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Risorgimento

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Einigung Italiens nach dem Wiener Kongress von 1815 bis 1870 - die Jahreszahl bei den einzelnen Regionen gibt den Anschluss der jeweiligen Region an das Königreich Sardinien-Piemont bzw. Italien an (englischsprachige historisch-politische Landkarte)

Als Risorgimento (italienisch für Wiedererstehung) werden zugleich eine Epoche als auch weltanschaulich sehr heterogene politische und soziale Bewegungen zwischen 1815 und 1870 bezeichnet, die nach dem Wiener Kongress von 1814/15 die Vereinigung der damaligen jeweils eigenstaatlichen Fürstentümer und Regionen der Apenninen-Halbinsel in einem unabhängigen Nationalstaat Italien anstrebten und durchsetzten.

Historische Einordnung, Interessengruppen

In der historischen Forschung wird die Epoche des Risorgimento von einigen entsprechenden Wissenschaftlern auch weiter gefasst. Diese setzen den Beginn der italienischen Einigungsbewegung bereits bei den von der Französischen Revolution von 1789 inspirierten republikanisch-jakobinischen Aufständen und kurzzeitigen Republik-Gründungen nach den ersten militärischen Erfolgen Napoléon Bonapartes in einigen italienischen Regionen ab 1796 an (vgl. Tochterrepublik), und betrachten das Risorgimento erst 1919 nach dem Ende des Ersten Weltkriegs mit der Eingliederung der bis dahin noch zu Österreich-Ungarn gehörenden sogenannten Terre irredente (italienisch für unerlöste Gebiete) in Norditalien als abgeschlossen.

Getragen wurde das Risorgimento durch Interessengruppen mit unterschiedlichen ideologischen Ausrichtungen, die vom Ziel einer konstitutionellen italienischen Monarchie (im wesentlichen getragen durch die Fraktion der moderati = gemäßigte Liberale bzw. sogenannte Liberalkonservative) bis hin zu dem einer demokratischen Republik reichten (vor allem vertreten durch die sich von den radikalen Liberalen bis zu den Frühsozialisten erstreckenden Fraktionen der democratici = Demokraten). Trotz ihrer teils heftigen politischen Kontroversität war all diesen Strömungen eine Idee gemeinsam: Die seit der französischen Revolution in den meisten Staaten Europas erstarkte, wesentlich vom zunächst liberal-revolutionär geprägten Bürgertum getragene Ideologie eines damals progressiven, mehr oder weniger stark ausgeprägten Nationalismus (vgl. Risorgimento-Nationalismus).

Nach mehreren Erhebungen und Aufständen, die sich bis zu Revolutionen und Kriegen ausweiteten und sich vor allem gegen die Vorherrschaft der spanischen Bourbonen im Königreich beider Sizilien und gegen die der habsburgischen Österreicher in Nord- und Mittelitalien richteten, wurde die italienische Einheit in einem unabhängigen Nationalstaat Italien als konstitutionelle Monarchie mit erblichem Königsthron des Hauses Savoyen nach einer wechselvollen Geschichte 1861 unter Führung Sardinien-Piemonts, letztlich „von oben“, durchgesetzt, und schließlich 1870, nach der Einnahme Roms bzw. des nach 1860 mit Latium noch verbliebenen Kirchenstaats, vollendet.

Vorgeschichte: Ende 18. Jahrhundert bis 1815

Schon Ende des 18. Jahrhunderts hatte es Bestrebungen zur Wiederherstellung der italienischen Einheit gegeben. Die italienischen Staaten und Fürstentümer waren mindestens seit dem 16. Jahrhundert mit dem Beginn der Italienischen Kriege und dem Niedergang der mächtigen italienischen Stadtstaaten in der sich abschwächenden Ära der Renaissance, ein politischer Spielball der europäischen Großmächte gewesen.

Während der Jahre der französischen Revolution (1789 bis 1799) hatten sich unter dem Eindruck der 1793 ausgerufenen ersten französischen Republik italienische Jakobiner in patriotischen Gruppen zusammengefunden. In Turin, Neapel, Palermo und anderen Regionen waren diese Gruppen die ersten, die die Forderung nach einer unteilbaren italienischen Republik durch letztlich erfolglose Aufstände umzusetzen versucht hatten.

Im Verlauf der Koalitionskriege zwischen den europäischen Monarchien und dem revolutionären Frankreich ab 1792/93 brach die Staatenwelt des alten Italien zusammen. Bis 1801, nach den Italienfeldzügen Napoléon Bonapartes, die sich vor allem gegen Österreich richteten, befand sich die ganze Apenninen-Halbinsel unter französischer Vorherrschaft. Noch vor der Ausrufung Napoléons zum Kaiser der Franzosen (1804) kam es zu fundamentalen Veränderungen in den italienischen Staaten.

Aufteilung Italiens unter napoleonischer Hegemonie 1812 (französischsprachige Karte)

Zwischen 1796 und 1802 wurden nach den ersten exterritorialen Erfolgen Napoléons (noch als General des spätrevolutionären Frankreich unter der Herrschaft des Direktoriums - bis 1799) verschiedene Republiken gegründet, jeweils sozusagen als Vasallenstaaten bzw. Tochterrepubliken der französischen ersten Republik - so zum Beispiel in Norditalien: Die Cispadanische und die Transpadanische Republik von 1796 , die 1797 zur Cisalpinischen Republik mit der Hauptstadt Mailand zusammengeschlossen wurden, die Ligurische Republik in der Provinz um Genua, sowie die Piemontesische Republik in Turin/Piemont; im Kirchenstaat: Die Römische Republik von 1798/99; und in Neapel: Die Parthenopäische Republik von 1799. Des weiteren begründete Napoléon - nach seinem Staatsstreich von 1799 erster Konsul Frankreichs - das Königreich Etrurien (1801-1807) in der Toskana. 1805, nach der Ausrufung Napoléons zum Kaiser der Franzosen, wurde - teilweise durch Umwandlung der zuvor gegründeten Kleinrepubliken - unter der Dynastie Bonaparte ein Königreich Italien, 1806 ein Königreich Neapel ausgerufen. Bis 1809 wurde Restitalien durch Frankreich annektiert.

Kennzeichen der napoleonischen Vorherrschaft waren eine leistungsfähige zentralistische Bürokratie, die Realisierung bürgerlicher Rechte durch den Code Napoléon, die Abschaffung der feudalen Ordnung und ein innerer Strukturwandel in den italienischen Staaten. Bei aller zunehmenden Unzufriedenheit vieler Italiener über die despotische Unterwerfung zugunsten der Interessen Frankreichs und bei aller Enttäuschung revolutionärer Hoffnungen im liberal und demokratisch gesinnten Bürgertum, entstand doch ein neues staatsbürgerliches Bewusstsein und die Idee der nationalen Einigung in einem freien Italien, das nicht mehr nur ein geographischer Begriff sein sollte. Diese vor allem in den bürgerlichen Mittelschichten stattfindende Entwicklung des Gefühls einer eigenen überregionalen nationalen Identität war die wesentliche Voraussetzung für die Entstehung des Risorgimento nach der militärischen Beendigung der napoleonischen Hegemonie in den politisch zersplitterten Regionen Italiens.

Restauration und Widerstand: 1815 bis 1848

Gesandte der europäischen Fürstenhäuser beim Wiener Kongress 1815

Nach dem Sieg der anderen europäischen Mächte über Napoléon, ihnen voran Russland, Preußen, Österreich und England, wurde beim Wiener Kongress 1814/15 die Landkarte wieder neu aufgeteilt. In Italien sollte die vornapoleonische Ordnung ausgehend von Legitimitätsprinzip (Herrschaft der monarchischen Adelshäuser nach dem Grundsatz des „Gottesgnadentums“) wieder hergestellt werden. Die spanischen Bourbonen erhielten die Vorherrschaft über Neapel-Sizilien (ab 1816 Königreich beider Sizilien), die österreichischen Habsburger mit ihren Nebenlinien die Vorherrschaft über die mittel- und oberitalienischen Fürstentümer, darunter das als Königreich proklamierte Lombardo-Venetien als Zusammenschluss der Lombardei und Venetiens, das Großherzogtum Toskana und die Herzogtümer Parma und Modena. Dazwischen existierte noch der Kirchenstaat unter dem Papst und das Königreich Sardinien-Piemont unter dem Haus Savoyen.

Nach dem Wiener Kongress setzte vor allem in Norditalien die vom österreichischen Staatskanzler Fürst von Metternich dominierte Restauration ein, die wichtige Reformen der Napoleonischen Ära wieder rückgängig machte. Dies führte zuerst zu Protesten vor allem des aufsteigenden gewerbe- und handeltreibenden Bürgertums, aber auch in Kreisen des aufgeklärten Adels.

Ab 1820 loderte massiverer Widerstand auf. 1820/21 kam es im Königreich beider Sizilien, 1821 in Piemont und 1831 in Mittelitalien (Modena, Romagna) zu bürgerlich-liberalen Aufständen und revolutionären Erhebungen, in denen die italienische Einheit, Verfassungen und Parlamente gefordert wurden. Organisiert wurden diese Aufstände, die alle meist von österreichischen Truppen niedergeschlagen wurden, von einem freimaurerähnlichen Geheimbund, den Carbonari (italienisch für Köhler).

Giuseppe Mazzini (*1805-1872†)

Der seit seiner Mitgliedschaft ab 1828 von diesem Geheimbund inspirierte republikanisch-demokratische Revolutionär Giuseppe Mazzini, der es im Lauf der Jahre verstand, europaweit Mitstreiter unter den republikanisch orientierten Liberalen bis hinein in die Arbeiterschaft für seine Ideen zu gewinnen und teilweise auch für den Kampf in Italien anzuwerben, gründete 1831 in Marseille, das nach dreimonatiger Kerkerhaft seine erste längere Exilstation bildete, den Geheimbund Junges Italien (italienisch: Giovine Italia), und ließ dessen Zentralorgan La Giovine Italia illegal in den italienischen Staaten verbreiten. In dieser Zeitung vertrat Mazzini die Forderung nach einer Einigung Italiens als demokratische Republik „von unten“, die durch das Volk erkämpft werden sollte („L'Italia farà da sè“) und an dessen Ende ein freies Italien in einem „Europa der Völker“ entstehen sollte. Diese Utopie mit bereits kosmopolitischen Ansätzen inspirierte auch junge revolutionäre Idealisten in weiteren Staaten, die daraufhin an den Bund des Jungen Italien angelehnte Geheimbünde wie zum Beispiel das Junge Deutschland oder das Junge Polen gründeten. Ab 1836 organisierten sich Mazzinis Anhänger in der von ihm in London als republikanisch-revolutionäre Organisation von exilierten Arbeitern gegründeten Partito d'Azione (Partei der Aktion).

Mazzini bzw. der von ihm geleitete Geheimbund Junges Italien, der sich 1833 auch der bis in die Gegenwart als Nationalheld gefeierte Giuseppe Garibaldi angeschlossen hatte, organisierten ab 1833 verschiedene Aufstände, die teilweise von Mazzini aus dem Exil geleitet wurden: Zuerst in Piemont (1833/34), dann 1843 in Bologna, 1844 in Kalabrien und 1845 in Rimini. Alle diese Aufstände scheiterten. Sie beförderten jedoch unter den Verfechtern der nationalen Einheit - auch unter ideologischen Gegnern Mazzinis - eine relativ breite öffentliche Diskussion über die Struktur eines künftigen Italien.

Dabei gab es neben der als radikal geltenden republikanischen Lösung Mazzinis und seiner Anhänger unter anderem Vorschläge wie den des Philosophen Vincenzo Gioberti, der vorsah, den Papst als Oberhaupt einer konstitutionellen italienischen Staatenkonföderation zu ernennen; andere wollten die Einigung unter Führung des Königreichs Sardinien umsetzen.

Papst Pius IX. begann 1846 zu Beginn seines Pontifikats mit einer relativ liberalen Reformpolitik in Rom bzw. dem Kirchenstaat. Er bildete einen Staatsrat, gründete eine Bürgerwehr, führte eine Amnestie durch und schlug eine Zollunion der italienischen Staaten vor.

Revolution und Krieg zwischen Sardinien-Piemont und Österreich: 1848/49

Die Reformen des Papstes im Kirchenstaat brachten die anderen Fürstentümer in Zugzwang. Der liberale Druck nahm in allen italienischen Staaten zu. Dazu trug auch die Turiner liberalkonservative Zeitschrift Il Risorgimento bei, die der Epoche ihren Namen gab. Sie trat für eine italienische Einigung unter Führung des Hauses Savoyen ein, das den König von Piemont-Sardinien, Karl Albert, stellte, vertrat also entgegen den republikanischen Forderungen die Vorstellungen der Moderati, die ein liberales Königtum für das künftige Italien vorsahen. Ein bedeutender Politiker dieser Richtung, der auch wesentliche Beiträge für die Zeitung beisteuerte, war Cesare Balbo. Einer der Mitbegründer von Il Risorgimento und Protagonist der Liberalkonservativen, Camillo Benso Graf von Cavour, setzte sich später als Ministerpräsident Sardinien-Piemonts von 1852 bis 1859 sowie 1860/61 an führender Stelle wesentlich für dieses Ziel einer konstitutionellen italienischen Monarchie ein und wurde schließlich nach der Einigung Italiens 1861 erster Ministerpräsident des Königreichs Italien.

Nach den Reformen des Papstes kam es nach 1846 unter dem Druck der sich verstärkenden liberalen und demokratischen Bewegungen, die auch in anderen Staaten Mitteleuropas um sich gegriffen hatten und weiter anwuchsen (vgl. auch Julirevolution 1830, Februarrevolution 1848 und Märzrevolution 1848/49), zu schrittweisen Zugeständnissen einiger Fürstentümer. Neben dem Kirchenstaat erhielten auch das Königreich beider Sizilien, die Toskana und am 3. März 1848 Sardinien-Piemont Verfassungen. Dabei hatte insbesondere der dortige König Karl Albert nach der Februarrevolution in Frankreich und dem Beginn der Märzrevolution den Staaten des Deutschen Bundes (darunter auch im habsburgischen Kernland Österreich), die Situation der Zeit erkannt. Mit seiner Verfassung begründete er im Königreich Sardinien-Piemont eine konstitutionelle Monarchie mit für diese Zeit relativ weit gehenden politischen und sozialen Reformen. Die Verfassung Sardinien-Piemonts bildete denn auch die Grundlage für die spätere Verfassung des italienischen Königreichs ab 1861, wo sie im Prinzip, zumindest formell bis 1946 gültig bleiben sollte. Damit prädestinierte sich Sardinien-Piemont als einziger Staat mit einer in der Bevölkerung als "italienisch" akzeptierten Führung zunehmend als wesentliche politische Speerspitze des weiteren Risorgimento.

Im Zuge der Revolutionen von 1848/49 kam es in den italienischen Fürstentümern zu der bis dahin massivsten Welle der die alten Ordnungen umstürzenden Aufstände der Einigungsbewegung. Die revolutionären Ereignisse begannen in Italien schon vor der französischen Februarrevolution mit dem sizilianischen Januaraufstand von 1848, und breiteten sich im Anschluss auf der ganzen italienischen Halbinsel aus. Ebenfalls schon im Januar 1848 kam es in Oberitalien, zuerst in Mailand, Brescia und Padua, zu Aufständen gegen die österreichische Vorherrschaft. Mitte März 1848 erklärte Mailand seine Unabhängigkeit von Österreich und den Anschluss der Lombardei ans Königreich Sardinien-Piemont. Kurz darauf wurde in Venedig am 23. März 1848 unter der Führung von Daniele Manin die Republik ausgerufen.

Landkarte des Königreichs Sardinien-Piemont im Jahr 1839, links der Landesteil Piemont auf dem Festland, rechts der Landesteil der Insel Sardinien

Zur Unterstützung Lombardo-Venetiens zog die Armee Sardinien-Piemonts unter König Karl Albert in den Krieg gegen Österreich. Karl Albert setzte sich damit demonstrativ an die Spitze der italienischen Einigungsbewegung. Nach anfänglichen Erfolgen unterlagen die piemontesischen und revolutionären Truppen gegen die Österreicher unter Feldmarschall Johann Wenzel Radetzky am 25. Juli 1848 in der Schlacht bei Custozza. Im darauffolgenden Waffenstillstand ging die Lombardei wieder an Österreich. Nach einem Aufstand in der Toskana im Februar 1849, der zum Sturz des österreichischen Großherzogs Leopold II. führte, brach der Krieg zwischen Sardinien-Piemont und Österreich erneut aus. Trotz zahlenmäßiger Überlegenheit unterlagen Karl Alberts Truppen letztlich erneut gegen Österreich am 23. März 1849 in der Schlacht bei Novara. Der König trat noch am Abend des selben Tages zugunsten seines Sohnes Viktor Emanuel II. zurück. Dieser schloss am 6. August 1849 in Mailand einen Friedensvertrag mit Österreich. Nach dieser Niederlage und der am 23. August 1849 erfolgten Niederschlagung der Stadtrepublik Venedig, die sich mehr als ein Jahr gehalten hatte, war die italienische Einigungsbewegung in Norditalien vorerst zerschlagen.

Auch im Süden Italiens hatte es 1848/49 republikanisch motivierte Revolutionen gegeben, beispielsweise in Neapel und in Rom. Nachdem Pellegrino Rossi, der Ministerpräsident des Kirchenstaats einem Mordanschlag zum Opfer gefallen war, floh dessen Dienstherr, der Papst im November 1848 vor den zunehmenden Unruhen aus Rom nach Gaeta an der Küste Neapel-Siziliens. Darauf wurde am 9. Februar 1849 von den bei der Wahl zur konstituiernden Versammlung am 21. Januar 1849 siegreich hervorgegangenen Anhängern Giuseppe Mazzinis die Republik im Kirchenstaat ausgerufen, die unter der Führung eines Triumvirats aus Mazzini, Carlo Amellini und Aurelio Saffi stand. Französische und zu einem kleineren Teil auch spanische Truppen intervenierten Mitte April des Jahres mit dem Ziel, die Herrschaft des Papstes wiederherzustellen. Die römische Revolutionsarmee unter Garibaldi konnte die Franzosen zunächst zurückdrängen. Allerdings musste die Republik nach einmonatiger Belagerung schließlich kapitulieren. Garibaldi, Mazzini und andere führende Republikaner setzten sich erneut ins ausländische Exil ab (Mazzini wieder nach London, Garibaldi in die USA). Am 3. Juli 1849 wurde die römische Republik endgültig niedergeschlagen, und ein Exekutivkomitee aus Kardinälen stellte die alten Machtverhältnisse wieder her. Der Papst kehrte 1850 nach Rom zurück und etablierte dort nach Revidierung seiner 1846 eingeführten Reformen ein autoritäres Polizeiregime. Französische Truppen blieben bis 1870 als Schutzmacht in Rom stationiert.

Liberalkonservative Neuformierung, Sardinischer Krieg, Entwicklung zum Königreich Italien: 1850 bis 1861

Camillo Benso von Cavour (*1810-1861†) - Gemälde (1864) von Francesco Hayez

Nach der Niederwerfung der Revolutionen von 1848/49 wurde zunehmend die Hauptstadt Sardinien-Piemonts, Turin, zum Zentrum des Risorgimento. Unter Ministerpräsident Cavour veränderte sich die Strategie der Erreichung einer italienischen Einigung. Durch die Erfahrung der 48/49er Revolution war die Einsicht gereift, dass Italien seine Einheit nicht nur aus eigener Kraft erreichen könne, sondern dass dazu auch Bündnisse mit anderen Staaten notwendig seien. So wurde die internationale Lage mit Hilfe diplomatischer Kanäle genutzt, um den italienischen Nationalstaat - nun stärker unter konservativem Vorzeichen - durchzusetzen. Durch das Scheitern der Revolution war die demokratische Bewegung, bis dahin lange Zeit prägende Kraft des Risorgimento, nicht nur in Italien, sondern in ganz Europa entscheidend geschwächt worden.

Im Geheimvertrag von Plombières 1858 sicherte sich Cavour die Hilfe Frankreichs (nach dem Staatsstreich des Präsidenten Louis Napoléon Bonaparte seit 1852 wieder Monarchie) unter dem seit dem Krimkrieg (1853 bis 1856) nach Prestige strebenden Kaiser Napoléon III. zu. Durch das Näherrücken Russlands und Frankreichs nach dem Frieden von Paris 1856 war Österreich in der Folge des Krimkrieges politisch und diplomatisch geschwächt worden. Obwohl französische Truppen seit 1849 für den Kirchenstaat bzw. den Papst in Rom eine wichtige Schutzmacht darstellten, stand Napoleon III. hinter einer Einigung Italiens, um seine eigene Machtstellung in Europa zu stärken. Er sagte Sardinien-Piemont zu, es bei einem Krieg gegen Österreich zur Eroberung Lombardo-Venetiens zu unterstützen. Dafür sollte Sardinien-Piemont Nizza und Savoyen an Frankreich abtreten. Zusätzlich wurde die Allianz durch die Vermählung der Tochter des späteren italienischen Königs Viktor Emanuel mit dem Prinzen Napoléon besiegelt.

Plan der Schlacht von Solferino

Im Mai 1859 kam es zum Sardinischen Krieg. Durch geschickte taktische Winkelzüge, indem Cavour Truppen zusammenzog und in der Lombardei um Freiwillige warb, wurde Österreich zum Einmarsch in Sardinien-Piemont provoziert, und stand damit als kriegsauslösende Macht schuldig da. Nach knapp zweimonatigem Kriegsverlauf wurden die österreichischen Truppen bei der Schlacht von Solferino entscheidend geschlagen. Allerdings zog sich Napoleon III. nach dem Sieg gegen Österreich auf Druck der anderen Großmächte, die kein Interesse an einer italienischen Einigung hatten, durch den geheimen Waffenstillstand mit Österreich vom 11. Juli 1859 in Villafranca, aus dem Krieg zurück. So erhielt Sardinien-Piemont nach dem Frieden von Zürich am 10. November 1859 nur die Lombardei, während Venetien noch in habsburgischer Hand verblieb.

Die Pläne der Großmächte, eine Vereinigung ganz Italiens zu verhindern, gingen jedoch nicht auf. Noch während des Krieges hatten in den Herzogtümern Parma und Modena sowie im Großherzogtum Toskana Aufständische die habsburgischen Landesherren gestürzt und auch die päpstlichen Legaten aus der Romagna, die zum Kirchenstaat gehörte, vertrieben. Im März 1860, nachdem Sardinien-Piemont Nizza und Savoyen an Frankreich abgetreten hatte, kam es, von Napoleon III. gebilligt, in den noch österreichischen Gebieten Oberitaliens zu Volksabstimmungen, in denen sich die Bevölkerungen mit überwältigender Mehrheit für den Anschluss ans Königreich Sardinien-Piemont aussprachen.

Giuseppe Garibaldi 1866 (*1807-1882†)

Die Preisgabe Nizzas und Savoyens brachte allerdings den populären Freiheitskämpfer und Nationalhelden Giuseppe Garibaldi, der 1854 aus seinem 5-jährigen Exil in den USA nach Italien zurückgekehrt war, und der seither - nun teilweise im Widerspruch zu Mazzini - aus Vernunftgründen im Interesse der italienischen Einigung die Politik Cavours mitgetragen hatte (obwohl er im Grunde Republikaner blieb), nun endgültig gegen Cavour und seine liberalkonservative pragmatische Linie auf.

Garibaldi landete am 11. Mai 1860 - zunächst noch mit Unterstützung Cavours - mit einer 1067 Mann starken Truppe aus Freiwilligen, den sogenannten Rothemden, die auch als Zug der Tausend ("Mille") bezeichnet werden, auf Sizilien, wo er sich selbst zum Diktator ernannte. In der Schlacht von Calatafimi schlug seine Armee die Truppen des Königs von Neapel, und ein Volksaufstand wirkte sich bei der Eroberung von Palermo durch Garibaldis Freischar unterstützend aus. Im Anschluss an die Siege auf der süditalienischen Insel befreite seine Armee ab dem 20. August 1860 den Rest des Königreichs beider Sizilien von der Herrschaft der spanischen Bourbonen. Am 7. September 1860, nachdem der letzte Bourbonenkönig Franz II. geflohen war, nahm Garibaldi mit seinen Truppen die Hauptstadt Neapel ein.

Der Erfolg Garibaldis gefährdete die Führungsrolle Sardinien-Piemonts bei der Einigung Italiens. In den liberalkonservativen Kreisen um Cavour befürchtete man eine neapolitanische Republik und, ähnlich wie bei der Niederschlagung der Römischen Republik von 1849, neue ausländische Interventionen, falls Garibaldi bis nach Rom vordringen sollte. Graf Cavour vereinbarte mit Napoléon III. dessen Billigung der Eroberung der zum Kirchenstaat gehörenden Marken und Umbriens, um Garibaldi zuvorzukommen. Im September 1860 rückten piemontesische Truppen in den Provinzen des Kirchenstaats ein. Bei Castelfidardo in Ancona unterlag die päpstliche Armee (vgl. Schlacht von Castelfidardo). Nach dem Sieg der Piemonteser, bei dem der unter französischen Schutz stehende restliche Kirchenstaat mit Latium und seiner Hauptstadt Rom unangetastet blieb, stießen die Truppen, die unter dem Befehl von König Viktor Emanuel II. selbst standen, weiter nach Süden vor, bis sie sich mit der Freischärlerarmee Garibaldis vereinigten.

Datei:Incontro di Teano fra Garibaldi e Vittorio Emanuele II.jpg
Treffen zwischen Garibaldi und Viktor Emanuel II. am 26. Oktober 1860 in Teano (zeitgen. Gemälde)

Garibaldi trat von seinem Machtanspruch zurück, nachdem sich die Bevölkerung beider Sizilien wie schon diejenige Norditaliens im März desselben Jahres, bei einem Plebiszit am 21. Oktober 1860 mit überwältigender Mehrheit für den Anschluss ans Königreich Sardinien-Piemont ausgesprochen hatte. Am 26. Oktober 1860 fand in Teano bei Neapel das legendäre Treffen zwischen Viktor Emanuel II. und Garibaldi statt, bei dem letzterer den piemontesischen Monarchen als "König von Italien" begrüßte. Am 17. März 1861 wurde schließlich in Turin die neue italienische Monarchie unter König Viktor Emanuel ausgerufen. Camillo Benso Graf von Cavour wurde erster Ministerpräsident Italiens, als der er bis zu seinem Tod am 6. Juni 1861 noch knapp 3 Monate im Amt blieb. Vorläufiger Regierungssitz wurde die bisherige sardinisch-piemontesische Hauptstadt Turin. 1864 wechselte dieser Status nach Florenz, der Hauptstadt der Toskana.

Viktor Emanuel II., König von Sardinien-Piemont und erster König des italienischen Nationalstaats (*1820-1878†)

Das neue Italien wurde letztlich von oben durchgesetzt, auch wenn die vorhergehenden Revolutionen vom Volk getragen worden waren. Die Hoffnungen der Republikaner auf eine verfassungsgebende Nationalversammlung erfüllten sich nicht. Schrittweise wurde die sardinisch-piemontesische Verfassung von 1848 auf Italien übertragen, mit der eine konstitutionelle Monarchie festgelegt wurde. Die politische Repräsentation war wegen eines hohen Zensuswahlrechts mit nur 1,9% wahlberechtigter Bevölkerung auf eine kleine konservativ-liberale Oberschicht beschränkt. Das Wahlrecht wurde später zwar ausgeweitet, blieb aber dennoch nur einer Minderheit vorbehalten. Die fortschrittlichen liberalen Parlamentarier Marco Minghetti und Luigi Carlo Farini scheiterten mit ihrem Plan, autonome Regionen zur Basis des neuen Italien zu machen. Unter dem Nachfolger Cavours, Ministerpräsident Bettino Ricasoli, erhielt Italien eine zentralistische Verwaltung und wurde ähnlich wie Frankreich in Provinzen gegliedert.

Die europäischen Großmächte Frankreich, Preußen und Großbritannien erkannten den neuen Staat Italien an. Protest gegen die diplomatische Anerkennung kam von Österreich und dem Kirchenstaat, die zurecht weitere Ansprüche Italiens auf ihre Hoheitsgebiete bzw. Teile davon befürchteten. Vorerst noch nicht zu Italien gehörten Venetien im Nordosten, das weiterhin unter der habsburgischen Herrschaft Österreichs stand, sowie der Restkirchenstaat mit Rom, in dem französische Schutztruppen stationiert waren.

Vollendung der Einheit Italiens: 1860er Jahre bis 1870

Zur weiteren Schwächung Österreichs mit dem Ziel, auch Venetien an Italien anzuschließen, schloss Italien unter dem Eindruck der Zuspitzung des preußisch-österreichischen Konflikts am 8. April 1866 ein Bündnis mit Preußen. Wenige Tage nach Beginn des Deutschen Krieges zwischen Preußen und Österreich am 14. Juni 1866, erklärte auch Italien Österreich den Krieg.

Obwohl Österreich in den entscheidenden Schlachten des Krieges in Italien (Schlacht bei Custoza am 24. Juni 1866, Seeschlacht von Lissa am 20. Juli 1866) siegreich hervorging, verlor Österreich den Krieg gegen Preußen in der Entscheidungsschlacht bei Königgrätz am 3. Juli 1866. Diese Niederlage hatte zur Folge, dass Venetien einen Tag später an Frankreich abgetreten wurde, worauf italienische Truppen kampflos in Venetien einmarschieren konnten.

Im Wiener Frieden zwischen Italien und Österreich vom 3. Oktober 1866 wurde Venetien als italienischer Besitz bestätigt. Dennoch blieben auch nach 1866 noch einige Gebiete, die weiterhin von Italien beansprucht wurden, in österreichischer Hand: Die Terre irredente („unerlöste Gebiete“), die erst nach dem Ersten Weltkrieg an Italien fielen.

Nationaldenkmal Il Vittoriano in Rom

Auch der Restkirchenstaat unter dem Pontifikat von Papst Pius IX. blieb weiterhin ein Konfliktherd. Schon seit den 1830er Jahren wurde im Rahmen des Risorgimento die Forderung nach der weltlichen Herrschaft über Rom vertreten. Rom wurde von den italienischen Nationalisten als die natürliche Hauptstadt Italiens angesehen. Im Oktober 1867 versuchte Garibaldi, der nach seinem vorübergehenden Rückzug von der Politik wieder auf die aktive politisch-kämpferische „Bühne“ zurück gekehrt war, mit einigen Freischaren, Rom erneut einzunehmen, nachdem ihm ein erster Versuch 1862 misslungen war. Seine Einheiten wurden jedoch am 3. November 1867 von französischen und päpstlichen Truppen besiegt.

Der Ausbruch des Krieges zwischen Frankreich und Preußen am 19. Juli 1870 kam Italien in der Frage des Kirchenstaates gelegen. Als Frankreich in Folge des Krieges seine Schutztruppen aus Rom abzog, eroberten italienische Truppen ab 11. September 1870 den Kirchenstaat, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. Am 20. September 1870 wurde Rom eingenommen.

Eine Volksabstimmung ergab eine breite Zustimmung für die Vereinigung des Kirchenstaats mit Italien. Die Vereinigung wurde am 6. Oktober 1870 durch königliches Dekret proklamiert. Damit war die Einigung Italiens und mit ihr das Ziel des Risorgimento vollendet. 1871 wurde die italienische Hauptstadt von Florenz nach Rom verlegt. Auch die meisten ausländischen Staaten verlegten ihre Gesandtschaften nach Rom, womit sie stillschweigend das Ende der weltlichen Herrschaft des Papsttums anerkannten.

Weitere Entwicklung nach 1870

Römische Frage, Kirchenkonflikt

Der Papst hatte seinen Sitz weiterhin im Vatikan. In den sogenannten Garantiegesetzen vom Mai 1871 wurde seine Stellung in der italienischen Hauptstadt, wenn auch zunächst nur einseitig von der italienischen Regierung ausgehend, geregelt. Demnach verblieb der Vatikan, das Lateran und die päpstliche Sommerresidenz in Castel Gandolfo unter der Hoheit des Papstes, der in diesen Bereichen bis in die Gegenwart als staatlicher Souverän gilt.

Papst Pius IX. (*1792-1878†)

Pius IX. und seine unmittelbaren Nachfolger Leo XIII. und Pius X. erkannten jedoch sowohl die gesetzlichen Regelungen für den Vatikan als auch das neue Italien nicht an und lehnten jede offizielle diplomatische Zusammenarbeit mit den neuen Machthabern ab, so dass der Streit um den Status der katholischen Kirche und die zunächst nicht formell geregelte eigenstaatliche Unabhängigkeit des Vatikans auch nach der Vollendung der italienischen Einheit ein noch lange schwelender Konflikt im neuen Italien blieb (sogenannte Römische Frage). Pius IX. betrachtete sich selbst als „Gefangener im Vatikan“. Die Urheber und Teilnehmer an der Einnahme des Kirchenstaates belegte er mit dem Kirchenbann. Seine Forderung nach Wiederherstellung der weltlichen Macht des Papsttums blieb jedoch erfolglos - trotz der weiterhin bestehenden, seit der Verkündung der päpstlichen „Unfehlbarkeit“ nach dem ersten vatikanischen Konzil am 18. Juli 1870, sogar verstärkten kirchlichen Vormachtstellung mit weltweitem auch politischem Einfluss. Breite katholische Schichten blieben durch die Einnahme Roms entfremdet. Erst mit den 1929 geschlossenen Lateranverträgen zwischen Papst Pius XI. und der ab 1922 faschistischen italienischen Regierung unter Benito Mussolini, in denen der „Heilige Stuhl“ Rom als Sitz der italienischen Regierung anerkannte, wurde die politische und staatliche Souveränität des Vatikans durch Italien garantiert und damit formell besiegelt.

Irredentismus

Regionen im heutigen Italien

Die meisten der noch zu Österreich-Ungarn gehörenden italienischsprachigen Gebiete Norditaliens (das Trentino und die größtenteils von Kroaten bewohnten Regionen Dalmatien und Istrien), die so genannten terre irredente fielen erst nach Österreichs Niederlage im Ersten Weltkrieg durch den Vertrag von Saint-Germain vom 10. September 1919 an Italien, ebenso das vor allem deutschsprachige Südtirol. Diese Gebiete waren Italien bereits 1915 bei den Geheimverhandlungen zwischen Frankreich, Großbritannien, Russland und Italien im Rahmen der Londoner Konferenz zugesprochen worden. Gemäß den Bedingungen dieser Konferenz war Italien darauf aus dem Dreibund mit Österreich, Deutschland und Rumänien ausgetreten und hatte sich an der Seite der Entente am Ersten Weltkrieg gegen das damalige Österreich-Ungarn beteiligt.

Um die demografische Struktur zugunsten der italienischsprachigen Bevölkerungsgruppe zu verändern, wurden ab 1922, nach der Machtergreifung der Faschisten unter Benito Mussolini, verstärkt Italiener angesiedelt und die bis dahin regional vorherrschenden einheimischen Sprachen (Deutsch in Südtirol, Kroatisch und Slowenisch in Istrien, Kroatisch in Dalmatien) sowie die jeweiligen kulturellen Eigenheiten teils massiv unterdrückt (vgl. Italianisierung).

Nord-Süd-Konflikt, Soziale Frage, Radikalisierung der Arbeiterbewegung

Im sozialen und wirtschaftlichen Bereich dauert der Konflikt zwischen dem reicheren industrialisierten Norden Italiens und dem landwirtschaftlich geprägten armen Süden des Landes (Mezzogiorno) an - bis hin zu den separatistischen Bestrebungen der politisch rechtspopulistischen norditalienischen Lega Nord von Umberto Bossi am Wechsel vom 20. zum 21. Jahrhundert.

Nach der Ausrufung des Königreichs Italien 1861 wurde die Hoffnung der süditalienischen Kleinbauern und Landarbeiter auf eine Umverteilung des Großgrundbesitzes enttäuscht. Durch indirekte Steuern wurde ihre Armut noch verstärkt. Der nach der Staatsgründung eingeführte Freihandel zwischen den italienischen Regionen bewirkte einen Konkurrenzdruck, dem der Süden nicht standhalten konnte, und der die wirtschaftliche Weiterentwicklung der Region nachhaltig behinderte. Durch das Ausbleiben sozialpolitischer Veränderungen wurde die noch junge italienische Arbeiterbewegung, die bis dahin vom radikaldemokratischen Vordenker des Risorgimento Giuseppe Mazzini beeinflusst war, zunehmend unzufriedener mit der politischen Praxis der italienischen Monarchie. Mazzini selbst, der den gräßten Teil seiner politisch aktiven Zeit aus dem Exil heraus agieren musste, stand als entschiedener Vertreter einer republikanischen Demokratie im intellektuellen Konflikt zwischen Republikanismus und Sozialismus nicht nur in italienischer, sondern auch in gesamteuropäischer Hinsicht zum Ende seines Lebens († 1872 in Pisa) zunehmend isoliert zwischen den progressiven Polen der ideologischen Auseinandersetzungen seiner späten Jahre.

Michail Bakunin (*1815 - 1876†)

Unter dem seit Mitte der 1860er Jahre erstarkten Einfluss des russischen Anarchisten Michail Bakunin wandte sich - ausgehend von Süditalien, wo Bakunin die Gruppierung „Fraternité Internationale“ (Internationale Brüderlichkeit) gegründet hatte - ein Teil der vormaligen Mazzini-Anhänger, zu dem zeitweilig auch Giuseppe Garibaldi gehörte, dem grundsätzlich staatsablehnenden und sozialrevolutionären Anarchismus zu. Dieser dominierte - spätestens nach der 1872 erfolgten, in Marxisten und Bakuninisten aufgeteilten Spaltung der Internationalen Arbeiterassoziation (vgl. Internationale) - stärker als in Nord- und Mitteleuropa die sozialistische Arbeiterbewegung in Italien bis zum beginnenden 20. Jahrhundert, und bekämpfte - nach Bakunins Tod unter dem prägenden Einfluss des Aktivisten Errico Malatesta - den italienischen Staat um so mehr, als nach dem Abflauen der nationalen Begeisterung in Folge der Staatsgründung die ökonomischen und inneren politischen Widersprüche im italienischen Staatswesen deutlicher wurden.

Die zunehmende Verarmung Süditaliens führte zudem zu einer lange andauernden Abwanderung großer Bevölkerungsteile in den Norden Italiens oder zu einer verstärkten wirtschaftlich motivierten Emigration, die viele Süditaliener zu einer Auswanderung bewog - oftmals nach Nord- oder Südamerika.

Der Süden Italiens blieb in Folge der sozialen Not lange Zeit ein schwelender Unruheherd, zu dem neben den von der radikalen Linken forcierten sozialen Revolten ein ausgeprägtes Banditenwesen hinzu kam, das von den inzwischen entmachteten Bourbonen unterstützt wurde, und das auch nach der Staatsgründung Italiens große Teile der italienischen Armee innenpolitisch band. Später entwickelten sich aus den Banditenbanden verschiedene auch große kriminelle patriarchische Organisationen heraus, die heute zusammengefasst unter dem Namen Mafia bekannt sind. Die verschiedenen oft gegeneinander konkurrierenden Mafia-Organisationen brachten es teilweise bis zu politischem Einfluss, sowohl in Italien als auch international.

Literatur

  • Ricarda Huch: Menschen und Schicksale aus dem Risorgimento; Insel-Verlag Leipzig, 1908
  • Eugen Lemberg: Geschichte des Nationalismus in Europa; Stuttgart, 1950
  • Rudolf Lill: Geschichte Italiens in der Neuzeit; Darmstadt, 1998
  • Wolfgang Altgeld: Das politische Italienbild der Deutschen zwischen Aufklärung und Revolutionen von 1848; Tübingen, 1984
  • Wolfgang Altgeld (Hrsg.): Kleine italienische Geschichte; Reclam-Verlag Stuttgart, 2001, 517 Seiten, ISBN 3-15-017036-2
  • Volker Reinhardt: Geschichte Italiens von der Spätantike bis zur Gegenwart; Verlag C. H. Beck, München, 2003, 348 Seiten, ISBN 3-406-50284-9
  • Anne Brach: Italien auf dem Weg zum Nationalstaat - Giuseppe Ferraris Vorstellungen einer föderal-demokratischen Ordnung (in Beiträge zur deutschen und europäischen Geschichte, Bd. 33); Reinhold Krämer-Verlag Hamburg, 2005, ISBN 3-89622-077-2

Siehe auch