglosen Pruth-Kampagne wieder dem Kriegsschauplatz an der Ostsee zu und erhöhte den Druck auf Stockholm. 1712 verhinderten noch logistische Probleme eine groß angelegte Invasion Finnlands. Im Frühling 1713 begann die lang geplante amphipische Invasion Finnlands. Eine russische Flotte mit „200 Seegeln“ und 16.000 Mann besetzt segelte hierzu von Petersburg und landeten am 10. Mai bei Helsingfors. Der dortige schwedische Kommandant Georg Henrik Lybecker wartete jedoch das Bombardement der Invasionsstreitmacht nicht ab, verbrannte die Stadt, räumte darauf selbst die finnische Hauptstadt Abo und zog sich, von den Russen gefolgt, in das Innere des Landes zurück. Bevor Zar Peter I., der als Konteradmiral bei der Unternehmung beiwohnte, im September nach Russland zurückkehrte, übertrug er Fjodor Matwejewitsch Apraxin das Kommando über die Flotte. General Carl Gustaf Armfeldt wurde das Kommando über die Truppen in Finnland im August 1713 übertragen und löste den erfolglosen Lybecker ab. Lybecker hatte ihm eine hungernde, demoralisierte und schlecht ausgerüstete Armee hinterlassen. Erkundungsunternehmungen waren unmöglich, da die Kavallerie für solche Aufgaben nicht mehr einsatzfähig war. Als der russische General Mikhail Golitsyn, im Februar 1714 nach Österbotten marschierte, platzierte General Armfeldt seine Streitkräfte in einer Defensivposition bei dem Dorf Napo, östlich von Vasa. Nach der sich anschließenden Schlacht bei Storkyro am 19. Februar, bei der die russische Armee siegte, wurde die gesamte schwedische Armee in Finnland zerstört.
Zur Bedrohung Stockholms war die Seeherrschaft in der nördlichen Ostsee eine Grundvoraussetzung. Zu Land waren die russischen Streitkräfte zwar der schwedischen überlegen. Zu Wasser aber dominierten die Schweden mit ihren großen Linienschiffen, die viele Geschütze tragen konnten. Die einzige Chance der russischen Flotte für einen Sieg war eine Schlacht in Küstennähe. Unter Aufbietung aller Mittel verdoppelte der Zar seine Ostseeflotte und stellte sie unter das Kommando erfahrener Venezianer und Griechen. Ende Mai 1714 ging die Flotte von Kronstadt in See, mit dem Ziel den weiteren Vormarsch in Finnland zu decken und auf Aland zu landen. Im August 1714 lagen sich die beiden Flotten bei Hangö gegenüber. Während einer anhaltenden Flaute kämpften sich die kleineren, aber wendigen russischen Schiffe durch den schwedischen Geschützhagel und enterten die unbeweglichen schwedischen Schiffe eins nach dem anderen. Die russische Flotte konnte nun nach Aland fahren und dort mehrere Male landen. Damit herrschte die russische Flotte über die nördliche Ostsee. Der Sieg der russischen Flotte sicherte nicht allein die Eroberung Finnlands, sondern veranlasste auch die Eroberung der Alandinseln. Mit der Wegnahme der Stadt Nyslott am 9. August wurde die Eroberung Südfinnlands abgeschlossen, das als Basis für Angriffe gegen das schwedische Kernland benutzt wurde, die sich in den Folgejahren anschlossen. Mikhail Golitsyn wurde nach der Eroberung Finnlands zum Gouverneur ernannt. In der finnischen Geschichte ging die Zeit der russischen Besetzung zwischen 1713-1721 als Zeit des Großen Unfriedens ein.
Kriegsschauplatz Norddeutschland (1711-1715)
Nach dem gescheiterten Invasionsversuch in Schonen 1710 verlagerten sich die Kriegsbemühungen Dänemarks nach Norddeutschland. Ursprünglich war geplant, dass ein weiterer dänischer Angriff auf Schweden im nächsten Jahr von Seeland ausgehen sollte. Dort aber herrschte die Pest, die eine Kriegführung unmöglich machte. Stattdessen entschied sich der dänische König Friedrich IV., seine weiteren Kriegsbemühungen auf die schwedischen Besitzungen in Norddeutschland zu verlagern. Eine dänische Armee von 19.000 Mann sammelte sich hierauf in Holstein und startete im Juli die Feldzugskampagne. Nach dem erfolgten Vormarsch wurde seit dem 17. August 1711 die Festung Wismar von einem dänischen Einschließungskorps unter Generalleutnant Schönfeld blockiert. Die Bündnispartner König Friedrichs IV., insbesondere August der Starke, konnten den König davon überzeugen, alle Bemühungen auf die Eroberung der bedeutenderen Festung Stralsund zu konzentrieren. Im Ergebnis nahm die dänische Armee ihren Marsch durch Mecklenburg Richtung Schwedisch-Pommern wieder auf und ließ lediglich ein schwaches Beobachtungs- und Blockadekorps vor Wismar zurück, das letztendlich die schwedische Enklave nicht erobern konnte. Am 29. August 1711 drangen erstmals dänische Truppen unter dem Kommando König Friedrichs IV. von Mecklenburg aus bei Damgarten in Schwedisch-Pommern ein. Die Schweden hatten hier nur 8.000 Mann unter Oberst Karl Gustav Düker stehen.[37] Zu den Dänen stießen Anfang September 1711 russische und sächsische Truppen aus Polen. Sie waren durch die Neumark und die Uckermark gekommen und vereinigten sich bald darauf mit dem dänischen Heer. Die zahlenmäßig unterlegenen Schweden beschränkten sich deshalb auf die Verteidigung der beiden Festungen Stettin und Stralsund sowie der Insel Rügen.
Ab dem 7. September 1711 kam es zu einer ersten Belagerung von Stralsund durch die verbündeten Heere, der sich weitere in den Folgejahren anschließen sollte. Der alliierten Belagerungsarmee fehlte schwere Artillerie und genügend Nahrungsmittel für die rund 30.000 Mann starke Truppe.[38] Als am 8. Dezember 1711 6.000 Schweden zur Unterstützung Stralsunds auf Rügen landeten, zogen sich die Verbündeten am 7. Januar 1712 nach über 17 Wochen Belagerung zurück und bezogen Winterlager in Mecklenburg.
1712 besetzten dänische Truppen das schwedische Herzogtum Verden und verpfändete es 1715 an Hannover.
Im Mai 1712 rückten erneut russische Soldaten in Pommern ein und es kam zur zweiten Belagerung von Stralsund, bei der die Verbündeten 7.000 Sachsen und 38.000 Russen aufboten. Im Mai 1712 trafen schwedische Verstärkungen von 6391 Mann Infanterie und 4800 Reiter in Stralsund ein. Die Belagerung scheiterte wieder, da am 26. September 1712 10.000 Mann unter Kommando des schwedischen Generals Magnus Stenbock auf Rügen landeten und die Eroberung Stralsunds unmöglich machten. Gegen Ende des Jahres 1712 gelang es dem schwedischen General Magnus Stenbock, die Verbündeten aus Pommern zurückzudrängen und den Krieg nach Mecklenburg und Holstein zu verlagern. Ihm gelang am 20. Dezember 1712 in der Schlacht bei Gadebusch ein Sieg über die verbündeten sächsischen und dänischen Truppen. Diese verloren 6.000 Soldaten und mussten sich fluchtartig zurückziehen. Im Januar 1713 ließ Stenbock die Stadt Altona als Vergeltung für den vorherigen dänischen Angriff auf das damals schwedische Stade niederbrennen .[39]. Anschließend zog er weiter in die dänischen Herzogtümer Schleswig und Holstein. Kriegsentscheidend war die Schlacht von Gadebusch nicht. Schon im nächsten Jahr sollte sich das Schicksal dieser schwedischen Armee bei Tönning im heutigen Schleswig-Holstein besiegeln. In der zu Schleswig-Holstein-Gottorf gehörenden Festung Tönning wurde Magnus Stenbock im Februar 1713 mit 11.000 Mann von einer Übermacht dänischer, russischer und sächsischer Truppen eingeschlossen und kapitulierte nach drei Monaten Belagerung am 16. Mai 1713.
Nachdem die siegreichen Verbündeten aus Holstein wieder nach Pommern einmarschierten, erfolgte im Juni 1713 die dritte Belagerung von Stralsund. Diese wurde im Oktober erneut aufgehoben. Im August 1713 begannen russische und sächsische Einheiten unter Führung des Fürsten Menschikow einen Angriff auf Stettin, welches über eine Garnison von 4300 Mann verfügte. Die Stadt ergab sich am 19. September 1713, nachdem ein achtstündiges Bombardement der sächsischen Belagerungsartillerie große Teile der Stadt zerstört hatte. Am 6. Oktober 1713 marschierten, nach Verhandlungen und Zahlung von 400.000 Reichstalern an die Alliierten,[40] preußische Truppen in Stettin ein. Schwedisch-Pommern war inzwischen bis auf Stralsund komplett von den verbündeten Dänen, Russen und Sachsen erobert und von Preußen als neutraler Macht besetzt worden. Die von Preußen über zehn Jahre betriebene Ausgleichpolitik zwischen den Gegnern endete, nachdem Friedrich I. den Frieden von Utrecht unterzeichnete. Er nahm die Chancen war, in die Endphase des Krieges einzugreifen und das alte hohenzollersche Ziel der Verdränhung Schwedens von der südlichen Ostseeküste zu erreichen. Die neue Politik wurde auch von seinem Thronnachfolger Friedrich Wilhelm I. fortgeführt, nachdem Russland bereits am 12. Juni 1714 Preußen den Besitz des größten Teils Vorpommerns zusicherte. [41] Preußen erklärte offiziell am 1. Mai 1715 Schweden den Krieg. Hannover, das den Besitz Bremen-Verden zugesprochen bekam, trat dem Abkommen im November 1714 bei.
Auch in dieser für Schweden äußerst kritischen Lage lehnte Karl XII. mehrere Friedensangebote ab. Er war im November 1714 aus Bender im heutigen Moldawien in die Festung Stralsund zurückgekehrt. Als er erste Erfolge gegen die preußische Armee erzielte, wurde er im Mai 1715 von den vereinigten russischen, sächsischen, preußischen und dänischen Truppen in der Festung eingeschlossen. Nach einer monatelangen Belagerung von Wismar (1715/16) und der Belagerung von Stralsund während des Pommernfeldzuges ergaben sich die eingeschlossenen Schweden am 23. Dezember 1715. König Karl XII. konnte im letzten Moment unter glücklichen Umständen in einem Fischerboot über die Ostsee nach Schweden entkommen.

G. Cederström Krusenberg, 1884
Kriegsschauplatz Norwegen (1716-1718)
Die Bemühungen Karls XII. zur Wiederherstellung seines Reiches brachten Karl XII. gegen Norwegen zu ziehen. Er konnte zwar das von seinen Einwohnern verlassen Christiania (das heutige Oslo) im dänisch kontrollierten Norwegen erobern und zog dann gegen Frederikshald. Aber nach Verbrennung seiner Flotte durch die Dänen musste er im Juli nach Schweden zurückkehren. Gleichzeitig drohte 1716 die Invasion des schwedischen Schonen durch die verbündeten Dänen und Russen, unterstützt durch eine britische Flotte. Als aber Zar Peter I., der sich gerade wieder auf Europareise befand, überraschend die schon fest geplante Landung absagte, erwachte unter den Verbündeten neues Misstrauen gegen die Russen: man argwöhnte dass sie sich im Reich festsetzen wollten.
Das Jahr 1717 brachte für alle Kriegsparteien eine Ruhepause. Der König Karl XII. entwickelte trotz alle Niederlagen und der erdrückenden Übermacht seiner Feinde ständig neue Ideen und Pläne. Georg Heinrich von Görtz, der Bevollmächtige Karls XII. witterte eine Chance mit den Russen zu einem Separatfrieden zu gelangen, um dafür den Rücken frei zu haben für Rückeroberungen in Norddeutschland und gegen Dänemark.
Auf einem Treffen mit Zar Peter im Lustschloss Het Loo in Holland im August 1717 konnte Görtz wesentliche Vorbehalte des Zaren für einen Annäherung ausräumen und es kam im folgenden Jahr ab Mai 1718 zu Friedensverhandlungen auf den Alandinseln. Verhandlungsführer bei den Schweden waren neben Görtz Carl Gyllenborg, bei den Russen der Westfale Heinrich Ostermann (1687-1747) und der Schotte General James Bruce. Der schwedische Plan sah vor, das Russland alle seine Besitzungen bis auf Finnland behalten könne, dafür aber zustimme, das Norwegen und Hannover Besitztümer Schwedens werden. Ebenso sollte eine Anlandung in Schottland dafür sorgen, das die Jakobisten an die Macht kämen.[42] Für den starrköpfigen Karl XII. waren die Verhandlungen nur ein Zeitgewinn, er wäre niemals bereit gewesen auf Finnland und seine ehemaligen baltischen Provinzen Estland und Livland zu verzichten, auch wenn ihm Peter Unterstützung gegen Hannover und Dänemark zusagte. Görtz pendelt den ganzen Sommer zwischen dem König und den Alandinseln hin und her.
Der Beginn des neuen Norwegenfeldzuges sollte sowohl dem Zaren als auch den Engländern die scheinbar ungebrochene Kraft Schwedens demonstrieren. Während Karl XII. selbst mit dem Hauptheer gegen Frederikshald zog, musste General Armfeld mit einer anderen Abtheilung nördlicher über die Kiölen gegen Trondheim ziehen, und Norwegen damit zu zerteilen. Der Feldzug nach Norwegen fiel auf allgemeine Missbilligung in Schweden. Das Land war am Ende seiner Kräfte. In Stockholm selbst wurden auf den Straßen Verhungerte gefunden.[43] Der größere Teil des schwedischen Heeres ging in zerissenen Kleidern. Viele Offiziere und Soldaten litten an Hunger. Als der König am 11. Dezember 1718 bei der Belagerung von Frederikshald, bei der er sich seinem Charakter entsprechend unbekümmert in vorderster Linie exponierte, von einem Heckenschützen erschossen wurde, war der Nordische Krieg mit einem Schlag so gut wie beendet. Gleich nach dem Tod des Königs hob Prinz Friedrich von Hessen-Kassel, der Ehemann von Karls Schwester Ulrike Eleonore, die Belagerung auf und führte das Heer nach Schweden zurück.
Zudem geriet der Feldzug von Carl Gustaf Armfeldt aufgrund von logistischen Problemen in Schwierigkeiten, und als der König bei der Festung Frederiksten fiel, setzte am 1. Januarjul. / 12. Januar 1719greg. der Rückzug in Richtung Schweden ein. Als die Armee das Öyfjell überquerte, zog ein so heftiger Schneesturm auf, dass 3700 der 5800 Mann starken Armee erfroren. Dies ging als der Todesmarsch der Karoliner in die Geschichte ein.
Friedrich von Hessen-Kassel übernahm die Krone durch Verzicht seiner Frau, blieb aber in der Folge vom schwedischen Reichsrat abhängig. Die Unterhandlungen mit Russland wurden abgebrochen. Mit Großbritannien-Hannover, Preußen, Dänemark und Sachsen-Polen wurde dagegen unter Vermittlung Frankreichs der Reihe nach Frieden geschlossen.
Beendigung des Krieges

- Am 7. November 1719 (jul.) wurde mit Polen ein geheimer Vertrag unterzeichnet, der den Frieden von Oliva bestätigte. August der Starke löste die Allianz mit Peter I. auf. Im Januar 1719 hatte sich August der Starke mit Österreich und Großbritannien verbündet, die ihm Hilfe gegen einen Angriff Russlands auf Polen-Litauen zusicherten. Ulrike Eleonore erkannte ihn als König von Polen an.
- Am 19. November 1719 (jul.) wurde in einem Präliminarfrieden zu Stockholm der Krieg mit Großbritannien beendet. Hannover erhielt in diesem die Herzogtümer Bremen-Verden gegen eine Zahlung von einer Million Reichstalern.
- Am 21. Januarjul. / 1. Februar 1720greg. kam es nach langwierigen Verhandlungen zum Frieden von Stockholm zwischen Preußen und Schweden. Preußen behielt Stettin, die Inseln Usedom und Wollin sowie Vorpommern bis zur Peene für eine finanzielle Gegenleistung von 2 Millionen Reichstalern.
- Am 3. Julijul. / 14. Juli 1720greg. beendeten Dänemark und Schweden den Krieg im Frieden von Frederiksborg. Dänemark gab Schweden Rügen und Vorpommern nördlich der Peene sowie die Herrschaft Wismar zurück, das dafür 600.000 Taler bezahlte und auf die Zollfreiheit im Sund verzichtete.
Das Russische Reich führte derweil den Krieg gegen Schweden unvermindert fort. So errang die russische Flotte ihren ersten Sieg in offener Seeschlacht bei Saaremaa am 24. Mai 1719. Um die Unterzeichnung des Friedensvertrags voranzubringen, entschied sich Peter I., eine Landeoperation im schwedischen Kernland durchzuführen. Im August 1719 erfolgte eine gleichzeitige Landung südlich und nördlich von Stockholm. An der Operation waren 20 Linienschiffe, einige hundert Ruderschiffe sowie 26.000 Mann Landungstruppen beteiligt. Im Verlauf der Operationen wurden acht größere Städte (u.a. die damals zweitgrößte Stadt Norrköping) zerstört. Durch den General Fjodor Matwejewitsch Apraxin ließ Zar Peter I. die Küste von Westbothnien niederbrennen. 13 Städte, 361 Dörfer und 441 adlige Güter wurden zerstört. Am 17. August 1720 wurde ein schwedisches Geschwader in der Seeschlacht bei Grönham von einem russischen geschlagen, und 1721 wurde Stockholm selbst nur durch die Ankunft einer britischen Flotte vor einem russischen Angriff gerettet. Als Großbritannien erkannte, dass es nicht möglich war, eine Koalition gegen Russland zu bilden, drängte nun auch das Vereinigte Königreich darauf, die Friedensverhandlungen mit Russland so schnell wie möglich aufzunehmen. Infolge eines Finanzcrashs war es für den britischen König Georg I. nicht mehr möglich, die Schweden finanziell zu unterstützen. Die nordeuropäischen Herrscher (mit Ausnahme Augusts II. von Sachsen/Polen) verweigerten, weitere Kriegshandlungen gegen Peter I. auch nur in Betracht zu ziehen. Somit blieb Schweden nichts anderes übrig, als mit Russland am 28. April, in Nystadt, in direkte Friedensunterhandlungen zu treten.
- Am 10. September 1721 trat Schweden im Friedensvertrag von Nystad die Gebiete Ingermanland, Livland, Estland, die Inseln Ösel und Dagö sowie Südkarelien an Russland ab. Dafür erhielt es Finnland zurück, das Peter I. 1714 erobert hatte.
Im Hamburger Vergleich (1729) erkannte Schweden die Abtretung des Herzogtums Verden an Hannover an.
Folgen und Auswirkungen des Krieges
Der Große Nordische Krieg hatte eine grundlegende Verschiebung im europäischen Mächteverhältnis zur Folge. Brandenburg und Russland waren aus der zweiten in die erste Reihe der europäischen Staaten aufgerückt.[44] Schweden verlor seine Besitzungen in Deutschland (bis auf Wismar und Vorpommern nördlich der Peene) und im Baltikum und somit seine Stellung als nordische Großmacht an Russland, welches als neue Militärmacht am Baltikum im Blickfeld Europas aufgetaucht[45] und für die europäische Neuordnung verantwortlich war. Denn nun wurde das nach dem Frieden von Zar Peter Imperiale ernannte Russische Reich von nun an wieder in die allgemeine europäische Geschichte verwickelt und ein festes Glied des europäischen Staaten- und Bündnissystems.[46] Russlands neue Hauptstadt entstand an der Ostsee, geschützt durch breite Küstengebiete. Eine Entwicklung, die die um ihre Handelsbeziehungen in die Ostsee besorgte See- und Handelsmacht Großbritannien nicht gerne sah, aber auch nicht verhindern konnte.[47]
Dennoch hatte der Nordische Krieg dem russischen Volk das Äußerste an Leistung abverlangt. Zeitweilig wurden 82 Prozent der Staatseinnahmen für den Krieg ausgegeben.[48] Allein zwischen 1705 und 1713 während des Großen Nordischen Krieges gab es 10 Musterungen, die rund 337.000 Männer zu den Waffen riefen. Die Dienstbedingungen waren allerdings so schlecht, dass während des Großen Nordischen Krieges etwa 45.000 russische Soldaten tödlich verletzt wurden, aber 54.000 an Krankheiten starben.[49] Mit Russlands Aufstieg war gleichzeitig der Abstieg Polens verbunden, das in die Einflusssphäre Russlands geriet und ab 1768, aufgrund des Zusammenbruchs seiner Wehrorganisation, de facto zu einem russischen Protektorat herabsank und in Zukunft nur noch eine untergeordnete Rolle spielte.[50] Der Niedergang Schwedens und Polens wiederum befreite Preußen von zwei potentiell starken Gegnern in der Region und fiel mit seinem Aufstieg zur Großmacht zusammen.[51] Zusammen mit Frankreich, Österreich und Großbritannien sollten Russland und Preußen künftig eine Pentarchie der Großmächte bilden.
Der Krieg hatte soziologisch gravierende Auswirkungen auf das Schwedische Reich. Das Verhältnis Frauen zu Männer betrug 5:3. Finnland hatte die höchsten Verluste erlitten. 16% seiner Bevölkerung fiel in dem Krieg. In Schweden betrug der Blutzoll 10% der Bevölkerung. Finnland war so schwer getroffen, dass der schwedische Gouverneur für sechs Jahre darauf verzichtete, Steuern zu erheben. Der Mangel an Männern im Schwedischen Reich führte dazu, dass vorwiegend Frauen die landwirtschaftliche Arbeit übernehmen mussten.[52]
Nachweise
Weblinks
- Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, Kiel
- Vorlage:SWD
- Publikationen zum Nordischen Krieg (1700-1721) bei LitDok Ostmitteleuropa / Herder-Institut (Marburg)
Literatur
- Paul Kennedy: The Rise and Fall of the Great Powers. Economic Change and Military Conflict from 1500 to 2000. New York 1987.
- Norman Davies: Im Herzen Europas. Geschichte Polens. München 2000.
- Robert I. Frost: The Northern Wars. War, State and Society in Northeastern Europe, 1558–1721. Harlow (Essex) 2000.
- Eckardt Opitz: Vielerlei Ursachen, eindeutige Ergebnisse. Das Ringen um die Vormacht im Ostseeraum im Großen Nordischen Krieg 1700–1721. In: Bernd Wegner (Hrsg.): Wie Kriege entstehen. Zum historischen Hintergrund von Staatenkonflikten. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn, 2000, S. 89–107.
- Geoffrey Parker: The Cambridge illustrated history of warfare. Cambridge 2005.
- Georg Piltz: August der Starke. Träume und Taten eines deutschen Fürsten. Verlag Neues Leben, Berlin (Ost) 1986. ISBN 3-355-00012-4
- Klaus Zernack: Das Zeitalter der Nordischen Kriege von 1558 bis 1809 als frühneuzeitliche Geschichtsepoche. In: Zeitschrift für historische Forschung 1 (1974) S. 55–79.
- Hans Branig: Geschichte Pommerns Teil II. Von 1648 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Böhlau Verlag, Köln 2000. ISBN 3-412-09796-9
- Curt Jany: Geschichte der Preußischen Armee. Vom 15. Jahrhundert bis 1914. Bd. 1, Biblio Verlag, Osnabrück 1967, Seite 632–641.
- Dietmar Lucht: Pommern. Geschichte, Kultur und Wissenschaft bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1996. ISBN 3-8046-8817-9
- Benjamin Richter: Verbrannte Erde. Peter der Große und Karl XII. Die Tragödie des ersten Russlandfeldzuges, MatrixMedia Verlag, Göttingen 2010 ISBN 978-3-932313-37-0
- Werner Scheck: Geschichte Russlands. Wilhelm Heyne Verlag, München 1977. ISBN 3-453-48035-X
Einzelnachweise
- ↑ Karte der gottorfschen und königlichen Anteile in den Herzogtümern Schleswig und Holstein
- ↑ a b c d e Darstellung nach: Eckardt Opitz: Vielerlei Ursachen, eindeutige Ergebnisse - Das Ringen um die Vormacht im Ostseeraum im Großen Nordischen Krieg 1700–1721, S.90–94
- ↑ Eckardt Opitz: Vielerlei Ursachen, eindeutige Ergebnisse - Das Ringen um die Vormacht im Ostseeraum im Großen Nordischen Krieg 1700–1721, S.94f
- ↑ Georg Piltz: August der Starke - Träume und Taten eines deutschen Fürsten, Verlag Neues Leben, Berlin (Ost) 1986, S.80
- ↑ Werner Scheck: Geschichte Russlands, München 1977, S.188
- ↑ In a total of 57 regiments, whereof 34 allotted and 23 enlisted. Navy units were not included in the 57 regiments. Mobilization statistics at Militaria.
- ↑ Fryxell, S.80
- ↑ Anders Fryxell: Lebensgeschichte Karl's des Zwölften, Königs von Schweden, Band 1, S. 117
- ↑ Fryxell, S. 118
- ↑ Fryxell, S. 121
- ↑ Anders Fryxell: Geschichte Karl des Zwölften, Leipzig 1860, S. 87
- ↑ Anders Fryxell: Geschichte Karl des Zwölften, Leipzig 1860, S. 89
- ↑ Anders Fryxell: Geschichte Karl des Zwölften, Leipzig 1860, S. 94
- ↑ Anders Fryxell: Geschichte Karl des Zwölften, Leipzig 1860, S. 101
- ↑ Anders Fryxell: Geschichte Karl des Zwölften, Leipzig 1860, S. 103
- ↑ Anders Fryxell: Lebensgeschichte Karl des Zwölften, Königs von Schweden, Band 1, S. 214
- ↑ Anders Fryxell: Lebensgeschichte Karl des Zwölften, Königs von Schweden, Band 1, S. 218
- ↑ Volker Press: Neue deutsche Geschichte: Kriege und Krisen, München 1991, S. 465
- ↑ Volker Press: Neue deutsche Geschichte: Kriege und Krisen, München 1991, S. 465
- ↑ a b Duffy:Russia's Military Way to the West, S. 17
- ↑ Die Stärke der Schweden im Jahr 1701 betrug etwa: 3100 Mann Feldtruppen, 2000 Mann Garnison in Dorpat, 150 Mann in Marienburg, sechs kleinere Kriegsschiffe mit 300 Mann sowie Landmiliz, Zahlen nach Angaben von W. A. v. Schlippenbach])
- ↑ Peter Englund: The Battle that Shook Europe, Pearson Education Verlag, S. 39
- ↑ nach anderen Angaben 3800 Schweden,
- ↑ Seite 15
- ↑ nach dem offiziellen russischen Bericht von der Schlacht sollen 5000 Schweden getötet worden sein, bei einem eigenen Verlust von 400 Mann, Rossiter Johnson: The Great Events by Famous Historians, S. 324
- ↑ Peter Englund:The Battle that Shook Europe, Pearson Education Verlag, S. 40
- ↑ Hans-Joachim Torke: Einführung in die Geschichte Russlands, S. 111
- ↑ Bengt Liljegren|Liljegren, Bengt - Karl XII: En biografi, Historiska media, 2000, Sidan 151.
- ↑ Hans-Joachim Torke: Einführung in die Geschichte Russlands, S. 112
- ↑ Hans-Joachim Torke: Einführung in die Geschichte Russlands, S. 112
- ↑ A. D. von Drygalski: Poltawa, in: Bernhard von Poten: Handwörterbuch der gesamten Militärwissenschaften, Bd.8, Leipzig 1879, S.7
- ↑ Robert K. Massie: Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit, Frankfurt/ Main 1987, S.456
- ↑ Robert K. Massie: Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit, Frankfurt/ Main 1987, S.458f
- ↑ Robert K. Massie: Peter der Große - Sein Leben und seine Zeit, Frankfurt/ Main 1987, S.460
- ↑ Heinz Duchhardt: Altes Reich und europäische Staatenwelt, 1648-1806, S. 75
- ↑ [1], abgefragt am 9. Januar 2010
- ↑ Branig 2000, Seite 53.
- ↑ Ewe 1984, Seite 194.
- ↑ Ein zeitgenössischer Bericht über den Brand befindet sich auf Wikisource: Nachricht_über_den_Brand_von_Altona_1713
- ↑ Lucht 1996, Seite 99.
- ↑ Heinz Duchhardt: Altes Reich und europäische Staatenwelt, 1648-1806, S. 76
- ↑ Carl Wernicke: Die Geschichte der Welt, Bände 2-3, Berlin 1857, S. 104
- ↑ Bruno Hildebrand, Johannes Conrad, Edgar Loening, Ludwig Elster et al.: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Band 3, Jena 1864, S. 280
- ↑ Klaus Zernack, S. 57
- ↑ Geoffrey Parker, S. 155
- ↑ Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte - Russland, Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 180
- ↑ Klaus Zernack, S. 71
- ↑ Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte - Russland, Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 181
- ↑ Christoph Schmidt: Russische Geschichte 1547-1917, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, S. 37
- ↑ Norman Davis, S. 277
- ↑ Paul Kennedy, S. 97
- ↑ Franklin Daniel Scott: Sweden, the nation's history, S.259