Tilla Tepe


Tilla Tepe (persisch طلا تپه; auch Tillia Tepe oder Tillja Tepe, der goldene Hügel) ist eine archäologische Ausgrabungsstätte in der zentralasiatischen Region Baktrien und liegt im Norden des heutigen Staates Afghanistan. Neben sechs auf die Zeit um Christi Geburt datierten Bestattungen fanden sich an derselben Stelle unter anderem auch Reste einer bereits etwa um 1000 v. Chr. errichteten, mit einem Tempel ausgestatteten Festung. In den Gräbern fanden sich 1978 insgesamt mehr als 20.000 großteils aus Gold und Halbedelsteinen bestehende Objekte, die einen der bedeutendsten archäologischen Funde des 20. Jahrhunderts darstellen. Sie datieren auf eine ansonsten weitgehend unbekannte geschichtliche Periode dieser Region. Im zweiten Jahrhundert v. Chr. befand sich in dieser Gegend das griechisch-baktrische Reich. Ab dem Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts war die Gegend Teil des Kuschanareiches. In den Jahrhunderten dazwischen regierten hier die Yuezhi(im weitestgehenden Sinne ein skythische Stamm), von deren Kultur wenig bekannt ist. Die Objekte aus Tilla Tepe - die auch als „baktrisches Gold“ bezeichnet werden - stellen in vielem ein Bindeglied zwischen der griechischen Kunst Baktriens und der stark hellenistisch geprägten buddhistischen Kunst der Kuschana dar.
Lage der Ausgrabungsstätte
Tilla Tepe liegt im Norden von Afghanistan in der Oase von Scheberghan (in der Provinz Dschuzdschan), nahe der gleichnamigen Stadt und etwa 100 Kilometer westlich von Baktra, der Hauptstadt des antiken Baktriens. Es ist die sogenannte baktrische Ebene, bei der es sich um eine Wüste handelt, Landwirtschaft ist also nur mit künstlicher Bewässerung möglich ist. Etwa 500 nördlich von Tilla Tepe finden sich die Ruinen von Emshi Tepe, einer kreisrunden Stadt, die wahrscheinlich zur Zeit des Kuschanareiches florierte, aber vielleicht schon eine griechisch-baktrische Gründung ist. Hier grub Wiktor Iwanowitsch Sarianidi eine Palast des ersten Jahrhunderts n. Chr. aus. Tilla Tepe selbst ist ein kleiner, etwa drei bis vier Meter hoher Hügel mit einem Durchmesser von etwa 100 Meter. Bis etwa 135 v. Chr. war diese Region Teil des griechisch-baktrischen Reiches. Danach kam das Gebiet in den Herrschaftsbereich der Yuezhi, aus denen dann die Kuschana hervorgingen.
Entdeckung und Geschichte der Funde
Seit dem Jahr 1969 grub der sowjetische Archäologe Wiktor Iwanowitsch Sarianidi im Norden Afghanistans an diversen Orten, in einer Region, die bis dahin archäologisch so gut wie unerforscht war. Zunächst wurde eine Stadtanlage namens Yemshi Tepe untersucht, die vor allem im ersten Jahrhundert n. Chr. blühte. Seit 1978 wurde auch Tilla Tepe, ein etwas südlich der Stadtanlage gelegener Hügel, untersucht, wo ein Dorf zu Tage kam, das in das dritte Jahrhundert v. Chr. datiert. Unter diesem Dorf konnte eine Festung mit einem Tempel gefunden werden, der wahrscheinlich kurz vor 1000 v. Chr. zu datieren ist. In diese Festung hineingraben kam im November 1978 ein Grab zu Tage, das vor allem durch seine reichen Goldfunde Aufmerksamkeit erregte. Bis Februar 1979 konnten insgesamt sechs Gräber, alle reich mit Gold ausgestattet, freigelegt werden. Wegen der unruhigen politischen Lage musste das Grabungsteam das Land verlassen, wobei die Grabungen an dem Ort nie wieder fortgesetzt werden konnten. Die Funde gelangten daraufhin in das Nationalmuseum von Kabul, wo Teile des Schatzes bis 1980 zu sehen waren, wurden dann aber in die Magazine verbracht. In der Folgezeit wurde die Lage im Lande immer unsicherer. 1981 wurde das Museum in Hadda geplündert und niedergebrannt. 1988 war auch die Lage in Kabul sehr unsicher und man beschloss einen wichtigen Teil der Museumsobjekte in die Kellerräume der Zentralbank, die sich im Präsidentenpalast befindet, unterzubringen. In der Tat wurde das Museum selbst, das in den Jahren danach als Militärbasis diente, 1994 von einer Rakete getroffen und brannte aus. Erst im Jahr 2004 wurden die in den Kellerräumen gelagerten Objekte wieder gesichtet und stellten sich als weitestgehend intakt herhaus (während unzählige andere Altertümer im Land stark gelitten hatten). Seit 2007 sind die wichtigsten Grabfunde auf einer Ausstellungstour durch Europa, den USA und Kanada.
Die Festung
Eine Festung ist kurz vor 1000 v. Chr. auf einem kleinen Hügel errichtet worden. Der Bau stand auf einer ca. 4 m hohen und 100 m breiten Basis, die teilweise in den Boden eingelassen war. Die Festung war in ungefähr quadratisch und hatte vier gerundete Ecktürme und halbrunde Türme dazwischen. Der Eingang lag im Norden. In der Mitte der Festung stand eine Art Halle, die auch als Tempel interpretiert wurde. Es konnten zwei Schichten unterschieden werden. Das Hauptfundmaterial ist Keramik, wobei es undekorierte Gefäße, aber auch solche die mit geometrischen Mustern bemalt waren, gab. Ein Teil der Keramik ist auf einer Töpferscheibe hergestellt worden. Bei der handgemachten Keramik handelt es sich meist um einfache Gebrauchsware. Neben der Keramik gibt es auch einige Bronzemesser und Pfeilspitzen aus Bronze. Der Ort scheint lange bewohnt gewesen zu sein, ohne das genaue Zahlen genannt werden können. Kulturell lässt sich diese Festung mit anderen archäologischen Orten in Zentralasien verbinden, wobei Tilla Tepe sogar die am besten erforschte Fundstätte ist. Die hier gefundene Kultur gehört in die Zeit nach dem Untergang der Oasenkultur Zentralasiens. Sie wird als Periode der Babarian Occupation bezeichnet.[1]
Bestattungen und Bestattete

Nachdem die Festung, vielleicht um 800 v. Chr. verlassen wurde, ist der Ort kurz um 400 v. Chr. wieder besiedelt worden. Hier entstand ein kleines Dorf, das aber nicht lange bewohnt war. Kurz nach Christi Geburt wurde der Platz als Friedhof benutzt. Bei den sechs gefundenen Gräbern handelte es sich um Gruben, die mit Holzplanken abgedeckt waren. Es gibt keine Anzeichen, dass es Grabhügel gab, doch mag der Hügel der Burgruine als Grabhügel gedient haben.[2] Die Bestattungen gehören zu fünf Frauen und einem Mann. Zur Zeit ihres Totes war die Festung auf dem Hügel schon verfallen und die Gräber sind teilweise in die alten Mauern hineingegraben. Bei den Grabbeigaben handelt es sich meist um Gewandbestandteile und Schmuckstücke. Vieles spricht dafür, dass hier Nomaden oder ehemalige Nomaden beigesetzt wurden. Die Art der Gewänder (Hosen) und einige Waffen, wie zwei Bögen in der Bestattung des Mannes, sind typisch für Nomadenvölker.
Identität der Toten
Es ist nicht sicher, zu welchem Nomadenvolk die hier Begrabenen gehörten. In Frage kommen vor allem die Yuezhi, von denen aus chinesischen Quellen bekannt ist, dass sie aus mehreren Stämmen bestanden und dass sie in diese Region eingefallen waren.[3] Von König Heraios fand sich in Grab 1 eine Münze. Dieser Herrscher gilt als Yuezhi, dessen Nachfolger das Kuschanareich gründete. Die Kuschana waren eine der Yuezhi-Stämme. In der Tat zeigen viele der gefundenen Grabbeigaben stilistische Ähnlichkeiten mit solche aus Sibirien, woher die Yuezhi ursprünglich stammten. Gewandsitten (die goldenen Plaketten auf den Gewändern, die vergoldeten Hauben) und die vielen Goldbeigaben an sich ähneln daneben auch skytischen Gräbern, wie sie aus der Ukraine bekannt sind. Auffallend ist, dass sich die Bestattung des Mannes in der Mitte und die der Frauen darum herum angeordnet fanden. Vielleicht ist hier ein lokaler Führer beigesetzt worden, dem seine Frauen in den Tod folgten. Dieser Herrscher mag seinen Sitz in der benachbarten Stadt Yemshi Tepe gehabt haben.[4] Doch ist auch argumentiert worden, das es sich um reine Nomaden gehandelt hat, die sich bewusst in einigem Abstand zur Stadt begraben ließen.
Die Grabbeigaben
Es können drei Gruppen von Funden unterschieden werden.
1. Importstücke, worunter es römische, parthische und indische Münzen gibt, zwei chinesischen Silberspiegel, einen indischen Kamm aus Elfenbein und römische Gläser. Die Anzahl dieser Objekte ist nicht groß.
2. Objekte, die offensichtlich noch aus der griechisch-baktrischen Zeit stammen. Dazu gehört eine Kamee mit dem Bild eines Mannes, im Stil sehr ähnlich den baktrischen Münzen und die Goldstatuette eines Widders aus Grab 4, dessen Basis andeutet, dass er ursprünglich einem anderen Zweck diente und erst sekundär im Grab als Kleidungsbestandteil verwendet wurde.
3. Der Großteil der Funde scheint jedoch aus dem Kulturkreis der hier Bestatteten zu stammen und diese Objekte zeigen eine bemerkenswerte Synthese verschiedener Stilmerkmale. Hier können verschiedene Einflüße beobachtet werden:
- Eine Untergruppe stellen Arbeiten lokaler Tradition dar, deren Ursprünge sich bis in die baktrische Bronzezeit zurückverfolgen lassen. Hier ist eine Krone zu nennen, die aus Blattgold besteht und einen stilisierten Baum darstellt. Solche Kronen sind aus dem skythischen Raum bekannt. Die parthischen, griechisch-baktrischen oder Kuschana-Herrscher trugen dagegen keine Kronen, sondern Diademe. In der baktrischen Bronzezeit ist das Baummotiv gut belegt.
- Es gibt Gewandschließen, die Eroten darstellen und die man zunächst dem hellenistischen Raum zuordnen würde. Sie tragen jedoch auf der Stirn Halbmondfiguren. Lunare Symbole waren nun in Baktrien und in Vorderasien sehr beliebt.
- Es gibt Goldspangen mit Eroten, die auf Fischen (statt Delphinen, wie es im hellenistischen Kunstrepertoire üblich wäre) reiten. Eine goldene Dolchscheide ist mit Drachen dekoriert und zeigt starken sibirischen, iranischen und indischen Einfluss.
- Die Waffen aus der Bestattung des Mannes zeigen eine Mischung baktrischer, sibirischer, iranischer und indischer Stilelemente. Auf einer Scheide findet man geflügelte Greife, Drachen und Raubkatzen, die in einer Reihe abgebildet sind. Auf einer zweiten Scheide findet man zwei geflügelte Drachen, von denen sich der eine in das Bein des anderen verbissen hat.
- Aus der Mongolei oder dem chinesischen Kulturraum sind die Motive auf zwei Schuhspangen übernommen, die einen Mann in einen Wagen zeigen. Der Wagen wird von einem Greifen gezogen, was wiederum nicht aus China bekannt ist, wo es immer Pferde sind. Greifen sind wiederum beliebte Motive der baktrischen Bronzezeit.
- Fingerringe mit den Darstellungen griechischer Gottheiten und griechischer Beischriften sind sicherlich auch einheimische Arbeiten. Die Figuren wirken zum Teil etwas ungeschickt. Auch das Beiwerk dieser Figuren ist oftmals nicht aus dem griechischen Raum bekannt, so hält eine Nike einen Stab oder ein Mann ist mit einem Delphin dargestellt.[5]
Kleidung und Waffen
Die Toten waren reich mit verschiedenen Goldauflagen für Kleidungsstücke geschmückt. Da sich in den Gräbern jedoch so gut wie keine Textilien erhalten haben, bereitet es oftmals Schwierigkeiten die Funktion einzelner Objekte zu bestimmen. Reihen von kleinen Goldauflagen gehörten mit Sicherheit zu Kleidungsstücken, doch ist nicht immer sicher, ob die Säume oder die Mittelteile von ihnen dekoriert waren. Mit aller Vorsicht kann angenommen werden, dass der Mann eine kurze Jacke trug, sowie einen Kaftan. Er trug weite Hosen, die gut von parthischen Darstellungen und von denen der Kuschana bekannt sind. Die Gewänder und vor allem der Schmuck der Frauen unterschieden sich erheblich. Sie mögen nicht alle vom selben Stamm stammen oder dies mag einen unterschiedlichen sozialen Status andeuten. So wurde z.B. vermutet, dass die junge Frau aus Grab 5 kinderlos war, bevor die bestattet wurde, da es sich um die ärmste Frauenbestattung handelt. Immerhin kann mit Sicherheit gesagt werden, dass sie alle ein Gewand trugen, das noch heute in der Gegend von Frauen getragen wird. Es handelt sich um eine Tunika über Hosen. Die Waffen des Mannes (zwei Bögen, ein langes Schwert, Dolch und Messer) sind typisch für Nomaden. Sie waren eng an den Oberschenkeln angebracht, um einen Reiter beim Reiten nicht zu behindern.
Datierung
Da Vergleichsfunde spärlich und oftmals auch nicht datierbar sind und die Chronologie der Region im allgemeinen Schwierigkeiten bereitet, gibt es auch Probleme die Gräber von Tilla Tepe genauer einzuordnen. Der wichtigste Anhaltungspunkt sind fünf Münzen. Drei von ihnen gehören dem parthischen Kulturkreis an. Aus Grab 3 stammt eine Silbermünze von Mithridates II. (123–88 v. Chr.) und aus Grab 6 die Kopie in Gold einer Münze von Gotarzes I. (95–90 v. Chr.). In Grab 1 hielt die Tote eine Münze von Heraios in der Hand, der wahrscheinlich kurz nach Christi Geburt in dieser Gegend regierte. Die jüngste Münze gehört dem römischen Kaiser Tiberius und ist in Gallien zwischen 16 und 37 n. Chr. geprägt worden. Sie stammt aus Grab 6, wo sich auch die ca. 100 Jahre ältere Münze von Gotarzes I. fand. Dies ist eine Warnung, dass man mit der Datierung über Münzen vorsichtig sein muss. Selbst die Prägung des Tiberius mag schon recht lange im Umlauf gewesen sein, bevor sie in das Grab gelegt wurde. Da es jedoch keine späteren Münzen aus den Gräber gibt, mag dies andeuten, dass die Gräber nicht viel später angelegt wurden. Die Ähnlichkeit im Stil der Grabbeigaben deutet an, dass sie alle ungefähr gleichzeitig sind.[6] Die Bestattungen datieren deshalb in die Zeit nach dem Untergang des griechisch-baktrischen Königreiches und in die Zeit bevor das Kuschanreich entstand, wahrscheinlich in die ersten Jahrzehnte nach Christi Geburt.
Beschreibung der einzelnen Bestattungen
Grab 1

Grab 1 lag auf der Westseite des Hügels. Es war die erste Bestattung, die entdeckt wurde. Es handelte sich um eine 2,5 x 1,3 Meter große und 2 Meter tiefe Grube mit der Bestattung einer jungen Frau (etwa 20 bis 30 Jahre alt), die auf ihrem Rücken lag. Ihr Kopf war mit sieben kleinen (4,1 x 2,9 cm), goldenen Plaketten dekoriert, die einen Mann mit Schlangenbeinen zeigen, der einen Delphin um seinen Hals hält. Diese Plaketten mögen einst Haarschmuck gewesen sein, es mag sich aber auch um Auflagen auf einer längst vergangenen Kopfbedeckung gehandelt haben. Sie trug Ohrringe. Um die Schulter fanden sich weitere goldene Plaketten, die andeuten, dass die Tote einst einen Schal trug. Die Ärmel des Gewandes, das die Tote trug, waren auch reich dekoriert. Es gab goldene mit Türkis eingelegte Auflagen und solche aus den selben Materialien, die anscheinend kleine Gruppen von Blättern zeigen. In der Hand hielt die Tote eine Münze. Als Grabbeigabe fand sich ein silberner Kosmetikbehälter.[7]
Grab 2


Grab 2 lag hinter der nördlichen Wand des Tempels und bildete eine Grube von 3 x 1,6 m, die etwa 2 m tief war. Die Tote war in einem Sarg beigesetzt, der 2,2 m lang war, keinen Deckel hatte und auf hölzernen Stützen stand. Der Fund von silbernen sowie goldenen, runden Scheiben, deutet an, dass der Sarg einst mit einer Decke, die eben mit diesen verziert waren, bedeckt oder eingewickelt war. Die Leiche war mit dem Kopf nach Norden orientiert. Bei der Bestatteten handelte es sich um eine Frau in ihren dreizigern oder vierzigern. Sie lag auf den Rücken. Anhand zahlreicher Plaketten kann vermutet werden, das sie einst eine hohe Mütze trug. Wahrscheinlich als Ohrringe trug sie zwei goldene Stücke, die einen Mann mit zwei Drachen zeigen und reich mit Halbedelsteinen eingelegt sind[8]; zwei weitere Anhänger, die sich am Kopf fanden, mögen an der Mütze gefestigt gewesen sein. Die Tote trug verschiedene Ringe, von denen zwei die griechische Göttin Athene zeigen. Eine griechische Beischrift auf einem der Ringe bestätigt diese Identifizierung. Zwei goldene Armreifen haben Enden mit Antilopenköpfen; zwei Beinringe sind undekoriert und bestehen auch aus Gold. Eine Halskette besteht aus großen goldenen Perlen, einige von ohnen zeigen ein Muster in Granulation. Die Endstücke sind kegelförmig und wiederum mit Granulationen dekoriert. Verschiedene Goldarbeiten müssen die Kleidung der Bestatteten geschmückt haben. Es gibt ein Paar auf einem Fisch reitenden Eroten. Zu den Beigaben im Grab gehören auch zahlreiche goldene Widderköpfe, goldene herzförmige Auflagen, gestufte Pyramiden und runde blütenartige Auflagen. Zwei gürtelartige Schmuckstücke haben wahrscheinlich auch das Gewand der Toten geschmückt. Eines davon besteht aus einer Reihe von goldenen Scheiben, die von doppelmondförmigen Stücken zusammengehalten werden. Ein vergleichbares Stück ist mit daran hängenden Goldscheiben dekoriert. Bei der Toten lagen auch Amulette in Hand oder Fussform.[9]
Grab 3
Die Grabgrube war 2,6 x 1,5 m groß und Nordsüd orientiert, wobei die Bestattung fast an der höchsten Stelle des Hügels lag. Die Grabkammer war wahrscheinlich mit einer Holzdecke versehen, die wiederum eine Lederdecke hatte, die mit goldenen Scheiben dekoriert war. Diese goldenen Scheiben könnten aber auch von einer den Sarg umgebenen Decke stammen. Der Boden der Kammer wies Reste von Matten auf. Der darauf gestellte Sarg war etwa 2 m lang, 64 cm breit und hatte eine Höhe von 40 bis 50 cm. Die Grabkammer ist von eindringenden Nagetieren gestört worden, die viele goldene Grabbeigaben in ihren eigenen Bau mitnahmen, so dass sich diese über ein weites Gebiet in der Grabungsfläsche verteilt fanden. Tilla Tepe ist auch als Hügel des Goldes bekannt, dies mag vor allem an den verstreuten Beigaben aus diesem Grab seine Ursache haben. Die Beigesetzte war wahrscheinlich eine Frau, die auf ihren Rücken liegend beigesetzt wurde. Ihr Kopf ruhte auf einer goldenen Scheibe. Sie trug einst eine hohe Mütze, von der noch die goldenen Auflagen erhalten waren. Zur Haartracht gehören auch zwei goldene Haarnadeln mit rosettenförmigen Köpfen. Ein goldener Anhänger mit zwei Pferden als Motiv schmückte auch ihren Kopf. Ein chinesischer Silberspiegel lag auf ihrer Brust. Verschiedene Goldarbeiten scheinen Teile ihres Gewandes gewesen zu sein. Hier sind vor allem zwei goldene Schließen zu nennen, die jeweils einen Soldaten in hellenistischer Ausrüstung zeigen. Zwei kleinere Schließen zeigen Eroten, die auf einem stilisierten Delphin reiten. Als Schmuck trug sie goldene Medaillons mit Büsten, goldene, nicht weiter dekorierte Armreifen und ein goldener Halbmond mit stilisierten Anhängern. Eine von zwei goldenen Kosmetikdosen trug eine kurze griechische Inschrift, die das Gewicht der Dose (und damit ihren Wert) in ionischen Maßen angibt. Ein Kamm aus Elfenbein ist eine indische Arbeit und ähnelt im Stil den Elfenbeischnitzereien, die in Begram ausgegraben wurden. Die Tote trug goldene Sohlen und ihr ist eine goldene Münze des Tiberius, bei der es sich um die älteste römische Münze in Afghanistan handelt, beigegeben worden. Eine weitere Münze stammt von dem parthischen Herrscher Mithridates II.. Als weitere Grabbeigaben fanden sich ein zweiter Spiegel mit Handgriff (während chinesische Spiegel keinen Handgriff haben), ein silberner Napf, ein Silbergefäß mit Deckel und ein 39 cm hohes Gefäß mit zwei Henkeln.[10]
Grab 4

Das Grab lag in der Mitte der westlichen Mauer des ehemaligen Tempels. Es war 2,7 m lang, 1,3 m breit und 1,8 m tief. Die Bestattung war Nordsüd orientiert. Im Grabschacht fanden sich die Skelettreste eines Pferdes, bei dem es sich vielleicht um ein Totenmahl oder ein Opfer gehandelt hat. Der Tote selbst lag auf dem Rücken mit dem Kopf nach Norden in einem Sarg (2,2 x 0,7 x 0,75 m) aus Holz, der mit rotem Leder bespannt war, das wiederum mit weißen und roten Motiven bemalt gewesen ist, sowie goldene Plaketten auswies. Der Sarg selbst stand auf einem ca. 15 cm, hohen Holzgestell. Bei dem Toten handelte es sich um einen etwa 1,75 bis 1,85 m großen Mann, dessen Kopf auf einer goldenen Schale[11], die wiederum auf einem seidenen Kissen auflag, ruhte. Die Schale trug griechische Buchstaben (CTA MA), die wahrscheinlich ihr Gewicht in ionischen Maßen angeben. Der Mann trug eine Mütze, an der ein goldener Widder und ein goldener Baum befestigt waren. Er trug eine goldene Kette mit einer Kameo und einen goldenen Gürtel. Der letztere bestand aus einem breiten, beweglichen goldenen Band und hatte neun goldene Medaillons, in denen jeweils eine vollplastische Figur auf einem Panther reitet. Die Darstellungen erinnern an solche des Dionysos. Die Gewänder des Toten waren reich mit Goldauflagen dekoriert. Auch seine Schuhe trugen Goldauflagen, vor allem zwei runde Aufsätze, die einen Mann in einem von einem Drachen gezogenen Wagen zeigen. Beide Aufsätze sind aus Gold und Türkis und zeigen chinesischen Einfluss.[12] Vergleichbare Schuhaufsätze sind aus Darstellungen aus Palmyra bekannt.[13] An seiner Rechten trug der Mann ein langes, eisernes Schwert und einen Dolch mit einem goldenen Griff. Das Schwert steckte in einer goldenen Scheide. An seiner Linken trug er eine goldene Scheide für drei Messer, eines davon mit einem Elfenbeingriff.[14]
Grab 5
Das Grab war 2,05 x 2,10 x 0,8 Meter groß und in eine perserzeitliche Lehmrampe hineingegraben. Es fanden sich keinerlei Anzeichen eines Sarges, der demnach wahrscheinlich aus Holz, ohne Metallteile, bestand. Um die Leiche lagen zahlreiche Silberplaketten, die rund sind oder die Form von Weinblättern haben. Vielleicht gehören sie zu einem Tuch, das um den Sarg gewickelt war. Bei der Toten handelte es sich um eine junge, höchstens 20 Jahre alte Frau. Sie lag auf dem Rücken mit dem Kopf nach Westen. Der bemerkenswerteste Fund war ein Halskragen aus Gold und verschiedenen Halbedelsteinen. Die Tote trug goldene, einfache Armbänder und Beinringe. Gemmen, die eine mit einem Greifen, die andere mit einer Nike wurden neben der Leiche deponiert. Als Grabbeiganem gab es noch einen Spiegel mit Griff, zwei Silbergefäße und eine Bronzeglocke.[15]
Grab 6

Grab 6 lag im westlichen Teil der Festungsruine. Es war 3 x 2,5 m groß und etwa 2,5 m tief. Ein hölzerner Sarg stand einst auf Ziegelstützen. Der Sarg hatte, wie die anderen, wahrscheinlich keinen Deckel, war aber in einem Tuch, das mit goldenen Auflagen dekoriert war, umspannt. Bei der Leiche handelt es sich um eine junge Frau (circa 20 Jahre alt), die einst etwa 1,52 m groß war. Bemerkenswert ist, dass ihr Schädel bewusst verformt war, eine Sitte, die auch in anderen Teilen Zentralasiens zu beobachten ist. Ihr Kopf lag auf einer Silberschüssel und war mit einer aufwendigen goldenen Krone geschmückt. Diverse goldene Schmuckstücke dekorierten das Haar. Zwei Anhänger zeigen die Herrin der Tiere, eine Frau zwischen zwei Fabeltieren stehend. Auf der Brust lagen die goldenen Verschlussteile ihres Gewandes. Sie zeigen jeweils Dionysos und Ariadne auf einen Greifen reitend. Hinten ihnen fliegt eine Nike, während der Greif einen Feind niedertrampelt.[16] Auf dem Gewand war wahrscheinlich auch die sogenannte Aphrodite von Baktrien angebracht. Es handelt sich um eine 5 cm hohe Figur einer geflügelten Frau mit freien Oberkörper. Obwohl die Arbeit sicherlich hellenistisch beeinflusst ist, so zeigt die Figur unhellenistische Elemente: die Flügel sind relativ klein, sie trägt Armreifen und hat einen Mittelscheitel. Die Tote trug eine goldene Kette, die mit einem Blütenmotiv, das in Türkis eingelegt ist, dekoriert ist. Es fanden sich jeweils zwei Paare goldener Arm- und Beinreifen. Die Beinreifen waren schlicht und weitestgehend undekoriert, die Armreifen haben Löwenköpfe. Als Beigaben ist vor allem eine goldene Münze zu nennen, die parthische Prägungen von Gotarzes I. kopiert. Im Grab fanden sich auch ein chinesischer Silberspiegel und ein weiterer Spiegel mit einem Griff aus Elfenbei. Es fand sich eine strak abgeriebene parthische Silbermünze, zwei römische Gläzer, ein Keramikgefäß und zwei Silbergefäße.[17]
Kunstgeschichtliche Bedeutung
Die Münzen der griechisch-baktrischen Könige gehören zu den Meisterwerken griechischer Münzkunst. Für lange Zeit war jedoch außer den Münzen nichts zu der Kultur dieses Königreiches bekannt. Erst die Ausgrabungen in Ai Khanoum haben gezeigt, dass zumindest die Oberschicht dieses Königreiches einen fast rein hellenistischen Lebensstil führte und vor allem auch die Kunst weitestgehend hellenistisch geprägt war. Um 135 v. Chr. ging dieses Königreich bei der Invasion der Yuezhi unter. In Gandhara hielten sich noch für mehr als hundert Jahre einige griechisch-indische Königreiche, von denen aber außer den Münzen wiederum wenig bekannt ist. Auch über die politische Geschichte und Kunst Baktriens ist aus den folgenden Jahrhunderten kaum etwas bekannt. Erst mit dem Kuschana (ab ca. 50 n. Chr.), die einen Stamm der Yuezhi darstellten, tritt die Region wieder in das volle Licht der Geschichte ein. Die Kunst und Kultur der Kuschana sind gut bekannt. Ihr Reich ist das Zentrum des Graeco-Buddhismus, deren Werke viele hellenistische Einflüße zeigen. Der Ursprung dieser hellenistischen Einflüße wird in der Forschung jedoch kontrovers diskutiert.[18] Grundsätzlich gibt zwei Ansichten, nämlich einerseits, dass deren Kunst von der gleichzeitigen Kunst im römischen beinflußt wurde, andererseits fragt man sich, ob hellenistische Traditionen vor Ort nach dem Untergang des griechisch-baktrische Reiches überlebt haben.
Hier sind die Funde von Tilla Tepe von besonderer Bedeutung. Vor allem die Goldarbeiten belegen, dass es in Baktrien nach dem Untergang des griechisch-baktrischen Reiches weiterhin Werkstätten gab, die in hellenistischer Tradition arbeiteten, aber auch neue Elemente in ihr Repertoire aufnahmen. Dies war schon lange bekannt, da die Münzprägungen der Region nach hellenistischen Vorbildern geformt waren und auch griechische Inschriften tragen. Unbekannt war jedoch, inwieweit dies auch auf andere Kunstbereiche zutrifft. Die Figuren vieler Goldarbeiten, obwohl in eindeutig hellenistischer Tradition, wirken jedoch teilweise babarischer als ihre hellenistischen Vorbilder. Die Figuren erscheinen statischer und hieratischer, was vielleicht auf den Geschmack der (ehemals) nomadischen Auftraggeber zurückzuführen ist.[19] Die Funde von Tilla Tepe belegen nun, dass es in der lokalen Kunst weiterhin hellenistische Traditionen gab, die dann sicherlich in die Kunst des Kuschanreiches übergingen. Sie bilden damit das bisher fehlende Bindeglied von der griechischen Kunst des griechisch-baktrischen Königreiches zu der viele hellenistische Züge zeigenden buddhistischen Kunst der Kuschana.
Einzelnachweise
- ↑ Elena E. Kuz'mina; J. P. Mallory: The origin of the Indo-Iranians Leiden, Boston 2007, S. 423–25 ISBN 978-9004160545
- ↑ so Sarianidi: Die Kunst des alten Afghanistan, 301
- ↑ V. Schiltz: Ancient Bactria's Golden Hoard. In: Afghanistan: Hidden Treasures from the National Museum, Kabul, 231
- ↑ Sarianidi: Die Kunst des alten Afghanistan, 301; Georgina Hermann, Joe Cribb (Hrsg.): After Alexander: Central Asia before Islam. Oxford 2007 S. 55 ISBN 978-0197263846
- ↑ Sarianidi: Zur Kultur der frühen Kusana. In: Jokob Ozols/Volker Thewalt (Hrsg.): Aus dem Osten des Alexanderreiches, Völker und Kulturen zwischen Orient und Okzident, Iran, Afghanistan, Pakistan, Indien. S. 98–109
- ↑ V. Schiltz: Coins and Dating the Tombs. In: Afghanistan: Hidden Treasures from the National Museum, Kabul. S. 225–227
- ↑ V. Schiltz: Tillya Tepe, Tomb I. In: Afghanistan: Hidden Treasures from the National Museum, Kabul. S. 232–240; Sarianidi: Bactrian Gold, 226-230
- ↑ Bild abgerufen 16. 11. 2009
- ↑ V. Schiltz: Tillya Tepe, Tomb II. In: Afghanistan: Hidden Treasures from the National Museum, Kabul. S. 241–253; Sarianidi: Bactrian Gold, 230-236
- ↑ V. Schiltz: Tillya Tepe, Tomb III. In: Afghanistan: Hidden Treasures from the National Museum, Kabul. S. 254–264; Sarianidi: Bactrian Gold, 236-246
- ↑ Bild abgerufen 16.11.2009
- ↑ Bild, abgerufen am 8. November 2009
- ↑ Vesta Sarkhosh Curtis, Robert Hillenbrand, J. M. Rogers (Hrsg.): The art and archaeology of ancient Persia: new light on the Parthian and Sasanian empires. London 1998, S.23 ISBN 1860640451
- ↑ V. Schiltz: Tillya Tepe, Tomb IV, in: Afghanistan: Hidden Treasures from the National Museum, Kabul. S. 265–279; Sarianidi: Bactrian Gold, 246-251
- ↑ V. Schiltz: Tillya Tepe, Tomb V. In: Afghanistan: Hidden Treasures from the National Museum, Kabul. S. 280–283; Sarianidi: Bactrian Gold, 252-253
- ↑ Bild abgerufen 16.11.2009
- ↑ V. Schiltz: Tillya Tepe, Tomb VI. In: Afghanistan: Hidden Treasures from the National Museum, Kabul. 2008, S. 284–293; Sarianidi: Bactrian Gold, 254-259
- ↑ John Boardman: The Diffusion of Classcial Art in Antiquity, London 1994, S. 128 ISBN 0-500-23696-8
- ↑ Viktor Sarianidi: Die Kunst des alten Afghanistan, S. 326-27
Literatur
- V. I. Sarianidi: Baktrisches Gold – aus den Ausgrabungen der Nekropole von Tillja-Tepe in Nordafghanistan. Leningrad 1985
- V. Sarianidi: Bactrian Gold, from the Excavations of the Tillya-Tepe Necropolis in Norther Afghanistan, Leningrad 1985
- Viktor Sarianidi: Zur Kultur der frühen Kusana. In: Jokob Ozols/Volker Thewalt (Hrsg.): Aus dem Osten des Alexanderreiches, Völker und Kulturen zwischen Orient und Okzident, Iran, Afghanistan, Pakistan, Indien. Köln 1984, ISBN 3-7701-1571-6, S. 98–109
- Viktor Sarianidi: Die Kunst des alten Afghanistan, Leipzig 1986 ISBN 3-527-17561-X
- Viktor Iwanowich Sarianidi, V. Schiltz: Ancient Bactria's Golden Hoard. In: Friedrik Hiebert und Pierre Cambon (Hrsg). Afghanistan: Hidden Treasures from the National Museum, Kabul. Washington, D.C.: National Geographic, 2008, S. 211–293, ISBN 978-1-4262-0295-7 (Begleitbuch zu einer Sonderausstellung in den USA über antike Kunst aus Afghanistan)
Weblinks
- Commons: Tilla Tepe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Afghanistan - Hidden Treasures Slide-Shows mit Audiokommentar unter anderem über Tilla Tepe, auf National Geographic Online (englisch)
- Afghanistan - Hidden Treasures - Burial sites Zusatzdaten für Google Earth um damit Tilla Tepe detailliert betrachten zu können.
- Baktrisches Gold auf ZDF.de
- The Bactrian Gold I
Koordinaten: 36° 41′ 40″ N, 65° 47′ 21″ O