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Als Franquismus (span.franquismo [fraŋˈkismo], dt. auch Franco-Regime) bezeichnet man das System und, soweit vorhanden, die ideologische Untermauerung der autoritären DiktaturFrancisco Francos in Spanien von 1936 bis zu den ersten freien Wahlen 1977.
Die Herrschaft Francos über Spanien und das in seinem Sinne gestaltete System gilt als ausgesprochen personalistisch, also in weit größerem Maße durch die Person des Diktators als durch eine bestimmte Ideologie oder Weltanschauung geprägt. Franco verstand es, sich diese fast unumschränkte Machtfülle bis zu seinem Tod im Jahr 1975 zu bewahren. Für seine Machtausübung war es insbesondere charakteristisch, dass Spanien unter seinem Regime keine kodifizierte Verfassung besaß, sondern nur eine geringe Anzahl über die Jahre seiner Herrschaft hindurch erlassener Grundgesetze mit Verfassungsrang. Der wenig charismatische Franco herrschte im Wesentlichen, indem er alle wichtigen politischen Ämter bis hin zur Provinzebene auf der Basis persönlicher Vertrauensverhältnisse besetzte und die Stützen seines System – unter anderem die Staatspartei Movimiento Nacional, die katholische Kirche und das Militär – fortwährend gegeneinander ausspielte.
Seine Legitimation leitete der Franquismus aus der Sicht seiner Eliten im wesentlichen aus seinem militärischem Sieg im Bürgerkrieg ab, welchen er nicht nur als einen Sieg der eigenen Weltanschauung verstand, sondern darüber hinaus als Verteidigung der spanischen und europäischen Zivilisation und Kultur auffasste. Da der Katholizismus als integrierender Bestandteil der spanischen Kultur verstanden wurde, kam es zu einer engen Zusammenarbeit von Kirche und Staat im Rahmen des sogenannten nacional-catolicismo.
Der Franco-Staat war während der etwa vierzig Jahre seiner Existenz in wirtschaftlicher und außenpolitischer, in geringerem Maße auch in innenpolitischer Hinsicht bedeutenden Entwicklungen unterworfen, welche zur Folge hatten, dass sich die Zeit der Herrschaft des Diktators in mehrere voneinander deutlich unterscheidbare Phasen einteilen lässt. Diese Entwicklungen führten von einer anfänglichen Despotie, welche grausame Vergeltung an den im Bürgerkrieg unterlegenen Parteien übte, gewisse Merkmale mit zeitgenössischen faschistischen Systemen teilte und planwirtschaftliche Züge zeigte, hin zu einer autoritär-konservativen Herrschaft, unter der Spanien im Zuge eines veritablen „Wirtschaftswunders“ von dem Niveau eines Entwicklungslandes unter die zehn größten Industrienationen der Erde aufstieg, ohne dass allerdings diesem ökonomischen Fortschritt eine nennenswerte politische Öffnung im Inneren gegenübergestanden hätte.
Entstehung des franquistischen Systems
Francos Weg zur Macht
Datei:Terualsiege.jpgSzene aus dem Spanischen Bürgerkrieg: Belagerung von Teruel, 1938
Francisco Francos Herrschaft nahm 1936 mit dem Spanischen Bürgerkrieg in den von der nationalspanischen Koalition kontrollierten Teilen Spaniens ihren Anfang. Ausgangspunkt war ein Putsch gegen die wenige Monate zuvor gewählte Regierung der Zweiten Republik, die aus einem Volksfront-Bündnis hervorgegangen war. In Burgos, der Interimshauptstadt, entstand bereits in der ersten Woche des Bürgerkriegs eine provisorische Junta, welche umgehend alle Gewerkschaften und Parteien sowie Streiks verbot und die Autonomierechte der Regionen aufhob.
Dem seit seiner Rolle bei der Niederschlagung des asturischen Bergarbeiteraufstandes von 1934 bei der spanischen Rechten angesehenen Franco gelang es, in dieser Junta eine Führungsrolle zu übernehmen. Am 1. Oktober 1936 wurde die Junta Técnica del Estado zum Zweck der Einrichtung eines provisorischen Staatswesens begründet. Im Oktober 1936 wurde Franco von dieser Junta zum Generalísimo aller Streitkräfte ernannt und war von da an unumschränkter Herrscher der nationalspanischen Bürgerkriegspartei. Mögliche Rivalen wie die Generäle José Sanjurjo und Emilio Mola kamen während des Bürgerkriegs (am 20. Juli 1936 bzw. am 3. Juni1937) durch Flugzeugabstürze ums Leben.
Die Teilnehmer auf nationalspanischer Seite (als frente nacional, nationale Front, bezeichnet) kämpften, anders als es oft vereinfachend dargestellt wird, nicht lediglich im Zeichen und für Ziele des Faschismus, sondern auf der Basis eines recht allgemeinen kleinsten gemeinsamen Nenners: des ihnen gemeinsamen, von einem rigiden Antikommunismus herrührenden Wunsches nach einem anderen Spanien sowie ihrer Abneigung gegen die Demokratie im allgemeinen und der herrschenden Volksfrontregierung (Frente Popular) im besonderen. Die angreifende Seite des spanischen Bürgerkriegs war vielmehr eine verhältnismäßig heterogene Koalition verschiedenartigster radikaler, aber auch gemäßigt rechter Parteien, Bewegungen und Sympathisanten, von den Großgrundbesitzern und der rechtsrepublikanisch-katholischen Partei CEDA und der akademisch-katholische Laienbewegung Acción Católica über Monarchisten und Carlisten bis hin zu der faschistischenFalange Española de las JONS. Überhaupt wurden im Spanischen Bürgerkrieg in erster Linie alte Konflikte der mindestens seit der Zeit der napoleonischen Kriege unversöhnlich entzweiten spanischen Gesellschaft offen ausgetragen, die oft nur oberflächlich mit den politischen, ideologischen und sozialen Konflikten des damaligen Europas zu tun hatten.
Die Putschisten hatten (wie bereits beim vereitelten Putschversuch Sanjurjos von 1932) ohne vorherige klare Vorstellungen von ihren politischen Zielen gehandelt, und noch auf Monate hinaus gab es auf nationalspanischer Seite über einige Schlagworte und eine Anzahl von Vorstellungen davon, was man nicht mehr zu sehen wünschte, hinaus kein Konzept für die angestrebte politische Ordnung nach dem Kriege. Im Detail waren die politischen Ziele der Teilnehmer vielfach fast völlig unvereinbar. Franco sah, dass es mit der Einigkeit dieser bunten Koalition und damit vermutlich auch mit seiner Macht allerspätestens nach Ende des Bürgerkriegs, sehr wahrscheinlich aber bereits früher, vorbei sein würde, und strebte deshalb danach, die auf nationalspanischer Seite am Bürgerkrieg teilnehmenden Kräfte möglichst umgehend unter seiner eigenen Führung zu vereinen und die Deutungshoheit über Sinn und Zweck des Kampfes gegen die Republik selbst auszuüben.
Der Griff nach der Falange
Mit der Rolle des Anführers der Junta konnte sich Franco nicht auf Dauer zufrieden geben. Wollte er die spanische Rechte unter sich vereinigen, bedurfte es eines geeigneten Sammelbeckens. Er fand es in der wegen ihres Führerprinzips für seine Zwecke besonders geeigneten „Falange Española de las JONS“, wobei ihm der Zufall in die Hände spielte.
Noch zu Zeiten der Zweiten Republik, im Jahr 1934, hatte sich die 1933 gegründete Falange Española mit den ihr weltanschaulich nahe stehenden JONS (Juntas de Ofensiva Nacional Sindicalista, zu deutsch „Vereinigungen der Nationalsyndikalistischen Offensive“) zur „Falange Española de las JONS“ vereinigt. Sie propagierte in einem aus 27 Punkten bestehenden Parteiprogramm aus dem Jahr 1934 unter anderem die Abschaffung der Demokratie und einen „nationalen Syndikalismus“. Unter dem letzterem Schlagwort war die Erfassung der Bevölkerung in ständischen Organisationen zu verstehen, wobei sich der Falangismus jedoch im Wesentlichen auf die Erfassung aller Arbeitsfähigen in Zwangssyndikaten beschränkte. Ferner wurden auch die Verstaatlichung des Bankenwesens und eine radikale Agrarreform gefordert. Der Anführer der Falange, José Antonio Primo de Rivera, Sohn des früheren spanischen Diktators Miguel Primo de Rivera, glorifizierte ähnlich wie Mussolini das Soldatentum und Ramiro Ledesma, der (1935 aus der gemeinsamen Organisation ausgeschlossene) Anführer der JONS, war ein offener Bewunderer der faschistischen Squadren, die Italien in den Jahren um den „Marsch auf Rom“ herum mit Terror überzogen. Der Einfluss dieser Partei mit ihren etwa acht- bis zehntausend Mitgliedern war während der gesamten Zweiten Republik vernachlässigbar gewesen, und sie hatte auch nicht zu den Urhebern des pronunciamiento im Juli 1936 gehört: obwohl man bei der Falange von den Putschplänen wusste, hatte sie keinen Einfluss darauf.
Am 19. November 1936 wurde José Antonio Primo de Rivera durch die spanische Republik nach einem Gerichtsverfahren hingerichtet und die Partei damit führerlos. Franco ergriff die Gelegenheit und bemächtigte sich an Stelle des vorläufigen Führers der Falange, Manuel Hedilla, handstreichartig der geschwächten und zerstrittenen falangistischen Bewegung als Caudillo (span. – Anführer). Er hatte zuvor der Falange nicht angehört und ihr auch politisch nicht nahe gestanden. Dieser Erhebung Francos zum Caudillo wohnt etwas Zufälliges inne; hätte sich eine andere Bewegung mit vergleichbarer Verfassung und ähnlicher Eignung für die Herrschaft über einen autoritären Staat angeboten, hätte Franco sich wohl ebenso gut dieser anderen Bewegung bedient. Ironischerweise hatte Primo de Rivera junior aus der Zelle heraus seine Anhänger ermahnt:
„„‚Passt auf die Rechte auf... Die Falange ist keine konservative Kraft.‘ Sie sollten sich nicht als Außenseiter an einer Bewegung beteiligen, ‚die nicht zur Errichtung des national-syndikalistischen Staats führen wird.‘ Offensichtlich wusste er, dass ein solcher Versuch bevorstand [...] Nur wenige Tage vor Ausbruch des nationalistischen Aufstands, am 12. Juli, schrieb er an einen Freund: ‚Eines der schrecklichsten Dinge würde die nationalrepublikanische Diktatur sein. Ein anderer falscher Versuch, den ich befürchte, ist... die Herrschaft eines falschen, konservativen Faschismus ohne revolutionären Mut und junges Blut.‘ [...] Was er befürchtete, war genau das, was eintrat.““
– Francis L. Carsten: Der Aufstieg des Faschismus in Europa, Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt/Main 1968, S. 237
Die Falange unter Franco stellt den in der Geschichte eher seltenen Fall einer (faktisch) gleichgeschalteten faschistischen Bewegung dar. Denn Franco zeigte bald darauf, dass er sich der Falange hauptsächlich zu dem Zweck bemächtigt hatte, um sich ihrer als Vehikel zur Macht und als Klammer für die Parteien und Bewegungen der frente nacional zu bedienen. Mit ihren Zielsetzungen identifizierte Franco sich wenig, obschon er gewisse Punkte und Forderungen ihres Parteiprogramms zum Gegenstand seiner Politik machte – wenngleich keineswegs alle; und die wenigen Punkte, die Franco umsetzte, setzte er oft nur so lange oder insoweit, wie es ihm opportun erschien oder nicht im Sinne der Falange um.
„General Franco hatte nicht die geringste Absicht, die revolutionären Losungen und Forderungen der Falange zu übernehmen, mit denen er keinerlei Sympathie hatte. Er war ein Konservativer der alten Schule und der Aufstand der Generale ein Putsch, und nicht die soziale und nationale Revolution, von der die Falange geträumt hatte. [...] Da er [Primo de Rivera jun.] die Kreise des Regimes nicht mehr stören konnte, wurde er zum offiziellen Märtyrer und Schutzheiligen der Diktatur Francos, einer Diktatur, deren erklärter Gegner er sicherlich geworden wäre, falls sein Leben länger gedauert hätte.“
– Francis L. Carsten: Der Aufstieg des Faschismus in Europa, Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt/Main 1968, S. 237 f.
Die Gründung der franquistischen Staatspartei
Als eigentliche Geburtsstunde des franquistischen Staates ist jedoch der Zusammenschluss der revolutionär-antimonarchistischen Falange mit der monarchistisch-absolutistischen und daher im Spektrum der rechten Bewegungen genau entgegengesetzten carlistischenComunión Tradicionalista zur Einheitspartei Falange Española Tradicionalista y de las JONS am 19. April1937 anzusehen. Diese eigenartige Vereinigung einer revolutionären mit einer reaktionären Bewegung kam auf das Betreiben von Francos Schwager Ramón Serrano Súñer zustande, welcher selbst weder der Falange noch den Carlisten, sondern der CEDA angehörte. Serrano hatte Franco die Vereinigung vorgeschlagen, da seiner Ansicht nach keine der an der nationalspanischen Koalition beteiligten Fraktionen den "Anforderungen des Tages" entsprach. Er selbst wurde auf Wunsch Francos der erste Generalsekretär der neuen Partei und befasste sich damit, die verschiedenen Teile der neuen Bewegung zu koordinieren. Dies gelang ihm aber nicht vollständig, da nicht alle Falangisten sich dem neuen Kurs anschließen wollten. Ansonsten ließen die Beteiligten die Vereinigung geschehen, da Franco sie für die Zeit nach Abschluss des Bürgerkriegs mit der Beteiligung an der Macht lockte.
„Die olympische Verachtung, die Franco für die Spanier, für Freund und Feind empfand, äußerte sich von Anfang an in der Auffassung von dem Staat, zu dessen Oberhaupt er sich ausrief. [...] Unterstützt von einem unübersichtlichen Konglomerat von Faschisten, die sich "Falangisten" nannten (d.h. Republikaner und Syndikalisten), "Traditionalisten", also religiös verwurzelten Karlisten, "Juntas de ofensiva nacional sindicalista", also Nazis mit Knoblauchsuppe, knetete er diese seelenruhig wie einen Brotteig zusammen zur "Falange Española Tradicionalista y de las JONS". Konnte man sich eine größere Beleidigung dieser drei Gruppen mit ihren grundverschiedenen Ideologien denken? Aber sie hörten ihn unbewegt, dann begeistert an, weil es ihnen dabei um nicht wenig politische Macht ging, zum ausschließlichen und monopolistischen Gebrauch.“
Durch diese Vereinigung der beiden sehr ungleichen Partner – bald darauf wurden auch die legitimistischen Monarchisten der Bewegung angeschlossen, andere Organisationen wie die CEDA waren zu diesem Zeitpunkt schon aufgelöst – hatte Franco das franquistische System in seinen Grundzügen angelegt: aus einer lockeren Koalition war eine Bewegung unter Francos alleiniger Führung geworden. Die Organisation „F.E.T. y de las JONS“, genannt „Movimiento Nacional“ legte in vieler Hinsicht Ideologie und Zielsetzungen der „alten“ Falange ab: konservative und monarchistische Zielsetzungen traten in den Vordergrund, und von einer Bodenreform war keine Rede mehr. Andererseits wurden zentrale falangistische Programmpunkte wie der Syndikalismus beibehalten. Die F.E.T. y de las JONS war, bedingt durch ihre Heterogenität, ein Kompromiss, der allen etwas bot: den spanischen Antimonarchisten ebenso wie den Königstreuen, der alten Rechten ebenso wie den sozialistisch angehauchten Falangisten.
So wurden nach und nach alle politischen Kräfte der nationalspanischen Seite unter Francos Führung zusammengefasst, während umgekehrt das politische Spektrum auf Seiten der Republik immer uneiniger wurde und (wie in Barcelona im Frühjahr 1937) sogar Bürgerkriege innerhalb des Bürgerkriegs austrug. Auch im wenngleich erzwungenen einigen Vorgehen liegt – neben den italienischen und deutschen Waffenlieferungen – ein Grund für den Sieg der nationalspanischen Sache.
Mit dem Sieg über die Republik 1939 herrschte Franco und mit ihm das franquistische System über ganz Spanien.
Spanien unter dem franquistischen System
Franco verfügte am 1. April 1939 das Ende des Bürgerkriegs. Vgl. auch dieses franquistische Propagandaplakat
Die Phasen, welche das Franco-Regime durchlief, ähneln in mancher Hinsicht den Phasen, welche auch die Sowjetunion durchlebte. Auf eine anfängliche Phase der gewaltsamen Säuberung, welche vom Ende des Bürgerkriegs an gerechnet etwa fünf Jahre währte, folgte eine ideologische Phase, in welcher die spanische Wirtschaft Ansätze einer Planwirtschaft zeigte. Ab etwa Ende der fünfziger Jahre bis zu Francos Tod folgte eine lange Phase der politischen und gesellschaftlichen Lethargie. Mit den einzelnen Phasen wechselten auch die Stützen des Staates, ihre Bedeutung für das System oder der Grad ihrer Loyalität zu Franco.
Überblick und geschichtlicher Ablauf
Der Franquismus, verkörpert im so genannten "Estado Nuevo", zeigte sich in den Jahren des Spanischen Bürgerkriegs und in der unmittelbaren Nachkriegszeit als grausame Despotie in einem in jeder Hinsicht verwüsteten Land. Im Rahmen von Säuberungsaktionen, die auch (nach der Parteifarbe der Falange) als "blauer Terror" bezeichnet werden, dominierten - in den nationalspanisch beherrschten Landesteilen bereits seit Beginn des Bürgerkriegs - Repression, Folter und Rache am politischen Gegner. Die spanische Gesellschaft teilte sich in Sieger und Besiegte, und "[die] Besiegten, die in den Augen Francos das absolut Böse verkörpert hatten, sollten zahlen und büßen"[1]. Die Zahl der politisch motivierten Hinrichtungen ging in die Hunderttausende. Bernecker gibt die Zahl derer, die im franquistischen Spanien zwischen 1936 und 1944 durch politischen und Justizmord ums Leben kamen, mit bis zu 400.000 an. Neuere Schätzungen (u.a. von Michael Richards) gehen von 150.000 bis 200.000 Opfern aus. Die Exekutierten wurden in der Regel anonym in Massengräbern beigesetzt, um sie dort dem Vergessen zu überantworten: in Galicien soll darum sogar die Ausstellung von Totenscheinen verweigert worden sein.
Es wird vermutet, dass die Zahl der politischen Häftlinge sich nach dem Bürgerkrieg auf 1,5 Millionen Menschen belief. Sie und ihre Angehörigen wurden beispielsweise bei der Zuteilung von Lebensmittelmarken systematisch benachteiligt, hatten ständige Demütigungen hinzunehmen und lebten auch nach Entlassung aus der Haft stets in Angst vor einer erneuten Inhaftierung. Nach seiner Konsolidierung ging das Regime allmählich zu weniger offen gewaltsamen Repressionsmaßnahmen über. Doch die letzten Konzentrationslager[2], von denen es in Spanien über einhundert gegeben haben soll und in welchen nicht nur Parteigänger Republikspaniens, sondern während des Zweiten Weltkriegs auch einige zehntausend Flüchtlinge aus ganz Europa interniert worden sein sollen, wurden erst 1962 geschlossen.
Exilierte Republikspanier empfangen die Befreier des KZ Mauthausen 1945
400.000-500.000 Menschen (Bernecker zufolge ist dies die Obergrenze der Schätzungen), darunter allein 150.000 Basken, verließen nach 1939 Spanien, um vor allem in Frankreich, aber auch in Mexiko an der Seite der spanischen republikanischen Exilregierung, das Exil anzutreten. Hierbei handelte es sich um die größte Auswanderungswelle der spanischen Geschichte. Es ist von 13.000 "Rotspaniern" die Rede, die nach der Besetzung Frankreichs durch Hitlers Truppen aufgegriffen wurden und den Weg in deutsche Konzentrationslager nahmen, wo nicht weniger als 10.000 von ihnen ums Leben gekommen sein sollen – 7.000 davon allein im KZ Mauthausen. Etwa die Hälfte aller Exilanten soll nach einer Anzahl von Straferlassen aber in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wieder heimgekehrt sein. Eine Generalamnestie wurde niemals ausgesprochen, und so kehrten sehr viele Exilanten erst nach Francos Tod nach Spanien zurück.
Die fast vollständige außenpolitische und wirtschaftliche Isolierung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs - 1946 hatte die UNO einen diplomatischen Boykott gegen Spanien verhängt - konnte Franco erst nach mehreren Jahren durchbrechen, welche für die Bevölkerung Jahre der Entbehrung waren. 1953 schloß Franco mit den USA ein Stationierungsabkommen und wenig später mit dem Vatikan ein Konkordat ab. 1955 trat das Land der UNO bei.
Der außenpolitischen Absicherung des Regimes folgte zwar keine innenpolitische, wohl aber - wenngleich erst unter den Eindruck eines bevorstehenden wirtschaftlichen Kollapses des Landes und um sich greifender Proteste der Bevölkerung - eine wirtschaftspolitische Liberalisierung, welche nach einem fast vollständigen Austausch der Regierungsmannschaft durch ein Technokratenregime umgesetzt wurde, das von moderneren Eliten wie etwa Angehörigen des Opus Dei getragen wurde. Mit der allerdings erst spät einsetzenden wirtschaftlichen Gesundung Spaniens und dem daraus folgenden zunehmendem Wohlstand breiterer Schichten der spanischen Bevölkerung konsolidierte Francos Herrschaft sich weiter. Dieser wirtschaftspolitische Paradigmenwechsel, der innenpolitisch mit der relativen Entmachtung des Militärs und des Movimiento einherging, wurde dadurch ermöglicht, dass das Regime sich nach der Entspannung der außenpolitischen Situation auch im Inneren als stabilisiert sah.
Der Franquismus endete in einem Staat, der zwar eine autoritäre Diktatur geblieben war, andererseits aber seine Bürger im Alltag weitgehend in Ruhe ließ – wenngleich in den letzten Jahren des Franquismus die Repression wieder anstieg, bedingt durch die Aktivitäten der ETA und weiterer oppositioneller Gruppen. Francos große Abneigung gegen modernere staatspolitische Vorstellungen ließ es nicht nur nicht zu, der Bevölkerung demokratische Freiheiten und die Koalitionsfreiheit zuzugestehen - der Diktator behielt sich auch jederzeit sämtliche Instrumente politischer und gesellschaftspolitischer Repression zur Anwendung nach eigenem Ermessen vor und zögerte nicht, seine Interessen nötigenfalls durch den Einsatz von oft harten Maßnahmen bis hin zum Einsatz physischer Gewalt durchzusetzen. Ebenso blieben die staatlichen Institutionen von der Staatspartei Movimiento Nacional bis zu den ständischen Organisationen der Sindicatos verticales bis zuletzt Instrumente der persönlichen Machtausübung des Caudillo. Wie praktisch alle autoritären Diktaturen räumte der franquistische Staat der Polizei (einschließlich der Guardia Civil) und den Sicherheitsdiensten erhebliche Macht ein. Die Sicherheitskräfte waren in vieler Hinsicht besser ausgerüstet und organisiert als die spanische Armee selbst. Besonders die Guardia Civil bekämpfte jahrzehntelang alle Versuche, unabhängige, partikularistische oder oppositionelle Parteien und Gewerkschaften zu bilden oder entsprechende persönliche Meinungen zu äußern, wobei sie häufig mit erheblicher Brutalität vorging.
Historisch zog der franquistische Staat einen Schlussstrich unter mehr als hundert Jahre politischen Kampf und Instabilität in Spanien und erwies sich als erstes stabiles politisches System seit den napoleonischen Kriegen. Der Umstand, dass sich der Franquismus fast vierzig Jahre lang halten konnte, wird nicht zuletzt darauf zurückgeführt, dass sich Franco nach dem Sieg im Bürgerkrieg in einer Position sah, welche ihm praktisch absolute Macht einräumte und ihm erlaubte, sein Herrschaftssystem nach seinem Gutdünken zu gestalten. Auf lange Sicht hatten außer Franco selbst viele der Gruppen, welche Franco im Bürgerkrieg an die Macht gebracht hatten, verloren, und zwar nicht nur die Republik und ihre Volksfront, sondern auch die Parteien der nationalspanischen Koalition.
„Die Ziele, für die man gekämpft hatte, waren 1939 ... mehr oder minder tot. Aus leidenschaftlichen ideellen Konflikten war zum Schluss nur noch ein opportunistisches Tauziehen um die Weiterexistenz der Kämpfenden geworden. Liberalismus und Freimaurerei waren ausgetrieben, aber die Kirche war von der Falange praktisch entmachtet. Die sozialen Ziele der Falange jedoch waren fast ebenso verblichen wie die der Kommunisten, Anarchisten und Sozialdemokraten. Carlisten und legitime Monarchisten konnten ihren Standpunkt nicht durchsetzen. Auf dieser Schädelstätte der Ideologien thronte triumphierend ein kühler, farbloser, grauer Mann, der den Spanischen Bürgerkrieg überlebt hatte wie Octavian den römischen. Cäsar und Pompeius, Brutus und Antonius, Cato und Cicero – alle diese Genies ermangelten des geringeren Talents, die Dinge überleben zu können. Francisco Franco war der Octavian Spaniens.“
– Hugh Thomas: Der Spanische Bürgerkrieg, S. 465
Francos System bestand vereinfacht gesagt - wie Hugh Thomas und Bernecker übereinstimmend feststellen - aus einem Kompromiss zwischen Militär, Movimiento Nacional und katholischer Kirche, wobei er alle diese innenpolitischen Gruppierungen, die ihn stützten oder die er nicht ignorieren konnte, fortwährend gegeneinander ausspielte. Daneben gab es, wie Bernecker ausführt, mit den Latifundisten und der Großfinanz weitere Gruppierungen, die zahlenmäßig weniger bedeutend waren, aber deren Einfluss in Spanien unübersehbar war. Außerdem sind in dem Zusammenhang die Acción Católica und nicht zuletzt das erst in späteren Jahren einflussreiche Opus Dei zu nennen. Im Zusammenhang mit dem Aufbau des franquistischen Staats sind ferner die Zwangskorporationen, die Syndikate, zu nennen.
Francos Griff nach der Macht in den Jahren 1936 und 1937 war im politischen Umfeld einer ausgesprochen heterogenen Kriegspartei erfolgt, die sich aus einer grundlegenden oppositionellen Haltung heraus in den Bürgerkrieg verstrickt hatte, ohne dass sie - die nationalspanische Koalition - sich darüber einig gewesen wäre, was konkret an die Stelle der verhassten Republik gesetzt werden sollte. Aus diesem Grund war abzusehen, dass die einzelnen Gruppen der nationalspanischen Koalition früher oder später ihre Waffen gegeneinander richten würden. Franco löste dieses Dilemma, indem er die unter seiner Führung kämpfenden politischen Gruppierungen teils durch Zwang, teils durch Überredung unter seine Kontrolle brachte und ihre überschüssigen politischen Energien auf Flügelkämpfe im Rahmen des Movimiento Nacional richtete, und indem er vielen vieles versprach. Das ideologische Vakuum füllte Franco absichtlich bis zuletzt nicht aus: Basis und Legitimationsquelle seiner Macht war neben dem traditionalen Katholizismus im wesentlichen die im Bürgerkrieg erworbene Macht an sich, welche Franco nach dem Prinzip „teile und herrsche“ aufrecht erhielt.
Das System des Regimes wurde - was ihn von vielen zeitgenössischen Diktatoren unterscheidet - weniger von einer als Staatsziel angesehenen Ideologie als vielmehr von der Person des Diktators geprägt, was bereits in der Bezeichnung „Franquismus“ zum Ausdruck kommt - wie uncharismatisch diese Persönlichkeit auch immer gewesen sein mag. In der Tat war Charisma keine hervorstechende Eigenschaft Francos (obwohl der kleinwüchsige Generalísimo, dessen Fistelstimme „seinen Kommandos den Klang eines Gebets“[3] gab, seinem Charisma durch die etwas bemühte Inszenierung eines Personenkults etwas aufzuhelfen hoffte). Das System war auch darauf ausgelegt, dass Charisma zur Führung nicht notwendig war: Franco, der sich in Naturell und Temperament von Mussolini oder Hitler wesentlich unterschied, war alles andere als ein Mann der Tat, sondern verdankte sein politisches Überleben bis zuletzt seinem Organisationstalent und seiner beeindruckenden Fähigkeit, Probleme auszusitzen und nie etwas zu überstürzen. Auch darin, dass Franco eher reagierte als agierte, sich allzusehr zu exponieren vermied und vermeidbaren Risiken aus dem Weg ging, zeigt sich der "Unterschied zwischen Franco und dem imperialistischen, eroberungssüchtigen Diktatoren des eigentlich faschistischen Typs"[4]: Franco wusste, wann man aufhören muss. [5]
Obwohl Franco nicht in vergleichbarem Maße wie andere zeitgenössische Diktatoren in der Öffentlichkeit in Erscheinung trat, war seine Stellung im Staatsganzen in vieler Hinsicht unabhängiger als diejenige anderer Diktatoren. Dies war darauf zurückzuführen, dass Franco über einige wenige Leitlinien und Schlagworte hinaus nie eine zusammenhängende Ideologie formulierte und somit auch kaum durch eine solche in seiner Entschlussfreiheit beschränkt war. Hinzu kam, dass nicht eine der verschiedenen Fraktionen des Movimiento Nacional und auch nicht eine der anderen Stützen des Regimes wie die katholische Kirche und sogar das Militär wirklich für sich in Anspruch nehmen konnte, dass Franco einer der Ihren sei. Franco herrschte, indem er alle seine Stützen gegeneinander ausspielte und es vermied, sich zugunsten einer von ihnen festzulegen. Der Diktator hielt sich im Hinblick auf seine eigene Haltung zu Fragen der Staatsführung und gesellschaftliche Politik häufig bedeckt und behielt sich die Rolle des die Debatte abschließenden Schiedsrichters vor.
Dies ging so weit, dass nicht wenige Institutionen des franquistischen Staats und viele der Elemente des franquistischen Ideologiegebäudes häufig weniger auf Franco selbst als vielmehr auf das Betreiben der Säulen von Francos Macht – wie insbesondere den durch die Falange dominierten Movimiento Nacional und die Kirche – zurückzuführen waren. Der Franco-Staat ist zwar nicht ohne die Verflechtung mit diesen Machtzentren, doch in vielem ohne die Konzessionen vorstellbar, welche Franco diesen Stützen des Systems machte (und die er dennoch, sobald es ihm zum Machterhalt geboten erschien, ohne weiteres wieder kassieren konnte). Einzelne Punkte der ideologischen Ansätze stellten sich zudem als verhandelbar heraus, wenn es Franco für seine Zwecke opportun erschien. Salvador de Madariaga stellt Franco sogar überhaupt in Abrede, jemals Ideale gehabt zu haben:
„„Er [Franco] war ein Besessener, besessen von dieser Herrschergabe, und bis zu seinem Ende herrschte in ihm die Herrschsucht derart, dass er nicht einmal dem Tod erlauben wollte, sie ihm streitig zu machen ... Diese Verachtung für alles und jeden, die er selten zu verheimlichen bemüht war (außer im religiösen Bereich, und auch dort, ohne sich sehr anzustrengen), rührte daher, dass er nur von einem Gedanken beseelt war: Franco diente nur Franco. Die politischen Theorien und Ideologien ließen ihn unberührt. Er unterstützte Hitler, weil damals die ganze Macht von Hitler ausging. [...] Als er ins amerikanische Lager übergehen musste, warf er seine antidemokratischen Reden in den Papierkorb. Franco hat nie eine uneigennützige Meinung vertreten, die sich aus Logik, Vernunft, Großmut, Nächstenliebe oder dem Rechtsgefühl ergeben hätte; jegliche Interpretation seiner Handlungen, die Religiöses zur Erklärung zulässt, muss irrig sein. Franco glaubte stets nur an Franco.““
– Salvador de Madariaga: Spanien, S. 450
Das Militär
Dem Militär, aus dessen Reihen Franco kam, wurde – quasi als Siegesbeute – anfangs bedeutende Macht und eine Anzahl von Privilegien eingeräumt, doch ging Franco bald erfolgreich daran, ihm seinen politischen Einfluss möglichst zu entziehen, indem er seine Regierungen überwiegend mit Zivilisten besetzte. Das Militär im franquistischen Staat blieb jedoch infolge seines Einflusses auf die Sicherheitskräfte sowie seiner Stellung in der öffentlichen Verwaltung und im Wirtschaftsleben während des Regimes eine Macht, welche Franco nicht vernachlässigen durfte, die andererseits aber im wesentlichen treu zu ihm stand. Es erwies sich als zuverlässige Stütze bei der „Entfaschisierung“ des Systems in den Nachkriegsjahren, als es vorübergehend - bis zur Berufung modernerer Eliten - einige bis dahin von der F. E. T. y de las JONS gehaltenen Positionen vor allem im Bereich der öffentlichen Verwaltung übernahm.
Dieser Einfluss des Militärs sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Francos Herrschaft – jedenfalls nach Ende des Zweiten Weltkriegs – keine Militärdiktatur im eigentlichen Sinne war, wie sich am anhaltend niedrigen Anteil der staatlichen Rüstungsausgaben nach 1945 und daran zeigt, dass das Militär bei wichtigen politischen Weichenstellungen keine entscheidende Rolle spielte und auch kaum gefragt wurde.
Es war nach Francos Tod jedoch das Glück der jungen spanischen parlamentarischen Demokratie, dass die Loyalität des Militärs zum Caudillo sich mit der Zeit wandelte und das Militär – das vor dem Bürgerkrieg für seinen Prätorianismus berüchtigt war, was sich daran zeigt, dass es allein während des 19. Jahrhunderts zu mehr als 50 pronunciamientos kam – der transición keine Steine in den Weg legte, da sie sich auf legaler Basis und nicht in der Form eines Umbruchs entwickelte, welchen die Streitkräfte nicht mitgetragen hätten.
Der Movimiento Nacional
Die Abzeichen der Falange Española de las JONS (oben) und der Comunión Tradicionalista wurden zusammen von der F.E.T. y de las JONS fortgeführt. Üblicherweise wurden von 1936 bis 1977 beide Flaggen aufgezogen, zwischen ihnen die Flagge des spanischen Staats - ebenso, wie üblicherweise als so genannter Triple Himno zusätzlich zur Nationalhymne Marcha Real (auch genannt: Marcha de Granadera) die falangistische Parteihymne Cara al Sol und die carlistische Marcha de Oriamendi intoniert wurden.
Die Macht des Movimiento Nacional, zuvor als „F.E.T. y de las JONS“ bekannt und nach ihrer lange Zeit dominierenden Teilfraktion oft einfach „Falange“ genannt, war während des Bürgerkriegs und in den ersten Nachkriegsjahren (welche Bernecker als die „Blaue Periode“ bezeichnet) groß, als Franco zwischen den Parteien des Zweiten Weltkrieges die Balance zu wahren und nach Ende dieses Kriegs die Isolation in der Welt zu bewältigen hatte, und ihr Anteil an der ideologischen Verfassung des Franco-Staates war entscheidend. Franco führte jedoch während seiner gesamten Amtszeit den Einfluss des Movimiento immer weiter zurück; man spricht sogar - soweit der ideologische Zustand dieses rechten Sammelbeckens das rechtfertigte - von einer „Entfaschisierung“ des franquistischen Staats durch Franco selbst. So kosteten die Regierungswechsel von 1957 und 1969 den Movimiento jeweils erhebliche Macht, welche anderen Gruppierungen wie vor allem dem Militär und später dem Opus Dei übertragen wurde. Da zahlreiche Altfalangisten (camisas viejas, Althemden) den Kurs Francos ablehnten, der auf ihre Zurückdrängung abzielte, gab es im franquistischen Spanien sogar so etwas wie eine rechte Opposition.
Ab 1958 erwähnen die offiziellen Texte des Staats die Bezeichnung „Falange“ nicht mehr, und ab 1970 wurde die Bewegung auch offiziell in Movimiento Nacional umgetauft. Der Movimiento füllte die Funktionen einer Staatspartei je länger desto eingeschränkter aus und ließ bereits während des Bürgerkriegs einen Vergleich mit den Parteiorganisationen totalitärer Regimes nur eingeschränkt zu. Ihre ideologische Ausrichtung war wegen der Verschiedenartigkeit der in ihr zusammengefassten Organisationen bereits während des Bürgerkrieges unklar und wurde nach einem beachtlichen Zustrom im Jahr 1939 noch diffuser, als sie es zuvor schon war. Diese Partei, die sich ausschließlich aus Flügeln zusammensetzte, weil ein ideologisches Zentrum schwer zu definieren gewesen wäre, war wegen ihrer Heterogenität weit entfernt von der Geschlossenheit eines Partito Nazionale Fascista oder gar einer NSDAP. Waren die Fraktionen des Movimiento selbst auch von der direkten Macht ausgeschlossen, die von Franco ausgeübt wurde, so waren sie deshalb nicht machtlos. Ihre Anführer wurden durch Franco auf Basis eines Vertrauensverhältnisses eingesetzt, was dazu führte, dass keine dieser Gruppen gänzlich oder auf Dauer übergangen wurde.
Der Movimiento bewirkte aufgrund seiner unübersichtlichen Zusammensetzung aber immerhin, dass im autoritären System Francos in der Praxis ein sehr eingeschränkter Pluralismus[6] möglich war, welcher in totalitären Systemen (man denke in Hinblick auf den deutschen Nationalsozialismus nur an Gregor Strasser oder Ernst Röhm) undenkbar gewesen wäre. Ideologisch deutlich divergierende Gruppen wie etwa die carlistischen, monarchistischen, altrechten und falangistischen Flügel innerhalb der heterogenen Staatspartei F.E.T y de las JONS konnten sich gerade aufgrund des für den franquistischen Staat charakteristischen Fehlens einer positiv formulierten Staatsideologie bilden und ihre mitunter sehr verschiedenen Auffassungen zu tagesaktuellen und selbst grundsätzlichen Fragen artikulieren. Franco verwendete allerdings große Sorgfalt darauf, dass dieser sehr relative Pluralismus der einzelnen Fraktionen nicht etwa in oppositionelle Haltungen umschlug. Als der Prätendent der carlistischen Bewegung, Francisco Javier (I.), Verständnis für baskischen und katalanischen Separatismus äußerte und sein Sohn Carlos-Hugo seinen Vater wegen dessen Haltung, den Anhängern der carlistischen Bewegung im Zuge des Plebiszits von 1966 über das Staatsorganisationsgesetz (Ley Orgánica del Estado) eine Zustimmung zu Francos Nachfolgeregelung zu empfehlen, sinngemäß als Opportunisten bezeichnete, ließ Franco sämtliche Prinzen der II. Carlistischen Dynastie aus Spanien ausweisen.
Die amorphe und hochbürokratisierte F.E.T. y de las JONS übte nicht, wie die ideologisch straff geführten und monolithischen Organisationen Deutschlands oder Italiens, das Monopol der Machtelitenrekrutierung aus, allein schon weil Franco sich in der Zusammensetzung seiner Regierungen gerne auf Kleriker und Militärs stützte, die mit der Staatspartei nichts zu tun hatten. Somit war der Movimiento nur ein Element in der Architektur des franquistischen Staats, mit dessen Elitencharakter es nicht sehr weit her war. Vielmehr war der Movimiento - Bernecker zufolge - ein „innenpolitisches Instrument Francos“, welches er dazu verwendete, die rechten Kräfte in Spanien gegeneinander auszuspielen. Mit dem Antimonarchismus der falangistischen Fraktion etwa war es, wie Bernecker weiter ausführt, möglich, ein Gegengewicht gegen die monarchistischen Gruppen wie vor allem die Carlisten zu schaffen. Aus demselben Grund war die Falange wegen ihres sozialistischen Einschlags gegen die Konservativen und die alte Rechte nützlich. Auch Teile des Militärs, welche mit der Falange sympathisierten, ließen sich gegen andere Fraktionen innerhalb des Militärs ausspielen.
Der Movimiento behielt jedoch bis zuletzt eine nicht zu übergehende Stellung im franquistischen Staat durch die ständestaatliche Organisation des Staatswesens, durch seine Vertretung in den Cortes sowie durch seinen Einfluss auf das Universitätswesen und auf die Massenmedien: Radio und Fernsehen waren gänzlich, die Presse zu einem beträchtlichen Teil von der Staatspartei kontrolliert.
Die Sindicatos verticales
Straßenschild 2004
Der Estado Nuevo zeigt zwar deutliche Ansätze einer korporativen Gliederung, welche allerdings nicht konsequent durchgezogen wurden und sich im wesentlichen mit der Schaffung berufsständischer Syndikate begnügten, ohne wirklich die gesamte Gesellschaft umfassen zu wollen.
Das ständestaatliche Modell wurde im Gesetz über die Prinzipien des Movimiento Nacional von 1958 festgeschrieben. Art. VI sah neben den Familien und den Gemeinden die Syndikate als entidades de la vida social („Elemente des gesellschaftlichen Lebens“) und estructuras básicas de la comunidad nacional („Grundstrukturen der nationalen Gemeinschaft“) an. Politische Organisationen, welche außerhalb der genannten Grundstrukturen und anderer für diesen Zweck eingerichteter Körperschaften, insbesondere also außerhalb der Syndikate standen, waren nach Art. VIII verboten (Toda organización politica de cualquier indole al margen de este sistema representativo será considerada ilegal).
Die Syndikate gingen auf José António Primo de Rivera zurück. Dieser hatte bereits 1935 die Umwandlung der Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen in solche Organisationen gefordert, welche nach Produktionszweigen gegliedert Arbeitnehmer und Arbeitgeber in einer einzigen Organisation unter Aufsicht und Leitung des Staates zusammenfassen sollten. Andere Organisationen mit gewerkschaftsähnlichen Funktionen wurden aufgelöst und mit einem Verbot der Neubildung belegt. Dieses Verbot wurde jedoch nicht lückenlos durchgesetzt, da die Hermandades Obreros de Acción Católia (HOAC) sich weiter betätigten und sich offen als Alternative zu den Sindicatos verticales darstellten, bis ihr immer schärferer Konfrontationskurs Anfang der sechziger Jahre zur Absetzung der HOAC-Führungsmannschaft auf Druck des Regimes führte.
Die Syndikate hatten eine politische und eine repräsentative Funktion. Ihre Macht stand allerdings im wesentlichen auf dem Papier, und erst 1958 wurden die 1947 eingerichteten Betriebsausschüsse mit der Befugnis ausgestattet, die Interessen der jeweiligen Arbeitnehmerschaft bei betrieblichen Abkommen zu vertreten. Wie Bernecker ausführt[7], wurden trotz dieser relativen Stärkung der Kompetenzen in den Folgejahren die „Kritik an der mangelnden Repräsententivität der Syndikatsführung, der Unverantwortlichkeit der Befehlslinie und der Abhängigkeit der Syndikate von der politischen Führung geübt.“
Das Syndikatssystem bestand im wesentlichen unverändert bis zu Francos Tod, wurde allerdings von illegalen Interessenvertretungen wie den Comisiones Obreras (CC.OO) zuletzt bis fast zur Bedeutungslosigkeit unterwandert und ausgehöhlt.
Während etwa der ersten zwei Jahrzehnte der ausgeprägt klerikalistischen Herrschaft Francos war die katholische Kirche eine der effektivsten Stützen des franquistischen Staats. Im Gegenzug für die Legitimierung der Diktatur erhielt sie weitreichenden Einfluss auf dem Gebiet der spanischen Gesellschaftspolitik. Dieser sogenannte nacional-catolicismo der Franco-Zeit lastet nach Manfred Tietz[8] auch nach der Demokratisierung des Landes als schwere Hypothek auf der spanischen Kirche.[9]
Der Nationalkatholizismus
Die Herrschaft Francisco Francos gab sich betont katholisch und suchte die Nähe der kirchlichen Institutionen, von welchen sie Legitimation beanspruchte. Eine für das Franco-Regime bezeichnende Geste war es, der Mutter Gottes den Rang eines Ehrengenerals der spanischen Armee einzuräumen, und nicht zufällig hatte Nationalspanien im Bürgerkrieg, den Franco als cruzada (Kreuzzug) bezeichnete, für sich in Anspruch genommen, stellvertretend für die ganze Christenheit zu kämpfen und die westliche Zivilisation zu verteidigen.
Dieses besondere Verhältnis zwischen Kirche und Diktator, welches als nacional-catolicismo bezeichnet wurde, beruhte durchaus auf Gegenseitigkeit. Die Kirche erkannte Franco ein Gottesgnadentum zu, welches Bestandteil seines offiziellen Titels wurde, und bereits im Jahr 1937 unternehmen es alle spanischen Bischöfe bis auf zwei in einem an alle Bischöfe der Welt gerichteten Hirtenbrief, den Bürgerkrieg als „Kreuzzug“ und „nationale Bewegung“ zu rechtfertigen. Dem mögen einerseits diesseitige Hoffnungen zugrunde gelegen haben, von Franco die Privilegien zurück zu erhalten, welche die Zweite Republik mit ihrer antiklerikalen Tendenz ihr genommen hatte - auf der anderen Seite allerdings standen die zahlreichen gewalttätigen Übergriffe gegen Klerus, Laien und Kirchengebäude vor und besonders während des Bürgerkriegs, angesichts derer sich die Kirche in einem Kampf auf Leben und Tod wähnte.
Nach dem Bürgerkrieg wurden den kirchlichen Institutionen die alten Privilegien wieder eingeräumt und im „Grundgesetz der Spanier“ auch verfassungsrechtlich garantiert. Ihr wurde als einziger Konfession die Abhaltung öffentlicher Zeremonien und Kundgebungen ermöglicht. Die Kirche war in den Cortes direkt repräsentiert, und Kleriker waren in politischen Spitzenpositionen vertreten. Das ranghöchste franquistische Grundgesetz, das "Gesetz über die Prinzipien des Movimiento Nacional" von 1958, formulierte (in Art. II) das enge Verhältnis zwischen Kirche und Staat wie folgt: La nación española considera como timbre de honor el acatamiento a la Ley de Dios, según la doctrina de la Santa Iglesia Católica, Apostólica y Romana, única verdadera y fe inseparable de la conciencia nacional, que inspirará su legislación (etwa: „Die spanische Nation berühmt sich der Ehrfurcht vor Gottes Gesetz gemäß der einzig wahren Lehre der heiligen katholischen, apostolischen und römischen Kirche und dem vom nationalen Bewusstsein untrennbaren Glauben, welcher seine Gesetzgebung inspirieren wird“). Im Rahmen des nacional-catolicismo kam es so im Ergebnis zu einer Verschmelzung von Kirche und Staat.
Das Konkordat von 1953
Im Jahr 1953 schloss Franco mit dem Vatikan ein für den Heiligen Stuhl sehr vorteilhaftes Konkordat ab. Abgesehen davon, dass der Franco-Staat die katholische Kirche (und sie ihn) offen begünstigte, steht der Abschluss dieses Konkordats allerdings auch im Zusammenhang mit den Bemühungen des Franco-Regimes, die internationale Ächtung zu durchbrechen. Aus diesem Grund hatte der Vatikan auch lange mit dem Abschluss einer solchen Vereinbarung gezögert. Erst die Verhandlungen der USA über den Abschluss eines Stationierungsabkommens mit Spanien beendeten die Hinhaltetaktik des Heiligen Stuhls.
Dieses Konkordat sicherte der katholischen Kirche neben der Bestätigung bereits bestehender Vorrechte eine noch weitergehende Einflussnahme auf das öffentliche Leben - insbesondere durch die Übertragung elementarer Teile des Bildungs- und Erziehungswesens sowie von Zensurbefugnissen in dogmatischen und moralischen Belangen. Der Kirche wurde (was für sich genommen in einem katholischen Land und zumal in Spanien noch nicht allzu ungewöhnlich war, wenngleich das Ausmaß dennoch erstaunte) das spanische Bildungs- und Erziehungswesen weitgehend übertragen; das Konkordat schrieb hier unter anderem verbindlichen Religionsunterricht von der Grundschule bis zur Universität vor, der in vollem Einklang mit der katholischen Dogmatik und Morallehre zu stehen hatte.
Weitere Bestandteile des Konkordates waren weitgehende Steuerbefreiungen für die kirchlichen Institutionen und eine Entschädigung für staatliche Enteignungen während der Zweiten Republik. Ferner wurde der Kirche zugesagt, dass der spanische Staat für die Erhaltung der Priester und der Kirchengebäude aufkommen würde. Weitere Punkte des Konkordats befassten sich mit der Abschaffung der zivilrechtlichen Scheidung und der zivilrechtlichen Wirkung der kirchlichen Trauung – was bis 1979 zivile Trauungen ausschloss. Im Gegenzug erhielt der Staat ein Vorschlagsrecht für die Besetzung der spanischen Bischofsstühle und damit die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Spitzen der spanischen Kirche. Erst 1968 kam es im Rahmen eines Kultusfreiheitsgesetzes (Ley de libertad de cultos) zu einer Besserstellung der nichtkatholischen Konfessionen, welche allerdings bei weitem keine Gleichberechtigung bewirkte.
Paradoxerweise war es später die Kirche, welche auf eine Revision des Konkordats drängte, weil ihr die Nähe zum Regime und die enge Verflechtung mit ihm auf Dauer als Belastung erschien. Nachdem der Vatikan Franco vergebens aufgefordert hatte, auf sein Mitbestimmungsrecht bei der Investitur von Bischöfen zu verzichten, ließ er Bischofssitze vakant und ernannte lediglich Weihbischöfe, ein Amt, zu dessen Besetzung Franco Mitbestimmung nicht zustand. Zu ersten Änderungen des Konkordats kam es nicht vor 1976 und vor allem 1979, als etwa zwei Drittel der Bestimmungen des Konkordats gestrichen wurden.
Gegenbewegungen innerhalb der Kirche
Das Kloster Montserrat
Ab etwa dem Jahr 1960 griff indessen an der kirchlichen Basis eine andere, oppositionelle Einstellung zum Regime um sich. Es ist ein häufig zu beobachtendes Phänomen, dass der Klerus (nicht nur der katholischen Kirche in Spanien) in autoritären Staaten manche Freiräume bietet und die Rolle von Korporationen wie zum Beispiel Gewerkschaften ausfüllt, welche dem Volk vorenthalten werden. Die Kirche wurde – zuerst im Baskenland – zu einer Keimzelle und Zuflucht für die Opposition gegen das Regime und rückte von ihrer ihr zuerkannten Rolle ab, das Regime zu legitimieren. Dies war ein schleichender Prozess, welcher lange Jahre in Anspruch nahm. An der Kirchenbasis handelten in diesem Sinne die so genannten curas rojos und (als Kommunisten verschriene) Arbeiterpriester. Zusammen mit Institutionen wie der Acción Católica und vor allem ihrer Arbeiterbruderschaft HOAC bot die spanische Kirche an ihrer Basis denjenigen Menschen in Francos Staat, denen es versagt war, sich öffentlich zu artikulieren, die nötigen Freiräume. Die Staatsmacht reagierte auch auf diese Betätigung, welche dem Buchstaben des Konkordats zuwiderlief, mit der üblichen Repression und nahm Priester ohne Zustimmung ihrer Bischöfe fest, um sie einem besonderen Gefängnis für Geistliche (bei Zamora) zuzuführen. Solche Maßnahmen führten auch an der Kirchenspitze zu einem Umdenken und zu einer zunehmenden Distanzierung von Franco, was nach dem II. Vaticanum dazu führte, dass die Spanische Bischofskonferenz Franco die Forderungen der katholischen Weltkirche vortrug.
Hinzu kam das Engagement der Kirche für die nichtkastilische Bevölkerung, die einen Höhepunkt erreichte, als der Erzbischof von Bilbao, Antonio Añoveros, auch um den Preis eines ernsten Konflikts mit Franco um 1974 das Recht der Basken auf eigene Sprache und Kultur postulierte. In diesem Zusammenhang bekannt ist auch das Kloster Montserrat, in welchem die Messen in der verbotenen katalanischen Sprache gelesen wurden.
Latifundisten und Großfinanz
Wegen ihrer relativen Bedeutung sind als Stütze des Systems noch der Großgrundbesitz und die Finanzbourgeoisie zu erwähnen. Diese Kreise profitierten vor allem in der Autarkiephase des Franco-Systems nach 1939 erheblich, konnten aber auch nach Ende dieser Phase durch die dominierende Stellung, die sie in dieser Zeit aufbauen konnten, ihren Einfluss bis hin in die Ära nach Franco hinüberretten.
Den Großgrundbesitzern - die bereits seit langem die wesentlichen Träger des caciquismo genannten Klientelsystems gewesen waren, welches das Wahlverhalten der Landbevölkerung kontrollierte -, die Franco von Anfang an ideell und vor allem finanziell unterstützt hatten, dankte es der Diktator mit staatlich garantierten Abnahmepreisen.
Eng mit den Latifundisten war die Finanzbourgeoisie verflochten: die bestehenden Banken erhielten bis 1962 eine gesetzlich durch den status quo bancario von 1936 garantierte Monopolstellung, wobei Franco unbedenklich das Parteiprogramm der Falange von 1934, welches die Verstaatlichung der Banken forderte, ein weiteres Mal überging. Dieses Bankenoligopol wurde mit einem Verbot der Neugründung von Banken verbunden. Die Folge davon war ein starker Konzentrationsprozess auf dem Banksektor, in dessen Zuge sich die Zahl der Banken durch Übernahmen und Fusionen fast halbierte, während sich sieben Großbanken etablierten.
Das Opus Dei
Das Opus Dei stieß erst später zu den staatstragenden Kräften und Organisationen hinzu, wenngleich eine pauschale Zurechnung dieser Organisation zu den „Stützen des Systems“ ebensosehr oder ebensowenig seine Berechtigung hat wie im Falle der katholischen Kirche selbst. Auch zahlreiche führende Männer der Opposition gehörten dem Opus Dei an.
Der Machtzuwachs des Opus, der sehr auf Kosten des falangistischen Einflusses auf die spanische Politik ging, fällt in das Ende der fünfziger Jahre, als die Autarkiepolitik des franquistischen Regimes dieses an den Rande einer wirtschaftlichen Katastrophe führte und Francos Macht ernstlich gefährdete. Franco warf im Jahr 1957 das Ruder herum und berief ein Technokratenkabinett. Die Schlüsselressorts Handel und Finanzen gingen an Alberto Ullastres beziehungsweise Navarro Rubio – zwei Männer, denen die Mitgliedschaft im katholischen Laienorden des Josémaría Escrivá de Balaguer, eines Bewunderers Francos, gemeinsam war, des Opus Dei.
Das Opus Dei ist in Hinblick auf das Wirken seiner Mitglieder im Sinne der Ideale ihres Bundes in Alltag und Beruf und der Verschwiegenheit über seine Angelegenheiten gelegentlich mit der Freimaurerbewegung verglichen worden. Seine Mitglieder, unter welchen Laien weit überwiegen, bilden keine Konvente, sondern bleiben in der Welt und in ihren Berufen tätig. Das Opus ist eine Bewegung akademisch gebildeter Eliten. Wie bei so vielen anderen gleichartigen Organisationen überzeichnen allerdings auch im Falle des Opus Dei Verschwörungstheorien die Realität. Ähnlich wie Freimaurer- oder studentische Bünde ist das von spanischer Spiritualität durchdrungene Opus Dei zunächst ein wenngleich vergleichsweise straff geführtes und hierarchisch aufgebautes inkorporiertes Netzwerk Gleichgesinnter. Ideologie und Handeln des Opus Dei allerdings charakterisiert etwa Manfred Tietz dahin, dass diese sich häufig als militanter Katholizismus, autoritärer Konservativismus, klerikaler Integrismus und gesellschaftspolitischen Elitismus[10] darstellten. Bernecker hingegen hebt hervor, dass die Doktrin des Opus durch „starke Betonung des Arbeits- und Pflichtethos [...] große Bedeutung für die Überlagerung vorkapitalistischer Strukturen und Einstellungen durch eine kapitalistische Wirtschaftsgesinnung [erlangte]“[11]. In anderen Worten wurde - wie Bernecker im weiteren[12] anklingen lässt - die Entwicklung, welche die spanische Wirtschaft in den sechzigern und siebziger Jahren einschlug, durch eine Organisation vom Schlage des Opus Dei vielleicht überhaupt erst möglich.
In Spanien hatte sich das Umfeld für das Opus besonders günstig gezeigt. In Spanien waren in der Zeit nach dem Bürgerkrieg Studenten aus den höheren gesellschaftlichen Schichten, welche sich weder von der Falange noch von traditionellen Orden angezogen fühlten, keine Seltenheit. Dieses bereits seit Jahren auf seine Chance hinarbeitende Netzwerk überwiegend blendend ausgebildeter jüngerer Männer sorgte nach dem jähen Sturz der Falange nun dafür, dass Gleichgesinnte in führende Positionen nachrückten, was zu einer beachtlichen wirtschaftlichen und politischen Konzentration von Macht und Mitteln in seinen Händen führte. Das Opus Dei ermöglichte es Franco, Spanien einem umfassenden Modernisierungsschub auszusetzen, ohne dass der Kongregation daran gelegen wäre, zugleich eine politische Liberalisierung herbeizuführen.
Denn durch die historische Chance, welche sich ihm 1957 bot, konnte das Opus sich erst im Bankenwesen und schließlich in weiten Teilen der spanischen Industrie etablieren, wo es der falangistischen Autarkiepolitik und Staatsdirigismus dadurch ein Ende setzte, dass es die Wirtschaft nach wirtschaftsliberalen Gesichtspunkten neu organisierte. Hierin erzielten seine Mitglieder beachtliche Erfolge: das so genannte „spanische Wirtschaftswunder“ nach langen Jahren der Stagnation war wesentlich auf ihre Reformen zurückzuführen.
Das Opus war vorrangig auf wirtschaftlichem und wirtschaftspolitischem, weniger hingegen auf allgemeinpolitischem Gebiet vertreten. Der unmittelbare Einfluss des Opus Dei auf die spanische Politik sollte daher nicht überschätzt werden, und wirklich gehörten von 116 durch Franco während seiner Regierungszeit ernannten Ministern gerade acht dem Opus Dei an[13]. Hinzu kam allerdings eine Anzahl von Personen in führenden politischen Positionen, welche dem Opus zwar nicht angehörten, aber ihm nahestanden und ihn förderten, wie vor allem Luis Carrero Blanco. Bis über das Ende des Franco-Regimes hinaus übte das Netzwerk des Opus Dei starken Einfluss auf die spanische Wirtschaftspolitik vor allem im Bereich des Bankwesens und im Bildungssektor aus.
Allerdings ging der direkte politische Einfluss des Opus nach dem Matesa-Skandal von 1969, der Affäre um einen Steuer- und Subventionsbetrug unter Beteiligung des führenden Opus-Dei-Mitglieds Juan Vilá Reyes, unter nachhaltiger Beschädigung des Glaubens an die Integrität der Kongregation stark zurück. Mit dem Tod Luis Carrero Blancos im Jahr 1973 wurden dem Opus seine Möglichkeiten zur Einflussnahme auf das politische Tagesgeschäft im wesentlichen genommen.
Die Acción Católica
Die katholisch-akademische Laienbewegung Acción Católica hatte 1931, nach der Aufgabe der alten monarchistischen Parteien, mit der Acción Nacional - später Accion Popular - einen politischen Arm gebildet, der sich als katholische Reaktion auf die Zweite Republik verstand. Diese Partei akzeptierte die Republik, wenngleich auch nicht ihre antikirchliche Gesetzgebung. Gleichwohl war ihre Hauptforderung die Wiederherstellung der alten Verfassung. Ihr Anführer José María Gil Robles nahm sich den österreichischen Korporativismus unter Engelbert Dollfuß zum Vorbild. Mit einigen kleineren Gruppen ähnlicher Ausrichtung bildete die Acción Popular die Confederación Española de Derechos Autónomos (CEDA), welche in der Zweiten Republik für zwei Jahre zur Regierungspartei wurde. Mit allen anderen Parteien verschwand auch die CEDA, die Teil der nationalspanischen Koalition wurde, 1936 unter Franco von der Bildfläche. Es verblieb die Acción Católica.
Neben dem Opus stellte auch die Acción Católica vor allem nach der Zurückdrängung der F.E.T. y de las JONS ab 1957 zahlreiche Mitglieder in führenden Positionen, insbesondere im Außenministerium und im diplomatischen Corps. Dieser Bewegung war im Konkordat, als einziger Laienorganisation, das Recht auf Betätigung eingeräumt worden. Doch auch hier wendeten sich im letzten Jahrzehnt der Franco-Diktatur zahlreiche Mitglieder von dem franquistischen Regime ab.
Teile der Bewegung, nämlich die Hermandades Obrera de Accion Católica (Arbeiterbruderschaften der Katholischen Aktion, HOAC), entwickelten teils neben, teils zusammen mit der illegalen freigewerkschaftlichen Bewegung der CC.OO Züge einer Gewerkschaft, während allerdings die gewerkschaftliche Betätigung außerhalb der Sindicatos verticales verboten war.
Im Umkreis der HOAC wurde Anfang der sechziger Jahre ferner die illegale unabhängige Gewerkschaft USO (Unión Sindical Obrera, „Arbeitergewerkschaftsbund“) mit einem linkskatholischen Programm errichtet, die sich vorübergehend mit der ebenfalls illegalen freien Gewerkschaftsbewegung der CC.OO verbündete. Gil Robles, der 1980 verstarb, versuchte sich nach Francos Tod an der Gründung einer christdemokratischen Partei, welcher allerdings in den Wahlen von 1977 kein Erfolg beschert blieb.
Ideologie der Franco-Herrschaft
Francos Ideologie war im wesentlichen aus Negationen zusammengesetzt. Schon in Francos Manifest zu Beginn des Bürgerkriegs eröffnete der spätere Diktator - neben der Aufzählung einer Reihe von umzusetzenden Maßnahmen wie der Auflösung aller Gewerkschaften und der Bildung einer Regierung von "Fachleuten" - kaum ideologische Perspektiven, abgesehen von recht allgemeinen Formulierungen wie der Einführung der "strengsten Grundsätze der Autorität" oder der Herbeiführung "vollständiger nationaler Einheit".
Franco erscheint weit eher an einer konservativ-katholischen gesellschaftlichen Renaissance als an einem totalitären Staat nach faschistischem Muster interessiert. Seine Herrschaft kann am zutreffendsten als konservativ-autoritärer und katholischerPaternalismus klassifiziert werden.
Franco interessierte sich nicht sonderlich für staatsrechtliche Fragen. Der Franco-Staat erhielt - wie unten noch gezeigt werden wird - im Wege allmählich und über die gesamte Dauer seines Regimes hinweg erlassener Grundgesetze erst nach und nach eine Art Verfassung. Die klaren Vorstellungen von der künftigen Staatsform, welche die Falange vor Ausbruch des Bürgerkriegs zum Programm gemacht hatte, wurden von Franco vollkommen ignoriert, ihre sozialrevolutionären Programmpunkte wurden mit dem Traditionalismus vermengt, und von einer Kontrolle des Bankensektors, einer Bodenreform oder der Verstaatlichung der Industrie war keine Rede mehr.
Der Franquismus war, wenngleich oder gerade weil er der katholischen Kirche und katholisch-traditionalistischem Gedankengut die Eigenschaft eines staatstragenden Elements einräumte, selbst keine Säkularreligion mit determiniertem Geschichtsbild wie der Nationalsozialismus oder der Kommunismus. Franco erklärte niemandem die Weltgeschichte oder nach bestimmten Schemata ablaufende gesellschaftliche Entwicklungen; er interessierte sich auch kaum für derartige Themen, sieht man davon ab, dass er dazu neigte, die Verantwortung für Misserfolge regelmäßig der „internationalen Freimaurerei“ in die Schuhe zu schieben. Insofern unter einer Ideologie - nach François Furet - „ein System zur Erklärung der Welt“ zu verstehen ist, „das dem politischen Verhalten der Menschen eine vorherbestimmte Richtung gibt, die jedoch frei von göttlichem Einfluss ist“, wies der Franquismus darum keine Ideologie auf.
Typologie des Franquismus
Straßenschild in Ávila
Wie Bernecker ausführt, wurde das franquistische Spanien lange als totalitär und faschistisch charakterisiert. Und
„[z]weifellos wies das Regime (vor allem in seiner Frühphase) eine Reihe von Charakteristiken auf, die es als faschistisch erscheinen ließen: Es war dem Anspruch nach und in der Terminologie einiger Propangadisten totalitär; eine Einheitspartei war die einzig zugelassene politische Organisation, deren faschistischer, unter Hedilla stehender Flügel anfangs eine Parteidiktatur erstrebte und Bündnisse lediglich unter der Führung der Falange abschließen wollte; die Arbeiterbewegungen und ihre Interessenvertretungen wurden zerschlagen, eine Gleichschaltung auf vielen Gebieten versucht, der Terror massiv als Einschüchterungsmittel der (!) Zivilbevölkerung eingesetzt.“
– Walther L. Bernecker: Spaniens Geschichte seit dem Bürgerkrieg, S. 75
Freilich lassen sich, so Bernecker weiter, eben diese Eigenschaften auch dazu ins Feld führen,
„um Zweifel an eben diesem „faschistischen“ Charakter des Franquismus zu äußern. Denn: Auch wenn Falange/Movimiento eine „Einheitspartei“ war, übte sie nie die unumstrittene Herrschaft im Staate aus; auch gelang ihr nie eine Mobilisierung der Massen wie etwa der NSDAP im „Dritten Reich“; viel eher könnte von einer weitverbreiteten politische Apathie gesprochen werden. Des weiteren fehlte es dem Regime an einer umgreifenden, einheitlichen und verbindlichen Ideologie, da allzu viele gegensätzliche politische Kräfte in der „Bewegung“ zusammengeschlossen waren. [...] Der Staat erwies sich als unfähig, das Erziehungssystem voll zu kontrollieren; er überließ es größtenteils der Kirche [...] und was den systematischen Einsatz terroristischer Mittel betrifft, so ist er keineswegs auf faschistische Systeme beschränkt. Lassen diese Einschränkungen bereits deutlich werden, dass die Charakterisierung des Franco-Regimes als „faschistisch“ eher politisch-polemischen Sprachgebrauch als analytischer Terminologie entspricht, so weist das Abrücken der Regime-Anhänger von faschistischen Symbolen oder Gesten (etwa dem Faschistischengruß) spätestens ab 1943 auch äußerlich auf eine zunehmende Distanzierung zum politischen System der Achsenmächte hin... [Die] Charakterisierung des Franquismus als totalitär oder faschistisch [ist] inzwischen weitgehend aufgegeben [worden] und [findet] fast nur noch zu primär akkusatorischen Zwecken Verwendung [...]“
– Walther L. Bernecker: Spaniens Geschichte seit dem Bürgerkrieg, S. 75 f.
Die Liste der vordergründigen Gemeinsamkeiten, welche bei näherem Hinsehen gerade als Argument gegen eine Klassifizierung des Regimes als „faschistisch“ dienen können, ließe sich fortführen. Bernecker weist a. a. O. darauf hin, dass die Bezeichnungen „totaler Staat“ und „Einheit von Staat und Gesellschaft“ in der Praxis über bloße Floskeln nicht hinauskamen.
Auch obgleich Franco vordergründig mit der Einrichtung der Sindicatos verticales einer zentralen Forderung der Falange nachkam, zeigt direkter Vergleich zwischen dem faschistischen und dem franquistischen Ständewesen einige Unterschiede in der Zielsetzung. Die Ansichten Francos und der Falange über die Funktion dieser Syndikate unterschieden sich beträchtlich: während die Falange die Syndikate nach Art etwa der Deutschen Arbeitsfront als Werkzeug zur Ideologisierung und zur sozialen Revolution heranziehen wollte, hatte Franco mit der Stabilisierung, Überwachung und Ruhigstellung der Bevölkerung das ziemlich genaue Gegenteil im Sinn. Da sich die Falange auch hier nicht durchsetzen konnte, wandten sich die ideologiefesten Falangisten, die so genannten camisas viejas (Althemden), von Franco ab.
Die von Mussolini (zunächst in Libyen und Abessinien, später auch im italienischen Mutterland) und erst recht von Hitler propagierten Rassenlehren fanden in Spanien keinen Widerhall. Der Chefideologe Serrano Suñer erklärte die Unvereinbarkeit der Rassenlehre mit dem katholischen Menschenbild. Im Punkt der so genannten "Judenfrage" unterschied sich Franco grundlegend von Hitler: Spanien soll an die 50.000 europäische Juden gerettet haben, welche sich vor den nationalsozialistischen Häschern nach Spanien flüchteten.[14] Dieser Haltung Spaniens in der sogenannten jüdischen Frage stehen freilich Äußerungen Francos gegenüber, wie etwa derjenigen, die Franco im Dezember 1943 gegenüber dem deutschen Botschafter Dieckhoff tätigte, wonach "...die Einstellung der spanischen Regierung gegenüber Bolschewismus und Kommunismus sich nicht ändern werde, und dass dieser Kampf im In- und Ausland fortgeführt werden würde, ebenso wie gegen das Judentum und die Freimaurerei."[15] Außerdem fanden nach 1945 hochrangige nationalsozialistische Parteimitglieder, darunter auch gesuchte Kriegsverbrecher, Zuflucht in Spanien.
Das seinem Wesen nach restaurative franquistische System stützte sich wesentlich auf die Oberschicht und auf in Spanien traditionell mächtige Institutionen wie vor allem die katholische Kirche. Das System in Italien und mehr noch in Deutschland stützte sich hingegen vorwiegend auf die Mittelschicht und auch das Proletariat - wenngleich es jedoch auch in den beiden letztgenannten Staaten keineswegs ohne Kompromisse und Bündnisse mit der Oberschicht oder Teilen davon abging, die im Gegenzug Beitrage zur Stützung des Systems leistete.
Schließlich war das Franco-Regime keineswegs von der für faschistische Regimes so typischen Massenbegeisterung unter Propagierung immer neuer Feindbilder geprägt. Bernecker weist darauf hin[16], dass der spanische Historiker Juan J. Linzdas Fehlen extensiver und intensiver politischer Massenmobilisierung konstatiert; passive Zustimmung und politische Apathie seien in autoritären Regimen viel häufiger anzutreffen als Enthusiasmus und Massenbegeisterung.
Zweifel daran, dass Francos Regime nicht als faschistisches Regime gelten könne, äußerte auch der Mussolini-Biograf Renzo de Felice (im Jahr 1975): Heute ist es [das Franco-Regime] das [ein faschistisches Regime] ohne Zweifel nicht, und man müsste darüber diskutieren, ob es das je gewesen ist. Wahrscheinlicher handelt es sich um ein klassisch autoritäres Regime mit modernen Einsprengseln, aber nicht mehr als das.[17] Auch darüber, ob vermittelnde Begriffe wie „Klerikalfaschismus“ das Regime zutreffend charakterisieren, herrscht keine Einigkeit: Manfred Tietz[18] etwa hält die Bezeichnung „klerikalautoritär“ für zutreffender. Im übrigen führt Bernecker aus, dass sich für den Franquismus systemtypologisch die Bezeichnung „Autoritatismus“ durchgesetzt habe. Salvador de Madariaga gab als einziges Land, dessen Regime demjenigen des franquistischen Spanien vergleichbar gewesen sei, Jugoslawien an, wobei er freilich einschränkte, dass sich bei Tito immerhin eine ideologische Überzeugung vermuten lasse.
Die Hispanidad
Unter der Hispanidad („Hispanität“) versteht man sowohl die Gesamtheit der spanischsprachigen Welt als auch eine Spanien verherrlichende Lehre von der Größe, Sendung und Auserwähltheit des Landes, auf Spanisch mit der Bezeichnung la vocación imperial (Berufung zum Imperium) umschrieben. Diese Anschauung erhob Franco zu einem der Hauptziele der Außenpolitik, das als Programmsatz sogar Verfassungsrang hatte: Nach Art. I des "Gesetz über die Prinzipien des Movimiento Nacional" von 1958 war Spanien als una unidad de destino en lo universal (etwa: weltumspannende Schicksalsgemeinschaft) anzusehen und empfand sich nach Art. III als raíz de una gran familia de pueblos, con los que se siente indisolublemente hermanada („Ursprung einer großen Völkerfamilie, der es sich unauflöslich verbunden fühlt“). So zielte der Gedanke der Hispanidad auf einen Führungsanspruch Spaniens in der spanischsprachigen Welt ab. Dieser Führungsanspruch ist allerdings weniger im Sinne eines aggressiv nach außen wirkenden Nationalismus zu verstehen. Franco-Spanien träumte nicht von einem „Groß-Spanien“, trachtete nicht nach fremdem Gebiet und es setzte seine Nachbarn nicht unter Druck[19].
Die spanischsprachige Welt
Von diesen vordergründigen außenpolitischen Aspekten abgesehen allerdings wandte sich der Gedanke der Hispanidad - als weit wichtigerer Aspekt dieser politisch-kulturellen Haltung - vornehmlich nach innen als Wunsch nach einer Wiedergeburt Spaniens, welche Nationalspanien sich von einem Sieg über die Republik versprach und nach dem Bürgerkrieg ins Werk zu setzen beabsichtigte. So wollte der Franquismus im Sinne der Hispanidad hinter die moderne Zeit zurück und auf eine Gesellschaft hinaus, die in ihrer Pflege christlicher und als besonders spanisch angesehener Werte ideale Züge trug. Diese Werte sollten nach dem Empfinden der Anhänger der Hispanidad von der gesamten spanischsprachigen Welt geteilt werden. Ein in diesem Sinne wiedergeborenes Spanien würde sodann erneut unbestrittene Vormacht der spanischsprachigen Welt sein - nicht durch militärische Gewalt, sondern indem es ihr gleichsam durch die Würde und Majestät eines mächtigen, einigen und starken Mutterlands als natürliches Oberhaupt vorstehen würde.
Die Zeit, als Spanien eine Weltmacht war, in deren Reich die Sonne nicht unterging, war eine Zeit der strengen Ordnung einer mittelalterlichen Gesellschaft mit ihrer konfessionellen Geschlossenheit, ihrer ständischen Ordnung und der unangefochtenen Autorität des Königs und der Kirche gewesen. Spanien konnte im Sinne seiner Sendung, wie sie im Lichte der Hispanidad gesehen wurde, damals Großes bewirken: es konnte im Rahmen der Conquista ein Weltreich erobern und im Zuge dessen ganze Kontinente zum Christentum bekehren, und es war selbst in der Alten Welt der Motor der Gegenreformation in Europa gewesen. Die Hispanidad stellte hier einen Zusammenhang her: Spanien war demnach eine Macht gewesen, weil es damals seine "spanischen" Werte lebte. Diese idealisierte Vergangenheit Spaniens klang auch in nationalspanischen Bürgerkriegsplakaten[20] an, welche Parolen wie „España, orientadora espiritual del mundo“ (Spanien, geistiger Führer der Welt) zeigten und Schlagwörter wie dasjenige von der cruzada proklamierten (wobei es der Verwendung dieses Schlagworts keinen Abbruch tat, dass im Bürgerkrieg auf der Seite Nationalspaniens zahlenstarke marokkanische Regimenter zum Einsatz kamen, die sich aus den Nachfahren der Mauren zusammensetzten).
Die Gruppierungen, auf welche der Franquismus sich stützte, verfolgten den Gedanken der Hispanidad in unterschiedlicher Ausprägung und Intensität, wobei der Carlismus - eine absolutistisch-monarchistische Bewegung, welche lange die Religionsfreiheit abgelehnt und die Wiedereinführung der Inquisition gefordert hatte - sich besonders hervortat. Doch selbst die antimonarchistische und in Teilen ihres Programms deutlich sozialistisch inspirierte Falange entlehnte ihre Symbole – Joch und Pfeilbündel – der Zeit der Reyes Católicos, welche auch sie als Spaniens größte Zeit betrachtete. Die Falange propagierte den Gedanken der Hispanidad zudem ausdrücklich in ihrem Programm vom Oktober 1934.
Zu einer solchen geistigen und moralischen Führung hatte Spanien in den Augen der spanischen Rechten sich seit geraumer Zeit wenig geeignet: sie empfanden Spanien als durch Parteienhader und „unspanische“ linke Umtriebe heruntergekommen. Daher war ein rigider Antikommunismus eine der wenigen gemeinsamen Nenner der Parteien der nationalspanischen Koalition und ihre wesentliche Antriebskraft während des Bürgerkriegs. Die Zweite Republik stand in ihren Augen stellvertretend für alle die zahlreichen Demütigungen, welche die frühere Weltmacht seit Napoleon hatte hinnehmen müssen und von denen das Jahr 1898 (noventa y ocho), als Spanien im Spanisch-Amerikanischen Krieg durch die USA die letzten Kolonien und somit die letzten Illusionen über seinen Niedergang abgenommen wurden, besonders hervorzuheben ist.[21] Auch aus diesem Grunde war es für den Franquismus essentiell, die Erinnerung an den Bürgerkrieg wach zu halten und gleichsam die Republik jedes Jahr zum Siegestag erneut zu schlagen.
Die aus europäischer Sicht isolationistische Hispanidad und mit ihr der Franquismus waren mangels Attraktivität für jedes andere europäische Land freilich nicht exportierbar und sollten es auch nicht sein - bezeichnenderweise mit Ausnahme Lateinamerikas, wo die Hispanidad ebenfalls populär war und Franco ein Vorbild für nicht wenige Diktatoren.[22]
Außenpolitik
Franquistisches Emblem, welches sich aus den Buchstaben VICTOR (Sieger) zusammensetzt.
Francos erste außenpolitische Verbündete, welche bereits in den ersten Tagen den Militärputsch dadurch vor dem Scheitern bewahrten, dass sie die in Spanisch-Marokko gebundenen Armeeteile auf das spanische Festland übersetzte, waren Adolf Hitler und Benito Mussolini. Auch im weiteren Verlauf des Bürgerkriegs unterstützten sie Franco so erheblich durch Materiallieferungen und die Beistellung eigener Truppen, dass es zweifelhaft erscheint, ob Franco ohne diese Hilfe den Bürgerkrieg für sich hätte entscheiden können. Der italienische und der deutsche Diktator sahen freilich den konservativen General nicht recht als einen der Ihren an, es kam ihnen in erster Linie darauf an, ihren Einfluss auf Spanien auszudehnen, Zugriff auf seine kriegswichtigen Ressourcen zu erhalten sowie Frankreich und Großbritannien in Schach zu halten.
In vielen Bereichen war der deutsche Nationalsozialismus und der italienische Faschismus Vorbild für den Franco-Staat: so wurde nicht nur einige Strukturen der NSDAP, sondern auch verschiedene Institutionen aus Italien übernommen, beispielsweise das Gründungsgesetz des Instituto Nacional de Industria teils wörtlich von Mussolinis Istituto per la Ricostruzione Industriale (IRI) kopiert.
Obgleich Franco unbestreitbar Sympathien für die faschistischen Regimes Deutschlands und Italiens hegte, hielt sich in der Praxis die Solidarität mit seinen angeblichen weltanschaulichen Verbündeten in Grenzen. Mit den genannten Regimes unterhielt Franco eher eine Geschäftsbeziehung als eine ideologische Schicksalsgemeinschaft. Zwar erklärte Franco im Juli 1940, dass Spanien nicht neutral, sondern lediglich nicht Krieg führend sei, und stellte gegenüber Hitler in einem vom Februar 1941 datierten Brief fest, dass wir drei Männer, der Duce, Sie und ich, durch den härtesten Zwang der Geschichte aneinander gebunden sind. Kennzeichnender für Francos Einstellung zu den Achsenmächten ist allerdings wohl sein oben bereits erwähntes Verhalten in Hendaye im Jahr 1940 (somit auf dem Gipfelpunkt der nazideutschen Macht in Europa) anlässlich seines einzigen Zusammentreffens mit Hitler, als Franco für den Kriegseintritt Spaniens nicht nur französisches Kolonialgebiet forderte, sondern sich darüber hinaus auch weigerte, deutsche Truppen in sein Land zu lassen - Franco soll sich seinen eigenen Angaben zufolge Hitler gegenüber sogar dahin geäußert haben, dass Spanien gegen jeden Eindringling bis zum letzten Mann kämpfen werde, von wo immer er komme. Außerdem verlangte Franco die Lieferung von Rohstoffen wie Baumwolle und Kautschuk, welche Deutschland kaum liefern konnte. Franco verschloss sich schließlich trotz seiner vordergründigen Zustimmung in diesem Punkt der Anregung Hitlers, das seit langem von England geforderte Gibraltar zu besetzen – denn dies hätte Francos Eintritt in den Zweiten Weltkrieg bedeutet.[23] Sein Entgegenkommen bestand schließlich darin, dass er die División Azul an die Ostfront schickte, 47.000 falangistische Freiwillige unter General Muñoz Grandes, welche er aber 1943 nach der Schlacht von Stalingrad dort wieder abziehen ließ. Außerdem stellte Franco Deutschland unter anderem U-Boot-Stützpunkte und Nachrichtenmaterial zur Verfügung.
Franco setzte sich 1943 von den Achsenmächten ab, als ihre Niederlage sich abzeichnete, erklärte sich von diesem Jahr an für neutral und stellte im Austausch gegen alliierte Öllieferungen die materielle und ideelle Unterstützung Deutschlands weitgehend ein, was die Entlassung von mit der Achse sympathisierenden Mitgliedern seiner Regierung wie selbst seines Schwagers Ramón Serrano Súñer einschloss. So konnte Franco den Zweiten Weltkrieg hinter sich bringen, ohne es sich mit den Alliierten zu sehr verdorben zu haben. Hinzu kam bereits während des Zweiten Weltkriegs die Abschaffung äußerer Symbole wie des Faschistengrußes. Für Franco waren Hitler und Mussolini gerade nur so lange interessant, als sie mächtig waren und er etwas von ihnen zu erwarten hatte. Ein anderer Aspekt ist allerdings, dass das vom wenige Jahre zurückliegenden Bürgerkrieg noch immer stark geschwächte Spanien sich die Teilnahme an einem weiteren Waffengang einfach nicht leisten konnte.
Außenpolitisch war das Franco-Regime direkt nach dem Zweiten Weltkrieg fast völlig isoliert: Spanien wurde als Verbündeter der Achsenmächte angesehen.[24] Im Dezember 1946 zogen nach einer UN-Resolution fast alle Staaten ihre Botschafter aus Madrid ab. Diese vor allem von der Sowjetunion und Polen initiierte Resolution kam allerdings in einer Weise zustande, die erkennen ließ, dass die USA und Großbritannien sie nicht begrüßten[25]. Frankreich schloss zudem seine Pyrenäengrenze. Franco überstand diese Krise durch Geduld und durch umfangreiche Weizenlieferungen des mit ihm sympathisierenden argentinischen Diktators Juan Perón.
Bald schon änderte sich die außenpolitische Lage wieder zu Francos Gunsten: mit Beginn des Kalten Kriegs konnte es sich die NATO nicht mehr leisten, das strategisch wichtige Spanien weiter auszugrenzen. Obwohl eine Mitgliedschaft Franco-Spaniens für die NATO nicht in Frage kam, konnte Franco durch ein Stützpunktabkommen mit den USA (Tratado de Amistad y Cooperación, Vertrag über Freundschaft und Zusammenarbeit) einen fast gleichwertigen Status herbeiführen, wenngleich Spanien kaum greifbare Gegenleistungen von den USA erhielt. Mit diesem Abkommen und dem Abschluss eines Konkordats mit dem Vatikan im Jahr 1953 war die außenpolitische Isolation aufgebrochen. Von da an hatte das Franco-Regime zwar noch immer wenige Freunde und weltanschaulich Verbündete (vornehmlich nur in Südamerika und im benachbarten Portugal), wurde aber respektiert. Diese relative Integration des Franco-Regimes in die westliche Staatenwelt pflegte die Sowjetunion und Teile der europäischen Linken bereits früh - im Sinne eines tu quoque und einer Beschuldigung des Westens, mit faschistischen Staaten Kumpanei zu treiben - für Propagandazwecke zu nutzen.[26]
Die Aufnahme in die Vereinten Nationen erfolgte im Jahr 1955. Vom Beginn der sechziger Jahre an bemühte sich Franco um ein Assoziierungsabkommen mit der EG, einen entsprechenden Antrag reichte er am 9. Februar 1962 ein. Erst 1966 begannen die Verhandlungen, die sich vor allem wegen politischer Vorbehalte der damals noch sechs Staaten bis zum Abschluss eines ersten Abkommens im Jahr 1970 hinauszögerten.
Wirtschaft
Straßenschild 2004
In der wirtschaftlichen Entwicklung Spaniens unter Franco lassen sich in ähnlicher Weise im Fall der außenpolitischen Orientierung des Regimes zwei verschiedene Phasen unterscheiden: die Phase der Autarkiepolitik während und nach Ende des Bürgerkriegs und eine Phase liberaler Reformen, welche binnen weniger Jahre ein spanisches Wirtschaftswunder nach sich zog.
Die Autarkiepolitik hatte verschiedene Ursachen. In ihren Anfängen war sie aus der Not geboren worden, da Spanien außenpolitisch als Paria galt und das auch zu spüren bekam. Hatten die westlichen Alliierten auch den Vorschlag Stalins nicht gutgeheißen, die alliierten Waffen bis nach Madrid zu tragen, wurde Spanien doch von der Mitgliedschaft in der UNO fern gehalten – und vor allen Dingen von der Teilnahme am Marshallplan und generell von billigen Krediten aus dem Ausland ausgeschlossen. Die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg waren für die spanische Bevölkerung eine Zeit der Knappheit und selbst des Hungers (die so genannten años del hambre). Bis 1951 blieben die Grundnahrungsmittel in Spanien bei äußerst knappen, phasenweise unter dem Existenzminimum liegenden Zuteilungen rationiert.
Zudem war die staatsinterventionistische, mit hohen Schutzzöllen bewehrte Autarkiepolitik ein zentraler Punkt des ideologischen Programms der Falange, welche die Vorstellung hegte, dass die Wirtschaft sich der Politik unterzuordnen und sich in den Dienst am Vaterland zu stellen habe. Franco strebte im Sinne dieser ideologisch motivierten Wirtschaftspolitik danach, Spanien von Einfuhren unabhängig zu machen und im wesentlichen nur für den eigenen Bedarf des Landes zu produzieren, und unterzog zu diesem Zweck die spanische Wirtschaft einer Anzahl einschneidender Maßnahmen wie staatlicher Lenkung und der Festsetzung von Höchstpreisen. Diese Politik führte, abgesehen davon, dass Spanien ein Agrarland mit einer international nicht konkurrenzfähigen Wirtschaft blieb, zu einer lange Jahre anhaltenden Stagnation bei stetig sinkenden Reallöhnen und den typischen Folgeerscheinungen einer Mangelwirtschaft wie Schwarzmärkten, hoher (offiziell aber inexistenter) Arbeitslosigkeit, Nepotismus und Waren von mangelhafter Qualität.
Um 1957 spitzte die Krise sich zu, als die Inflation Rekordhöhen erreichte, welche von Lohnsteigerungen höchst ungenügend aufgefangen wurden. Streiks, die sich auch durch dekretierte Lohnerhöhungen nicht beschwichtigen ließen, brachten die spanische Wirtschaft fast zum Erliegen, und Franco sah sich dazu veranlasst, das Steuer herumzuwerfen. Die falangistische Wirtschaftspolitik wurde aufgegeben und mit der Zulassung eines Wirtschaftsliberalismus die entgegengesetzte Strategie verfolgt. Im Rahmen einer Kabinettsumbildung, in deren Zuge zwei Drittel des Kabinetts auf einmal ausgetauscht wurden, installierte Franco ein Technokratenkabinett, in welchem Mitglieder des Opus Dei führende Posten einnahmen.
Der franquistische Autarkismus wurde umgehend durch wirtschaftlichen Liberalismus ersetzt und im Zuge dieser Reformpolitik eine Reihe alter Zöpfe abgeschnitten. Unter anderem trat Spanien dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und der OEEC bei, die mit den heimischen Technokraten ein „klassisches“ Stabilisierungs- und Liberalisierungsprogramm ausarbeiteten, das ab 1959 umgesetzt wurde. Um 1962 waren die Mitglieder des Opus bereits in einer Position, die es erlaubte, die spanische Wirtschaft sehr weitgehend zu kontrollieren.
Spanien erlebte in den Folgejahren einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung, was Franco die Macht rettete und seine Herrschaft nun auch ökonomisch legitimierte. Spanien industrialisierte sich in raschem Tempo: 1974 sank der Anteil des Agrarsektors an der heimischen Wirtschaft auf unter zehn Prozent, und Spanien, das jahrelang die neben Japan zweitgrößten Wachstumsraten der westlichen Welt aufwies, war zur zehntgrößten Industrienation der Welt aufgerückt. Ferner wurde Spanien als Touristenziel entdeckt - 1,4 Millionen Touristen im Jahr 1955 standen 33 Millionen im Jahr 1972 gegenüber - und konkurrierte bald mit Italien um den Mittelmeertourismus. Symbol des spanischen Wirtschaftswunders wurde der Seat 600, für viele Spanier das erste Auto, das sie ihr Eigen nennen konnten.
Im Ergebnis führten die Reformen zu einer wirtschaftlichen Liberalisierung, der freilich keine politische Öffnung entsprach oder sie nach sich zog. In diesem Sinne hat Spanien den Weg einer Anzahl heutiger so genannter Schwellenländer vorweggenommen.
Der Estado Nuevo zog seine Legitimation aus dem Bürgerkrieg und dem traditionalistischen Katholizismus und bedurfte nach Ansicht seiner Eliten deswegen keiner demokratischen Verfassung und keiner Gewaltenteilung. Eine zusammenhängende Verfassung besaß der Franco-Staat bis zuletzt nicht – hierzu gab es Grundgesetze, welche im Laufe der Zeit erlassen wurden und zusammengenommen das spanische Verfassungsrecht ausmachten. Diese Grundgesetze ließen sich nach ihrem Inhalt in ideologisch-staatsphilosophisch und staatsrechtlich-organisatorisch geprägte Grundgesetze unterteilen.[27] Die Grundgesetze des franquistischen Staats wurden durch die Aufhebungsbestimmungen der Verfassung von 1978[28] aufgehoben.
„Franco triumphierte deshalb, weil ihm die Verhältnisse die absolute Gewalt anboten, die er seinerseits in den Grundgesetzen definierte, die mit äußerster Sorgfalt formuliert waren, so dass sie seine Allmacht in nichts beschränkten; der Gesetzesapparat, der ganz dem Kopf seines Autors entsprungen war, verkündet die völlige Ohnmacht der Nation und die völlige Allmacht des Despoten.“
– Salvador de Madariaga: Spanien, S. 449
Im franquistischen Staat war die Rechtsprechung nicht unabhängig. Streiks galten als Aufruhr und wurden als solcher bestraft. Hinzu kam eine Zensurbehörde, die für Medien aller Art zuständig war. Das Gesetz vom 18. April 1947, welches sich gegen „Banditentum“ und „Terror“ richtete (worunter politische Gegnerschaft zu verstehen war), wurde durch Militärgerichtshöfe umgesetzt, welche im Rahmen eines summarischen Verfahrens Urteile aussprechen konnten[29].
Gesetz über die Prinzipien des Movimiento Nacional (1937/1958)
„Zwischen Volk und Staat vermittelt[e]“ nach einem Erlass vom 19. April1937 die Falange Española Tradicionalista y de las JONS. Anführer dieser Organisation war Franco selbst. Am 17. Mai 1958 wurde zusätzlich das „Gesetz über die Prinzipien des Movimiento Nacional“ (Ley de Principios del Movimiento Nacional) erlassen, welches über den Movimiento hinaus erhebliche weitere Auswirkungen hatte. Denn nicht nur die Bewegung selbst, der ganze Staat sollte auf den Prinzipien der Bewegung fußen, welche das Gesetz als „Gemeinschaft aller Spanier im Glauben an die Ideale, deretwegen der Kreuzzug geführt wurde“ definierte. Von den verschiedenen „Grundgesetzen“, welche im franquistischen Staat im Lauf der Zeit erlassen wurden, war dieses Gesetz das ranghöchste, da kein anderes Gesetz gegen die Prinzipien des Movimiento Nacional verstoßen durfte. Diese unwandelbaren Prinzipien waren im einzelnen: der Konfessionalismus des Staates, die monarchische Staatsform und die ständestaatliche Vertretung.
Gesetz zur Organisation der Zentralverwaltung (1938)
Nach einem Gesetz vom 30. Januar1938 (Gesetz zur Organisation der Zentralverwaltung) hatten die Entscheidungen des Staatschefs Gesetzeskraft, sofern diese Entscheidungen staatsrechtliche Fragen behandelten; die Zuständigkeit für weitere Fragen leiteten sich aus dieser grundlegenden Zuständigkeit von allein ab. Durch dieses Grundgesetz wurden zudem die Ministerien eingerichtet. Der spanische Staat selbst hatte keine eigentliche rechtliche Grundlage; vielmehr ruhte er allein auf Franco, der nur „vor Gott und der Geschichte“ verantwortlich war. Seine Macht unterlag keinen Schranken. Nicht nur Minister, sondern die Inhaber aller wichtigen Staatsämter bis hin zu den Provinzgouverneuren konnte er nach Belieben ernennen und entlassen. Franco selbst behielt sich im Rahmen seiner persönlichen und außerordentlichen „Magistratur“ insbesondere die folgenden Ämter vor:
das Amt des Generalísimo im Sinne eines Oberbefehlshabers der Streitkräfte,
das Amt des Anführers der Staatspartei F.E.T. y de las JONS, die später in Movimiento Nacional umbenannt wurde.
Grundgesetz der Arbeit (1938)
Im Jahr 1938 wurde ferner das „Grundgesetz der Arbeit“ (Fuero del Trabajo) erlassen (das am 26. Juli 1947 als Verfassungsgesetz verkündet wurde), welches sich als Ausdruck der falangistischen syndikalistischen Ordnung sowohl gegen Kapitalismus als auch Marxismus richtete. Seit dem „Gesetz über die syndikale Einheit“ (Ley de Unidad Sindical) von 1940 wurden – getreu den Vorstellungen José Antonio Primo de Riveras, der sich hierbei an italienische Vorbilder anlehnte – Arbeitskräfte und Unternehmer in einer Art Einheitsgewerkschaft, der Organización Sindical, zusammengefasst, deren Vorsitzender Ministerrang hatte. Die Organización Sindical umfasste nach Produktionszweigen gegliederte „vertikale Gewerkschaften“ (sindicatos verticales), in denen Arbeiter und Arbeitgeber zwangsvereint wurden. Die Syndikate sollten bestimmungsgemäß ein Werkzeug des Staates sein, mit welchem dieser Einfluss auf die Wirtschaft ausüben konnte. Dies geschah über „Verbindungsleute“ (enlaces) und über Betriebsräte (jurados de empresa). Diese Strukturen erwiesen sich nicht zuletzt wegen der unklaren Verteilung der Verantwortlichkeiten als ineffektiv, wurden aber bereits vor Francos Tod durch die CC.OO weitestgehend unterlaufen. Ihr endgültiges Ende fanden die Syndikate im Jahr 1977 durch die Aufhebung der Zwangsmitgliedschaft.
Gesetz zur Einrichtung der Cortes (1942)
Palacio de las Cortes in Madrid
1942 wurden mit dem „Gesetz zur Einrichtung der Cortes“ (Ley de la Creación de las Cortes) die Cortes Generales wieder institutionalisiert und erhielten ein Vorschlagsrecht für Gesetze. Über Annahme und Ablehnung der Gesetzesvorhaben bestimmte Franco. Die Cortes traten zwei- oder dreimal im Jahr auf Ladung ihres durch Franco berufenen Vorstehers zusammen. Francos Recht war es auch, zwei Drittel der Mitglieder der Cortes direkt und das letzte Drittel indirekt zu bestimmen – durch Wahlen ständischer und kommunaler Kreise nämlich, bei welchen wenig dem Zufall überlassen wurde. 1967 reduzierte eine Reform die Anzahl der ernannten Abgeordneten erheblich und legte ein stärkeres Gewicht auf Wahlen, wobei allerdings die Hürden für die Ausübung des passiven Wahlrechts so hoch lagen, dass andere als regimetreue Kandidaten kaum eine Chance hatten.
Grundgesetz der Spanier und Gesetz über Plebiszite (1945)
1945 wurden – als Ausdruck der Bemühungen Francos, die außenpolitische Isolation der unmittelbaren Nachkriegszeit, als Spanien von den Siegermächten ausdrücklich von der Teilnahme an der UNO und dem Marshallplan ausgeschlossen worden war, wenigstens abzuschwächen – am 17. Juli das „Grundgesetz der Spanier“ (Fuero de los Españoles) und am 22. Oktober das Gesetz über Plebiszite (Ley del Referendum) erlassen. Mit dem ersten wurden im Bestreben, angesichts der starken außenpolitischen Bedrängnis dieser Jahre den Gegnern des Systems den Wind etwas aus den Segeln zu nehmen, einige Grundrechte garantiert. Die Anerkennung dieser Grundrechte war allerdings davon abhängig, dass ihre Ausübung systemkonform geschah, und zudem standen ihnen Pflichten wie der Treue zum Staatsoberhaupt gegenüber. Die Schwellen für die Aufhebung der Grundrechte blieb bei alldem niedrig, und von der Möglichkeit der Grundrechtsaufhebung wurde darum nicht selten auch Gebrauch gemacht. Durch das „Grundgesetz der Spanier“ wurde politische Betätigung zwar zugelassen, allerdings ausdrücklich auf Familie, Kommune und Syndikat beschränkt. Das Gesetz über Plebiszite diente dazu, den Entscheidungen Francos durch Akklamation einen Anschein demokratischer Legitimität zu verleihen, da ausschließlich Franco selbst solche Plebiszite ansetzen konnte und dies in der Praxis nur veranlasste, wenn er sich seiner Sache sicher sein konnte.
Nachfolgegesetz (1947)
Das „Nachfolgegesetz“ vom 28. Juli1947 (Ley de Sucesión a la Jefatura de Estado) erklärte Spanien zu einem „katholischen und sozialen“ Staat, der „sich in Übereinstimmung mit seiner Tradition zu einer Monarchie erklärt“. Mit diesem Gesetz wurde also nach einem Jahrzehnt, in welchem Franco die Frage der Staatsform mit Rücksicht auf die antimonarchistische Falange bewusst offen gelassen hatte, die Monarchie wieder eingeführt, wenngleich der Thron zu Lebzeiten Francos vakant blieb – ein deutliches Zeichen, dass die Zeiten des größten Einflusses der Falange sich ihrem Ende zuneigte. Bereits der darauf folgende Artikel allerdings sah vor, dass die Macht im Staate Franco selbst zustand. Anstelle eines Monarchen wurde in diesem Gesetz ein Regentschaftsrat bestimmt. Franco sah seine eigene Herrschaft nicht als dauernde Regierungsform an. Sich selbst betrachtete er eher als Reichsverweser denn als Exponenten eines bestimmten Systems. Andererseits jedoch pflegte Franco eine Uniform zu tragen, die an sich dem König vorbehalten war. Er ließ auch sein eigenes Konterfei auf dem Münzgeld abbilden und maß sich sogar Gottesgnadentum bei (sein persönlicher Titel lautete por la gracia de Dios, Caudillo de España y de la Cruzada). Zudem genoss Franco die liturgischen Ehrenrechte, welche vordem dem König zugestanden hatten. Er übernahm und leitete die Erziehung Juan Carlos I., den er, nachdem er jahrzehntelang alle möglichen Prätendenten einschließlich derjenigen der Carlisten gegeneinander ausgespielt hatte, schließlich zu seinem Nachfolger ernannte.
Pressegesetz (1966)
1966 wurde ein reformiertes „Pressegesetz“ (umgangssprachlich nach dem Informationsminister als Fraga-Gesetz bekannt) erlassen, welches dasjenige aus der Zeit des Bürgerkriegs ablöste und die Zensur etwas lockerte. Obwohl die Pressefreiheit damit noch immer keineswegs gewährleistet war, wirkte es in der Praxis dennoch immens auf die spanische Gesellschaft, da diese erstmals seit Jahrzehnten den Zeitungen in Form von Berichten über Streiks und Unruhen entnehmen konnte, dass nicht alles im Lande so glatt von sich ging, wie die falangistisch kontrollierten Medien es sie glauben machen wollte, und dass sie als Individuen, wenn sie sich gegen das Regime stellten (wie mittlerweile die Studenten, die Basken und Katalanen oder der Klerus der späten Jahre, wenn er für die Arbeiter Koalitions- und Streikrechte forderte), nicht allein standen.
Staatsorganisationsgesetz (1967)
Den Abschluss der franquistischen Staatsverfassung bildete das am 11. Januar 1967 erlassene „Staatsorganisationsgesetz“ (Ley Orgánica del Estado). Im wesentlichen wurde hierdurch (neben einigen weiteren Umbauten in der Staatsorganisation, welche die Zuständigkeiten verschiedener Gremien wie des Nationalrats und des Rates des Königreichs neu regelte) die Ämter des Staatsoberhaupts und des Haupts der Exekutive (des Ministerpräsidenten) getrennt. Staatsoberhaupt blieb Franco, das Amt des Ministerpräsidenten blieb zunächst vakant. Bedeutung hatte das Gesetz für Francos Nachfolge. Zugleich war damit gesichert, dass niemand, auch später der König nicht, nach Francos Tod dieselbe Machtfülle wie der Caudillo auf sich vereinen würde. Zu einer konkreten Regelung der Nachfolgefrage kam es erst 1969, als Juan Carlos I. den Titel eines Prinzen von Spanien erhielt und somit auch offiziell für Francos Nachfolge ausersehen war.
Opposition gegen Franco
Flagge der Zweiten Republik
Im franquistischen System gab es keine legale Opposition. Wohl aber gab es (in den ersten Jahren des Regimes) Widerstandsgruppen der traditionellen Linken, welche den Guerillakampf gegen Franco aufnahmen, allerdings spätestens in der Zeit der Entfaschisierung in den fünfziger Jahren infolge des Desinteresses, welches ihnen in der Bevölkerung zunehmend entgegengebracht wurde, die Waffen vollends strecken mussten. Als sich herausstellte, dass das Regime bis auf weiteres weder von innen noch durch Interventionen von außen zu stürzen war, besannen sich diese Gruppen auf andere Vorgehensweisen, welche allerdings Franco nicht mehr ernsthaft gefährlich wurden.
Durch alle Jahre des Franquismus existierte bis in das Jahr 1977 (als sie sich unmittelbar nach den ersten freien Wahlen auflöste) eine Exilregierung der Republik in Mexiko, und im Zuge der ökonomischen Krise zu Ende der fünfziger Jahre, welche in Spanien das Opus Dei in seine Machtrolle beförderte, sah sich auch die außerspanische Opposition zu einigem Vorgehen berufen und gab ein viel beachtetes Lebenszeichen von sich, als alle oppositionellen spanischen Parteien mit Ausnahme der Kommunisten einen Kongress in München abhielten.
In den späteren Jahren des Franco-Regimes bildeten sich von der traditionellen Opposition weitgehend unabhängige oppositionelle Gruppen heraus. Diese Gruppen waren selbst – und sogar vor allem – unter den nominellen Verbündeten Francos zu finden. Bereits erwähnt wurden die kirchliche Opposition gegen Franco in den letzten Jahren seines Regimes sowie die Oppositionshaltung der falangistischen so genannten Althemden.
Die Comisiones Obreras (CC.OO)
Als eine neue Form der Opposition, die nicht allgemeinpolitisch tätig war und von der traditionellen Linken und Teilen der katholischen Kirche unterstützt wurde, sind insbesondere die illegalen freien Gewerkschaften anzusehen. Diese Opposition konnte im franquistischen Staat insoweit Erhebliches bewirken, als sie einer tragenden Säule des franquistischen Regimes – nämlich den vertikalen Syndikaten – und damit dem System des Franco-Regimes ganz konkret gefährlich wurden.
Neben der HOAC und der USO sind hier besonders die Comisiones Obreras (CC.OO, Arbeiterkommissionen) hervorzuheben. Sie wurden von 1956 an, als das franquistische System gerade durch Streiks und Wirtschaftskrise gelähmt wurde, als freie Gewerkschaftsbewegung zu einer der bedeutsamsten oppositionellen Gruppierungen. Ihr gelang es in noch höherem Maße als den anderen illegalen Gewerkschaften, die Zwangskorporierung der Arbeiter unter staatlicher Aufsicht – den Syndikalismus – zu unterlaufen und die Arbeiterschaft recht weitgehend der Kontrolle durch den franquistischen Staat zu entziehen. Die von verschiedener – kommunistischer wie linkskatholischer – Seite inspirierten CC.OO machten gewissermaßen die Prinzipien des Guerillakampfes dem Gebiet des Arbeitskampfes dienlich: sie organisierten zum Kampf für jeweils konkrete, fest umrissene Ziele die Arbeiterschaft in Versammlungen und lösten diese Versammlungen sofort danach wieder auf. Aus diesem Grund waren die CC.OO für die Obrigkeit kaum zu fassen. Dennoch kam es in den letzten Jahren des Regimes zu Verhaftungen und zu Verurteilungen zu langjährigen Haftstrafen, wie insbesondere im Falle der „11 von Carabanchel“ oder 1972/73 im „Prozess Tausendeins“ gegen die Führungsmannschaft der CC.OO.
Der Franquismus und die nichtkastilischen Gebiete Spaniens
Der Franquismus war streng zentralistisch ausgerichtet und stand Autonomiebestrebungen der seit jeher mangelhaft in den spanischen Staat integrierten nichtkastilischen Gebiete Spaniens, insbesondere Kataloniens und des Baskenlands, mit größtem Misstrauen gegenüber. Diese Gebiete hatten zudem während des Bürgerkriegs die Republik unterstützt, weshalb die Repressionsmaßnamen hier besonders hart ausfielen – am stärksten hatte das Baskenland, dessen drei Provinzen Franco wegen ihrer Rolle im Spanischen Bürgerkrieg als „Verräterprovinzen“ bezeichnete, zu leiden. Unter Franco konnte bereits ein katalanischer Volkstanz oder das Zeigen der baskischen Flagge, der Ikurriña, als Zeichen zum Umsturz aufgefasst werden.
Die Repression bezog sich auch auf den öffentlichen Sprachgebrauch. Der Unterricht in nichtkastilischen Sprachen wurde abgeschafft, so dass alleine noch der Unterricht in „christlicher“ (kastilischer) Sprache zulässig war. Ortsnamen wurden hispanisiert, und der Gebrauch der katalanischen, baskischen und galicischen Sprache wurde unter Einsatz des Slogans „Wenn du Spanier bist, sprich spanisch!“ bei Behörden und in der Öffentlichkeit verboten. Das ging so weit, dass der bereits nominierte Sänger Joan Manuel Serrat nicht beim Eurovision Song Contest 1968 antreten durfte, weil er den Song „La la la“ in katalanischer Sprache singen wollte. Die Regionen reagierten zuerst, indem die spezifische Landeskultur im privaten Bereich gepflegt wurde und indem sie sich bei Volksabstimmungen aller Art massenhaft der Stimme enthielten.
In Katalonien überwog dieser passive Widerstand bis in die siebziger Jahre und fand ab Anfang der sechziger Jahre Ausdruck im Nueva Canción (auf katalanischNova Cançó), dem „Neuen Lied“. Vorbilder fanden die zuerst anonymen Liedermacher beim angelsächsischen Folk, beim Chanson und im eigenen Volksliedergut.
In Katalonien kam der Brauch auf, in Kneipenhinterzimmern in der aus der Öffentlichkeit verbannten katalanischen Sprache Lieder zu singen. Die Liedermacher verfassten ihre Lieder selbst und traten wegen der stets drohenden Repression zumeist im bescheidenen Rahmen auf. Die Lieder hatten oft das Gemeinschaftsgefühl einer Gruppe zum Gegenstand. Berühmte Vertreter des Nova Cançó waren Lluís Llach (nicht zuletzt mit seinem Lied L'estaca (Der morsche Pfahl), mit welchem er auf das Franco-Regime anspielte), Francesc Pi de la Serra, María del Mar Bonet und Raimon. In Katalonien ist bis heute der Auftritt Raimons am 18. Mai 1968 legendär (bekannt als 18 de maig a la villa), zu welchem trotz um sich knüppelnder Polizei Hunderttausende strömten. Der Nova Cançó wurde nach dem Ende des Franquismus zunächst voreilig als überholt abgetan, setzte aber auch in der Folgezeit durch, als Lluís Llach in den Achtzigern an sein Werk mit Liedern wie No es aixó (Kein solches Spanien war gemeint) anknüpfte.
Im Baskenland begann ab etwa 1960 – dem Jahr der Gründung der ETA in Bilbao – sich aktiver Widerstand zu formieren, welcher sich ab 1967 in Bombenanschlägen äußerte. Die hierauf einsetzenden Repressionsmaßnahmen des Regimes trugen dazu bei, Franco im Baskenland noch verhasster zu machen.
Im Zuge des so genannten Burgos-Prozesses von 1970, in welchem 16 etarras vor Gericht gestellt wurden, erlitt das Franco-Regime einen erheblichen innen- wie außenpolitischen Gesichtsverlust, als die unerschrockenen Angeklagten vor dem Gericht das Regime unter den Augen der Weltöffentlichkeit wegen seiner antibaskischen Politik und seiner Foltermethoden anprangerten.
Mythologie des Franquismus
Unter dem Franquismus kam dem militärischen Sieg Francos im Spanischen Bürgerkrieg die Bedeutung einer zentralen Legitimationsquelle des Regimes zu. Das franquistische Regime zielte darauf ab, jedermann fortwährend an diesen Sieg zu erinnern, um niemanden jemals den Bürgerkrieg vergessen zu lassen. Der Bürgerkrieg und die Begebenheiten, welche sich zur heroischen Stilisierung eigneten, wurden zum Gründungsmythos der Franco-Diktatur. Im diesem Sinne wurde zum 1. April, dem Tag des Sieges und wichtigstem Anlass im franquistischen Jahreslauf, alljährlich eine Militärparade (desfile de la Victoria) abgehalten.[30]
„¡El Alcázar no se rinde!“
In diesem Sinne eine zentrale franquistische Weihestätte, in welcher die nationalistischen Leistungen im Bürgerkrieg verherrlicht wurden, war der Alcázar von Toledo. Diese alte Festung, welche das Stadtbild Toledos dominiert, war von Oberst Moscardó Ituarte 1936 unter großen Entbehrungen durch zwei Monate gegen die republikanischen Streitkräfte verteidigt worden. Franco hatte den Heeresteil unter Oberst José Varela im September 1936, als die nationalspanischen Truppen sich Toledo hinreichend genähert hatten, nicht zuletzt unter propagandistischen Gesichtspunkten mit dem Auftrag entsandt, den Alcázar vor dem Fall zu bewahren. Seine Rechnung ging auf: die Kämpfe in Toledo, das Ausharren des Alcázars und seine Entsetzung aus höchster Not – die Besatzung, unter ihnen Frauen und Kinder, lebte zuletzt von 180 Gramm Brot am Tag und kratzte als Ersatz für das Speisesalz den Salpeter von den Wänden – wurde zu einem Bürgerkriegsmythos des Franco-Regimes, der auch außerhalb Spaniens Beachtung fand. Der Slogan ¡El Alcázar no se rinde! (Der Alcázar ergibt sich nicht!) wurde zu einem franquistischen Gegenstück des republikanischen Slogans ¡No pasarán! - (Sie werden nicht durchkommen!).
So schrieb der Südafrikaner Roy Campbell, dessen Sympathien bei Franco lagen und der den Ausbruch des Bürgerkriegs un den anschließenden Kampf um Toledo selbst erlebt hatte, der in der Belagerung des Alcázar gipfelte, das folgende Gedicht unter dem Titel „Toledo, July 1936“. Dieses Gedicht gibt – absichtlich oder unabsichtlich – von der religiösen Komponente über den Kampf- und Opfermythos bis hin zu einem Anklang an die Hispanidad die franquistische Ideenwelt in wenigen Zeilen ohne Überspitzung recht treffend wieder:
Toledo mit dem Alcázar (rechte Bildhälfte oben)Toledo, when I saw you die
And heard the roof of Carmel crash,
A spread-winged phoenix from its ash
The Cross remained against the sky!
With horns of flame and haggard eye
The mountain vomited with blood,
A thousand corpses down the flood
Were rolled gesticulating by,
And high above the roaring shells
I heard the silence of your bells
Who've left these broken stones behind
Above the years to make your home,
And burn, with Athens and with Rome,
A sacred city of the mind.
Der Alcázar wurde zu einem Monument des Siegs im Bürgerkrieg. In seinen Kellergängen, wo die Besatzung ausgeharrt hatte, hingen Grußtafeln der Regimenter des spanischen Heers, und in den oberen Räumen wurden republikanische Geschosse, Bilder der bei der Verteidigung Gefallenen und ähnliche Objekte gezeigt. Insbesondere war im Alcázar noch lange nach Francos Tod das Büro Moscardós zu sehen, welches man eigens in dem halbzerstörten, einschussübersäten Zustand belassen hatte, in welchem es nach der Durchbrechung der republikanischen Belagerung vorgefunden worden war. In diesem Raum zeichneten Tafeln in zahlreichen Sprachen den entsetzlichen Dialog nach, welchen Moscardó telefonisch mit seinem gefangen genommenen Sohn hielt. Dieser war Faustpfand der republikanischen Truppen, welche die Kapitulation des Alcázars forderten: Der Sohn sollte für den Fall getötet werden, dass der Alcázar nicht übergeben werden würde. Moscardó war sich allerdings gewärtig, dass das Leben seines Sohnes im spanischen Juli 1936 (als Antoine de Saint-Exupéry notierte: „Man erschießt hier, wie man Bäume fällt“) wohl auf jeden Fall verloren und dass äußerst ungewiss war, wie mit der Besatzung des Alcázars nach ihrer Kapitulation verfahren werden würde. Der Dialog gipfelt darin, dass Moscardó seinem Sohn rät, seine Seele Gott zu empfehlen, Viva España zu rufen und wie ein Patriot zu sterben (Pues encomienda tu alma á Dios, dà un grito de ¡Viva España! y muere como un patriota[31]). Nachdem sein Sohn sich verabschiedet hat, lässt Moscardó dem republikanischen Befehlshaber ausrichten: Puede ahorrarse el plazo que me ha dado, puesto que el Alcázar no se rendirá jamás (Sie können sich die mir eingeräumte Bedenkzeit sparen, denn der Alcázar wird sich niemals ergeben).
Ein anderes derartiges Denkmal ist der Ort Belchite in der Provinz Saragossa. Dieser war zwischen dem 24. August und dem 6. September 1937 Schauplatz eines Häuserkampfes infolge einer republikanischen Offensive auf Saragossa. Die hierdurch beinahe vollständig zerstörte Stadt, die Francos Truppen 1938 zurückeroberten, wurde als ein Symbol für die „rote Barbarei“ nicht wieder aufgebaut. 1954 eröffnete Franco in einem Gedenkakt das in der Nachbarschaft neu aufgebaute „neue Belchite“.
„¡Viva Cristo Rey!“
Ein weiterer Mythos, der vom Franquismus zur Stütze seiner Legitimation verwendet wurde, knüpft sich an die gegen Klerus, Laien und das Eigentum der Kirche gerichtete Gewalt, die, vor allem durch anarcho-syndikalistische Aktivisten, bereits zu Zeiten der Zweiten Republik (wie in den Tagen nach dem 10. Mai 1931) begonnen hatte. Während der ersten Zeit des spanischen Bürgerkriegs äußerte sich diese Gewalt gegen den spanischen Klerus in Brandstiftungen und Bilderstürmereien in spanischen Kirchen und Klöstern. Auch H. Thomas räumt ein, dass man „[nie] in der europäischen Geschichte oder sogar Weltgeschichte [...] einen so leidenschaftlichen Hass gegen die Religion und alles damit Zusammenhängende gesehen“[32] habe. Auch wenn die massiven Verfolgungen nach einigen Monaten stark abebbten, war der nationalspanische Mythos einer fanatischen Religionsfeindlichkeit der republikanischen Seite geboren.
Unter den Begriff der Christenverfolgung werden hier nicht nur jene Gewaltakte gegen die katholische Kirche und ihre Gläubigen gefasst, die oft von erheblicher Grausamkeit gegen Kleriker und Gläubige geprägt und an blasphemischen Elementen nicht arm[33] waren, sondern auch gegen die Religionsfreiheit gerichtete Akte wie die praktisch vollständige Einstellung der Gottesdienste, die Zweckentfremdung zahlreicher Kirchen als Kasernen oder zugunsten anderer profaner Zwecke und selbst das Verbot des Privatbesitzes von Devotionalien.[34] Wenngleich die großen Kunstschätze erhalten blieben, wurden dennoch zahlreiche Kunstschätze in der Zeit des Bürgerkriegs unwiederbringlich zerstört.
Brenan führt aus, dass „[m]an [...] kaum falsch in der Behauptung [gehe], daß alle in der letzten Zeit in Spanien niedergebrannten Kirchen von Anarchisten angezündet wurden und dass die meisten getöteten Priester von ihrer Hand starben.“[35] Dies erklärt Brenan so, dass solches „nur aus dem Haß eines Häretikers gegen die Kirche [zu erklären sei], aus der er hervorging. Denn in den Augen spanischer Anarchisten nimmt die katholische Kirche einen ähnlichen Platz ein, wie im christlichen Denken der Antichrist. Sie bedeutet ihnen weit mehr als nur ein Hindernis zur Revolution. Sie erkennen in ihr die Quelle allen Übels, die Verführerin der Jugend mit ihrer Lehre von der Erbsünde, die Leugnerin von Natur und Naturgesetz, das sie salud, Heil, nannten. Auch karikiert die Kirche mit ihrer angeblich brüderlichen Liebe und gegenseitigen Vergebung das große Ideal menschlicher Solidarität.“[36]
Ein häufig wiedergegebenes Erklärungsmuster für diesen fanatischen Antiklerikalismus ist das folgende. In den vergangenen hundert Jahren war der Kirche zunächst der materielle Boden entzogen worden, als 1836 die Orden und 1841 die Kirche selbst enteignet wurden, und im Konkordat von 1851 hatte die Kirche auf diesen enteigneten Besitz auch formell verzichtet. Das allerdings geschah gegen das Zugeständnis, dass der Staat für den Unterhalt der Kirche und der Geistlichkeit aufkam und sie seinem besonderen Schutz unterstellte. Im Konkordat vollends wurde die katholische Konfession als "Religion der spanischen Nation" anerkannt, und der Staat hatte für Religionsunterricht in den Schulen zu sorgen. In der Verfassung von 1876 der Katholizismus wie bereits 1812 endgültig wieder zur Staatsreligion erklärt und die Kirche sukzessive in ihre alten Rechte wieder eingesetzt. Hatte die Kirche in früheren Jahrhunderten noch daran mitgewirkt, Spanien zu einem der egalitärsten Staaten Europas zu machen[37], so nahm sie, die nun vom Wohlwollen des Staats abhängig geworden war, betont Rücksicht auf die Oberschicht, um sich gut mit ihr zu stellen. Die Oberschicht vergalt es ihr damit, dass sie es der Kirche gestattete, regelrechte Konzerne aufzubauen und zu betreiben, womit die Kirche ihre wirtschaftliche Handlungsfähigkeit bald wieder herstellen konnte. In den Augen der unteren Schichten aber hatte die Kirche sie vergessen und verraten und war habgierig geworden. Diese neue Sicht setzte sich vor allem in der Tagelöhnerwirtschaft des Südens durch. Gerade der Süden aber - vor allem Andalusien - wurde zur Hochburg der anarchosyndikalistischen Bewegung. Salvador de Madariaga zitiert einen katalanischen Priester mit den folgenden Worten: „Die Roten haben unsere Kirchen verbrannt, doch zuerst haben wir Priester die Kirche zerstört.“ [38]
Die zahlreichen Fälle von Priestern und Ordensangehörigen, aber auch von Laien, von denen viele noch im Angesicht ihrer Mörder ihren Glauben bezeugten (233 von ihnen wurden von der katholischen Kirche im Jahr 2001 selig gesprochen[39]), wurden in Francos Spanien (und nicht nur dort) unter der Bezeichnung „Christkönigshelden“ an den Schulen gelehrt. Von dem Historiker Hugh Thomas[40] wird die Geschichte des Priesters von Navalmoral geschildert, welchen seine Peiniger mit Auspeitschen, Dornenkrone und einem mit Essig getränkten Schwamm die Passion Christi nachleiden ließen, bevor sie die Lust an der Sache verloren und ihn, der seine Mörder segnete und ihnen vergab, erschossen, statt ihn an ein Kreuz zu heften. Auch obgleich es unbestreitbar zu unerschrockenen Glaubensbezeugungen im Angesicht des Todes kam, sind im Einzelfall Tatsachen und propagandistische Fiktion oft schwer auseinanderzuhalten. Eine unter dem Franquismus besonders häufig kolportierte, aber mindestens ausgeschmückt anmutende Geschichte eines „Christkönigshelden“ ist zum Beispiel der Bericht vom Schicksal des jungen Carlisten António Molle Lazo[41], der einem Zug von „Marxisten“, welche „¡Muera España! ¡Viva Rusia!“ (Tod Spanien! Hoch Russland!) gerufen haben sollen, ein „¡Viva España! ¡Viva Cristo Rey!“ (Es lebe Spanien! Es lebe Christus, der König!) entgegensetzte. Hierauf soll dem Anführer die Idee gekommen sein, Molle solange zu foltern, bis er „¡Viva el comunismo!“ von sich geben würde, wobei Molle der Geschichte zufolge starb, ohne sich dieses Wort entringen zu lassen.
Wie auch immer die Kirchenverfolgungen zu erklären waren - die Außenwelt war nicht immer geneigt, zwischen der Republik als solcher und den Urhebern der Gewalt gegen die katholische Kirche zu unterscheiden. Wenngleich im republikanischen Gebiet die exzessiven Gewaltakte in der Regel - soweit unter den gegebenen Umständen möglich - eingedämmt wurden, sobald die chaotischen Zustände der ersten Wochen vorbei waren (was die Republik vom nationalspanischen Gebiet unterscheidet, wo gegen Gewalttätigkeiten im Hinterland kaum etwas unternommen wurde), verursachten die unleugbaren Greuel einen nicht wieder gutzumachenden Schaden für das Image der Republik.
Der nationalspanischen Seite war mit diesen Vorfällen eine moralische Rechtfertigung für ihren Kampf gegen die Republik an die Hand gegeben, welche in den Augen vieler Betrachter sogar den eher großspurigen Ausdruck der cruzada rechtfertigen konnte. Die dramatischen Geschehnisse erweckten bei zahlreichen Zeitgenossen geradezu den Eindruck, als ginge ein endzeitlicher Kampf vor sich, und die Wirkung auf die Katholiken nicht nur Spaniens, sondern Europas war beträchtlich. Viele Kämpfer auf nationalspanischer Seite zogen darum mit dem bereits im Zuge der antiklerikalenMexikanischen Revolution während des Cristero-Kriegs bekannt gewordenen Ruf „¡Viva Cristo Rey!“ (Es lebe Christus, unser König) auf den Lippen in die Schlacht. Hinzu kam der erwähnte am 1. Juli 1937 von den spanischen Bischöfen unter dem Eindruck dieser Gewalthandlungen veröffentlichte Hirtenbrief, welcher es unternahm, die Kriegsführung der nationalistischen Seite als Verteidigung der Religion zu rechtfertigen. Dies geschah jedoch nicht zuletzt unter dem Eindruck der Morde an ihren Amtskollegen: getötet wurden elf Bischöfe und ein Weihbischof - die Amtsinhaber der DiözesenAlmería, Barbastro (ein apostolischer Administrator, der Titularbischof von Epirus war), Barcelona, Ciudad Real, Cuenca, Guadix, Jaén, Lérida, Segorbe, Sigüenza sowie der Weihbischof von Tarragona - und noch im Jahr 1939 der Bischof von Teruel.
In absoluten Zahlen soll sich nach Hugh Thomas die Zahl der getöteten Geistlichen, die er mit 7.937 Geistlichen angibt, in der Größenordnung der „sechzehntausend Priester“ jener Hymne Paul Claudels „Aux Martyrs Espagnols“ (An die spanischen Märtyrer) halten:
On nous met le ciel et l'enfer dans la main et nous avons quarante secondes pour choisir. Quarante secondes, c'est trop! Sœur Espagne, sainte Espagne, tu as choisi! Onze évêques, seize mille prêtres massacrés et pas une apostasie!
Man legt uns Himmel und Hölle in die Hände und gibt uns vierzig Sekunden, uns zu entscheiden. Vierzig Sekunden sind noch zu viel! Schwester Spanien, heiliges Spanien, du hast gewählt! Elf Bischöfe, sechzehntausend Priester wurden massakriert und doch ist keiner vom Glauben abgefallen!
Sechzehntausend entspräche allerdings glatt der doppelten von Hugh Thomas genannten Opferzahl. Diese Angabe geht offenbar auf die vom Vatikan im Jahr 1937 veröffentlichten, damals zu hoch gegriffenen Zahl getöteter Kleriker zurück. Der Vatikan geht heute von 6.845 getöteten Geistlichen aus, zu welchen er allerdings mehrere tausend Laien zählt, deren genaue Zahl nicht bestimmbar sei. Auch andere Quellen geben gegen 7.000 ermordete Geistliche an.[42]
Das Bild des damit einhergehenden, von Franco gepflegten und für seinen Führerkult in vieler Hinsicht verwendeten Mythos einer spanischen Kirche von Märtyrern ist jedoch unvollständig. So ist festzustellen, dass in der Republik keineswegs alle Priester umgebracht oder vertrieben wurden, sondern der Mehrheit der Priester lediglich die Ausübung ihrer Arbeit und das Tragen geistlicher Tracht untersagt wurde. Zudem kam es auch auf Seiten der Nationalen zu Übergriffen gegen den Klerus, besonders gegen baskische Priester, die aus nationalen Gründen mit der Republik kooperiert hatten. Bereits vor dem Spanien Bürgerkrieg hatte ferner die Falange selbst Kirchengebäude angezündet, um die Tat dann den Anarchosyndikalisten anzuhängen[43], und beim Fall der Stadt Badajoz fanden die Eroberer wenig dabei, Milizionäre der republikanischen Seite noch auf den Stufen des Hochaltars der Kathedrale zu töten.[44]
Franco selbst wurde zum Gegenstand der Mythologisierung. Der Führerkult um Franco (der sich allerdings im Vergleich mit Hitler und vor allem Stalin insgesamt noch verhältnismäßig harmlos ausnahm) bediente sich nicht selten religiöser Vergleiche, indem er Franco als auserwählten Retter Spaniens und sogar als vom Heiligen Geist erleuchtet darstellte[45]. Franco, dessen Geburtsstadt El Ferrol in "El Ferrol del Caudillo" umbenannt wurde, war in den größeren spanischen Städten mit einem Standbild hoch zu Ross als Anführer der cruzada und in zahllosen weiteren spanischen Städten und Dörfern als Namensgeber der Hauptstraßen vertreten.
Als Beispiel für den Führerkult soll auszugsweise das folgende Lied der Jugendorganisation des Movimiento Nacional dienen, das aus der Zeit vor dem Umbau des Staats Ende der fünfziger Jahre stammt. Es stammt von José Antonio Medrano, trägt den Titel Tenemos un Caudillo (Wir haben einen Caudillo) und kann für eine Anzahl von Liedern dieser Zeit als typisch angesehen werden[46]:
Nuestro guía y capitán: unidos en la guerra hermanados en la paz, tan solo a ti juramos como guía y capitán que prometemos seguir con lealtad.
Tenemos un Caudillo forjador de nueva historia es Franco, ¡Franco! ¡Franco!, nuestro guía y capitán es Franco ¡Franco! ¡Franco! en la guerra y en la paz.
Unser Führer und Kapitän: im Krieg vereinigt, im Frieden verbrüdert nur dir allein schwören wir als Führer und Kapitän dass wir versprechen, dir in Treue zu folgen.
Wir haben einen Caudillo den Schmied der neuen Geschichte es ist Franco! Franco! Franco! unser Führer und Kapitän es ist Franco! Franco! Franco! in Krieg und Frieden.
Der franquistische Führerkult und das franquistische Bürgerkriegsgedenken kommen in dem franquistischen Bauwerk par excellence - dem Valle de los Caídos (Tal der Gefallenen) bei El Escorial - am reinsten zum Ausdruck. Das Valle de los Caídos wurde von Kriegs- und politischen Gefangenen in den Felsen der Sierra de Guadarrama gehauen. In diesem Mahnmal wurden neben den Gebeinen zehntausender auf Seiten Nationalspaniens sowie der Republik gefallener Krieger nicht nur Franco selbst, sondern auch der (der franquistischen Darstellung zufolge - ein weiterer Gründungsmythos - als Märtyrer ums Leben gekommene) Gründer der Falange José Antonio Primo de Rivera beigesetzt. Es handelt sich zwar um einen Ausdruck der Versöhnung, da auch Spanier der anderen Seite dort ihre letzte Ruhestätte fanden - einer vordergründigen Versöhnung allerdings, die nicht nur architektonisch zu den Bedingungen des Siegers geschah und neben der Apotheose Francos und des jüngeren Primo de Rivera eher wie ein Almosen anmutet. Zudem ist die Basilika mit Szenen aus der Apokalypse des Johannes ausgeschmückt, wobei die Anspielungen auf das Tier mit den sieben Hörnern oder den Antichristen kaum missverständlich sind.
Mitte Oktober 1975 erkrankte Franco an Grippe und erlitt hierauf drei Herzinfarkte. Wochenlang lag der Diktator in Agonie, das Elektroenzephalogramm zeigte längst kein Leben mehr an. Erst am 20. November 1975 – dem 39. Todestag José Antonio Primo de Riveras – wurde Francos Tod bekannt gegeben.[47] In seinem Testament ermahnte er die Spanier, dass die Feinde Spaniens und der christlichen Zivilisation nicht ruhen würden und dass sie, die Spanier, sich um den zukünftigen König Spaniens scharen und die Einheit Spaniens bewahren sollten.[48]
Mit Francos Tod war der Franquismus noch nicht am Ende. Die maßgeblichen Stellen des franquistischen Staats, der Nationalrat, der Königliche Rat und die Cortes, waren durch seine Anhänger besetzt. Entsprechend gering war der Spielraum des Königs Juan Carlos I., der noch im selben Jahr 1975 inthronisiert wurde und eine mutige Thronrede hielt, in welcher er ausführte, dass „eine freie Gesellschaft die Beteiligung aller Kräfte“ erfordere. Er sah sich, wie er weiter mitteilte, als „König aller Spanier, Wächter der Verfassung und Kämpfer für die Gerechtigkeit“.
Es war keine leichte Aufgabe für Juan Carlos, die Transition Spaniens ins Werk zu setzen. Zunächst blieben der Premier Carlos Arias Navarro – der ausdrücklich kundtat, den Franquismus weiterführen zu wollen – und seine Regierung im Amt. Juan Carlos sah sich gleichsam zwischen Hammer und Amboss: der Linken und der Mitte, welche ihn zu einem radikalen Bruch mit dem alten Regime aufforderten, und Guardia Civil, Militär und Movimiento Nacional, welche den König wissen ließen, nur kleine Reformen, keineswegs aber einen vollständigen Umbau des Staates mittragen zu wollen.
Unter dem Eindruck von Massendemonstrationen und auf nachdrückliches Verlangen des Königs reichte Arias schließlich seinen Rücktritt ein. Neuer Premier wurde Adolfo Suárez, der Generalsekretär des Movimiento Nacional. Zwar war er ein Mann des alten Regimes, und die Enttäuschung der Reformkräfte war zunächst groß. Doch gerade in dieser Eigenschaft, als ein Mann, dem die Stützen des Systems vertrauten, konnte Suárez den entscheidenden Schritt wagen. Sein Programm umschrieb er wie folgt: „Die Krone hat ihrem Wunsch Ausdruck verliehen, aus Spanien eine moderne Demokratie zu formen. Es ist mein fester Entschluss, dem zu dienen.“
1976 wurde im Zuge einer Strafrechtsreform die Bildung von Parteien wieder legalisiert. Im Zentrum der von ihm angestoßenen Reform aber stand eine neue Verfassung, welche aus den Cortes, welche zuvor ein Ständeparlament gewesen waren, ein allgemein, frei, gleich und geheim gewähltes Zweikammerparlament machte. Juan Carlos' Anteil an diesen Reformen bestand nicht zuletzt darin, dass er sich hinter seinen Premier stellte, seine eigene Reputation für ihn in die Waagschale warf und bei den alten Stützen des Systems für die Neubegründung des spanischen Staats warb. Ein Referendum sprach dem neuen System eine Zustimmung von nicht weniger als 95% der Stimmen aus. Damit war es in Spanien gelungen, aus dem herrschenden System heraus einen Demokratisierungsprozess umzusetzen. In diesem Sinne wurde der Franquismus nicht gestürzt und brach auch nicht zusammen: er machte einem neuen System in einer unblutigen Weise Platz.
Insbesondere der Spanische Bürgerkrieg und die Nachkriegsjahre werden in der spanischen Gesellschaft bis heute ungern thematisiert, und erst in den letzten Jahren ist ein gesteigertes Interesse an den damaligen Vorkommnissen festzustellen. [49] Einen breitenwirksamen Impuls zur Aufarbeitung des Bürgerkriegs von 1936 setzte in den neunziger Jahren der Film Land and Freedom[50]. Aber erst seit etwa der Jahrtausendwende werden die Massengräber aus der Zeit während und nach dem Bürgerkrieg geöffnet[51]. Ebenfalls erst nach der Jahrtausendwende wurde der Umstand erörtert, dass in Spanien an zahlreichen Stellen das falangistische Pfeilbündel und auf Straßentafeln der Name des Diktators zu sehen ist. In der ersten Jahreshälfte 2005 kam es auf Betreiben der PSOE-Regierung zur Entfernung zweier verbliebener Franco-Statuen aus Madrid und Guadalajara[52], was nicht ohne Zwischenfälle vor sich ging.
Walther L. Bernecker: Spaniens Geschichte seit dem Bürgerkrieg, 1988, ISBN 3-406-42684-0 - Standardwerk für eine detaillierte Geschichte und Charakterisierung des franquistischen Systems
Walther L. Bernecker, Hans-Jürgen Fuchs, Bert Hoffmann et al: Spanien-Lexikon, Verlag C.H.Beck, 1990, ISBN 3-406-34724-X
Gerald Brenan, Die Geschichte Spaniens. Über die sozialen und politischen Hintergründe des Spanischen Bürgerkrieges (engl. Originaltitel: The Spanish Labyrinth), Karin Kramer Verlag Berlin, 1978, ISBN 3-87956-034-X
↑Dieser Feststellung stehen auch Francos Forderungen anlässlich seines einzigen persönlichen Zusammentreffens mit Hitler in Hendaye 1940 nach der Niederwerfung Frankreichs nicht entgegen, als er vom deutschen Diktator als Gegenleistung für eine Beteiligung am Weltkrieg unter anderem den französischen Teil Marokkos forderte. Francos gesamtes Betragen bei dieser Gelegenheit (er ließ Hitler zunächst eine volle halbe Stunde antichambrieren, bis er seine Siesta abgehalten hatte, und kam in einem darauf folgenden neunstündigen Gespräch Hitlers Begehren um Unterstützung so wenig entgegen, dass Hitler - Hugh Thomas zufolge (Der Spanische Bürgerkrieg, S. 472) - anschließend äußerte, sich lieber drei Zähne ziehen zu lassen, als eine solche Unterredung nochmals zu führen) legt eher den Schluss nahe, dass Franco mit dieser Forderung lediglich den Preis für seine Unterstützung unannehmbar hoch treiben wollte. Notizen zum Ablauf des Treffens zwischen Franco und Hitler in Hendaye 1940 (engl.); einige Bilder von dieser Zusammenkunft: [1][2][3][4][5]
↑So Bernecker unter Hinweis auf die Ausführungen von Juan J. Linz.
↑Die Verfassung von 1931 bestimmte in Tít. Prel. Art. 3, dass der spanische Staat keine offizielle Religion habe. Die Wiedereinführung der Trennung von Kirche und Staat war bei der Redaktion der Verfassung von 1978 höchst umstritten, wurde jedoch durchgesetzt, wenngleich sich Art. 16 entnehmen lässt, dass der spanische Staat die religiöse Orientierung der spanischen Gesellschaft zu berücksichtigen und entsprechende Beziehungen zur katholischen Kirche zu unterhalten habe.
↑Bernecker, in: „Spaniens Geschichte seit dem Bürgerkrieg“, siehe Literatur. Um ein vollständiges Bild abzugeben, sei allerdings hinzugefügt, dass sich Spanien - von den schon erwähnten Konzentrationslagern für Flüchtlinge einmal ganz abgesehen - auch insoweit insgesamt wenig gastlich zeigte, als zur Einreise ein französisches Ausreisevisum verlangt wurde, welche die Flüchtlinge selten aufbringen konnten, so dass nur die illegale Einreise blieb. Zudem operierten deutsche Diplomaten und später die Gestapo im spanischen Hinterland. Spanien wurde in der Regel ein Transitland angesehen, das man besser umgehend hinter sich ließ. Dass die Flucht über die iberische Halbinsel Tausenden Flüchtlingen das Leben rettete, ist in erster Linie der Haltung Portugals zu verdanken, welches ab 1941 die Verfolgung der Flüchtlinge weitgehend einstellte.
↑abgesehen von Gibraltar, welches Spanien allerdings auch heute noch beansprucht, und abgesehen von den Ethnien an den Rändern des Staates wie den Basken und Katalanen, wobei allerdings der besondere politische Druck auf diese Gebiete weniger durch die Hispanidad als vielmehr durch den franquistischen Zentralismus veranlasst war. Es gibt, wie unten noch gezeigt werden wird, Argumente dafür, dass an dieser Feststellung wohl auch das viel zitierte Treffen mit Hitler in Hendaye 1940, in welchem Franco die tatkräftige Unterstützung der Achsenmächte unter bestimmten Bedingungen wie insbesondere territorialer Gewinne für Spanien in Aussicht stellte, nichts Wesentliches ändert.
↑Dem ist allerdings hinzuzufügen, dass die mit dem Schicksalsjahr 1898 eng in Verbindung gebrachte Generación del 98 aus diesem Schlüsselereignis der spanischen Geschichte die genau entgegengesetzten Schlüsse zog, unter anderem sollte Spanien endlich sein Wunschdenken und Schwelgen in der Vergangenheit ablegen. Bekannt ist das Schlagwort Joaquín Costas, eines der führenden Köpfe der 98er: ¡Cerrad con siete llaves el sepulcro del Cid! - "Verschließt mit sieben Schlüsseln das Grab des Cid!"
↑So führt Salvador de Madariaga den Aufstieg Juan Peróns in Argentinien auf die englische und amerikanische Haltung gegenüber dem Franco-Regime zurück. Das peronistische System ähnelt dem Franquismus in vieler Hinsicht, während freilich der Populist Juan Perón unter ganz anderen Umständen an die Macht gelangte als Franco. Auch Augusto Pinochet in Chile sah in Franco ein Vorbild, vgl. z. B. hier
↑Winston Churchill äußerte sich am 10. Dezember 1948 dahin, dass in Spanien kein Brite oder Amerikaner getötet worden und Francos Verhalten gegen Hitler und Mussolini ein Beispiel von Undankbarkeit gewesen sei. Bei dieser Gelegenheit ließ er außerdem durchblicken, dass er selbst nur darum einem Ausschluss Spanien befürwortet habe, um Stalin für eine Unterstützung der Charta der Vereinten Nationen zu gewinnen (Salvador de Madariaga, Spanien, S. 401)
↑Bereits 1950 schreibt Arthur Koestler (The Trail of the Dinosaur, London 1950, S. 200): We consider Franco's totalitarian régime to be as abhorrent as any other tyranny. But [...] we refuse to fall into the trap of Cominform propagandists who want to divert our attention and energies from the real threat into a crusade against Francisco Franco.
↑Die Grundgesetze des franquistischen Staates können unten im Originaltext nachgeschlagen werden (span.)
↑Dieses Bild aus dem Bestand des Instituto Municipal de Historia, Barcelona, zeigt Angehörige einer nicht näher identifizierten republikanischen Miliz bei der Entweihung einer Kirche in Barcelona (Milicianos durante la profanación de una iglesia en Barcelona). Als Bauern verkleidete Ordensangehörige werden im Bischöflichen Palais von Sigüenza festgenommen (Frailes vestidos de paisano detenidos por los milicianos en el palacio episcopal de Sigüenza, Guadalajara).
↑Der republikanische Justizminister fasste die Situation 1937 wie folgt zusammen: Die tatsächliche Situation der Kirche im ganzen loyalen Territorium außer dem Baskenland ist seit Juli des letzten Jahres die Folgende: a) Alle Altäre, Bilder und Kultgegenstände sind, abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen, zerstört worden [...]. b) Alle Kirchen sind für den Gottesdienst geschlossen, der vollständig [...] eingestellt wurde. c) Ein großer Teil der Kirchen, in Katalonien ist das der Normalfall, wurde abgebrannt. [...] e) In den Kirchen wurden Lager aller Arten, Märkte, Garagen, Säle, Kasernen, Unterkünfte [...] eingerichtet. f) Alle Konvente wurden geleert und das Ordensleben in ihnen beendet. Ihre Gebäude, Kultgegenstände und Güter aller Art wurden verbrannt, geraubt, besetzt und niedergerissen. g) Priester und Ordensleute wurden ohne Anklage festgenommen, ins Gefängnis geworfen und erschossen [...]. Hunderte von Gefangenen liegen in den Gefängnissen von Madrid, Barcelona und der anderen Großstädte einzig aufgrund der Tatsache, dass sie Priester oder Ordensleute sind. h) Inzwischen ist der Privatbesitz von Bildern und Gegenständen der religiösen Verehrung vollständig verboten. Die Polizei [...] dringt in das Innere von Wohnungen [...] ein und zerstört mit Hohn und Gewalt [...], was mit der Religion zu tun hat oder an sie erinnert. Diese Ausführungen werden ähnlich detailliert auch von de Madariaga bestätigt, welcher ausführt: „Dass es monate-, ja jahrelang genügte, Geistlicher zu sein, um zum Tode verurteilt zu werden [...] ist eine wohlbestätigte Tatsache.“
↑Innerhalb Spaniens war die Religion nicht die einzige Verbindung zwischen den einzelnen Provinzen, aber sie war das größte (sic) Bindeglied. Niemals war Marx' Feststellung, dass die Religion das Opium der Armen (sic) ist, unrichtiger. In allen sozialen Auseinandersetzungen dieser Zeit [...] waren es die Mönche, die das Volk leiteten und unterstützten. Wie im heutigen Deutschland (sic, geschrieben 1950) bewirkte allein die Kraft der nationalen Religion ein Land (sic), in dem bisher die Aufspaltung in Adel und Plebejer besonders krass gewesen war, ab 1620 bemerkenswert egalitär zu werden. [...] Klassenunterschiede verloren ebenfalls an Bedeutung. Franzosen und Italiener waren erschreckt über die Frechheit, mit der der kleinste Händler, ausgerüstet mit Mantel und Degen, auch wenn er zu Hause nichts zu essen hatte, die erlauchtesten Grafen anrempelte. (Brenan, Geschichte Spaniens, S. 54
↑Spanien, S. 332. Bezeichnenderweise geschah protestantischen Kirchen nichts, und sie blieben während des Krieges geöffnet. Es gab aber nur etwas über 6.000 Protestanten in ganz Spanien. (Hugh Thomas, S. 143
↑vgl. hier auf www.vatican.va (span.). Dem schlossen sich 2005 weitere Seligsprechungen an
↑Zu den Zahlen des Vatikan vgl. den oben stehenden Link über die Seligsprechungen im Jahr 2001. Die Rede ist im Einzelnen von 13 Bischöfen, 4.184 Priestern, 2.365 Ordensbrüdern und 283 Ordensschwestern. Salvador de Madariaga spricht von etwa 6.800 getöteten Geistlichen, Ordensmännern und Ordensfrauen, was 13 Prozent des Klerus und 23 Prozent der Ordensangehörigen entsprochen habe. Auch diese Quelle gibt an: Cerca de 7000 religiosos fueron asesinados.
↑Francis L. Carsten, Der Aufstieg des Faschismus in Europa, Frankfurt 1968, S. 237
Decreto aprobando el Fuero del Trabajo (mit Text desselben): BOE 505/1938, S. 6178-6181 (Burgos). [9], [10], [11], [12].
Ley de creación de las Cortes Españolas: BOE 200/1942, S. 5301-5303: [13], [14], [15].
Fuero des los Españoles: BOE 199/1945, S. 358-350: [16], [17], [18] (sowie in Wikisource)
Ley de 22 de octubre de 1945 por la que el Jefe del Estado podrá someter a reférendum aquellas Leyes que su transcendencia lo aconseje o el interés público lo demande (Ley de Referéndum Nacional), BOE 297/1945, S. 2522: [19].
Ley de Sucesión en la Jefatura del Estado: BOE 208/1947, S. 4238-4239, [20], [21].
Ley de Principios del Movimiento Nacional: BOE 119/1958, S. 4511 - 4513, [22],[23],[24],[25].