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Krimkrieg

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Der Krimkrieg (auch Orientkrieg) fand von 1853 bis 1856 zwischen Russland einerseits und dem Osmanischen Reich, Frankreich, Großbritannien und ab 1855 auch Piemont-Sardinien (dem politisch prägenden Vorläuferstaat des späteren Italien) andererseits statt. Er begann als neunter russisch-türkischer Krieg. Der Versuch Russlands, sein Gebiet auf Kosten des Osmanischen Reiches zu vergrößern, wurde durch den Einsatz der Alliierten verhindert. Der Krimkrieg gilt als erster der modernen Stellungskriege und als besonders schlecht vorbereitet.

The Thin Red Line, Gemälde von Robert Gibb, von 1881, zeigt die 93rd Sutherland Highlanders im Kampf gegen russische Kavallerie bei Balaklawa

Anlass und Ursache des Krimkriegs

Historisches Foto des Eingangs der Grabeskirche, Jerusalem

Das Protektorat des Zaren über das Heilige Land

Äußerer Anlass des Krieges waren religiöse Konflikte um die Nutzung der Kirche zum Heiligen Grab in Jerusalem. Den Besitzanspruch auf diese heilige Stätte teilten sich bis dahin die Anhänger der verschiedenen christlichen Konfessionen. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts hatten die Griechisch-Orthodoxen Christen aber ihre Stellung bei der Nutzung der Kirche ausgeweitet. Die Katholiken versuchten nun, mit Unterstützung des im Dezember 1852 zum Kaiser der Franzosen ausgerufenen Napoléon III., diese Situation zu verändern. Der russische Zar Nikolaus I. verlangte daraufhin zum Schutz der orthodoxen Christen im osmanischen Reich das Protektorat über sie im Heiligen Land (der Region Palästinas). Der osmanische Sultan und die katholischen Franzosen wollten sich mit einer russischen Vorherrschaft über die Christen in Palästina aber nicht einverstanden erklären.

Der „kranke Mann am Bosporus“

Die eigentliche und tiefer liegende Ursache des Krieges war jedoch der innere Zerfall des osmanischen Reiches, das von den Medien der Zeit als Kranker Mann am Bosporus persifliert wurde. Russland sah darin eine Chance, seinen Machteinfluss in Europa stärker geltend zu machen und insbesondere einen Zugang zum Mittelmeer und auf den Balkan zu bekommen. Die osmanische Herrschaft auf dem Balkan schien gefährdet und Russland drängte darauf, die Kontrolle über die wichtigen Meerengen des Bosporus und der Dardanellen zu erhalten. Bereits früher hatte der russische Zar vergeblich versucht, die Regierungen Österreichs und Großbritanniens für eine Aufteilung des Osmanischen Reiches zu gewinnen. England und Frankreich sperrten sich aber gegen diese russische Expansion. Sie wollten nicht, dass die Schlüsselpositionen in russische Hände fielen und unterstützten die Osmanen, um den Status quo zu erhalten und damit ihre eigene Machthoheit in Südosteuropa an den osmanischen Grenzen zu sichern. In der sog. Orientalische Frage über Sein oder Nichtsein des Reiches waren sie der Meinung, dass das Osmanische Reich, das in jener Zeit noch immer eine gewaltige Ausdehnung besaß, erhalten werden musste. Sein Zusammenbrechen hätte ein Machtvakuum verursacht. Für Großbritannien, den zu der Zeit wichtigsten Handelspartner des Osmanischen Reiches, ging es außerdem darum, die Verbindungswege nach Indien zu kontrollieren und die Vormachtsbestrebungen Russlands in Asien zu unterbinden (The Great Game).

Panslawismus

Datei:Zar Nikolaus 1.jpeg
Zar Nikolaus I.

Die russische Motivation, das Osmanische Reich zu zerschlagen, lag jedoch nicht allein in geopolitischen Interessen begründet. Sie basierte auch auf dem in großen Teilen der russischen Gesellschaft seit Beginn des 19. Jahrhunderts verbreiteten Panslawismus und dem Wunsch, die orthodoxen slawischen Völker des Balkans von der in den Augen dieser Bewegung repressiven osmanischen Herrschaft zu befreien. Meldungen über blutige Niederschlagungen regelmäßig aufflackernder Freiheitskämpfe der Balkanslawen empörten die russische Öffentlichkeit und ließen dort Rufe nach einem Eingreifen laut werden. Auch in der zeitgenössischen russischen Literatur finden sich Zeugnisse der vorherrschenden Stimmungen, so beispielsweise in Turgenews Roman Am Vorabend. Im Zeitalter der europaweit verbreiteten romantischen Nationalismen wurde Russland von vielen slawischen Bevölkerungsgruppen als natürliche Schutzmacht der Balkanslawen betrachtet. Nach Beginn des Krieges schien die Rückeroberung des bis zur Einnahme durch die Türken/Osmanen im Jahr 1453 byzantinisch-orthodoxen Konstantinopels zum Greifen nah, nachdem die russische Armee bereits 1830 knapp vor seinen Toren gestanden hatte.

Verlauf des Krieges

Die Mission Menschikows

Fürst Menschikow

Ende Februar 1853 wurde Fürst Menschikow vom Zaren nach Konstantinopel entsandt. Menschikow überbrachte eine Reihe von Forderungen an das osmanische Reich, wobei offensichtlich banale Foderungen mit solchen, die für den Sultan unerfüllbar waren, verbunden wurden. So wurde das Vorrecht orthodoxer Christen an den heiligen Stätten und die Ausbesserung der Kuppel über dem Christusgrab, ohne Mitwirkung der Katholiken, verlangt. Der Sultan war bereit, einen Teil dieser Forderungen anzuerkennen. Doch Russland stellte weitere Bedingungen und Menschikow provozierte durch sein Auftreten den Abbruch der Verhandlungen. Der Sultan lehnte, unterstützt durch den britischen Botschafter, schließlich die russischen Forderungen ab. Dadurch hatte Russland den Vorwand für die militärische Eskalation des Konflikts. Menschikow reiste am 21. Mai 1853 zurück, Russland brach die diplomatischen Beziehungen zum Osmanischen Reich ab und begann mit der Besetzung der Donaufürstentümer (Moldau und Walachei auf dem Gebiet der heutigen Staaten Moldawien und Rumänien).

Kampfhandlungen an der Donau

Die Schlacht von Sinope, von Ivan Aivazovsky

Am 3. Juli 1853 besetzten russische Truppen mit 80.000 Soldaten, unter Fürst Michael Gortschakow, die Donaufürstentümer Walachei und Moldau. Das Osmanische Reich erklärte, nach mehreren diplomatischen Versuchen der Beilegung, schließlich am 16. Oktober 1853 Russland den Krieg. Der osmanische General Omar Pascha rückte daraufhin gegen die russische Armee an der Donau vor und errang am am 4. November einen ersten Sieg bei Oltenitza.

Am 30. November desselben Jahres griff die russische Schwarzmeerflotte, unter Vizeadmiral Nachimow den osmanischen Hafen Sinope mit Sprenggranaten an und schoss sämtliche dort liegenden Schiffe in Brand.

Ende März 1854 erklärten die Regierungen Großbritanniens und Frankreichs Russland den Krieg, um eine russische Machtausweitung zu verhindern. Beide Länder hatten ihre Mittelmeerflotten bereits 1853 in die Einfahrt zu den Dardanellen und 1854 ins Schwarze Meer entsandt.

Datei:Omerpasha.jpg
Omar Pascha

Die russische Armee begann Ende April 1854 mit der Belagerung der strategisch wichtigen Festung Silistria. Omar Pascha führte am 10. Juni eine Entsatzarmee heran und war in den Kämpfen vor Silistria erneut siegreich. Die osmanische Armee kämpfte, nicht zuletzt Aufgrund der Reformen durch preußische Offiziere wie Moltke, deutlich erfolgreicher als im Russisch-Türkischen Krieg von 1828–1829. Die Belagerung von Silistria musste deshalb am 23. Juni, nach 55 Tagen, von den Russen aufgegeben werden und Omar Pascha rückte am 22. August in Bukarest ein.

Österreich, das erst 1849 beim Aufstand der Ungarn mit Hilfe Russlands vor dem Zerfall gerettet wurde, „eilte die Welt mit seiner Undankbarkeit zu verblüffen“, wie ein Zeitzeuge schrieb. Am 3. Juni 1854 forderte Österreich Russland auf, sich aus den Donaufürstentümern zurückzuziehen und besetzte diese nach dem russischen Abzug selbst. In die Kampfhandlungen griff Österreich aber nicht ein. Im Oktober 1854 wurden jedoch 300.000 Mann an der russischen Grenze zusammengezogen, wodurch erhebliche russische Streitkräfte gebunden wurden. Auf diese Weise spielte Österreich eine wichtige Rolle im Krimkrieg, obwohl es sich nicht aktiv am Kriegsgeschehen beteiligte - und verärgerte letztlich beide Parteien.

Am 25. Juni 1854 landeten die alliierten französisch-britischen Truppen bei Varna, als der Rückzug der Russen hinter die Donau und später hinter den Pruth bereits begonnen hatte. Bereits kurz nach der Ankunft in Varna traten große Verluste bei den Verbündeten durch Krankheiten auf.

Die westlichen Alliierten waren enttäuscht vom freiwilligen Rückzug der Russen. Napoleon III. suchte einen militärischen Erfolg um seinen Großmachtambitionen gerecht zu werden und Premier Lord Aberdeen erwartete vom Krieg einen Sympathiegewinn bei der russenfeindlichen Öffentlichkeit. Frankreich und England weigerten sich daher, einen Waffenstillstand ohne einen deutlichen Sieg über Russland abzuschließen. Da ein Marsch ins Innere des russischen Reiches nicht Erfolg versprechend erschien, beschlossen die Alliierten die russische Festung Sewastopol auf der Halbinsel Krim anzugreifen.

Obwohl der Angriff auf die Krim bereits beschlossen war, marschierten drei französische Divisionen Ende Juli in die Dobrudscha, um ein vermeintlich dort stehendes russisches Korps zu bekämpfen. Nachdem, beim Marsch, erneut große Verluste durch Krankheiten auftraten, kehrten die Truppen nach Varna zurück. Am 8. September schifften sich die Alliierten schließlich ein, um die Krim anzugreifen.

Die Kämpfe im Baltikum

Beschuss von Sveaborg

Bereits am 11. März 1854 liefen die ersten englischen Dampfschiffe unter Charles Napier in die Ostsee aus, um russischen Häfen zu blockieren. Da die russische Flotte sich nicht zum Kampf stellte, wurden in den kommenden Wochen russische Werften und Häfen in Finnland angegriffen oder beschossen.

Im August 1854 griffen die Alliierten mit ca. 12.000 Mann Landungstruppen unter General Baraguay d'Hilliers die Festung Bomarsund an. Die Besatzung der Festung verfügte zwar über hunderte von Geschützen, die Verteidigung zur Landseite war aber schwach. Zudem war die Festung noch nicht gänzlich fertig gestellt. Die Russen unter General Bodisco kapitulierten am 16. August; über 2.200 Russen gingen in Gefangenschaft. Nach Besetzung der Inseln wurden die Forts der Festung gesprengt.

1855 bombardierten die Alliierten für zwei Tage die Docks in Sveaborg bei Helsinki. Aus mehr als 1.000 Geschützen wurden über 20.000 Schuss abgefeuert.

Die Kämpfe auf Kamtschatka

Am 18. August 1854 unternahm ein britisch-französischer Schiffsverband aus 3 Fregatten, 2 Corvetten und einem Dampfschiff einen Angriff auf die fernöstliche russische Stadt Petropawlowsk-Kamtschatski. Die Stadt wurde jedoch in den Jahren zuvor dank der Voraussicht des Fernost-Gouverneurs Nikolai Murawjow-Amurski befestigt. Die Russen hatten allerdings eine nur kleine Garnison und 67 Kanonen. Ihnen gegenüber standen zahlenmäßig überlegene alliierte Landungstruppen und 218 Schiffskanonen. Nach langem Beschuss landeten ca. 600 Soldaten südlich der Stadt, wurden jedoch nach schweren Gefechten von 230 Verteidigern abgewehrt und zum Rückzug gezwungen. Am 24. August landeten weitere 970 Alliierte im Osten, konnten sich aber ebenfalls nicht gegen 360 Russen durchsetzen. Danach verließen die Schiffe russische Gewässer.

Die Verluste der Russen betrugen ca. 100 Mann, während die Veluste der Engländer und Franzosen etwa fünf mal höher waren.

Der Krieg auf der Krim

Die Schlacht an der Alma

Lord Raglan, Fotografie von Roger Fenton

Am 14. September 1854 waren die verbündeten Briten und Franzosen nördlich von Sewastopol, in der Bucht von Jewpatorija auf der Krim gelandet. Sechs Tage später marschierten die Alliierten landeinwärts wo sie am Fluss Alma von den Russen unter Fürst Menschikow, der inzwischen Oberbefehlshaber der russischen Truppen war, erwartet wurden. Meschikow hatte eine gut ausgebaute Stellung bezogen. Nach Schwierigkeiten bei der Koordination des Angriffs der Alliierten zwischen den Oberbefehlshabern Marschall Arnaud und Lord Raglan konnten die Alliierten in der Schlacht an der Alma den ersten Sieg erringen.

Am 9. Oktober begannen die alliierten Truppen mit der Einschließung Sewastopols. Die russische Schwarzmeerflotte hatte sich im Hafen der Stadt versenkt und verhinderte damit einen Angriff der Alliierten unter Unterstützung ihrer Flotte. Die Befestigungsanlagen waren hauptsächlich nach Norden, zur Seeseite, ausgerichtet. Aus diesem Grund entschieden sich die Alliierten, Sewastopol von Süden zu belagern, wobei die Stadt nie vollständig eingeschlossen wurde. Der deutschbaltische Ingenieuroffizier und spätere General Eduard Iwanowitsch Totleben ließ deshalb kurzfristig ein System von Feldschanzen, Batteriestellungen und Schützengräben anlegen, welches die fast einjährige Verteidigung der Festung ermöglichte.

Die Belagerung war gekennzeichnet durch katastrophale medizinische Zustände bei den Alliierten. So starben der französische und der britische Oberbefehlshaber Saint-Arnaud und Raglan an Krankheiten. Bereits kurz nach Beginn der Belagerung musste Saint-Arnaud wegen Krankheit den Oberbefehl an François Certain de Canrobert abgeben. Er starb am 29. September 1854 an Bord der Bertholet, die ihn nach Frankreich zurückbringen sollte. Canrobert legte aber, da er trotz aller Anstrengungen keine entscheidenden Erfolge erringen und sich mit den Engländern nicht verständigen konnte, im Mai 1855 das Kommando wieder nieder, um Marschall Aimable Pélissier Platz zu machen, und übernahm wieder das Kommando des I. Korps.

Balaklawa - Der Todesritt der leichten Brigade

Charge of the Light Brigade („Attacke der Leichten Brigade“), Gemälde von Richard Caton Woodville (1825-1855)

Ein Versuch der Russen, die Belagerung zu beenden, führte am 25. Oktober 1854 zur Schlacht von Balaklawa. Während der Belagerung von Sewastopol hatten die Briten ihre Basis in der Hafenstadt Balaklawa errichtet. Die Russen hatten eine Entsatzarmee aus Bessarabien herangeführt und sich etwa 8 Kilometer entfernt mit 25.000 Mann und 78 Kanonen unter ihrem Befehlshaber Graf Lipandi versammelt. Lipandi besetzte die Höhen und der Weg zum Hafen schien frei zu sein. Allerdings zögerten die Russen, so dass Lord Raglan Zeit hatte, seine Truppen heranzuführen. Nach dem erfolgreichen Einsatz der schweren Kavalleriebrigade fand der Todesritt der leichten Brigade (engl. Charge of the Light Brigade) statt. Diese Attacke, in ein Tal welches von drei Seiten von russischer Artillerie eingeschlossen wurde, erlangte auf Grund ihrer großen Verluste und der Verwirrungen bei der Befehlsübermittlung, die zum Angriff geführt hatten, eine tragische Berühmtheit. Die Schlacht endete unentschieden und führte nicht zur Aufhebung der Belagerung.

Am 5. November 1854 versuchten die eingeschlossenen Russen einen Ausfall gegen die britischen Truppen, der zur Schlacht von Inkerman führte. Die Russen versuchten den Briten in die Flanke zu fallen indem sie die Hügel am nördlichen Ende der britischen Stellung besetzten. Ca. drei Stunden lang verteidigten ungefähr 8.000 Briten ihre Stellung gegen rund 30.000 Russen in erbitterten Kämpfen. Dann griffen französischen Zuaven und Fremdenlegionäre die Russen wiederum in der Flanke an und zwangen diese zum Rückzug.

Die Belagerung Sewastopols

zeitgenössische Karte der Belagerung von Sewastopol

Seit Oktober 1854 fanden wechselseitige Beschießungen der Stellungen statt, bei der bis dahin ungekannte Mengen von Granaten benötigt wurden. Der britische Chefingenieur John Fox Burgoyne sah das Zentrum der russischen Stellung im Fort Malakow und konzentrierte das Feuer der Alliierten dort.

Im Mai 1855 standen 35.000 Briten und 100.000 Franzosen auf der Krim. Ende Mai trafen dazu noch 14.000 Italiener ein. Omar Pascha hatte die Krim mit einem Teil seiner Armee verlassen, weil seine Truppen nur für Arbeitsdienste herangezogen wurden und weil er das Vordringen der Russen auf dem asiatischen Kriegschauplatz verhindern sollte. Der russische Oberbefehlshaber Menschikow wurde durch Fürst Michael Gortschakow ersetzt, der bereits den Angriff auf Silistria geführt hatte. Am 28. Juni 1855 starb Lord Raglan an der Cholera, sein Nachfolger wurde Sir James Simpson. Am 11. Juli starb auch der von einem Scharfschützen tödlich verwundete Admiral Nachimow. Dieser hatte bis dahin die Verteidigung der Stadt und ihres Hafens geführt.

Die alliierten Flotten beherrschten das Schwarze Meer, versenkten Transportschiffe und beschossen sowohl militärische als auch zivile Objekte an der Küste. Am 16. August versuchten die Russen noch einmal vergeblich die Belagerung durch die Schlacht bei Tschernaja aufzuheben.

Der Kampf um die Festung Sewastopol erreichte seinen Höhepunkt und den gleichzeitigen Abschluss, nach fast einjähriger Belagerung, mit der Erstürmung des Forts Malakow. Nach seiner Eroberung durch französische Soldaten unter dem von General Patrice de Mac-Mahon am 8. September 1855 mussten die russischen Verteidiger die gesamte Stadt Sewastopol räumen. Da die Festung die Kontrolle des Schwarzmeerhafens von Sewastopol ermöglichte, sprengten die russischen Truppen die Anlagen und zogen sich zurück.

Der Krieg in Asien

Datei:Alexander II (Russia).jpg
Alexander II.

Auf dem asiatischen Kriegsschauplatz kämpften die Russen erfolgreicher. Für die Verteidigung des armenischen Hochlandes hatten die Osmanen die Armeekorps von Kleinasien, Mesopotamien und ein Teil des Korps von Syrien konzentriert. Am 26. November 1853 schlug General Andronikow mit 10.000 Mann das türkische Hauptkorps bei Suplis in die Flucht. General Bebutow siegte an der Spitze eines Korps der kaukasischen Armee am 1. Dezember 1853 bei Kadiklar über Abdi Pascha, wodurch die beabsichtigte Invasion der Türken in das russische Armenien vereitelt wurde. Am 16. Juni 1854 war Andronikow gegen 30.000 Türken bei Osurgeti erneut erfolgreich und konnte Mingrelien für Russland sichern. Im Juli drang der russische General Wrangel in Bajesid ein. 1855 wurde General Murawjew zum Oberbefehlshaber der kaukasischen Armee ernannt. Dieser marschierte im Juni 1855 im osmanischen Teil Armeniens ein und wurde dort von der Bevölkerung freundlich begrüßt. Von Anfang Juni bis Ende November 1855 belagerte Murawjew die wichtige Festung Kars im Nordosten Anatoliens. Omar-Pascha, der in den Donau-Fürstentümern so erfolgreich war, wurde entsandt um Kars zu entsetzten. Sein Ablenkungsangriff auf Kutaissi wurde aber durch General Bebutow vereitelt und am 29. November konnte Murawjew Kars einnehmen. Dieser Erfolg gestattete Russland trotz des Verlustes von Sewastopol, moderate Friedensverhandlungen zu führen.

Das Ende des Krieges

Im November 1855 besuchte der der neue russische Zar Alexander II. selbst die Krim, wo dieser sich von der Notwendigkeit überzeugte, Frieden zu schließen. Am 30. März 1856 schloss Russland deshalb mit seinen Kriegsgegnern - dem Osmanisches Reich, Großbritannien, Frankreich und Sardinien sowie den nicht kriegführenden Staaten Preußen und Österreich - den Frieden von Paris. Darin wurde die Integrität der Türkei erklärt. Die Donaumündungen und ein Teil Bessarabiens gingen an das Fürstentum Moldau. Die Schifffahrt auf der Donau wurde frei gegeben, das Schwarze Meer zu einem neutralen Gebiet erklärt.

Politische, militärische und publizistische Bedeutung des Krimkriegs

Politische Bedeutung

Vorlage:Russisch-Türkische Kriege Der Krimkrieg ist heute im historischen Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit fast verdrängt, obwohl er militärhistorisch und politisch für die Machtentwicklung und -verteilung unter den europäischen Staaten eine hohe Bedeutung hat. Diesbezüglich bildete der Krieg bzw. das Friedensabkommen von Paris die zweite machtpolitische Zäsur des 19. Jahrhunderts in Europa nach dem Wiener Kongress von 1815.

Ein Resultat des Krimkriegs war das Ende der Heiligen Allianz zwischen Österreich, Russland und Preußen, das im Krieg neutral geblieben war. Die Beziehungen zwischen Preußen und Russland verbesserten sich. Österreichs Beziehungen zu Preußen wurden angespannter, zu Russland zerrütteten sie. Österreich lief Gefahr, von England und Frankreich unter Napoléon III., das diplomatisch ebenfalls näher an Russland heran rückte, isoliert zu werden. Die bisherige Vormachtstellung Österreichs im Deutschen Bund wurde ersetzt durch die zunehmende Entfaltung der preußischen Monarchie, ab 1862 unter der von König Wilhelm I. eingesetzten Regierung des Ministerpräsidenten Otto von Bismarck. Damit veränderte sich langfristig die, zwischenstaatlich seit dem Wiener Kongress, trotz vieler inneren Unruhen in den jeweiligen Staaten, relativ stabil scheinende, europäische Mächtekonstellation nachhaltig zu Ungunsten Österreichs. Die Kosten der Mobilisierung der österreichischen Truppen, die zur Einschüchterung Russlands entsandt wurden, brachten Österreich an den Rand des finanziellen Ruins. Dies führte zu Einsparungen in der Armee.

Die Schwächung Österreichs führte zu einer Stärkung der Position Sardinien-Piemonts, das seit den niedergeschlagenen bzw. im Ergebnis zumindest abgeschwächten bürgerlichen 1848/49er-Revolutionen eine Vorreiterrolle in der italienischen Einigungsbewegung, des Risorgimento, innehatte. Im Bündnis mit Frankreich und anderen Staaten konnte die Einigung Italiens unter König Viktor Emanuel II. und seinem Premierminister Cavour gegen Österreich nach dem Sardinienkrieg bis 1861 durchgesetzt werden.

Als Reaktion auf die bei der Niederlage im Krimkrieg zutage getretene strukturelle und technologische Rückständigkeit Russlands, das unter anderem durch die fortdauernde Leibeigenschaft der Kleinbauern und dem daraus resultuierenden Mangel an Arbeitskräften einen erheblichen Aufholbedarf in der Industrialisierung aufwies, nahm Zar Alexander weitreichende Reformen in Verwaltung, Bildung und Armee in Angriff. Wesentlichste Bestandteile war die seit 1861 durchgeführte Aufhebung der Leibeigenschaft und eine neue Militärorganisation. Alexander setzte diese Reformen gegen große Widerstände seitens der russischen Aristokratie durch.

Militärisch

Der Nachschubhafen der Briten bei Balaklava

Der Krimkrieg war der erste, insbesondere im technischen Sinn, moderne Krieg der Weltgeschichte. Zum ersten Mal wurden auf britischer Seite Infanterieeinheiten eingesetzt, die durchgehend mit gezogenen Gewehren ausgerüstet waren. Es handelte sich dabei um die Enfield-Rifled Musket, einen Vorderlader mit 99 cm Lauflänge im Kaliber .577 inch bzw. 14,66 mm, der 1853 eingeführt worden war und ein wirksame Reichweite von 800 Meter, im Massenfeuer bis 1000 Meter, aufwies. Auf russischer Seite hingegen wurden noch glattläufige Musketen eingesetzt (wirksame Reichweite ca. 200 Meter). Der Erfolg des britischen Enfield-Gewehrs führte dazu, daß Preußen und alle anderen Groß- und Mittelmächte ihre gesamte Infanterie nunmehr durchgehend mit gezogenen Gewehren ausrüsteten, was vorher den sog. Jägertruppen vorbehalten gewesen war.

Erstmals kamen Panzerkanonenboote zum Einsatz, die die französische und britische Marine nach dem Krieg zu sogenannten Ironclads weiterentwickelten. Ebenfalls neu war die moderne Artillerie mit Explosivgranaten. Zum Einsatz kam erstmalig auch der Telegraph. Während der Belagerung von Sewastopol hatten die Briten ihre Basis in der Hafenstadt Balaklawa. Sie bauten deshalb 1855 hier die erste strategische Bahnstrecke in der Geschichte der Eisenbahn, um von Balaklawa zum Lager der britisch-französischen Belagerungsarmee vor Sewastopol ihren Nachschub zu transportieren. Der Krimkrieg war zugleich der historisch erste Graben- und Stellungskrieg. Weiterhin stellte der Krimkrieg mit der Todesritt von Balaklawa den Einsatz der klassischen Kavallerie-Attacke in Frage, da diese den modernen Schnellfeuerwaffen gegenüber auf verlorenem Posten stand.

Publizistisch

Zeitgenössische Zeitungsillustration der Schlacht von Inkerman, 1855

Erstmals konnten Kriegsberichterstatter, unter ihnen der Brite William Howard Russell, der für seine Reportagen von der Krim berühmt wurde, ohne Zeitverlust Berichte an Zeitungen senden, etwa über die berühmt-verklärte Attacke der leichten Brigade. Die Zeitung The Times berichtete bereits am selben Abend über die militärisch sinnlose Attacke. Noch 1854 veröffentlichte Alfred Tennyson sein Gedicht The Charge of the Light Brigade. Die Attacke der Leichten Brigade wurde später in mehreren Filmen, Musikstücken und Büchern behandelt.

Des weiteren gab es zum ersten mal Fotoreportagen aus einem Krieg, die auch dessen Elend und nicht mehr nur die heroische Seite darstellen konnten. Die Aufnahmen von Roger Fenton sind jedoch häufig gestellte Fotos. Anders als spätere Kriegsfotografen, war er nicht in der Lage, Kampfhandlungen zu fotografieren. Sie gaben jedoch trotzdem erstmals der britischen Bevölkerung ein Gefühl für die Lebensbedingungen der Soldaten vor Ort. Fenton verließ die Krim noch vor Abschluss der Kampfhandlungen. Seine Arbeit wurde von James Robertson und Felice Beato fortgesetzt, deren 60 Platten unter anderem die französischen Schützengräben vor Sewastopol, die einschlagsicheren Unterstände der russischen Generäle und das unbeschreibliche Chaos nach Abzug der Russen zeigten.

Unter den Verteidigern von Sewastopol war der junge Leo Tolstoj. In der ersten Erzählung, Sewastopol im Dezember, beschrieb er das Grauen des Krieges:

Sie sehen hier entsetzliche, die Seele erschütternde Bilder, sehen den Krieg [...] in seiner wirklichen Gestalt mit Blut, Qualen und Tod.

Kriegsopfer, Reform des britischen Lazarettwesens

Armeelager bei Balaklawa, Fotografie von James Robertson und Felice Beato

Zu den Verlusten im Krimkrieg gibt es unterschiedliche Aussagen. Der Historiker German Werth sagte dazu: Nach dem Krieg hatten die Historiker und die Statistiker das Wort. Wie immer wurden die Zahlen der Opfer maßlos übertrieben. Von 100.000, 500.000, ja sogar 600.000 Toten war die Rede. Es blieb bei 165.000 Opfern ...70.000 französische, 22.000 britische und 73.000 russische Soldaten, davon mehr als 100.000 an Krankheiten und Verwundungen. Der russische Historiker Gitermann gibt dagegen 300.000 Tote allein für Russland an. In mehreren modernen Quellen werden die Gesamtverluste des Krieges mit rund 500.000 Mann angegeben. Alles in allem erlitten die Russen die schwersten Verluste in dem auch insgesamt sehr opferreichen Krieg.

Die durch eine Reihe von Missverständnissen ausgelöste britische Attacke der Leichten Brigade auf russische Geschützstellungen gilt vor allem in der englischen Literatur bis heute als zentrales Ereignis. Bei diesem fatalen Angriff starben von der 673 Mann starken Kavalleriebrigade innerhalb von 20 Minuten durch das russische Geschützfeuer 156 Mann, 122 wurden verwundet. Das Debakel sollte als heldenhafter Todesritt von Balaklawa zum Mythos der englischen Geschichte verklärt werden.

Von den 165.000 Opfern des Krieges (nach Werth) kamen viele Soldaten nicht in den Kampfhandlungen (ca. 61.000) ums Leben, sondern durch Hunger und Mangelerkrankungen sowie aufgrund fehlender Hygiene in den unzureichend ausgestatteten Lazaretten. Insgesamt sind 104.000 Soldaten an Krankheiten und Seuchen gestorben oder ihren Verwundungen erlegen. In diesem Zusammenhang von Bedeutung ist die Betreuung der Verwundeten durch Florence Nightingale, die im Krimkrieg den Beinamen Engel der Verwundeten erhielt. Die in einer Diakonissenanstalt im deutschen Kaiserswerth ausgebildete Krankenschwester war in England auf die erbärmliche Lage im Krieg aufmerksam geworden. Bedingt durch diese Zustände engagierte sie sich für die Reform des Versorgungs- und Lazarettwesens, für die sie schließlich auch von der englischen Regierung beauftragt wurde. Schon mit der Einführung einfacher Hygienemaßnahmen konnte sie die Sterblichkeitsrate in den englischen Lazaretten deutlich senken. Wenige Jahre nach dem Krieg gründete Florence Nightingale eine eigene Schwesternschule in London, wo sie die Krankenpflege zum Lehrberuf machte.

Randnotizen

Die in den folgenden Jahren im Ruhrgebiet zur Kohleförderung errichteten Türme erhielten die Bezeichnung Malakowturm nach den Türmen des Fort Malakow bei Sewastopol, um das sich die entscheidende Schlacht des Krimkriegs drehte. Wegen ihrer massiven Bauweise in Ziegelstein und ihrer aus dem Festungsbau entlehnten architektonischen Elemente wurde für die Türme dieser Name gewählt. Ebenso verhält es sich mit einem Turm, der die Schleifung der Festung Luxemburg, auch Gibraltar des Nordens genannt, heil überstanden hat. Er befindet sich in Clausen, einem Vorort der Stadt Luxemburg, unweit des Flusses Alzette in der Nähe des Areals, das das heute nur noch in seinen Fundamenten erhaltene Mansfeld-Schloss beherbergt. Ebenfalls in der Nähe befindet sich ein leicht zu übersehender deutscher Soldatenfriedhof mit Gräbern aus dem ersten Weltkrieg.

Durch einen Sturm gab es in der Expeditionsflotte der Franzosen und Engländer schwere Verluste. Aufgrund dieses Ereignisses wurden die ersten staatlichen Wetterdienste gegründet.

Beim Friedensschluss zwischen Großbritannien und Russland wurde, anders als bei der Kriegserklärung, vergessen, die Stadt Berwick-upon-Tweed, die in Großbritannien eine Sonderstellung hatte, mit in den Friedensvertrag aufzunehmen. Daher befindet sich Berwick-upon-Tweed bis zu dem heutigen Tage mit Russland formell im Kriegszustand (Thursday Next). 1966 besuchte ein sowjetischer Gesandter den Bürgermeister Robert Knox und unterzeichnete mit ihm einen formellen Friedensvertrag. Der Bürgermeister ist jedoch im Hinblick auf internationale Beziehungen nicht der Rechtsnachfolger von Königin Viktoria, wodurch der Friedensvertrag genau genommen unwirksam ist.

An Bord der HMS Queen nahm das, am 4. April 2004 verstorbene, britische Marinemaskottchen Timothy the Tortoise an der Bombardierung von Sewastopol teil. Damit dürfte die Maurische Landschildkröte die letzte Überlebende des Krimkriegs gewesen sein.

Die wichtigsten chronologischen Daten des Kriegsverlaufs

Französische Zouaven und russische Soldaten im Kampf bei der Erstürmung der Malakow Befestigung

Quellen und Einzelnachweise


Siehe auch

Literatur

  • Kurt Borries, Preußen im Krimkrieg Berlin, 1930
  • Heinrich Friedjung, Der Krimkrieg und die österreichische Politik, Stuttgart 1927
  • Götz Krusemarck, Württemberg und der Krimkrieg, Halle 1932
  • Peter Gugolz, Die Schweiz und der Krimkrieg, 1853-1856, Basel/Stuttgart 1965
  • Nicolae Jorga: Geschichte des osmanischen Reiches, Gotha 1913, ISBN 3-8218-5026-4
  • Winfried Baumgart: The Crimean War, 1853–1856, London 1999, ISBN 034061465X.
  • Ute Daniel: Der Krimkrieg 1853–1856 und die Entstehungskontexte medialer Kriegsberichterstattung, in: Dies. (Hg.): Augenzeugen. Kriegsberichterstattung vom 18. zum 21. Jahrhundert, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen2006, ISBN 3525367376, S. 40–67.
  • John Sweetman: The Crimean War (Osprey Essential Histories), Oxford 2001, ISBN 1841761869.
  • Wilhelm Treue: Der Krimkrieg. Mittler, Herford 1980. ISBN 3813201236.
  • Hermann Wentker, Zerstörung der Großmacht Rußland?, (Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London 30), Zugl.: Bonn, Univ., Diss., 1990/91, Göttingen 1993
  • German Werth: Der Krimkrieg, Frankfurt/M 1989, ISBN 3-548-34949-8.
  • Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Berlin 1961, ISBN 3-320-00206-6
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