Deutscher Zollverein

Der Deutsche Zollverein war ein Zusammenschluss deutscher Bundesstaaten für den Bereich der Zoll- und Handelspolitik. Der Zollverein trat durch den am 22. März 1833 unterzeichneten Zollvereinigungsvertrag am 1. Januar 1834 in Kraft.
Der preußisch dominierte Zollverein löste den Zollvertrag zwischen Preußen und dem Großherzogtum Hessen (Preußisch-Hessischer Zollverein), den Mitteldeutschen Handelsverein und die Süddeutsche Zollvereinigung ab. Neben Preußen umfasste der Zollverein zu Beginn das Großherzogtum Hessen, Kurhessen, Bayern, Württemberg, Sachsen und die thüringischen Einzelstaaten. 1836 traten Baden, Nassau und Frankfurt dem Zollverein bei. 1842 erweiterte sich das Zollgebiet um Luxemburg, Braunschweig und Lippe, 1854 folgten Hannover und Oldenburg. Somit umfasste der Zollverein vor der Gründung des Norddeutschen Bundes circa 425.000 km².
Ziel des Zollvereins war die Schaffung eines wirtschaftlichen Binnenmarkts und die Vereinheitlichung fiskalisch-ökonomischer Rahmenbedingungen. Politisch stärkte der Deutsche Zollverein die Vormachtstellung Preußens und beförderte die Entstehung der kleindeutschen Lösung. Nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs gingen die Aufgaben des Vereins auf das Reich über. Über die Zollvereinsverträge gehörte jedoch Luxemburg noch bis 1919 zum deutschen Zollgebiet.
Entstehung des deutschen Zollvereins
Vorgeschichte und Hintergründe

Im Zuge der Modernisierungsbewegung während und nach der napoleonischen Ära schufen die deutschen Staaten nach 1800 einheitliche zollfreie Binnenmärkte innerhalb ihres Staatsgebiets, beispielsweise 1807 im Königreich Bayern, 1810 im Königreich Württemberg und 1811 im Großherzogtum Baden. Im Vordergrund stand hierbei neben der sozialen und wirtschaftlichen Integration der durch die napoleonischen Reformen erheblich vergrößerten Staatsgebiete vor allem eine Steigerung der Staatseinnahmen und nicht so sehr eine zukunftsgerichte Wirtschaftspolitik. Da es noch keine Einkommensteuer gab, waren Verbrauchsteuern und Zölle die Haupteinnahmequellen der Staaten. Diese galt es zu sichern und nach Möglichkeit auszubauen.[2] Vereinzelt gab es bereits zu dieser Zeit Stimmen, die eine Abschaffung von Binnenzöllen und einen deutschen Außenzoll forderten, so beispielsweise Joseph Görres und Freiherr vom Stein.[3]
Im Gegensatz zum Auftrag der Bundesakte gelang es dem 1815 gegründeten Deutschen Bund allerdings nicht, die wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland zu vereinheitlichen. Der das Handelsgebiet betreffende Artikel 19 regelte lediglich, daß über Handels- und Verkehrsfragen später zu beraten sei.[4] Zwar beschäftigte sich der Bundestag auf Initiative Badens 1819 und 1820 mit einer möglichen Zolleinigung, doch endeten die Beratungen ohne Ergebnis.
Die Überwindung der innerdeutschen Zölle vollzog sich daher außerhalb der Bundesorgane auf der Ebene der beteiligten Staaten selbst. Dabei reichten die Ansätze zur Reform des Zollwesens insbesondere in den Rheinbundstaaten bis in die napoleonische Zeit zurück.[5]
Die zollpolitische Zersplitterung behinderte die industrielle Entwicklung und verteuerte den innerdeutschen Handel. Wichtige Anstöße zu Veränderungen in diesem Bereich kamen von Außen. Mit der Aufhebung der Kontinentalsperre standen deutsche Gewerbetreibende in direkter Konkurrenz mit der englischen Industrie. Ein Allgemeiner Deutscher Handels- und Gewerbeverein verlangte aus – rückblickend unnötiger – Angst vor der entwickelten englischen Exportindustrie nach zollpolitischem Schutz, damit die deutsche Volkswirtschaft nicht als "Wasserträger und Holzhacker der Briten"[6] ende. Vergleichbar zur Denkschrift von Karl Friedrich Nebenius aus dem Jahr 1819, die den badischen Initiativen beim Deutschen Bund zugrunde lag, forderte insbesondere der Sprecher des Handels- und Gewerbevereins, der Nationalökonom Friedrich List, in einer weit verbreiteten Petition mit großer Öffentlichkeitswirkung über den Schutzzollgedanken hinaus einen Abbau der innerdeutschen Zollschranken, verfolgte dabei aber verstärkt auch politische Ziele. Für List sollte ein nationaler Staat mit hohen Zollschranken nach außen und Freihandel nach innen den Deutschen Bund ersetzen. Der Erfolg der Initiative blieb zwar gering, förderte aber liberale Positionen, beeinflusste indirekt staatliche Maßnahmen und insbesondere in Süddeutschland auch die späteren Verhandlungen zu einer Zollunion.[7]
Modernisierung der einzelstaatlichen Zollsysteme
Wirkungsmächtiger waren allerdings die zollpolitischen Maßnahmen Preußens. Hier hatten bereits vor der Abschaffung der innerpreußischen Zölle Veränderungen stattgefunden. So blieb etwa in den Preußen zugeschlagenen Gebieten des Königreichs Westphalen die Abschaffung der Binnenzölle bestehen. Das Zollgesetz dieses ehemaligen Staates wurde zum Vorbild der preußischen Zollgesetzgebung. Dafür sorgte auch Hans Graf von Bülow, der bis 1811 Finanzminister in Westfalen war und diese Position ab 1813 in Preußen einnahm. Hinzu kam wie auch in Süddeutschland die Notwendigkeit, die neugewonnenen Territorien in das Staatsgebiet zu integrieren. Die südwestdeutschen Staaten und Preußen wurden in der Folge führend bei der Modernisierung der Zollsysteme innerhalb der Staaten des Deutschen Bundes.[8]
Die Regierung Preußens hatte angesichts des zersplitterten Staatsgebiets ein Eigeninteresse an der Abschaffung von Zollgrenzen. In Preußen selbst waren 1818 alle innerstaatlichen Handelsschranken gefallen. Nach außen hin wurde ein nur mäßiger Schutzzoll erhoben. Für den Durchgangsverkehr wurden allerdings hohe Zölle erhoben. Damit konnten sowohl die am Freihandel interessierten Großgrundbesitzer wie auch die von der ausländischen Konkurrenz bedrohte gewerbliche Wirtschaft leben. Das preußische Zollgesetz war darüber hinaus einfach und effizient. Es wurde daher für etwa ein halbes Jahrhundert mehr oder weniger zur Basis für das Zollsystem in den deutschen Ländern. Es gab seit 1818 nur noch Einfuhr-, Ausfuhr- und Transitzölle, die, anders als bisher, ohne Rücksicht auf Herkunfts- oder Bestimmungsland erhoben wurden. Von Zöllen ausgenommen waren Grundnahrungsmittel und Rohmaterialien. Gewerbliche Güter wurden mäßig besteuert. Eine Ausnahme bildeten recht hohe Abgaben auf Textilien. Am wichtigsten waren die Einnahmen für gehobene Lebensmittel, Genussmittel und Luxusgüter. Trotz einiger Veränderungen und Aufweichungen im Detail blieben die Grundprinzipien bis in die Zeit des Kaiserreichs konstant. Noch 1871 stammten drei Viertel der Einnahmen aus Zoll auf Getränke (Bier, Wein, Spirituosen usw.), Nahrungs- und Genussmittel (Kaffee und einige Kolonialwaren) sowie Tabakprodukte. Insgesamt lagen die Zölle in Preußen 1818 zwar höher als die der kleineren deutschen Staaten, aber deutlich niedriger als in Österreich, Frankreich oder Russland.[9]
Die Nachbarstaaten Preußens erhoben sofort Protest gegen die Behinderung ihrer Wirtschaft durch die preußischen Durchgangszölle. Davon ging erheblicher Druck aus, sich dem preußischen Zollsystem selbst anzuschließen. Als erstes schloss sich das Herzogtum Schwarzburg-Sondershausen dem System an, ihm folgten weitere kleine thüringische Staaten. In den größeren Staaten, insbesondere jenseits der Mainlinie und in Norddeutschland, führte die preußische Politik zunächst zu Bestrebungen, gegen die preußische Politik defensive regionale Zollbündnisse zu etablieren.
Gründung und Vereinigung mehrerer Zollverbünde

Bereits 1820 plante Württemberg einen Zollverbund des Dritten Deutschland also der Staaten des Deutschen Bundes ohne Österreich und Preußen zu gründen. Allerdings scheiterte das Vorhaben an den unterschiedlichen Interessen der angesprochenen Länder. Während das relativ hoch entwickelte Baden für Freihandel eintrat, verlangte die bayerische Regierung einen Schutzzoll. Einziges Resultat der Verhandlungen war ein kurzlebiger Handelsvertrag zwischen Baden und Hessen-Darmstadt. Allerdings kam es in einer zweiten Verhandlungsrunde 1825 in Stuttgart zu einer Einigung zwischen Württemberg und Bayern und der Gründung des Süddeutschen Zollvereins. Als Gegengründung zu den preußischen Aktivitäten entstand außerdem 1828 aus Hannover, Sachsen, Kurhessen und weiteren Staaten ein von Österreich, Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden geförderter Mitteldeutscher Handelsverein. Die Staaten verpflichteten sich, nicht dem preußischen Verbund beizutreten, bildeten selbst aber keine Zollunion. Der Verein blieb letztlich erfolglos, weil es ihm nur um eine Wahrung des Status quo ging.[10]
Beeinflusst vor allem durch Finanzminister Motz sowie Karl Georg Maaßen verstärkte die preußische Regierung angesichts dieser Gründungen ihre Bemühungen. Der erste größere Staat, der sich dem preußischen Zollgebiet anschloss, war 1828 das Großherzogtum Hessen. Bereits 1829 begann der Mitteldeutsche Zollverein auseinander zu brechen, als Kurhessen den Mitteldeutschen Zollverein verließ. Der Süddeutsche Zollverein hatte in finanzieller Hinsicht nicht die Erwartungen seiner Gründer erfüllen können. Etwa 40% der Einnahmen wurden von Verwaltungskosten aufgezehrt. Während im preußisch-hessischen Zollgebiet die Einnahmen pro Kopf der Bevölkerung bei 24 Groschen pro Kopf lagen, betrugen sie in Bayern und Württemberg nur 9 1/2 Groschen. Da Österreich sich einem möglichen Zusammengehen verschloss, näherten sich die süddeutschen Staaten dem preußischen System an.[11]
Daher kam es ebenfalls im Jahr 1829, nicht zuletzt vermittelt durch den Verleger Johann Friedrich Cotta, zu einem Vertrag zwischen dem preußischen und süddeutschen Zollverbund. Dieser sah die gegenseitige Zollfreiheit für inländische Produkte vor. Der Druck auf die Regierungen wuchs zusätzlich, als im Gefolge der Revolutionsereignisse von 1830 zollpolitische Forderungen erhoben wurden. Insbesondere in Kurhessen forderte die Opposition den Anschluss an das preußische System. Das Königreich Hannover versuchte mit dem Ziel, eine zollpolitische preußische Vormachtstellung doch noch zu verhindern, den Deutschen Bund einzuschalten. Als dies misslang, begann Hannover mit der Gründung des Steuervereins einen eigenen Zollverbund aufzubauen. In der Folge gelang es der preußischen Regierung allerdings, die meisten übrigen deutschen Staaten für das Projekt eines großen Zollvereins zu gewinnen. Mit Vertrag vom 22. März 1833 schlossen sich der preußische und süddeutsche Zollverbund offiziell zusammen.[12] Sachsen und die thüringischen Staaten schlossen sich noch im selben Jahr an. Am 1. Januar 1834 trat dann der vorerst auf eine Dauer von acht Jahren angelegte Deutsche Zollverein in Kraft. In den folgenden Jahren folgten Baden, Nassau, Oldenburg, die Freie Stadt Frankfurt und Luxemburg. Dadurch entstand eine mitteleuropäische Freihandelszone von zunächst 25 (im Jahr 1842), später 30 Millionen Einwohnern.[13] Es fehlten vorerst noch Hannover und Braunschweig, die sich in einem Steuerverein zusammengeschlossen hatten. Dieser schloss sich aber in den 1850er Jahren dem allgemeinen Zollverein an.[14] Abseits blieben lange die norddeutschen Stadtstaaten – manche traten erst während der Reichsgründungsära bei, Hamburg gar erst 1888.
Aufbau und Funktionsweise des Zollvereins
Um den Souveränitätsanspruch der kleineren Staaten zu schonen, wurde bei den Verhandlungen über die Strukturen des Vereins versucht, das Prinzip der Gleichberechtigung zu wahren. Oberstes Organ wurde die Zollvereinskonferenz, für deren Entscheidungen Einstimmigkeit vorgeschrieben wurde und in der die einzelnen Staaten ein Vetorecht hatten. Die Konferenz tagte einmal jährlich über mehrere Monate bis hin zu einem halben Jahr. Der Tagungsort wechselte zwischen den Mitgliedsstaaten. Die von den Regierungen ernannten Delegierten waren dabei weisungsgebunden. Jeder Staat hatte im Prinzip eine Stimme. Einige kleinere Staaten wie etwa die freie Stadt Frankfurt oder die thüringischen Staaten waren nicht selbst vertreten, sondern haben ihre Stimme delegiert. Der Vertrag wurde zunächst auf acht Jahre abgeschlossen. Er verlängerte sich automatisch, wenn er nicht von einem der Mitglieder gekündigt wurde. Eine einheitliche Zollverwaltung bestand nicht. Die Ausführung der Beschlüsse blieb Sache der Behörden in den Mitgliedsländern. Als einzige zentrale Institution gab es das Zentral-Rechnungsbüro in Berlin, das für die anteilige Verteilung der Einnahmen zuständig war, anteilig nach Kopfzahl der Bevölkerung.
Für die gemeinsame Zollgesetzgebung waren die Beschlüsse der Generalkonferenz bindend und benötigten keine weitere Ratifizierung durch die Einzelstaaten. Während es gelang die Zollfragen im engeren Sinn zu regeln, gelang dies in den Fragen eines Ausgleichs der Verbrauchssteuern, der staatlichen Monopole sowie der Standardisierung von Maßen, Gewichten und Münzen nur teilweise. Bei den Verbrauchssteuern schlossen sich nur einige Staaten dem preußischen System an, z.B. Sachsen und die thüringischen Länder. Die Folge waren große Unterschiede, die auf der Ebene des Zollvereins zu Verwaltungsproblemen führten. Einen gewissen Ausgleich boten dabei Kompensationszahlungen, später wurde ein einheitlicher Transitzoll erhoben. Wo es noch Salz- und Spielkartenmonopole gab, kam es zu einem Importverbot. Die Folge war, dass etwa der Salzschmuggel zu einem dauernden Problem des Zollvereins wurde. Dies bedeutete, dass zumindest partiell der freie Binnenmarkt nicht vollständig ausgebildet war und es weiterhin noch Zollkontrollstellen innerhalb des Zollvereinsgebietes gab. In der Frage der Gewichte sah das Zollvereinsabkommen vor, dass die Mitgliedsstaaten sich für die bayerischen oder preußischen Gewichte als Standard entscheiden sollten.
Von erheblicher Bedeutung waren Handelsabkommen mit ausländischen Staaten. Zwar hatten sich Bayern und Württemberg grundsätzlich das Recht vorbehalten eigene Handelsabkommen zu schließen, nutzten dieses Recht aber nur selten. In der Regel wurden auf der jährlichen Zollvereinkonferenz die Grundlinien eines Abkommens beschlossen, die konkreten Verhandlungen dann aber Preußen überlassen, das manchmal weitere Regierungen beteiligte. Diese Regelung gab Preußen zwar ein starkes Gewicht, aber da die Beschlüsse auch noch von den Einzelstaaten ratifiziert werden mussten, konnte dies zu erheblichen Konflikten führen.
Zollgebiete
- Die Tabelle und Darstellung ist ein vereinfachter Überblick. Zu den Details der Territorialentwicklung siehe Gebiet des Deutschen Zollvereins
Mitgliedsstaaten des Deutschen Zollvereins 1854[15] | ||
---|---|---|
Staat | Beitritt | Zugehörige Gebiete |
Preußen | 1834 | Anhalt-Bernburg, Anhalt-Dessau, Anhalt-Köthen, Waldeck, Lippe-Detmold |
Hessen-Darmstadt | 1834 | - |
Hessen-Kassel | 1834 | - |
Bayern | 1834 | - |
Württemberg | 1834 | Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen |
Sachsen | 1834 | - |
Zoll- und Handelsverein der Thüringischen Staaten | 1834 | Sachsen-Weimar, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Coburg-Gotha, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Reuß-Greiz, Reuß-Schleiz, Reuß-Lobenstein und Ebendorf |
Baden | 1835 | - |
Nassau | 1835 | - |
Frankfurt | 1836 | - |
Braunschweig | 1841 | - |
Luxemburg | 1842 | - |
Hannover | 1854 | Schaumburg-Lippe |
Großherzogtum Oldenburg | 1854 | - |
Von den Staaten des deutschen Bundes blieben weiterhin außerhalb: Österreich, Liechtenstein, Holstein, Mecklenburg-Strelitz, Mecklenburg-Schwerin. Die beiden Mecklenburgs waren nach der Reichsgründung als Deutsches Zollgebiet mittelbar am Zollverein beteiligt. Die Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck traten 1888 dem Zollverein bei, blieben aber außerhalb des deutschen Zollgebiets. Zu diesem kamen nach dem Krieg von 1866 als unselbstständige Gebiete Schleswig-Holstein als preußische Provinz und nach 1871 das Reichsland Elsaß-Lothringen hinzu.
Konflikte und Interessengegensätze
Die Veränderungen der Zölle und anderer Regelungen im Gebiet des Zollvereins selbst verliefen angesichts unterschiedlicher Interessen keineswegs harmonisch. Erschwert wurde die Lösung nicht zuletzt durch das Vetorecht der Mitglieder. Die Konflikte hatten über Sachfragen hinaus nicht selten auch eine machtpolitische Dimension. Bereits die erste vertraglich anstehende Verlängerung 1842 wäre beinahe gescheitert. Erst nach langwierigen Verhandlungen konnte der Vertrag auf weitere zwölf Jahre verlängert werden.
Zehn Jahre später führte Preußen geheime Verhandlungen mit dem Königreich Hannover mit dem Ziel den norddeutschen Steuerverein in den Zollverein zu integrieren. Dies hätte allerdings Veränderungen des Zollvereinsabkommens nötig gemacht. Bestärkt durch Österreich weigerten sich die süddeutschen Staaten dem zuzustimmen. Stattdessen versuchte die österreichische Regierung den Zollverein durch die Idee eines mitteleuropäischen Zollverbundes auseinanderzubrechen. Erst als Preußen seinerseits den Zollvertrag kündigte, konnte eine Einigung erzielt werden. Dasselbe wiederholte sich als Preußen kurze Zeit später einen Handelsvertrag mit Österreich ausgehandelt hatte und die Mittelstaaten sich dem widersetzen. Erneut setzte die preußische Regierung Veränderungen im Zollvertrag mit Hilfe einer Vertragskündigung durch. Eine ähnliche Konstellation gab es zehn Jahre später als Preußen mit Frankreich angelehnt an den Cobden-Vertrag 1862 ein neues Handelsabkommen aushandelte. Dieses lief im Kern auf das Prinzip des Freihandels hinaus. Die Folge war aber, dass die Zolltarife in 161 Punkten gesenkt werden mussten. Obwohl die süddeutschen Staaten an den Verhandlungen beteiligt worden waren, weigerten sich diese, unterstützt von Österreich, die Verträge zu ratifizieren. Es dauerte drei Jahre, ehe diese Vereinbarungen in Kraft treten konnten. Dies gelang auch nur, weil der gerade in Preußen an die Macht gekommene Ministerpräsident Otto von Bismarck mit der Nichtverlängerung des Zollverein drohte.
Bei allen Konflikten ist die grundsätzliche Stabilität bemerkenswert. Selbst als einige Mitgliedsstaaten im Deutschen Krieg 1866 auf gegnerischen Seiten standen, erhoben Bayern, Württemberg und Hannover weiterhin die Zölle und sandten diese vertragsgemäß nach Berlin. Die preußische Regierung verteilte sie dann ebenso routinemäßig anteilig an die Einzelstaaten. Ein Grund für die Stabilität waren die für alle Beteiligten bestehenden insbesondere finanziellen Vorteile.[16]
Bedeutung des Zollvereins
Wirtschaftliche Folgen

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Zollvereinigung wurden sowohl von den Zeitgenossen als auch in der Folge überwiegend positiv wahrgenommen. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass der Zollverein nur eine Facette der Veränderungen in der deutschen wirtschaftlichen Entwicklung im 19. Jahrhundert darstellte und sich bei genauerer Betrachtung ein differenzierteres Bild ergibt. In einigen Staaten konnten die direkten Steuern gesenkt werden, obwohl der Zollverein nicht als zielgerichtetes Instrument zur Förderung der Industriewirtschaft gedacht war. Vielmehr war das Wirtschaftsbild der meisten maßgeblichen Politiker noch von einem mittelständisch-vorindustriell geprägten Gesellschaftsbild geprägt worden. Vom Zollverein wurde die industrielle Entwicklung zwar erleichtert, es gingen aber kaum kurzfristig wirksame Wachstumsimpulse in diesem Bereich von ihm aus.
Dennoch war der Zollverein auf mittlere Sicht von erheblicher Bedeutung für die industrielle Entwicklung. Der Handelsvertrag von 1862 auf der Basis von Freihandel und Meistbegünstigungsklausel führte dazu, dass auch kleinere deutsche Staaten erstmals vertraglich garantierte Handelsbeziehungen mit den europäischen, aber auch außereuropäischen Staaten wie den USA oder Japan aufnehmen konnten. Allerdings war dieser Schritt nicht unumstritten. Vielmehr gab es von Anfang an Konflikte zwischen Befürwortern des Freihandels wie Preußen und den süddeutschen Staaten, die insbesondere für ihre Textilprodukte Schutzzoll forderten.[17] Die Zolleinigung beseitigte eine der Ursachen zahlreicher Probleme des bisherigen deutschen Wirtschaftslebens und schuf erstmals stabile handelspolitische Verhältnisse. Dazu trug nicht zuletzt die allmähliche Übernahme des preußischen Handelsgesetzbuches durch die übrigen Mitgliedsstaaten bei, nachdem die Frankfurter Nationalversammlung es nicht mehr geschafft hatte, ein gesamtdeutsches Gesetzbuch zu verabschieden.[18] 1861 wurde die Rechtsangleichung durch das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch abgeschlossen.
Wichtig war der Zollverein zudem durch die Schaffung neuer Erwartungshorizonte. Er verstärkte die Investitionsbereitschaft der Unternehmer und intensivierte die Verflechtung der Wirtschaftsregionen zu einem nationalen Markt. So stammten bereits 1837 ca. 87% der süddeutschen Importe an gewerblichen Fertig- und Halbfertigwaren aus Preußen und Sachsen.[19] Der Anstieg des innerdeutschen Handels führte zum Ausbau der Infrastruktur mit Fernstraßen, Binnenschiffahrtswegen und Eisenbahnen, was die Transportkosten erheblich senkte. Dies vergrößerte die Sicherheit insbesondere für den Absatz von gewerblichen Massenprodukten und begrenzte wiederum das Investitionsrisiko gerade in den modernen Großbetrieben, verbesserte die Investitionsanreize und trug damit zum Ausbau der modernen Industrie bei. Hinzu kamen Anfänge der monetären Integration durch die Festlegung fester Wechselkurse zwischen Staaten mit Taler- und solcher mit Guldenwährung. Insofern hatte der Zollverein langfristig erhebliche wachstumsfördernde Folgen. Dieser Anstieg des Gesamtwachstums überdeckte auch regionale Unterschiede, so dass trotz der insbesondere in den süddeutschen ländlichen Regionen vereinzelt auftretenden Ängste einer "Innenkolonisierung" alle Teilnehmer des Zollvereins, unabhängig von ihrem ökonomischen Entwicklungsstand, an diesem Wachstum partizipierten.[20]
Auch die Zolltarifpolitik des Vereins hatte zumindest in den 1840er Jahren eine fördernde Wirkung auf die industrielle Entwicklung. Die moderaten Zölle auf Eisen und Garne schlossen einerseits notwendige Technologietransfers und den Import notwendiger Halb- und Fertigwaren aus Großbritannien nicht aus. Andererseits führten sie dazu, dass sich die Nachfrage zumindest in diesen wichtigen Gewerbebereichen auf Anbieter innerhalb des Vereinsgebiets richtete.[21]
Dies alles hatte erhebliche positive Wirkung auf den Außenhandel des Zollgebiets. Bereits in den 1820er Jahren war der Export der deutschen Volkswirtschaften angestiegen. Im Zollverein verstärkte sich dieser Trend nochmals. Auch die Nettoüberschüsse des deutschen Außenhandels stiegen in den 1830er Jahren an, bevor in den 1840ern der Modernisierungsschub im Rahmen der industriellen Revolution in Deutschland die Einfuhr modernerer Güter aus industrialisierteren Ländern und damit die Importwerte stark ansteigen ließ.[22]
Die fiskalischen Folgen des Zollvereins waren ebenfalls grundsätzlich positiv. Dabei entfiel ein Großteil der Einnahmen auf die Abgaben für Kolonialwaren. Diese machten 1835 allein 55% aller Zollgebühren aus.[23] Das Zolleinkommen stieg von 14,5 Mio. Taler im Jahr 1834 auf 27 Mio. Taler 1844 und übertraf damit den Bevölkerungszuwachs in dieser Zeit erheblich.[24] Die Ergebnisse der einzelnen Mitgliedstaaten waren allerdings unterschiedlich. Preußen war zunächst ein Verlierer des Zollsystems. Mit Beginn des Zollverein sanken die preußischen Steuereinnahmen um 25%. Danach stiegen sie langsam wieder an und erreichten 1838 ihren alten Stand. Die meisten anderen Länder profitierten dagegen von Anfang an. So konnte Bayern seine Einnahmen bereits im ersten Jahr fast verdoppeln.[25] In den ersten zehn Jahren der Mitgliedschaft erhielt das Königreich insgesamt Zuweisungen nach Abzug der Kosten von 22 Mio. Gulden. Selbst die thüringischen Kleinstaaten erzielten in diesem Zeitraum einen Überschuss von insgesamt 4 Mio. Gulden.[26] Auch später verzichtete Preußen zu Gunsten der übrigen Mitgliedsländer regelmäßig auf Einnahmen, die ihm nach der Zahl seiner Bewohner eigentlich zugestanden hätten. Es waren in erster Linie diese finanziellen Zugeständnisse, die dazu führten, dass auch die politische Macht Preußens anstieg.[27]
Währungsvereinheitlichung
Die wesentlichen Währungen des Deutschen Bundes basierten auf dem im süddeutschen Raum vorherrschenden Guldensystem oder auf dem nördlich des Mains vorherrschenden Talersystem. Die Hansestädte rechneten zudem in Markwährungen. In den 1820er Jahren hatte Preußen bereits eine weitgehende Harmonisierung der Talerwährungen erreicht. Der Zollverein verstärkte den Trend zur Harmonisierung der Währungen und beförderte die Stellung des preußischen Talers.[28] Zwar gelang es dem Zollverein nicht, die zahlreichen umlaufenden Währungen zu vereinheitlichen. Immerhin gelang jedoch durch eine Reihe von Münzverträgen eine gewisse Angleichung der Münzsysteme.[29]
Im Münchner Münzvertrag von 25. August 1837 wurde ein einheitlicher 24½-Guldenfuß für die Kurantmünzen sowie einheitliche Scheidemünzen bis herab zur Drei-Kreuzer-Münze in Bayern, Württemberg, Baden, Nassau, Schwarzburg-Rudolstadt und anderen Ländern geschaffen. Vorausgegangen waren die Außerkurssetzung der minderwertigen Halb- und Viertelkronentalerstücke. Für diese wurden die neuen einheitlichen Halb- (= 30 Kreuzer) und 1-Gulden-Stücke (= 60 Kreuzer) geschaffen. Der Kronentaler (ca. 162 Kreuzer) wurde durch den Doppelgulden (= 120 Kreuzer) ersetzt.[30] Der Dresdener Münzvertrag vom 30. Juli 1838 fasste die süddeutsche Guldenwährung im 24½-Guldenfuß mit dem preußischen Taler (bzw. Reichstaler) im 14-Talerfuß zusammen. Es entstand eine in allen Staaten gültige „Vereinsmünze“ zu 2 Taler = 3½ Gulden. Diese wurde bis 1. Januar 1841 in allen Vertragsstaaten eingeführt.[31] Im Wiener Münzvertrag vom 24. Januar 1857 wurde der vormalige 14-Talerfuß auf Gewichtsmarkbasis in einen 30-Talerfuß auf Zollpfundbasis geändert. Die einfachen (und doppelten) Taler wurden jetzt Vereinstaler genannt und waren bis 1907 in Deutschland als Drei-Mark-Stücke kursfähig. Der Taler wurde Hauptvereinsmünze und auch von den süddeutschen Guldenländern geprägt. Fast ganz Deutschland und Österreich prägten ab 1857 eine einheitliche, grobe Kurantmünze: 2 Taler (norddeutsch) = 3½ Gulden (süddeutsch) = 3 Gulden (österreichisch) sowie die Einfachtalermünzen. Sogar Luxemburg (allerdings ohne eigene Vereinsmünzen) und Liechtenstein (nur Einfachtaler von 1862) waren in dieser Währungsunion mit Deutschland und Österreich zeitweilig vereinigt. Hinzu kam die Einführung einer goldenen Vereinshalb- und -kronenmünze, die allerdings nicht zum Vorläufer der Goldmark wurde.[32] Das Währungsabkommen mit Österreich brach aber wieder zusammen, da es diesem Staat nicht gelang die Inflation zu stoppen, diese vielmehr durch die Ausgabe von Papiergeld weiter verstärkte.[33]
Insgesamt entstand eine Art Taler-und-Gulden-Währungsblock auf der Basis von Silber. Dagegen gelang es nicht, die Ausgabe von Banknoten zu zentralisieren. Dies blieb Sache der Einzelstaaten. In Preußen etwa war dafür die halbstaatliche Preußische Bank zuständig.[34]
Politische Aspekte des Zollvereins
Die nach der Gründung des Deutschen Reichs immer wieder, insbesondere von der borussischen Historiographie um Heinrich von Treitschke, betonte Funktion des Vereins als Motor der deutschen Einheit war kein hauptsächlicher Beweggrund der preußischen Führung oder der Regierungen in den übrigen Einzelstaaten. Die Chance, den Zollverein als Weg zu einem deutschen Nationalstaat zu nutzen, wurde statt dessen von der nationalliberalen Opposition in den Staaten des deutschen Bundes gesehen und propagiert. So beschloss die Heppenheimer Tagung auf Anraten Hansemanns und Mathys 1847 ein politisches Programm, das den Zollverein zur Vereinheitlichung der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse nutzen und durch die Schaffung eines Zollparlaments und einer Zollexekutive unter Umgehung des Deutschen Bundes eine einheitliche Regierung auf konstitutioneller Grundlage für Deutschland schaffen wollte.[35] Eine Verfolgung dieser Pläne war allerdings durch die Revolution von 1848/49 und die Einberufung der Frankfurter Nationalversammlung nicht möglich.
Vielen Zeitgenossen, darunter insbesondere dem wesentlichen Förderer des Zollvereinsgedankens in der preußischen Regierung, Finanzminister Motz, war die politische Dimension der Zollunion allerdings von Anfang an bewusst. Motz sah den geplanten Zollverein bereits 1829 als Werkzeug zur Durchsetzung eines kleindeutschen Nationalstaats unter preußischer Führung. Er schrieb „...wenn es staatswissenschaftliche Wahrheit ist, dass Zölle nur die Folge politischer Trennung verschiedener Staaten sind, so muss die Wahrheit auch sein, dass Einigung dieser Staaten zu einem Zoll- und Handelsverband zugleich auch Einigung zu ein und demselben politischen System mit sich führt.“[36] Auch der österreichische Außenminister Metternich erkannte früh die Gefahr für die österreichische Monarchie und sah den Zollverein als "kleine[n] Nebenbund, [...] welcher nur zu bald sich daran gewöhnen wird, seine Zwecke mit seinen Mitteln in erster Linie zu verfolgen."[37] Durch diese Bedrohung des Status Quo im Deutschen Bund und der Rolle Österreichs im deutschen Machtgefüge hielt er ihn bereits 1833 für eine "höchst nachteilige unheildrohende Erscheinung"[38] und versuchte, die Gefahr durch einen österreichischen Beitritt in den Zollverein abzuwenden.[39] Metternich war allerdings trotz der Unterstützung des Handelsministers und österreichischer Industrieller nicht in der Lage, das im hochprotektionistischen Österreich vorhandene Misstrauen gegen Freihandel und liberale Wirtschaftsansätze zu überwinden, obwohl weitere Zeitgenossen einen politischen Machtzuwachs Preußens in Folge der Zollvereinsgründung erwarteten.[40]
Somit greift eine ausschließliche Interpretation des Zollvereins als preußisches Vehikel zur Erringung der Vormachtstellung in Deutschland zu kurz.[41] Vielmehr bildeten für die meisten Staaten wirtschafts- und fiskalpolitische Gründe die Triebfeder für den Beitritt. Den kleineren, meist hoch verschuldeten, Staaten eröffneten die Einküfte des Zollvereins politische Spielräume. Dies galt umso mehr, als der Zollverein half, die Verwaltungskosten zu senken und gleichzeitig Einnahmen generierte, für deren Verwendung keine Rechenschaft abgelegt werden musste. Damit reduzierte der Zollverein den Einfluss der in einigen Staaten wie Baden vorhandenen Kammerparlamente, die Kontrollrechte bezüglich der Steuerpolitik besaßen, oder verzögerte sogar die Konstitutionalisierung anderer Staaten, beispielsweise Preußens.[42]
Auf mittlere Sicht kompensierte der Zollverein im Bewusstsein der Zeitgenossen in einem gewissen Umfang die fehlende nationale Einheit und wirkte gewollt oder ungewollt als Werkzeug der nationalen Integration. Dabei erschienen die liberalen Wirtschaftsinteressen weitgehend deckungsgleich mit denen des preußischen Obrigkeitsstaates. Allerdings gab es durchaus auch Ansätze, die wie Friedrich List eine Zollpolitik im großdeutschen Sinn vertraten oder wie Georg Waitz in der Frankfurter Nationalversammlung in einer auch Österreich umfassenden Zolleinigung die Grundlage für eine dominierende Stellung in Europa sahen.[43] In der liberalen Öffentlichkeit wurde der Zollverein überwiegend positiv bewertet. Während der Deutsche Bund vielfach als Organisation der Restauration und Repression betrachtet wurde, galt der Zollverein als dynamisches und konstruktives Element im gesellschaftlichen Wandel. Die oben erwähnten Forderungen der Heppenheimer Tagung sind auch vor diesem Hintergrund zu sehen.
Als sich in den 1850er Jahren der Steuerverein an den Zollverein anschloss und es zum Abschluss eines Handelsvertrages mit der österreichischen Monarchie kam, schien zeitweise wirtschafts-, aber auch allgemeinpolitisch noch einmal die großdeutsche Lösung eine realistische Option zu sein. Diese Möglichkeit endete 1864, als Preußen durch seine Kündigung des Vertrags auf einen freihändlerischen Kurs drängte. Die Neuverhandlung des Vertrages, bei der die preußische Regierung den Zollverein indirekt auch als Instrument in der Auseinandersetung um die Hegemonie in Deutschland einsetzte, hatte zur Folge, dass Österreich 1865 zollpolitisch zum Ausland wurde.[44]
Der Zollverein in der Zeit der Nationalstaatsgründung

Die Gründung des Norddeutschen Bundes hatte erhebliche Folgen für den Zollverein. Durch die Verfassung des Bundes hörten die bisherigen norddeutschen Staaten auf, Einzelmitglieder des Zollverein zu sein. Dies machte eine völlige Neuordnung nötig. Die Grundlagen dafür wurden auf einer Zollvereinskonferenz im Juni 1867 gelegt. Abgeschlossen wurde der neue Vertrag am 8. Juli 1867 und trat am 1. Januar 1868 in Kraft.[45] Dieser nahm auf der Ebene von Zoll- und Handelspolitik einen einheitlichen Bundesstaat vorweg. Der neue Zollverein verfügte erstmals über für den Bereich des späteren Kaiserreichs geltende Institutionen. Es gab einen Zoll-Bundesrat und ein Zollparlament als Legislative. Die von diesen Organen getroffenen Mehrheitsbeschlüsse waren für alle Mitgliedsstaaten bindend, ein Veto gab es nicht mehr. Ausführendes Organ war das Zollpräsidium. Dieses lag beim preußischen König. Es bereitete Handelsverträge vor und überwachte die Einhaltung der Beschlüsse.
Wie eng der Zollverein dem Norddeutschen Bund verbunden war, zeigt die Struktur seiner Organe. Der Zollbundesrat als Vertretung der Mitgliedsstaaten war nichts anderes als der Bundesrat des norddeutschen Bundes, ergänzt um Vertreter der süddeutschen Staaten. Das Zollparlament wurde wie das des Norddeutschen Bundes durch allgemeine, gleiche und direkte Wahlen bestimmt. Das erste Parlament wurde gebildet indem zu den Abgeordneten des Reichstages des Norddeutschen Bundes die Vertreter aus Süddeutschland hinzugewählt wurden.
Das Zollparlament trat zwischen 1868 und 1870 zu drei Sitzungsabschnitten zusammen. Dabei wurden Grundlagen für eine wirtschaftliche Einheit geschaffen, an die das Deutsche Kaiserreich direkt anknüpfen konnte. [46] Territorial kam zu dieser auch als Zweiter Zollverein bezeichnete Neuorganisation das Gebiet der Provinz Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Schwerin bei.[47] In dieser Zeit wurden auch einige der verbliebenen Sonderregelungen für bestimmte Güter aufgehoben. So verschwanden die einzelstaatlichen Salzmonopole 1867 und die letzten Rheinuferzölle wurden 1868 beseitigt.[48]
Vom Zollverein zum Zollgebiet
Durch die Reichsverfassung von 1871 wurde das deutsche Kaiserreich zu einem einheitlichen Zoll- und Handelsgebiet, wenngleich Hamburg und Bremen bis 1888 als Freihäfen zunächst noch außerhalb des Zollgebiets blieben. Die Zollvereinsverträge blieben zwar bestehen, aber die Funktionen des Vereins gingen auf das Reich über. Dem Reich stand die Zollgesetzgebung und die Zollerhebung an den Außengrenzen zu. Zu Beginn war das Reichskanzleramt für die Wirtschaftspolitik zuständig , später wurden eigene Ressorts geschaffen. Die legislativen Aufgaben übernahm der Reichstag, der Zollverein wurde operativ überflüssig.[49] Ein Relikt war lediglich noch die durch die Zollvereinsverträge bedingte Zugehörigkeit Luxemburgs zum deutschen Zollgebiet, die erst 1919 durch den Versailler Vertrag beendet wurde.[50]
Der Zollverein in der Historiographie
Nach der Reichseinigung wurde der Zollverein von der preußischen Geschichtsschreibung als uneigennützige Leistung Preußens zum Wohle Deutschlands beschrieben. Treitschke machte sich bei der Wertung des Zollverein dabei teilweise die Wahrnehmungen der liberalen Opposition in den 1840ern zu eigen und deutete diese konservativ um. Mit dem Zollverein und dem Deutschen Bund hätten somit „zwei Gemeinwesen [bestanden]: ein Deutschland des Scheines, das in Frankfurt, ein Deutschland der ehrlichen Arbeit, das in Berlin seinen Mittelpunkt fand.“[51] Gustav Schmoller würdigte ebenfalls die preußische Leistung, fokussierte hierbei jedoch den Aspekt der Industrieförderung statt der Nationalstaatspolitik.[52] Diese Sichtweise konnte sich teilweise bis in die 1970er Jahre halten. Wilhelm Treue hat die preußische Wirtschaftspolitik als entscheidenden Faktor der Industrialisierung angesehen und vor diesem Hintergrund den Zollverein anknüpfend an Schmoller und Wilhelm Roscher als „bedeutendstes Ereignis in der deutschen Geschichte“ zwischen 1815 und 1866 bezeichnet.[53]
Da die deutsche Wirtschaftsgeschichtsschreibung noch lange von der historischen Schule der Nationalökonomie beeinflusst war, kamen erste Neuansätze der Forschung aus dem Ausland. Eine Pionierstudie war die Arbeit von William Otto Henderson aus dem Jahr 1939. Damit begann eine insgesamt differenziertere und nüchternere Betrachtung des Gegenstands.[54] Zwar wurde anschließend das preußische Interpretationsmuster vereinzelt in Frage gestellt, umfassende Untersuchungen zum Zollverein erschienen jedoch erst wieder zu Beginn der 1970er Jahre. Eine Ursache waren die politischen Debatten zwischen den Befürwortern der EWG auf der einen und der europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) auf der anderen Seite. Beide Seiten versuchten dabei, ihre Positionen durch den Verweis auf den Deutschen Zollverein historisch zu legitimieren. Während die Verfechter der EWG auf die Vorreiterrolle des Zollvereins für die politische Einigung hinwiesen, argumentierten die Fürsprecher der Freihandelszone, dass der Zollverein auf liberale Weise die Einbindung in die Weltwirtschaft ermöglicht hätte.[55] An diese Diskussion knüpfte Wolfram Fischer an, der den Zollverein als historisches Vorbild der EWG sah. Im Zuge seiner Untersuchungen wurde die fiskalpolitische Bedeutung des Zollvereins herausgearbeitet und abweichend von den Interpretationsmustern Treitschkes der Zollverein nicht als langfristig geplantes System, sondern als "System von Behelfen, das aufgebaut wurde, um dringenden Bedürfnissen nachzukommen"[56] dargestellt. Demgegenüber sah die DDR-Forschung, beispielsweise Karl Obermann, den Zollverein noch in den 1980ern lediglich als ökonomisches Zugeständnis der Reaktion an die Bourgeoisie zum eigenen Machterhalt.[57] In der Zwischenzeit wurde in mehreren Arbeiten insbesondere die Vielschichtigkeit der ökonomischen Vorgänge herausgearbeitet, in die der Zollverein eingewoben war und die sich gegenseitig beeinflussten. Zu den bedeutenderen jüngeren Werken zählen die Arbeiten von Hans-Werner Hahn. Die wirtschaftlichen Folgen neu beschrieben hat etwa Rolf H. Dumke.[58] Einig ist sich die neuere Forschung in der Vielschichtigkeit der Zielsetzungen, die mit dem Zollverein verbunden waren. Dabei herrscht die Tendenz vor, dass die Gründung kaum als Politik der Industrieförderung, sondern aus fiskalischen und machtpolitischen Interessen erfolgte. Dies schließt nicht den Befund aus, dass der Verein sehr wohl zur Förderung der gewerblichen Entwicklung beigetragen hat.[59]
Anmerkungen
- ↑ Abbildung aus William R. Shepherd: The Historical Atlas, 1926, in der Online-Sammlung der University of Texas Libraries.
- ↑ Fischer, Fallstudie, S.111f.; Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S.126
- ↑ Rudolf Renz: Deutscher Zollverein. In: Gerhard Taddey (Hrsg.): Lexikon der deutschen Geschichte, 2. Auflage, Stuttgart 1983: Kröner Verlag, S. 257
- ↑ Siehe Bundesakte bei documentarchiv.de. Vgl. auch Hahn, Zollverein, S. 15
- ↑ Helmut Berding: Die Reform des Zollwesens in Deutschland unter dem Einfluss der napoleonischen Herrschaft. In: Geschichte und Gesellschaft, Heft 4, 1980 S.523-537
- ↑ Friedrich List, zit. nach Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 133
- ↑ Fischer, Fallstudie, S.113, Nipperdey, Bürgerwelt, S.358
- ↑ Berding, S.535f.
- ↑ Fischer, Fallstudie, S.119
- ↑ Angelow, Deutscher Bund, S.63
- ↑ Fischer, Fallstudie, S.120
- ↑ Zollvereinigungsvertrag vom 22. März 1833 bei verfassungen.de
- ↑ Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 134 sowie Renz, Zollverein, S. 257
- ↑ Fischer, Fallstudie, S.113f., Angelow, Deutscher Bund, S.64
- ↑ im wesentlichen nach Angelow, Deutscher Bund, S.61
- ↑ Fischer, Fallstudie, S.114-118, S.121-123
- ↑ Fischer, Fallstudie, S.124
- ↑ Fischer, Fallstudie, S.125
- ↑ Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 134
- ↑ Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 135
- ↑ Hahn, industrielle Revolution in Deutschland, S.22f., S.80f. sowie Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 135
- ↑ Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 139
- ↑ Zorn, Wirtschafts- und Sozialpolitik, S.150
- ↑ Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 132
- ↑ Fischer, Fallstudie, S.123
- ↑ Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 132
- ↑ Fischer, Fallstudie, S.123 sowie Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 132
- ↑ Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 136
- ↑ Fischer, Fallstudie, S.118
- ↑ Münchener Münzvertrag bei muenzen-lexikon.de
- ↑ Dresdener Münzvertrag bei muenzen-lexikon.de
- ↑ Wiener Münzvertrag bei muenzen-lexikon.de
- ↑ Fischer, Fallstudie, S.125
- ↑ Zorn, staatliche Wirtschafts- und Sozialpolitik, S.150
- ↑ Karl Mathy: Versammlung von Kammermitgliedern aus verschiedenen deutschen Staaten; [...]. In: Deutsche Zeitung. Heidelberg 1847, 17 (15. Oktober), S.1. Vgl. auch Roland Hoede: Die Heppenheimer Versammlung vom 10. Oktober 1847. W. Kramer, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-782-90471-0, S. 100ff.
- ↑ zit. nach Nipperdey, Bürgerwelt, S.359
- ↑ zit. nach Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 131
- ↑ zit. nach Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 131
- ↑ Manfred Botzenhart: Reform, Restauration, Krise. Deutschland 1789-1847. Frankfurt, 1985. S.95-104; Wolfram Siemann: Vom Staatenbund zum Nationalstaat. München, 1995. S.337-342; Wehler, Gesellschaftsgeschiche, S. 131
- ↑ Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 131
- ↑ Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 125f.
- ↑ Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 127
- ↑ Wolfgang J. Mommsen: Mitteleuropaidee und Mitteleuropaplanungen. In: Ders. Der Erste Weltkrieg. Anfang vom Ende des bürgerlichen Zeitalters. Bonn, 2004 ISBN 3-89331-540-1 S.96f.
- ↑ Angelow, Deutscher Bund, S.67
- ↑ Vertrag zwischen dem Norddeutschen Bunde, Baiern, Württemberg, Baden und Hessen, die Fortdauer des Zoll- und Handelsvereins betreffend vom 8. Juli 1867 bei verfassungen.de
- ↑ Wolfram Siemann: Gesellschaft im Aufbruch. Deutschland 1848-1871. Frankfurt, 1990. S.289-291
- ↑ Fischer, Fallstudie, S.114.
- ↑ Zorn, Wirtschafts- und Sozialpolitik, S.150
- ↑ Zorn, Wirtschafts- und Sozialpolitik, S.150
- ↑ Artikel 40 des Versailler Vertragss
- ↑ Heinrich von Treitschke: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Leipzig 1879–1894, zitiert nach Dieter Langewiesche: Europa zwischen Revolution und Restauration 1815-1849. 4. Auflage München 1994: Oldenbourg Verlag (=OGG Band 13), S. 126
- ↑ Langewiesche, OGG, S. 126
- ↑ Wilhelm Treue: Gesellschaft, Wirtschaft und Technik Deutschlands im 19. Jahrhundert. In: Gebhardt: Handbuch der deutschen Geschichte, Band 3. 9. Auflage, Stuttgart, 1970 S.377-541, hier zit. nach Hahn, industrielle Revolution, S.76
- ↑ William Otto Henderson: The Zollverein. London, 1939, (2. Auflage 1959), vergl. Hahn, industrielle Revolution, S.80 und Langewiesche, OGG, S. 126
- ↑ Wolfram Fischer: Der deutsche Zollverein, die europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Freihandelszone. In: Ders.: Wirtschaft und Gesellschaft im Zeitalter der Industrialisierung. Göttingen, 1972. ISBN 3-525-35951-9 S.129
- ↑ Fischer, Fallstudie, S. 128
- ↑ Karl Obermann: Deutschland von 1815 bis 1849, 5. Auflage, Berlin (Ost) 1983, zit. nach Langewiesche, OGG, S. 127
- ↑ Hans-Werner Hahn: Geschichte des deutschen Zollvereins. Göttingen, 1984; Rolf H. Dumke: Die wirtschaftlichen Folgen des Zollverein. In: Werner Abelshauser/Dietmar Petzina (Hrsg.): Deutsche Wirtschaftsgeschichte im Industriezeitalter. Königsstein, 1981. S.241-273
- ↑ vergl. etwa Richard H. Tilly: Vom Zollverein zum Industriestaat. Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Deutschlands 1834 bis 1914. München, 1990.
Literatur
Quellen
- Georg von Viehbahn: Statistik des zollvereinten und nördlichen Deutschland. 3. Bde. Berlin, 1858-1868
- Statistische Uebersichten über Waaren-Verkehr und Zoll-Ertrag im Deutschen Zoll-Vereine. Zusammengestellt von dem Central-Bureau des Zoll-Vereins nach den amtlichen Mittheilungen der Zollvereins-Staaten. Berlin 1842-1859
Sekundärliteratur
- Jürgen Angelow: Der Deutsche Bund. Wiss. Buchgesellschaft, Darmstadt 2003, ISBN 3-534-15152-6 S.60-67
- Helmut Berding: Die Reform des Zollwesens in Deutschland unter dem Einfluss der napoleonischen Herrschaft. In: Geschichte und Gesellschaft Heft 4 1980 S.523-537
- Wolfram Fischer: Der deutsche Zollverein. Fallstudie einer Zollunion. In: Ders.: Wirtschaft und Gesellschaft im Zeitalter der Industrialisierung. Göttingen, 1972. ISBN 3-525-35951-9 S.110-128
- Wolfram Fischer: Der deutsche Zollverein, die europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Freihandelszone. In: Ders.: Wirtschaft und Gesellschaft im Zeitalter der Industrialisierung. Göttingen, 1972. ISBN 3-525-35951-9 S.129-138
- Hans-Werner Hahn: Geschichte des Deutschen Zollvereins. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1984. ISBN 3525335008.
- Hans-Werner Hahn: Die industrielle Revolution in Deutschland. München, 2005. (Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd.49) ISBN 3-486-57669-0
- Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat. München, 1998 ISBN 3-406-44038-X
- Heinrich von Treitschke: Die Gründung des Deutschen Zollvereins, Leipzig 1913 (= Auszüge aus Heinrich von Treitschke: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert, Bände II - IV, Leipzig 1879 - 1894)
- Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 2 Von der Reformära bis zur industriellen und politischen Deutschen Doppelrevolution 1815-1845/49. München, 1989. ISBN 3-406-32262-X
- Wolfgang Zorn: Staatliche Wirtschafts- und Sozialpolitik und öffentliche Finanzen 1800-1970. In: Hermann Aubin / Wolfgang Zorn: Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Bd.2 Stuttgart, 1976. ISBN 3-12-90014-9 S.148-197
Weblinks
- Zollverein im Preußenlexikon
- Zollverein. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 16, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/Wien 1885–1892, S. 958.
- Vorlage:Merck's Warenlexikon
- Deutscher Zollverein auf HGIS Germany