Zum Inhalt springen

Mundigak

Diese Seite befindet sich derzeit im Review-Prozess
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 3. April 2020 um 19:47 Uhr durch Aka (Diskussion | Beiträge) (falschen Punkt entfernt, Links normiert, Kleinkram). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Koordinaten: 31° 54′ 14″ N, 65° 31′ 28,6″ O

Plan der ausgegrabenen Reste der Schicht IV
in Mundigak gefundene Magna-Mater-Figur (links), ca. 3. Jahrtausend v. Chr.

Mundigak ist eine archäologische Ausgrabungsstätte in Afghanistan, rund 55 km nordwestlich von Kandahar. Es handelt sich um die Reste einer der frühesten Städte im Raum zwischen Indien und dem Iran. Die Stadt gehört der Helmand-Kultur an, die auch im Osten des Iran bezeugt ist. Ausgrabungen von 1951 bis 1958 brachten Reste einer beachtlichen Stadtanlage mit Stadtmauern, einem Palast und einem Tempel zu Tage. Der Ort begann als kleine Siedlung um etwa 5000 v. Chr. und erlebte seine größten Ausmaße um 3000 v. Chr. Die Entdeckung einer relativ großen, vorgeschichtlichen Stadt in Afghanistan warf ein vollkommen neues Licht auf die Entwicklung der Kulturen im Raum zwischen dem Iran und Indien. Ein Großteil des Fundgutes war ohne Parallele, so dass eine Feindatierung der einzelnen Siedlungsphasen problematisch war und auch heute noch kontrovers diskutiert wird. Die Stadt mag bis zu 10 000 Einwohner gehabt haben.[1]

Die Helmand-Kultur war eventuell ein antiker Staat. Mundigak wäre dann, nach Schahr-e Suchte die zweitwichtigste Stadt in diesem Staatsgebilde.[2]

Lage

Die Reste der Statt liegen etwa 55 km nordwestlich von Kandahar im Tal des Kushk-i Nakhud Flusses, der nur saisonweise Wasser führt und vor allem im Sommer ausgetrocknet ist. Weiter im Süden mündet er in den Helmand. Der Ort mag seine Bedeutung durch seine Lage an Handelsrouten erlangt haben.[3] Es wurde vermutet, dass von hier aus Lapislazuli, das aus dem Norden Afghanistans kommt, nach Iran weiter gehandelt wurde.[4]

Ausgrabungen

Französische Ausgrabungen von 1951 bis 1958 in zehn Kampagnien unter der Leitung von Jean Marie Casal konnten verschiedene Besiedlungsschichten unterscheiden. Die Grabungen fanden an 11 Stellen im Ausgrabungsgebiet statt. Bereich A ist die höchste Erhebung in der Stadt, hier konnten Reste eine Palastes ausgegraben werden. Hier wurden Stadtbereiche aus fast allen Perioden des Ortes gefunden. Bereich C liegt nordwestlich von Bereich A. Hier wurde nur ein kleiner Bereich ausgegraben, wobei die Reste bis in Schicht III zurückreichen. In den anderen Teilen der Stadt wurden diverse, größere oder kleinere Flächen freigelegt (Bereiche B, D bis I und P und R), wobei vor allem Reste der Schicht IV zu Tage kamen, die damit die besterforschte Schicht ist. In Bereich P kamen auch Reste von Schicht V zu Tage, die sonst nur noch in Bereich A bezeugt ist. Durch Erosion waren vor allem die oberen Schichten vollkommen verschwunden. In Bereich A konnten in Schicht V ein großer Palast freigelegt werden. Ansonsten ist Schicht V aber nicht belegbar.[5]

Geschichte des Ortes: Schichten I bis III

Mundigak, Plan der Schicht I.5

Die unterste Schicht (I) wurde nur im zentralen Hügel ergraben (Bereich A). In den unteren Schichten waren die Bauten eher einfach. Es handelt sich um rechteckige Lehmziegelwohnbauten, die aus ein bis drei kleinen Räumen bestanden.[6] Diese Schichten datieren wahrscheinlich in das vierte Jahrtausend v. Chr.[7] Schicht I wurde vom Ausgräber in fünf Unterschichten unterteilt (1–5). Aus Schicht I.3 stammen die ersten Belege dauerhafter Bauten. Nur für Schicht I.4 und I.5 sind Häusergrundrisse erhalten geblieben. Die Keramik aus Schicht I wird durch offene Formen dominiert. Vor allem Fragmente von Schalen sind gefunden worden. Die Keramik ist zum Teil bemalt, wobei einfache geometrische Muster dominieren. Ganz selten kommen auch gemalte Tiere vor.[8] Schicht I.5 und die folgende Schicht II waren durch eine dicke Ascheschicht getrennt, was darauf hindeutet, dass der Ort eine längere Zeit unbewohnt war.[9]

Schicht II wurde vom Ausgräber in vier Unterschichten unterteilt: II, 1; II, 2; II 3a und II 3b. Die Besiedlungsdichte in Bereich A nahm zu. Es konnten mehrere mehrräumige Bauten ausgegraben werden. In einem Hof fand sich ein tiefer Brunnen. Im Vergleich zu Schicht I nimmt die Qualität der Keramik jedoch ab. Es gibt viel weniger bemalte Typen. Viele Töpfe sind eher grob gearbeitet.[10]

Schicht III ist wiederum vor allem aus Bereich A bekannt, dort wurden sechs Unterschichten unterschieden. Aus Bereich C stammen die Reste eines Friedhofes, der auch noch zur Zeit von Schicht IV belegt wurde. Die Bebauung in Bereich A ist nun noch dichter. Es handelt sich meist um kleinere Häuser mit zwei oder drei Räumen. Aus dieser Schicht stammen auch Siegel mit geometrischen Mustern.

Schicht IV und V

Plan der Reste des Palastes. Schicht IV.1
Plan des Tempel von Schicht IV

In Schicht IV entwickelte sich Mundigak zu einer vollentwickelten Stadt.

Palast

Im Zentrum der Stadt steht Hügel A, auf dem sich umfangreiche Reste eine Palastanlage fanden. Es ist unsicher, ob es sich wirklich um einen Palast handelte, wie der Ausgräber vermutete, aber der Bau hatte sicherlich eine öffentliche Funktion. Das Gebäude war weitläufig von einer Mauer umgeben. Für den Bau wurden Häuser eingeebnet, die auf dem Hügel standen um damit eine Platform für den Palast zu schaffen. Seine nördliche Fassade war mit einer Pilasterreihe dekoriert, die stuckiert und weiß bemalt war. Am oberen Rand wurde diese Pilaster von einer dekorierten Ziegelleiste begrenzt. Sie waren bei den Ausgrabungen zum Teil noch zwei Meter hoch erhalten. Der eigentliche Palast bestand aus diverse Räumen und einem Hof. Die Ost-, Süd- und Westfassade des Baues waren nicht erhalten, mögen aber auch mit Pilastern dekoriert gewesen sein. Es konnten diverse Umbauphasen unterschienden werden.

Tempel

Etwa 200 m östlich vom Palast stand ein monumentales Gebäude, bei dem es sich wahrscheinlich um einen Tempel handelte, der auf jungfräulichen Boden errichtet wurde. Er stand auf einem flachen, etwa 2,5 m hohen Hügel hatte eine monumentale Außenmauer, die an der Außenseite mit mächtigen, im Grundriss dreieckigen, Strebepfeiler dekoriert war. Die Fundmente bestanden aus Stein. Das Innere der Anlage bestand aus einem Hof, in deren Mitte sich der eigentliche Tempel befand.[11]

Mauer und Wohnstadt

Teile der Wohnstadt sind nur ausschnittsweise ergraben worden. Westlich des Palastes konnten an verschiedenen Stellen die Reste einer Mauer verfolgt werden. Sie bestand aus zwei Außenwänden. Im Inneren befanden sich Trennwände, wodurch eine Reihe von Innenräumen entstand, die wiederum durch Türen an der Mauerinnenseite begehbar waren. An der Außenfassade befanden sich Stützpfeiler. Eine Ecke der Mauer ist gefunden worden. Hier stand ein Turm mit vier Innenräumen und mit einst vielleicht vier Stützpfeilerm an jeder Seite. Nur an der Nordseite sind alle vier erhalten. Schon in Schicht IV.1 war das Gebiet um die Mauer an beiden Seiten dicht mit einfachen Häusern bebaut, die meist aus wenigen Räumen bestanden. Etwa 90 m westlich (Grabungsgebiet E) fanden sich wiederum Reste einer zweiten Mauer, die ähnlich aufgebaut war und sich über eine Lämge von etwas 120 m verfolgen ließ. Wohnbauten kamen ansonsten vor allem in Grabungsgebiet D vor, wo in Schicht IV.1 noch die Stadtmauer stand; das Gelände in Schicht IV.2 war mit einfachen Wohnbauten bebaut.

Schicht V

Schicht V war durch die Erosion des Grabungsgebietes sehr schlecht erhalten. Auf dem Haupthügel wurde auf den Resten des alten Palastes ein neuer Palast errichtet, wobei die alten Strukturen unter dem Bau begraben und zum Teil bewahrt waren. Auch in anderen Teilen der Stadt gibt es Belege für eine Bebauung auch in dieser Periode, doch sind die Reste nur sehr schlecht erhalten.[12] Danach ist der Ort anscheinend verlassen worden. Um 2600 v. Chr. befand sich hier keine Stadt mehr. Dies ist vor allem insofern bemerkenswert, als sich damit keine chronologische Überlappung mit der Induskultur ergibt.[13] Schicht VI datiert in das erste Jahrtausend v. Chr.

Funde

An Kleinfunden ist vor allem die Keramik von Bedeutung. Der Ausgrabungsbericht konzentriert sich vor allem auf dekorierte Formen, so dass die undekorierte Keramik weniger bekannt ist. Es fanden sich Gefäße, die mit der Hand geformt wurden, aber auch solche, die auf der Töpferscheibe gefertigt wurden. In den Schichten I und II finden sich meist einfache, gemalte geometrische Mutter, oft am oberen Rand von Schalen; in der Schicht III werden die Bemalungen komplexer. Es finden sich weiterhin vor allem geometrische Muster, die dem sogenannten Quetta-Stil zugehören. Andere sind im Stil der Nal-Kultur bemalt oder haben Ähnlichkeiten mit Keramik der Amri-Kultur. In Schicht IV treten auch vereinzelte figürliche Darstellungen auf, vor allem Rinder.[14] Spinnwirtel sind ab Schicht I.4. bezeugt. Es gab zwei Typen. Die einen haben sie konische Form und sind aus Ton gefertigt, die anderen sind diskusförmig und aus Stein gefertigt.[15] Steingefäße sind in fast allen Schicht bezeugt.[16]

Es fanden sich zahlreiche Terrakottafiguren, die oftmals Menschen, meist Frauen, aber auch Männer darstellen. Daneben fand man in den Resten der Schicht IV auch den Kalksteinkopf einer Männerstatue.[17]

Aus Schicht IV stammen auch zwei größere Keramikgefäße, die einen Schiebedeckel hatten und die vielleicht als Mäusefallen dienten.[18] Vergleichbare Mausfallen sind als Mohendja Daro im Industal bekannt. Die aus Mundigak sich wahrscheinlich um einige Jahrhunderte älter.[19] Vielleicht handelte es sich sogar um einen antiken Staat.[20]

Ab der Schicht I.2 sind Bronzeobjekte bezeugt. Es handelt sich zunächst um einfache Werkzeuge und Waffen, wie Nadeln. Aus Schicht IV stammen aber auch die Reste eines Spiegels. Eine Untersuchung belegte, dass es sich meist um Bronze mit einem geringen Zinngehalt handelt.[21]

Datierung

Die Datierung der einzelnen Schichten ist problematisch. Zur Zeit der Ausgrabung gab es nur wenige Vergleichsfunde. Es bestehen jedoch viele Ähnlichkeiten zu Schahr-e Suchte im heutigen Iran. Beide Fundorte, zusammen mit einigen anderen, werden deshalb als Helmand-Kultur bezeichnet.[22] Keramik der Schicht I hat Ähnlichkeiten mit der Töpferware von Mehrgarh und datiert damit wohl schon ins 5. Jahrtausend v. Chr.[23] Jean-François Jarrige publizierte ein Gefäßfragment aus Schicht III.6, das Parallelen in der Dschemdet-Nasr-Zeit in Mesopotamien hat.[24] Einige Gefäße aus Schicht IV haben Parallelen in Kot Diji, einem Ort in Pakistan, der zu einer Frühphase der Induskultur gehört.[25] Dementsprechend blühte die Stadt in der ersten Hälfte des 3. vorchristlichen Jahrtausends. Zur Zeit der Induskultur (etwa 2500 bis 1700 v. Chr.) war der Ort weitesgehend verlassen.

Einzelnachweise

  1. Philippe Beaujard: Part I – The Ancient Routes of Trade and Cultural Exchanges and the First States (Sixth–Second Millennium bce), in: Philippe Beaujard, The Worlds of the Indian Ocean 2 Hardback Book Set: The Worlds of the Indian Ocean: A Global History: Volume 1, Cambridge, ISBN 978-1108424561, p. 100.
  2. Jane McIntosh: The Ancient Indus Valley: New Perspectives, Santa Barbara, California, ISBN 978-1-57607-908-9, pp. 86–87.
  3. Bridget and Raymond Allchin: The Rise of Civilization in India and Pakistan, London, New York, Bew Rocjwell, Melbourne, Sydney 1982, ISBN 0-521-24244-4, pp. 132–133.
  4. Philippe Beaujard: Part I – The Ancient Routes of Trade and Cultural Exchanges and the First States (Sixth–Second Millennium bce), in: Philippe Beaujard, The Worlds of the Indian Ocean 2 Hardback Book Set: The Worlds of the Indian Ocean: A Global History: Volume 1, Cambridge, ISBN 978-1108424561, p. 112.
  5. Casal: Fouilles de Mundigak, pp. 23–27.
  6. Cameron A. Petrie und Jim G. Schaffer: A Helmand civilsation south of the Hindu Kush, in: Raymond Allchin, Warwick Ball, Norman Hammond (Hrsg.): The Archaeology of Afghanistan, From earliest Times to the Timurid Period, Edinburgh, University Press, Edinburgh 2019, ISBN 9780748699179, pp. 166–173.
  7. Petrie und Schaffer, in: Allchin, Ball, Hammond (Hrsg.): The Archaeology of Afghanistan, From earliest Times to the Timurid Period, pp. 189–191.
  8. Casal: Fouilles de Mundigak, pp. 29–32, Figs. 6–7.
  9. Casal: Fouilles de Mundigak, pp. 126–28, Figs. 49–50.
  10. Casal: Fouilles de Mundigak, pp. 33–36.
  11. Casal: Fouilles de Mundigak, pp. 126–28, Figs. 63–65.
  12. Petrie und Schaffer, in: Allchin, Ball, Hammond (Hrsg.): The Archaeology of Afghanistan, From earliest Times to the Timurid Period, pp. 187–189.
  13. Cortesi E., Tosi Maurizio, Lazzari A., Vidale Massimo: Cultural Relationships beyond the Iranian Plateau: The Helmand Civilization, Baluchistan and the Indus Valley in the 3rd Millennium BCE. In: Paléorient, 2008, vol. 34, n°2. p. 26.
  14. Petrie und Schaffer, in: Allchin, Ball, Hammond (Hrsg.): The Archaeology of Afghanistan, From earliest Times to the Timurid Period, pp. 192–216.
  15. Casal: Fouilles de Mundigak, p. 232, Fig. 133.
  16. Casal: Fouilles de Mundigak, pp. 233–234, Fig. 134.
  17. Casal: Fouilles de Mundigak, pp. 76–77, 255, Tafel XLIII, XLIV; Victor Sarianidi: Die Kunst des alten Afghanistan. Architektur, Keramik, Siegel, Kunstwerke aus Stein und Metall. VCH, Acta Humaniora, Weinheim 1986, ISBN 3-527-17561-X, S. 113, Tafel 28, 29 auf 117, Tafel 36 auf S. 124.
  18. Casal: Fouilles de Mundigak, p. 145, Nrn 314, 314a, p. 197. Fig. 84.
  19. E. Cortesi sem-linkM. Tosi sem-linkA. Lazzari, M. Vidale: Cultural Relationships beyond the Iranian Plateau: The Helmand Civilization, Baluchistan and the Indus Valley in the 3rd Millennium BCE, in: Paléorient Année 2008 34-2 pp. 5-35.
  20. Jane McIntosh: The Ancient Indus Valley: New Perspectives, Santa Barbara, California, ISBN 978-1-57607-908-9, pp. 23–24.
  21. Petrie und Schaffer, in: Allchin, Ball, Hammond (Hrsg.): The Archaeology of Afghanistan, From earliest Times to the Timurid Period, pp. 218–221.
  22. E. Cortesi sem-linkM. Tosi sem-linkA. Lazzari sem-linkM. Vidale: Cultural Relationships beyond the Iranian Plateau: The Helmand Civilization, Baluchistan and the Indus Valley in the 3rd Millennium BCE, in: Paléorient Année 2008 34-2 pp. 5-35.
  23. Jean-François Jarrige,Aurore Didier, Gonzague Quivron: Shahr-i Sokhta and the chronology of the Indo-Iranian regions, In: Paléorient, 2011, vol. 37, n°2. pp. 7–34.
  24. J.-F. Jarrige: Une jarre polychrome à tenon perforé de Mundigak. In: G. Gnoli and L. Lanciotti (Hrsg.), Orientalia Iosephi Tucci Memoriae Dicata, Rome: IsMEO (Serie orientale 56,2), pp. 661–666.
  25. Jean-François Jarrige,Aurore Didier, Gonzague Quivron: Shahr-i Sokhta and the chronology of the Indo-Iranian regions, In: Paléorient, 2011, vol. 37, n°2. p. 18.

Quellen

  • The Rise of Civilization in India and Pakistan, Bridget und Raymond Allchin, Cambridge 1982, ISBN 9780521285506
  • Archaeological Gazetter of Afghanistan / Catalogue des Sites Archéologiques D'Afghanistan, Volume I, Warwick Ball, Editions Recherche sur les civilisations, Paris, 1982.
  • Jean Marie Casal: Fouilles de Mundigak, Paris 1961 (Ausgrabungsbericht).