Geschichte des Geigenbaus in Klingenthal

Der Geigenbau in Klingenthal entstand durch die Besiedlung des Ortes von Exulanten aus den Habsburger Gebieten im 17. Jahrhundert. Er führte zum wirtschaftlichen Aufstieg des Ortes und prägt bis heute den Musikwinkel um Klingenthal/Sa..
Chronik des Geigenbaus in Klingenthal
Am 1. Februar 1602 erfolgte die erste Erwähnung des Namens "Höllhammer" im Kirchenbuch der Stadt Schöneck. Es lebten dort Hammerschmiede, Bergleute und Köhler. Damals gehörte Quittenbach nicht zu Klingenthal und ist als Lehen in Voigtsberg eingetragen. Im Jahre 1629 hatte Georg Christoph Boxberger von Hellhammer zu Errichtung eines Hammerwerks nachgesucht. Eine Besichtigung fand am 10. Juli 1626 statt und am 2. Oktober 1626 wurde die Belehnung Boxbergs vorgenommen. Seit dem ist Quittenbach Klingenthal einverleibt.

Im Laufe der Jahre zieht der Schichtmeister Christoph Hope (=Hopf) aus Graslitz nach Quittenbach. Sein Sohn (Caspar Hopff) siedelt ebenfalls in Quittenbach als Geigenbauer an. Dies scheint der Beginn des Geigenbaus in Klingenthal zu sein. Später folgen Dörffel, Melchior Lorentz, Hans Georg Ludwig, Christoph Adam Richter und die Söhne Caspar Hopffs. Daraus resultierte eine gute Entwicklung der Geigenbauerinnung, die am 20. Januar 1716 durch Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen genehmigt wurde. Bis dahin waren die Klingenthaler Geigenbauer in den Innungen von Graslitz (gegründet 1669) oder Markneukirchen (gegründet 1677) bzw. in keiner Innung organisiert. Vor der Gründung der Klingenthaler Innung starben Caspar Hopf (1650-1711) und Sohn Johann Michael (1680-1712). Johann Michels Witwe führte die Werkstatt weiter, sie durfte einen Gesellen fördern. Weiterhin waren noch Georg Caspar Hopf (1675-1754), Georg Friedrich Hopf (1687-1734) und Hans Georg Ludwig (vermutl. 1660-1718) als Geigenbauer tätig.
Bereits 1780 beschwerten sich die Meister, dass Lauten und Gamben außer Gebrauch gekommen seien. Der Bau dieser war für den Erwerb des Meisterbriefes vonnöten. Die Klingenthaler Geigenmacher waren bestrebt ihre Instrumente an Markneukirchner Händler zu liefern. Daraus resultierte ein 150 Jahre anhaltender Geigenkrieg zwischen den beiden Ortschaften. 1695 datiert der erste Result, dass kein Geigenmacher eines Ortes im anderen seine Geigen verkaufen dürfte. Am 4. Juli 1780 ließ sich Johann Carl Pfretzschner aus Markneukirchen in Klingenthal zum Meister küren.
Klingenthals zweiter Organist war David Christian Havemann. Er war Geigenbauer und Acciseinnehmer. Havemann bekleidete dieses Amt von etwa 1740 bis 1788. Es folgte sein Sohn Friedrich Wilhelm als Organist bis 1774, auch er war Geigenmacher. Ihm folgte Johann Georg Ströz, Musikinstrumentenhändler (starb im Mai 1804). Danach wurden Organisten aus anderen Berufen eingesetzt. Auf ihre Geigenzettel schrieben die Erwähnten gern ihren Beruf (Organist und musikalischer Instrumentenmacher).
Den Klingenthalern machte die Patrimonialgesetzgebung zu schaffen. 1770 erfolgte deren Abschaffung. Die Innungsmeister führten langatmige Streitereinen um Befreiung ihrer Söhne von landwirtschaftlichen Fronen und vom Militärdienst. Diesem Anliegen wurde entsprochen. Von 1789 bis 1809 dauerte die Auseinandersetzung wegen der Freistellung vom Wehrdienst.
Das 100-jährigen Jubiläum der Erbauung der Kirche "Zum Friedefürsten" (1837) und der Feier der 300-jährigen Einführung der Reformation (1839) sah die Geigenmacher-Innung präsent. Als König Friedrich August II. Klingenthal am 5. August 1846 besuchte, war eine Reihe Musikinstrumente ausgestellt. Am 23. Juli 1860 weilte König Johann in Klingenthal. Er ließ sich die Situation der Werkstätten ausführlich schildern. Dazu hatte die Geigenmacherinnung eine Ausstellung mit eingerichtet. Der Absatz von Instrumenten verlief in diesen Jahren auf und ab. Vor allem der amerikanische Bürgerkrieg machte den Handwerkern zu schaffen, da Amerika der Hauptmarkt für Instrumente aus dem Vogtland war. Die Einweihung der Musikschule fand am 1. November 1843 statt und 60 junge Leute meldete sich.
Wirtschaftsaufschwung in Klingenthal
1829 kam es in Klingenthal zum großen Umschwung. Die Holzkammfertigung und Mundharmonikaindustrie fanden (u. a. durch Johann Wilhelm Rudolph Glier) Eingang in Klingenthal. 1852 folgte dann der Akkordeonbau. Dadurch fanden große Teile der Bevölkerung Arbeit bei sofortiger Bezahlung. Auch Geigenbauer wandten sich der neuen Beschäftigung zu, denn das Arbeitsfeld erforderte wenig Geschicklichkeit und es entfiel die Gesellenwanderzeit. Vorher musste ein Geigenmacher Fördergeld zahlen und konnte bei nötiger Gewandtheit in ein paar Jahren damit rechnen, als angesehener Geigenmacher zu gelten. Er musste Werkzeug und Werkstatteinrichtung stellen, Klangholz kaufen, Steuern zahlen und für Absatz seiner Produkte sorgen. Hier vergingen Jahre, ehe man als Geigenbauer richtig verdiente. Nach 30 Jahren war die Blütezeit der Holzkammfertigung vorbei. Die Arbeiter wechselten in die Harmonikafabriken über. 1862 besaß der Geigenbau 166 Einzelwerkstätten.
Auflösung der ersten und spätere Gründung der zweiten und letzten Innung
1887 löste sich die Geigenmacher-Innung auf. 1868 gründete Julius Berthold seine Firma zur Herstellung von Maschinen für den Musikinstrumentenbau. Zur mechanischen Herstellung von Böden und Decken erfand der Klingenthaler Ingenieur William Thau 1904 eine Kopierfräsmaschine. 1888 begann die Orchestrion-Herstellung. 1895 verkündet die Handels- und Gewerbekammer Plauen, bei der Firma F.O. Glaß seien die ersten Streichkonzert-Orchestrions entwickelt worden. Am 28. November 1913 erfolgte die Gründung der "Musikinstrumentenbauer-Innung Brunndöbra und Umg.". Dies bedeutet ein Aufflammen der alten Geigenmachertradition. Zu dieser Zeit waren 55 Geigen-, Violoncello- und Kontrabassmacher Mitglieder der Innung. 1933 waren es noch 45 Meister und 6 Gesellen (23 Geigenmacher waren 54 bis 80 Jahre alt). 1934 wurde Otto Goram als Obermeister eingesetzt. Im Jahre 1945 übernahm Max Richard Herold als Obermeister die Leitung. Mit seinem Tod erlosch am 9. April 1975 die Innung.
Gegenwart
Im Jahr 1997 entstand in Klingenthal die Fachschule für Musikinstrumentenbau. So wurden erstmals nach dem 2. Weltkrieg in Klingenthal wieder Geigenbauer ausgebildet. Dadurch gewann der Ort für den Geigenbau erneut an Bedeutung, denn neben der Klingenthaler Schule gibt es in Deutschland nur noch die Geigenbauschule in Mittenwald. Auch zur Geigenbauschule in Luby hatte man regen Kontakt, bis diese schloss. Nachdem es nun lange Zeit keinen Geigenbauer mehr in Klingenthal gab, wurde im Januar 2006 wieder eine Geigenbauwerkstatt gegründet. Christine Steidler ist im Moment die einzige Geigenbau-Meisterin in Klingenthal.
Statistik der Geigenbauer zwischen 1728 und 1896
(1871 war im Klingenthaler Amtsbezirk über 1/3 sämtlicher Arbeitskräfte in der inzwischen vorherrschenden Harmonikaindustrie beschäftigt)
Werdegang eines Geigenmachers
Als Geigenmacherlehrlinge kamen nur eheliche Söhne ehrlicher Eltern in Betracht. Die Söhne von Totengräbern, Hirten und Schindern waren davon ausgeschlossen. Ein 14tägiger Probedienst sollte überhaupt erst die Eignung erkennen lassen. Erst dann konnte der Vater beim Obmann um Aufdingung feines Sohnes ansuchen. Diese wurde vorgenommen, wenn er 2 Gulden in die Innungslade und 2 Gulden ins Amt zahlte, außerdem noch 4 gr. Fordergeld entrichtete. Doch schützte die Innung auch den Lehrmeister insofern, als sie ihm die Aushändigung des Lehrgeldes (einschließlich Kost und Wohnung) in Höhe von 16 Gulden sicherstellte. Der Vater hatte der Innung für die Zahlung Kaution oder Bürgen zu stellen. Nun begann die 4jährige Lehrzeit. Jeder Meister hatte immer nur einen Lehrling zu halten, damit keiner vernachlässigt würde und sich etwa zum Pfuscher entwickeln müsste.
Nach ausgestandener Lehre erfolgte der Freispruch gegen Entrichtung einer Schreibgebühr von etlichen Groschen, während später eine Abgabe dafür fällig war. Wahrscheinlich war diese nur die Ablösung für den Lehrbraten und der zwei Eimer Bier, die nach den Artikeln von 1716 jeder Freigesprochene zu geben hatte. Die Meistersöhne waren vom Lehrbraten befreit. Sie waren zur Entrichtung des Geldes für 1 Eimer Bier verpflichtet.
Auch sonst genossen ursprünglich die Meistersöhne verschiedene Vorteile. Man wollte jedenfalls durch die hohen Beiträge verhindern, daß allzuviele Fremde in das Gewerbe kamen, daß es zu sehr verbreitet würde und dadurch die Lage des ganzen Standes verschlechtert würde. Die Schwiegersöhne der Meister waren den Söhnen gleichgesetzt.
Der neue Geselle sollte nun 2 Jahre sich ununterbrochen in der Fremde aufhalten. Durch vorzeitige Heimkehr abgebrochene Wanderschaft sollte vollkommen ungültig sein. Befreien konnte davon nicht die Innung, sondern nur die landesfürstliche Regierung. Wanderziele konnten natürlich nur Gebiete sein, in denen der Geigenbau heimisch war, so Böhmen, Oberbayern, Tirol, Salzburg und vielleicht auch Italien. Es sind nirgends Unterlagen vorhanden, ob wirklich die Wanderschaft so streng durchgeführt wurde. Tatsache ist, daß sie nach 1840 nicht mehr eingehalten wurde.
Nach den ursprünglichen Festsetzungen sollte der heimgekehrte Geselle das Recht haben, um die Meisterwerdung nachzusuchen. Er musste an drei aufeinanderfolgenden Quartalen seinen Wunsch vor offener Lade vorbringen, d.h. er sollte "muthen". Dabei zahlte er jedesmal seinen Mutgroschen oder das Fordergeld. Nun wurde die Zeit angesetzt, zu welcher er seine Meisterstücke anfertigen musste. Das sollte unter Aufsicht dazu abgeordneter Meister stattfinden, wahrscheinlich "damit nicht frembde Hülffe gebrauchet würde", wie es auch in Markneukirchen gehandhabt wurde, "zwischen früh und abends 6 Uhr, unter Aufsicht des Obmanns und zweier Vormeister am ersten Tag, später nur des einen Vormeisters bei Beginn und Schluß der Tagesarbeit"
zu fertigende Instrumente zum Erwerb des Meisterbriefes
Als Meisterstück wurde folgendes von der Innung verlangt:
- eine Violine oder Discant-Geige von schönem Holz und gutem Firniss
- eine tüchtige und wohlformierte Laute
- eine tüchtige und wohlklingende Viola da Gamba
- eine tüchtige Davids-Harfe
- und zwar alle Stücken ohne Tadel und Flecken
Stammbäume
Dörffel
Johann Gottfried Dörffel 1731-1800 | _____________|__________________ | | | Johann Gottfried Carl Friedrich Christian Friedrich 1765-1844 1767-1830 1775-1847 | _______________|_____ | | Christian Friedrich Carl Friedrich 1800-1867 1803-1857
Egerland=Egerländer
Georg + 1749 Pachtmann in Brunndöbra | __________|_____ | | Georg Friedrich Johann Christoph 1709-1772 1718-1801 | _______________|_________________________________ | | | Christan Friedrich Johann Christian Christoph Carl 1733 - ? 1746-1820 1752-vor 18714 | ________________________________________________|____ | | | Friedrich August Carl August Carl Friedrich vor 1784- vor 1845 1784-1842 1787-1861 | Carl Wilhelm 1819-1855
Liste von Geigenbauern aus Klingenthal im Vogtland
(die Liste ist nicht komplett und kann noch ergänzt werden)
vor Gründung der Klingenthaler Innung
- Caspar Hopf, Quittenbach (1650-1711)
- Johann Georg Dörfel (* ca. 1655) ab 1682 in Klingenthal (vorher Schöneck), Exulantensohn
- Hans Georg Ludwig (vermutl. 1660-1718)
- Georg Caspar Hopf (1675-1754)
- Johann Michael Hopf (1680-1712)
nach Gründung der Klingenthaler Innung
- Sebastian Dörfel ab 1682 in Klingenthal nachweisbar
- Georg Friedrich Hopf (1687-1734)
- Andreas Hoyer senior, Klingenthal (1703-1780)
- Johann Georg Meisel, Klingenthal (1710-1779)
- Georg Christoph Meinel, Klingenthal Untersachsenberg (*1717)
- David Christian Hopf senior, Klingenthal, Zwota (1734-1803)
- Johann Friedrich Hoyer, Klingenthal (1738-1815)
- Friedrich Wilhelm Meisel, Quittenbach (1749-1814)
- Friedrich August Glaß senior, Klingenthal, Untersachsenberg, (1774-1833)
- Friedrich Wilhelm Guthmann senior, Klingenthal (1779-1849)
- Christian Friedrich Goram, Untersachsenberg (1790-1865)
- Carl Christian Meisel, Klingenthal (1790-1876)
- Carl Christian Hopf, Klingenthal (*1791)
- Johann Friedrich Lorenz, Klingenthal-Untersachsenberg (Meister 1792)
- Carl Friedrich Hopf junior, Klingenthal, Brunndöbra (1811-1891)
- Friedrich August Meisel, Klingenthal (1817-1894)
nach Auflösung der ersten Klingenthaler Innung
- Carl Louis Meisel, Klingenthal (1847-1905)
- David Hopf Klingenthal
- Robert Schmerler, Zwota
- Friedrich August Meisel, Klingenthal
- Christian Reichel
Literatur
- Bernhard Zöbisch, Vogtländischer Geigenbau bis 1850, ISBN 3-89570-594-2.
- Bernhard Zöbisch, Vogtländischer Geigenbau Biographien und Erklärungen ab 1850, ISBN 3-89570-797-X.
- Wir-Verlag Walter Weller (Hrsg.): Klingenthal. Wir-Verlag Walter Weller, Aalen 1991, ISBN 3-924492-59-X.
- Kurt Erich Dörfel: Geschichte der Orte des Amtsbezirks Klingenthal. Verlag Gustav Bergmann, Klingenthal 1930.
Weblinks
Niederländische Seite über die Hopf-Geigenbauer