Neokonservatismus
Der Neokonservativismus (auch Neokonservatismus oder Neo-Konservatismus) ist eine politische Strömung vornehmlich in den USA, die sich von anderen Formen des tradierten Konservatismus (oder Konservativismus) in mannigfachen Punkten entscheidend abhebt. Während fundamentale Definitionsmerkmale des Konservatismus (etwa die Vorrangigkeit von Familie, Staat bzw. Nation sowie Religion - s. auch Patriotismus) meist auch auf den Neokonservatismus zutreffen, gewichten dessen Theoretiker das Verhältnis von Freiheit und Ordnung bzw. Überlieferung und Fortschritt in zentralen Aspekten gänzlich abweichend. In jüngster Zeit ist in wesentlichen Belangen eine Konvergenz zum Neoliberalismus feststellbar; man trifft sich u.a. bei Thesen wie der vom "Ende der Geschichte" (Francis Fukuyama) - die marktwirtschaftlich gründende, teils repräsentativ, teils elitär organisierte Demokratie westlichen Musters habe sich als quasi endgültiges gesellschaftliches Konstrukt weltweit geschichtlich durchgesetzt. Gleichzeitig bestünden überkommene oder neu belebte Konflikte fort (Kampf der Kulturen), denen man sich offensiv und (im Hinblick auf westlich-abendländische Tradition oder dezidierter: den American Way of Life) apologetisch stellen müsse. Schließlich sei die Frage der Vorherrschaft im "westlichen Lager" selbst zu klären (europäisch-amerikanischer Gegensatz).
Konzepte
Der Neokonservatismus gewann in der Person führender Politiker wie Paul Wolfowitz oder Richard Perle prägenden Einfluss auf die Grundzüge der amerikanischen Außenpolitik unter George W. Bush. Diese wegen ihrer Befürwortung militärischer Konfliktregulierung oftmals als "Falken" geltenden Politiker und Intellektuellen werden als "Architekten" eines interventionistischen Unilateralismus der USA gesehen. Vielfach wird auch ein - entwurfsmäßig durchaus ausgearbeitetes - "imperiales Projekt" dieser Kreise ausgemacht, das die US-amerikanische Hegemonie in der Welt sichern soll. Strittig ist bisweilen, inwieweit diese Entwürfe überhaupt Eingang in (erfolgreiche) politische Praxis finden können, da sie teilweise jede bislang bekannte imperiale Vision - geschweige denn deren tatsächliche Umsetzung - in Anspruch und Ausmaß weit in den Schatten stellen.
Die politische Gruppierung der Neokonservativen unterstützt einen rigorosen Antikommunismus und profilierte sich in den vergangenen 25 Jahren insbesondere durch die Befürwortung einer interventionistischen Außenpolitik und unilateraler Hegemonieansprüche. Bei der Durchsetzung ihrer interventionistischen Konzepte sind die Neocons auch bereit, Spannungen mit traditionellen Konzepten der Diplomatie und sogar des Völkerrechts in Kauf zu nehmen. Während in bestimmten Bereichen ursprünglich durchaus auf korrektive staatliche Eingriffe gesetzt wurde, decken sich (vor allem in jüngster Zeit) ihre elementaren wirtschafts- und sozialpolitischen Konzepte häufig mit jenen neoliberaler Theoretiker - und gehen (insbesondere bei deren Umsetzung in politische Praxis) mitunter noch weit darüber hinaus (Originalzitat George W. Bush: "Gesunde Kinder brauchen keine Krankenversicherung.").
Die Abgrenzung von Neoliberalen und traditionellen Konservativen
"Is there any 'there' there?", fragt sich Irving Kristol selbst noch 2003 in einem Artikel - was ist das Besondere am Neokonservatismus? Eine Neokonservativer ist für ihn, den oft so genannten godfather dieses Lagers, "ein von der Wirklichkeit geläuterer Liberaler": "Ein richtig verstandener Wohlfahrtsstaat kann ein integraler Bestandteil einer konservativen Gesellschaft sein", so Kristol an anderer Stelle. Wirtschaftsethik sei in jeder Zivilisation richtigerweise "durch moralische und religiöse Tradition definiert, und es ist ein Eingeständnis moralischen Bankrotts zu behaupten, dass das, was das Gesetz nicht ausdrücklich verbietet, deshalb schon moralisch erlaubt ist", schreibt Kristol in den 80-er Jahren. "Die Menschen brauchen Religion. Sie ist ein Bindemittel moralischer Tradition. Sie spielt eine entscheidende Rolle. Nichts kann ihre Stelle einnehmen," betont er in Two Cheers for Capitalism und grenzt sich spöttisch vom Laissez-faire des Neoliberalismus, wie er ihn versteht, ab: "Ein Liberaler ist jemand, der sagt, es sei in Ordnung, wenn ein 18-jähriges Mädchen in einem Pornofilm mitwirkt, so lange es den Mindestlohn erhalte."
In bestimmten Kernfragen trifft sich der Neokonservatismus à la Irving durchaus mit Grundüberzeugungen der religiösen Rechten: "Ich glaube nicht, dass über Sittlichkeit auf der privaten Ebene entschieden werden kann. Ich denke, man braucht öffentliche Führung und öffentliche Unterstützung für einen moralischen Konsens. Die durchschnittliche Person hat instinktiv zu wissen, ohne darüber zuviel nachzudenken, wie sie ihre Kinder großzieht", so sein anti-kantianisches Grundsatzstatement in einem Interview mit dem "Reason Magazine" im Jahr 1983. - "Wenn man Maßstäbe hat, moralische Maßstäbe, dann muss man wollen, dass sie sich durchsetzen, und man hat letztlich zumindest für sie einzutreten."
Andererseits streicht er in einem Interview 1987 auch die Unterschiede zu den "alten Konservativen" heraus: Neo-Konservative seien anders, weil sie "Utilitaristen, keine Moralisten" sind, "und weil ihr Ziel die Wohlfahrt der postindustriellen Gesellschaft ist, nicht die Wiederbelebung eines Goldenen Zeitalters." In seinem Buch Reflections of a NeoConservative (1983) fasst Kristol plakativ zusammen: "Unsere revolutionäre Botschaft [...] ist, dass Menschen mit Selbstdisziplin eine politische Gemeinschaft schaffen können, in der eine geordnete Freiheit sowohl den wirtschaftlichen Wohlstand als auch die politische Teilhabe voranbringt."
Der Neokonservatismus in den USA grenzt sich auch dadurch dezidiert von traditionellen "Right-Wing"-Konservativen ab, indem deren (außenpolitische) Konzepte des Protektionismus und Isolationismus - wie sie z. B. der Ex-Republikaner Pat Buchanan vertritt - verworfen werden.
Ursprünge
Die Wurzeln in der "Old Left" (alten Linken)
Die intellektuellen Gründer des Neokonservativismus, Daniel Bell, Nathan Glazar, Irving Howe und der prominenteste unter ihnen, der schon erwähnte Irving Kristol, waren Absolventen des City College of New York, einer Kaderschmiede, die wegen ihrer harten Aufnahmekriterien bei fehlenden Studiengebühren als "Harvard des Proletariats" bezeichnet wurde. Diese Intellektuellen waren großteils Kinder ostjüdischer Emigranten, einer Bevölkerungsgruppe, die oft besonders unter Armut zu leiden hatte. Diese Herkunft machte die Intellektuellen zugänglich für die neuen und revolutionären Ideen des Sozialismus und des Kommunismus. Die Weltwirtschaftskrise radikalisierte in den 1930er Jahren die gesamte US-amerikanische Gesellschaft, so auch die Studentenschaft des New Yorker City College.
Aufgrund der katastrophalen Wirtschaftslage und dem damit verbundenen sozialen Elend wurde eine grundlegende Veränderung der Sozialpolitik gefordert und in dem sog. New Deal teilweise auch erreicht. Dies führte zu einem Staatsinterventionismus, der zu anderer Zeit in der US-amerikanischen Gesellschaft keine Chance hatte. Dies stärkte die Macht des Staates und insbesondere auch die Macht der Zentralregierung in Washington.
Opposition zur "New Left" (Neuen Linken)
Aus dem Kreis der liberalen und sozialistischen Befürworter des Zweiten Weltkriegs formierte sich eine Gruppierung von Intellektuellen, die konservative, sozialistische und liberale Vorstellungen in sich vereinte. Diese Gruppe von kritischen Intellektuellen, oft selbst aus der sog. Arbeiterklasse stammend, bildet den Nukleus der so genannten Neokonservativen - auch wenn diese Bezeichnung damals noch nicht gebräuchlich war.
Theorie und Praxis
"Globalisierung" und neue Lager
Aufgrund der neuartigen Verbindung unterschiedlicher Positionen geraten die Grenzen der politischen Ideologie des Neokonservatismus bisweilen unscharf. Es lassen sich allerdings durchaus wichtige Haltungen und Einstellungen benennen, die die Neokonservativen miteinander verbinden. Diese stammen überwiegend aus den Zeiten des Kalten Krieges, als die "Neocons" vielfach noch den Demokraten nahestanden (wie zum Beispiel Jeane Kirkpatrick, die so zu sagen - neben anderen aus dieser Ära - die Brücke vom Reaganism zum Neo-conservatism verkörpert): staatliche Verantwortung in der Wirtschaft zur Aufrechterhaltung des sozialen Friedens (eine Forderung, die allerdings weitestgehend rhetorisch blieb und spätestens seit Reagan ins schiere Gegenteil kippte), Wertkonservatismus im Sinne der Erhaltung eines starken Amerikas im Innern und eine auf nicht konterkarierbare militärische Dominanz setzende Außenpolitik (eine Zielsetzung, die auch in einem Zitat von George W. Bush Ausdruck findet: "A military second to none."). Auffallend ist die Dichotomisierung in Gut und Böse, die auch nach dem Ende des Kalten Krieges das Weltbild der Neocons bestimmt.
"Konservative Revolution": Proklamation und Realisation
Die Neokonservativen des Kalten Krieges setzten sich in scharfe Opposition gegenüber der New Left (David Horowitz u.a.), was sie stärker an den traditionellen konservativen Flügel heranrückte. Zwar befürworteten die Neocons eine sozialstaatliche Politik im Inneren, nach Außen traten sie jedoch als strikter Gegner jeder Entspannungspolitik gegenüber der Sowjetunion und als Verfechter der US-amerikanischen Vorherrschaft auf. Diese Verknüpfung von "konservativen" und "progressiven" Elementen ist bis heute das Kennzeichen der so genannten Neocons, die deshalb gelegentlich auch als "konservative Revolutionäre" tituliert werden, wobei dieser Terminus für europäische Beobachter leicht in Missverständnisse münden kann. Die propagandistische Rechtfertigung von Interventionen und Maßnahmen, etwa gegenüber den (vermeintlichen, tatsächlichen oder als solche ausgemachten) "Schurkenstaaten" (Rogue States), fußt meist auf Menschenrechtsargumenten, denen - für sich genommen - vorderhand kaum zu widersprechen sein dürfte, und dem jedenfalls bekundeten Willen, Demokratie und Freiheit weltweit zu verteidigen und zu verbreiten (Nation-Building; Demokratisierung, z.B. des Nahen Ostens).
Hegemonie versus Völkerrecht: "Benevolent Imperialism"
Dergestalt messianischer Konservatismus mit dem Ziel einer Pax Americana ist kein neues Phänomen in den USA. Bereits die Gründerväter der Vereinigten Staaten waren sich der manifest destiny - einer schicksalshaft-göttlichen Bestimmung ihrer Mission - gewiss. Den Neocons wurde und wird freilich nachgesagt, derlei humanitäre Argumente seien lediglich Vorwände für materiell inspirierte imperiale Bestrebungen; sie hätten de facto die Monroe-Doktrin - mit denen im frühen 19. Jahrhundert Nord- und Südamerika zur ausschließlichen Interessenssphäre der USA erklärt wurden - zur Schaffung ihres projektierten "Neuen Roms" kurzerhand auf den gesamten Planeten ausgedehnt. Kritiker werfen den Akteuren in den Vereinigten Staaten insbesondere vor, dass es ihnen in der politischen Praxis gleichgültig sei, wer welcher "Schurke" ist - wesentlich sei für das Inkrafttreten allfällig angedrohter und mit "moralischen" Argumenten untermauerter bzw. gerechtfertigter Sanktionen, ob der "Schurke" auf Seiten der USA stehe oder nicht, eine interessensgeleitete und opportunistische - manche sagen: zynische - Haltung, die seit den Reaganites als Kirkpatrick-Doktrin firmiert.
Die Abwesenheit tyrannischer Züge macht es gemäß Thomas Donnelly, ehemals einer der führenden Köpfe des American Enterprise Institute, den Feinden der Pax Americana schwer, gegen sie zu argumentieren und vorzugehen. "Die amerikanische Weltordnung ist zu wohlwollend, besonders im Vergleich zu Alternativen wie der islamischen Theokratie oder dem chinesischen Kommunismus. Der amerikanische Imperialismus kann neue Hoffnungen auf Freiheit, Sicherheit und Wohlstand mit sich bringen", seine Anziehungskraft könne gleichzeitig die Befürchtungen vor allzu großer militärischer Macht dämpfen: "Wie in Afghanistan und vielleicht (wieder einmal) im Irak neigen von Despoten regierte unterdrückte Mehrheiten dazu, amerikanische Soldaten eher als Befreier zu sehen denn als Eroberer." Seit dem 11. September habe auch Präsident Bush gelernt, dass es hart ist, ein "bescheidener Hegemon" zu sein. Bush nehme in seinem Kampf gegen den Terrorismus keine Nation von den "'wahren und unabänderlichen" amerikanischen Prinzipien von Freiheit und Gerechtigkeit aus", so Donnelly. Bush "sieht die Befolgung dieser Prinzipen als eine 'nicht verhandelbare Forderung', die das 'übergeordnete Ziel' des Krieges darstellt", konstatiert er unter Anspielung auf Bushs apodiktische Äußerung (manche Kritiker weisen sie als Ultimatum zurück): "Entweder seid ihr mit uns oder ihr seid mit den Terroristen." ("Foreign Affairs", Juli/August 2002)
Andererseits betonen die Verfechter des Neokonservatismus' selbst, dass die außenpolitischen Konzepte durchaus nicht auf Lehrsätzen (oder Prinzipien) im Sinn einer kohärenten Ideologie beruhen, sondern auf geschichtlichen Erfahrungen: "Es gibt keine Zusammenstellung von neokonservativen Überzeugungen hinsichtlich der Außenpolitik, nur ein Reihe von aus der Geschichte abgeleiteten Haltungen dazu. (Der neokonservative Lieblingstext über auswärtige Angelegenheiten ist - dank Professor Leo Strauss aus Chicago und Donald Kagan aus Yale - der von Thukydides über den Peloponnesischen Krieg.)" (Irving Kristol, 2003) - Und auch Donnelly unterstreicht: "Was wir genau erschaffen, wissen wir nicht."
Das geistige Fundament
Vordenker und Wortführer
Ein wichtiger Theoretiker für die Neokonservativen ist der Philosoph Leo Strauss. Albert Wohlstetter - schon zu Zeiten der Kuba-Krise Berater von John F. Kennedy und u.a. Paul Wolfowitz' Doktorvater - wird mit zahlreichen Protagonisten des Neokonservativismus in Verbindung gebracht. Nachhaltige Wirkung sowohl auf Politiker als auch auf Intellektuelle - allerdings nicht nur neokonservativer Provenienz - hatte der aus Tschechien stammende Josef Korbel (der Vater der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Korbel Albright). Zudem ist bei nicht wenigen Wortführern eine intellektuelle Beeinflussung durch Carl Schmitt - direkt oder vermittelt durch Leo Strauss - anzunehmen. Ein einigender Grundzug in den Weltanschauungen neokonservativer Vordenker ist u.a. ein hobbistischer Skeptizismus hinsichtlich der Möglichkeiten friedlicher Konfliktlösungen und der "Machbarkeit des Guten". Dieser findet folgerichtig seine Entsprechung in durchaus macchiavellistischen Politikentwürfen, wobei mit Strauss und Schmitt auch auf die Konzepte Platons zurückgegriffen wird (s. Elite, Aristokratie). Bemerkenswerterweise wird andererseits immer wieder gerne - wie bei den "Neoliberalen" - auf den Theoretiker der Offenen Gesellschaft, nämlich auf Karl Popper, rekurriert, dessen Satz "Wir dürfen uns nicht scheuen, für die Freiheit auch Kriege zu führen" (schon ein Lieblingszitat Margaret Thatchers) wohl jeder gestandene Neocon ohne weiteres unterschreiben würde.
Der Streit um das nationale Erbe
Ein regelrechter geistiger Krieg zwischen liberals (hier im Sinn von progressive, was in den USA mit linksorientiert gleichgesetzt wird) und conservatives wird schließlich um das genuin US-amerikanische intellektuelle Erbe geführt, insbesondere das der Gründerväter und großer Präsidenten wie George Washington, Tom Paine, Thomas Jefferson und Abraham Lincoln, dem Übervater der Grand Old Party wie auch der Union insgesamt. Nicht nur bei dieser Gelegenheit beklagen "Linke" wie "Rechte" gleichermaßen das "Gossen-Niveau" (so Norman Birnbaum, Professor an der Georgetown University), das die politische Auseinandersetzung in den USA oft weithin kennzeichne. Birnbaum, der sich selbst für patriotischer hält "als diese Leute", betrachtet den Erfolg der Neocons als die Kehrseite der Schwäche der Linken, die dort zum "korporativistischen Verband degradiert" sei (TAZ, 30.10.2004).
Der Einfluss auf die aktuelle Politik der USA
Denkfabriken und Machtapparat
In der Regierung George W. Bushs werden eine Reihe einflussreicher Politiker dem Lager der Neokonservativen zugerechnet, darunter, neben Perle und Wolfowitz: Douglas Feith (Verteidigungsministerium), der ehemalige Staatssekretär im Außenministerium John Bolton (er wurde mittlerweile zum UN-Botschafter der USA ernannt) und Lewis Libby (Chief of Staff unter Vizepräsident Dick Cheney). Als ihre "Schaltzentrale" wird unter anderem das American Enterprise Institute (AEI) genannt, ein expandierender Think Tank in Washingtons Zentrum. Erheblichen Einfluss hat auch das Project for the New American Century (PNAC), dem zahlreiche der Bush-Regierung nahestehende Intellektuelle und Politiker angehören. Mit Eleana Benador (Benador Associates) verfügen die Neocons über eine einflussreiche PR-Agentur mit vielfältigen Kontakten zu Politik, Wirtschaft und Medien.
Der Neokonservativismus als eine "jüdische" Bewegung
Ein kontroverser Punkt der Diskussion um den so genannten Neokonservatismus ist dessen Beziehung zu einer speziellen Spielart jüdisch-intellekueller Tradition. In seiner zugespitztesten Variante grenzt die damit gewöhnlich verbundene Unterstellung, es sei seinen Anhängern vornehmlich um die Förderung israelisch-jüdischer Interessen zu tun, an offenen Antisemitismus. Vielfach lässt sich dieser Verdacht auf krude Verschwörungstheorien zurückführen. Dies ist z.B. der Fall, wenn - in aller Regel durch Rechtsextreme - eine durch das "Judentum" gesteuerte und initiierte "Machtergreifung" der Neocons phantasiert wird.
Publizistische Foren
Periodika wie Policy Review, Commentary, The New Republic (bis zur vehementen Unterstützung des Irak-Feldzuges ursprünglich eine eher liberale Zeitschrift), The Public Interest (Mitbegründer: Irving Kristol - "Kein anderes Magazin hat eine vergleichbare Wirkung, die Sozialwissenschaften aufrichtig und ehrlich zu halten", urteilt Francis Fukuyama), The American Spectator, The Weekly Standard (wohl das einflussreichste Magazin, von William Kristol - dem Sohn von Irving Kristol - gegründet), The National Review (wie der "Weekly Standard" mit häufig höchst unverhohlenen Einlassungen und scharfen Polemiken gegen die verhassten liberals; Hauptzielscheiben des von Jonah Goldberg verantworteten Magazins im Außenpolitischen sind Europa - hier insbesondere Frankreich - und die UNO) und oft auch das Wall Street Journal (und dessen Ableger Opinion Journal, wo z.B. Irving Kristol eine Kolumne schreibt) veröffentlichen regelmäßig Beiträge neokonservativer Vordenker und von Politikern, die ihnen nahestehen.
Literatur
- Kristol, Irving: Neo-conservatism. The Autobiography of an Idea. Ivan R. Dee, Publisher, 1999. - ISBN 1-56663-228-5
- Kagan, Robert: Macht und Ohnmacht. Amerika und Europa in der neuen Weltordnung. Berlin: Siedler 2003. - ISBN 3-886-80794-0
- Goldsmith, Jack L./Posner, Eric A.: The Limits of International Law. Oxford University Press, Januar 2005. - ISBN 0-19516-839-9 (Die Autoren sind 'fellows' am American Enterprise Institute - Buchvorstellung)
- Edwards, Lee: The Conservative Revolution: The Movement That Remade America. Free Press, 1999. - ISBN 0-68483-500-2
- Micklethwait, John/Wooldridge, Adrian: The Right Nation: Conservative Power in America. New York: Penguin Books, 2004. - ISBN 1-594-20020-3
- Wohlstetter, Albert: Swords from Plowshares. The Military Potential of Civilian Nuclear Energy. University of Chicago Press, 1979. - ISBN 0-22690-476-8
- Kagan, Donald: On the Origins of War: And the Preservation of Peace. New York: Anchor Books, 1996. - ISBN 0-38542-375-6
- Meier, Heinrich: Carl Schmitt, Leo Strauss und der Begriff des 'Politischen'. Stuttgart: Metzler, 1998. - ISBN 3-47601-602-1
- Gold, Philip: Take Back the Right: How the Neocons and the Religious Right Have Hijacked the Conservative Movement. Carroll & Graf Publishers, 2004. - ISBN 0-78671-352-6
- Bender, Peter: Weltmacht Amerika. Das neue Rom. Stuttgart: Klett-Cotta, 2003. - ISBN 3-60896-002-3
(s. dazu: Stefan Rebenich, Neurotische Riesen - Rezension, "Die Zeit" Nr.32, 31.07.2003) - Speck, Ulrich/Sznaider, Natan (Hrsg.): Empire Amerika. Seitenperspektiven einer neuen Weltordnung. München: DVA, 2003. - ISBN 3-42105-798-2
- Mann, Michael: Die ohnmächtige Supermacht. Warum die USA die Welt nicht regieren können. Frankfurt a. M.: Campus Verlag, 2003. - ISBN 3-59337-313-0
- Ignatieff, Michael: Empire lite. Die amerikanische Mission und die Grenzen der Macht. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt, 2003. - ISBN 3-43450-567-9 (Rezension)
- Lehmann, Volker/Böhnel, Max (Hrsg.): American Empire - No Thank you! Stimmen aus dem anderen Amerika. Berlin: Kai Homilius Verlag, 2003 - ISBN 3-89706-885-0 (Rezension)
- Stelzer, Irwin: The Neocon Reader. Grove Press, January 2005. - ISBN 0-80214-193-5
- Dobbins, James et al.: America’s Role in Nation-Building. From Germany to Iraq. Santa Monica, CA: The Rand Corporation, 2003. - ISBN 0-8330-3460-X (PDF-Download)
- Cockburn, Alexander/St. Clair, Jeffrey: Imperial Crusades: Iraq, Afghanistan. - (Die Autoren sind Herausgeber des "CounterPunch", einem der bedeutendsten "liberalen" (linken) Printmagazine in den USA bzw. dessen Website - Bezugsquelle)
Weblinks
- Liberalism and the Economy (Teil einer fortgesetzten Diskussion zwischen Jonah Goldberg (Chefredakteur und Herausgeber der NRO) und Jonathan Chait (TNR) über "wahre Liberale" und "wahre Konservative" auf einer gemeinsamen Website. - Opinion Duel - A Joint Presentation of National Review & The New Republic, 30.03.2005)
- Irving Kristol, American Conservatism 1945-1995 ("The Public Interest", o.D.)
- Spencer Warren, Was Churchill A Neocon? (View From The Right, 31.03.2005 - Der Autor war Mitglied der Reagan-Regierung)
- Townhall (Das wohl bedeutendste konservative Netzwerk in den USA)
- Tobias Bader, Neokonservatismus, Think Tanks und New Imperialism (AG Friedensforschung, Kassel, März 2005) (sehr ausführlich)
- Interview mit Christian Hacke - "Glänzende Voraussetzung für die neokonservative Revolution" ("Manager-Magazin", 3. November 2004)
- Das konservative Zeitalter Amerikas – Was Europa daraus lernen kann (Kommentar zur zweiten Amtszeit von George W. Bush, "Epoche - Das jungkonservative Ideenmagazin", o.D.)
- Hans Jürgen Fink, Rezension von: George Soros: Die Vorherrschaft der USA – eine Seifenblase? (Deutschlandfunk, 29.02.2004)
- Thomas Donnelly, Brave New World - An Enduring Pax Americana (American Enterprise Institute, Short Publications: National Security Outlook, 25.03.2003 - Printausgabe: 01.04.2003)
- Robert Kagan, Power and Weakness (Policy Review No. 113, June 2002) - (Einer der Schlüsseltexte der "Neocons" - s. Literatur)
- Rainer Rilling, Starke Politik - Der Machtkörper des neuimperialen Projekts in den USA ("Wissenschaft und Frieden", April 2004) (sehr ausführlich)
- Thomas Pany, Die Fürsten des IV.Weltkriegs (Telepolis, 28. April 2003)
- Thomas Pany, Die Prätorianer-Garde des Imperiums (Telepolis, 5. Mai 2003) (Teil 2 des o.g. Beitrags zum Netzwerk der Neokonservativen in den USA)
- Michael Lind, How neoconservatives conquered Washington -- and launched a war (Salon.com, 09.04.2003; ursprünglich ersch. in "The New Statesman" - Werbespot vorgeschaltet)
- Sven-Oliver Bemmé, Ideologisierte amerikanische Innenpolitik an der Schwelle zum 21. Jahrhundert: Historische Voraussetzungen für die 'neokonservative' Politiklinie in der Ära Clinton (Diplomarbeit 1999/2000)
- Siebo M.H. Hansen, Ideologie und Praxis des Neokonservatismus (aus: "Die Politische Meinung", Konrad-Adenauer-Stiftung - PDF-Datei)