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Spätmittelalter

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Als Spätmittelalter wird in der Mediävistik der Zeitraum der europäischen Geschichte vom Ende des 13. bis zum 15. Jahrhundert bezeichnet, der das europäische Mittelalter abschließt und in die Übergangsepoche zur frühen Neuzeit mündet, die Renaissance.

Um 1300 ging eine jahrhundertelange Blütezeit Europas zu Ende. Eine Reihe von Hungersnöten und Seuchen wie die große Hungersnot 1315–1317 und der Schwarze Tod 1347–1353 reduzierten die Bevölkerung auf etwa die Hälfte. Mit der Entvölkerung kamen soziale Erhebungen und Bürgerkriege. In Frankreich und England kam es zu schweren Volksaufständen (Jacquerie und Peasants’ Revolt) und der Hundertjährige Krieg zwischen diesen beiden Staaten brach aus. Die Einigkeit der katholischen Kirche wurde durch das Große Schisma erschüttert. Am Ende der Kreuzzüge (1095–1291) war das Byzantinische Reich zu einer unbedeutenden Regionalmacht herabgesunken, der Islam war gefestigt aus den Auseinandersetzungen hervorgegangen. Der 200 Jahre dauernde Konflikt hatte die Kriegsführung und auch die Gesellschaft verändert. Die Verlierer jener Ära waren vor allem die Lehnsherren und das Rittertum. Doch auch das Papsttum musste Autorität einbüßen, ebenso das Kaisertum. Die Gesamtheit dieser Ereignisse wird auch Krise des Spätmittelalters genannt.

Dante von Michelino

Andererseits war das 14. Jahrhundert auch eine Zeit des künstlerischen und wissenschaftlichen Fortschritts. Die Wiederentdeckung der Texte des alten Griechenland und Roms führten zu dem, was die Zeitgenossen Renaissance nannten, einer „Wiedergeburt“ des antiken Geisteslebens und seiner Rezeption. Diese Entwicklung hatte schon durch den Kontakt mit den Arabern während den Kreuzzügen begonnen, und sie beschleunigte sich mit der Eroberung Konstantinopels durch das Osmanische Reich, vor der viele byzantinische Gelehrte in den Westen flüchteten, insbesondere nach Italien. Die Erfindung des Buchdrucks hatte enormen Einfluss auf die europäische Gesellschaft. Sie erleichterte die Verbreitung des Geschriebenen und demokratisierte das Lernen, eine wichtige Voraussetzung für die spätere protestantische Kirchenreformation. Der Aufstieg des Osmanischen Reiches bis zum Fall Konstantinopels 1453, der Hauptstadt des Byzantinischen Reiches (im selben Jahr, in dem auch der Hundertjährige Krieg endete), hatte die Verkehrswege nach Osten abgeschnitten. Doch Kolumbus’ Entdeckung Amerikas 1492 und Vasco da Gamas Umsegelung des afrikanischen Kontinents 1498 öffneten neue Handelsrouten und stärkten so Macht und Wirtschaftskraft der europäischen Nationen. Die Gewinner waren die Händler und Handwerker, die Bankiers und Ratsherren, die im Schutz der Städte ein zunehmend freies, von weltlichen und kirchlichen Obrigkeiten unabhängigeres Leben führen konnten.

All diese Entwicklungen zusammengenommen erlauben es, vom Ende des Mittelalters und vom Beginn der Neuzeit zu sprechen. Dabei ist anzumerken, dass diese Aufteilung immer etwas willkürlich bleibt, da das antike Wissen niemals ganz aus der europäischen Gesellschaft verschwunden war, sondern es vielmehr seit der klassischen Antike eine gewisse Kontinuität gegeben hat. Dementsprechend ziehen es einige Historiker (speziell in Italien) vor, überhaupt nicht vom Spätmittelalter zu sprechen, sondern die Renaissance des 14./15. Jahrhunderts als direkten Übergang zur Neuzeit ansehen.

Historische Ereignisse und Politik

Britannien und Irland

Siehe auch: Geschichte der Britischen Inseln

Die Schlacht von Bannockburn beendete 1314 die englischen Versuche, Schottland zu unterwerfen, und erlaubte den Schotten die Bildung eines starken Staatswesens unter den Stuarts. Ab 1337 richtete England seine Aufmerksamkeit vorwiegend auf den Hundertjährigen Krieg mit Frankreich. Heinrich V. rückte mit seinem Sieg bei Agincourt 1415 die Vereinigung beider Königreiche in greifbare Nähe, doch sein Sohn Heinrich VI. vergeudete den Vorteil. Fast sofort nach dem Kriegsende 1453 begannen die dynastischen Auseinandersetzungen des Rosenkriegs (14551485). Sie endeten mit der Thronfolge Heinrichs VII. und der starken Zentralgewalt der Tudor-Monarchie. Während Englands Aufmerksamkeit so abgelenkt war, gelangte Irland unter seiner formalen Oberherrschaft zu einer praktisch weitgehenden Unabhängigkeit.

Skandinavien

Siehe auch: Geschichte Skandinaviens, Geschichte Dänemarks, Geschichte Norwegens, Geschichte Schwedens

Nach dem Scheitern der Union zwischen Schweden und Norwegen (13191365) wurde 1397 die skandinavische Kalmarer Union gegründet. Die Schweden zögerten, sich an der dänisch dominierten Union zu beteiligen und traten nach dem Stockholmer Blutbad 1520 aus. Norwegen andererseits verlor seinen Einfluss und blieb mit Dänemark bis 1814 vereinigt. Die norwegische Kolonie auf Grönland starb im 15. Jahrhundert aus, vermutlich aufgrund der sich verschlechternden klimatischen Bedingungen.

West- und Mitteleuropa

Siehe auch: Geschichte Frankreichs, Deutschland im Spätmittelalter

Jeanne d’Arc
Gemälde zwischen 1450 und 1500

Die französische Dynastie der Valois, die 1328 auf die Kapetinger folgte, wurde anfänglich imm eigenen Land marginalisiert, teils von der englischen Invasionsarmee des Hundertjährigen Kriegs, teils von dem mächtigen Herzog von Burgund. Das Erscheinen der Jeanne d’Arc (Johanna von Orleans) wendete den Kriegsverlauf zugunsten Frankreichs und unter Ludwig XI. wurde auch Burgund unterworfen.

Im Heiligen Römischen Reich ging 1438 die Königswürde von den Luxemburgern, die seit Heinrich VII. (1308–1313) mehrere Könige gestellt hatten, deren bedeutendster Karl IV. (1346–1378) gewesen war, an die Habsburger über, die es bis zu seiner Auflösung 1806 (bis auf die Jahre von 1742 bis 1745) behielten. Das Reich blieb jedoch zersplittert und große Teile der realen Macht lagen bei den weltlichen und geistlichen Territorialherren sowie im Norden bei der Handelsmacht der Hanse, während am Ende des Mittelalters die Familie Fugger aufgrund ihrer Finanzkraft großen Einfluss erlangte.

Südeuropa

Siehe auch: Geschichte Spaniens, Geschichte Italiens

1469 heirateten Isabella von Kastilien und Ferdinand II. von Aragon und bildeten damit das Territorium des modernen Spanien. 1492 wurde Granada von den Mauren erobert, die Reconquista (Wiedereroberung) war damit abgeschlossen. Portugal hatte während des 15. Jahrhunderts langsam die Küste Afrikas erforscht und 1498 fand Vasco da Gama den Seeweg nach Indien. Die spanischen Herrscher begegneten dieser Herausforderung, indem sie Kolumbus’ Expedition unterstützten, der einen westlichen Seeweg nach Indien suchte – er entdeckte Amerika im selben Jahr, in dem Granada fiel.

In Italien wuchs Florenz durch seine Finanzgeschäfte zum mächtigsten der Stadtstaaten heran. Die dort herrschende Familie der Medici förderte die Künste und wurde dabei eine Triebkraft der Renaissance. Mit der Rückkehr des Papsttums nach Rom 1378 wurde diese Stadt ein weiteres Mal politische und kulturelle Metropole. Im Norden hingegen erlosch der seit der Ottonenzeit vorhandene Einfluss des römisch-deutschen Reiches vollkommen.

Osteuropa

Siehe auch: Griechische Geschichte, Polnische Geschichte, Geschichte Litauens, Geschichte Russlands

Das byzantinische Reich hatte Südosteuropa politisch und kulturell über Jahrhunderte dominiert. Kurz vor dem Fall Konstantinopels 1453 war es jedoch zu einem tributpflichtigen Vasallen des osmanischen Reichs herabgesunken, nur noch bestehend aus der Stadt Konstantinopel und einigen griechischen Enklaven. Nach dem Fall Konstantinopels stand es fest unter türkischer Kontrolle und blieb es bis zur Schlacht vor Wien 1683 (Schlacht am Kahlenberg). Für die Griechen begann eine bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts andauernde Fremdherrschaft, in der nur die orthodoxe Kirche als Bezugspunkt bestehen blieb.

Im Norden war die wesentliche Entwicklung das enorme Wachstum des litauischen, später polnisch-litauischen Königreichs. Weit im Osten verlor die Goldene Horde 1380 die Schlacht auf dem Kulikowo Pole (Schnepfenfeld) und musste die Übermacht Moskowiens als Regionalmacht anerkennen, gefolgt vom Niedergang des Staates der Kiewer Rus. Iwan III. der Große legte die Grundlagen des russischen Nationalstaates.

Gesellschaft und Wirtschaft

Am 18. Mai 1291 nahmen moslemische Armeen Akkon, die letzte christliche Festung im Heiligen Land, ein. Dieses Ereignis bedeutete nur noch formal das Ende der Kreuzzüge. Schon lange zuvor hatte sich die Lage des „Abendlandes“ verändert. Die Kreuzzüge schufen die Voraussetzung für kulturelle und wirtschaftliche Kontakte mit Byzanz und den weiter östlich gelegenen islamischen Gebieten. Byzanz war der Marktplatz, auf dem es praktisch alles gab, und Europa lernte neue Handelswaren kennen, Seidenstoffe, Gewüze, Obst und Spiegel aus Glas. Die meisten Güter waren nur für die reichen Europäer erschwinglich, doch mit dem Handel und Transport ließ sich Geld verdienen. Die neu erwachte Geldwirtschaft war noch jung, in Oberitalien entstanden die ersten banche, die Stuben der italienischen Geldwechsler und Kreditverleiher, schließlich die großen Handelskompanien – Gesellschaften, die internationalen Handel und Produktion im großen Stil finanzierten, und dafür vom Staat oftmals besondere Privilegien und Monopole erhielten. Die größten Finanziers bezahlten sogar die Kriege der Herrschenden. Familien wie die deutschen Fugger, die italienischen Medici und die de la Poles in England erreichten enorme politische und wirtschaftliche Macht.

Doch die Wirtschaft konnte nicht allein auf den Importen beruhen, es entstand auch reger Export nach Osten: Europäische Händler schickten Schiffsladungen mit Wollstoffen, Korn, Flachs, Wein, Salz, Holz und Fellen in den Orient. Die Tatsache, dass das Mittelmeer von islamischer Vorherrschaft (und damit verbundenen Zollforderungen) befreit war, förderte den Drang der Europäer, trotz geringer Erfahrung Handelsflotten aufzubauen. Vor allem Genua und Venedig verdankten ihren Aufstieg dem blühenden Ost-West-Handel. Neue Fertigungsmethoden verbreiteten sich, vor allem bei Stoffen, Geweben und Metallen.

Die Nachfrage wurde angekurbelt durch die Entstehung von spezialisierten Märkten und Messen. Die Lehnsherren sorgten für einen reibungslosen Ablauf dieser Veranstaltungen, sie bewahrten den Marktfrieden und erhielten Einnahmen aus Zöllen und Handelssteuern. Besonders bekannt waren zu jener Zeit die großen „Jahrmärkte“ in der französischen Champagne. Händler aus ganz Europa und dem Nahen Osten zogen von Ort zu Ort, kauften und verkauften und schufen ein Handelsnetz bis nach Schottland und Skandinavien. Indem sich die Händler vereinigten, um ihre Waren in größeren Handelszügen sicherer durch die Lande zu transportieren, bekamen sie auch mehr Einfluss, z. B. wenn es darum ging billigere Wegezölle zu vereinbaren. Die mächtigste Gemeinschaft von Handelspartnern, die von ähnlichen Interessen geleitet waren, stellte die Hanse dar. Die 1254 gegründete Vereinigung norddeutscher Kaufleute baute an Ost- und Nordsee ein regelrechtes Imperium unter den Augen verschiedener lokaler Herrscher auf und erkämpfte sich diesen gegenüber Eigenständigkeit und Macht – falls nötig mit Waffengewalt.

Im 15. Jahrhundert nahm die Bedeutung der Champagne-Messen für den Nord-Süd-Handel ab. Stattdessen wurde der Seeweg zwischen Flandern und Italien bevorzugt. Ferner begannen mehr und mehr englische Wollhändler, zum Schaden der holländischen Tuchmanufakturen statt Wolle Kleidung zu exportieren. Entscheidend war auch die Behinderung des Handels mit der Levante durch den Wechsel vom byzantinischen zum osmanischen Reich. Alternative Handelswege mussten eröffnet werden – um die Südspitze Afrikas herum nach Indien und über den Atlantik nach Amerika.

Diese Veränderungen förderten auch die Gründung und das Wachstum der Städte. Vom Niedergang des römischen Imperiums bis etwa ins Jahr 1000 waren in Europa kaum neue Stadtgründungen zu verzeichnen. Mit dem Aufblühen der Handelsbeziehungen folgte auch bald das Erfordernis neuer Handelsplätze und die Gründung neuer Städte an den Handels- und Transportwegen. Städte wie Innsbruck, Frankfurt, Hamburg, Brügge, Gent und Oxford nahmen erst jetzt einen Aufschwung. Eine kleine Stadt zählte meist rund 2.500 Einwohner, eine bedeutende Stadt rund 20.000. Heutige Millionenstädte wie London und Genua brachten es auf 50.000 Einwohner. Die größten Metropolen mit etwa 100.000 Einwohnern waren Paris, Venedig und Mailand. Von etwa 1100 bis 1250 verzehnfachte sich die Zahl der Stadtrechte in Europa. „Stadtluft macht frei“ war das Motto der Zeit. Unzählige Unfreie, Leibeigene und verarmte Bauern zogen in die Städte, eine rege Bautätigkeit unterstützte die Entwicklung. Die Städte entwickelten ein politisches Bewusstsein, sie machten sich frei von Adel und Kirche, erhoben eigene Zölle und Steuern und begründeten eine eigene Rechtsprechung. In Italien entstanden die ersten Kommunalverwaltungen und wurden rasch in ganz Europa imitiert. In den Städten entwickelten sich auch Handwerker- und Händlerzünfte, die entscheidenden Einfluss auf das Wirtschaftsleben gewannen.

Bildung und Universitäten

Siehe auch: Philosophie des Mittelalters

Im frühen und hohen Mittelalter war elementare Bildung, wie Lesen, Schreiben und Rechnen, nur einem kleinen Kreis von Menschen zugänglich gewesen. Die breite Masse des Volkes, selbst der Adel, besaß kaum oder nur sehr geringe Bildung. Lediglich in den Kosterschulen war es möglich, sich Bildung anzueignen, doch nur für jene, die bereit waren, sich dem Dienst im Orden zu verpflichten. Ab etwa dem Jahr 1000 entstanden, parallel zum Wiedererblühen der Städte, die so genannten Kathedralschulen. Diese bildeten auch Adels- und Bürgersöhne, ja sogar Leibeigene aus, die sich nicht dem Ordensleben unterwerfen wollten. Die Kathedralschulen entwickelten sich besonders stark in Frankreich. Der Unterrichtsstoff beschränkte sich auf die sieben „freien Künste“, welche schon im alten Rom nur freie Bürger erlernen durften, das Trivium (Grammatik, Logik, Rhetorik) und das Quadrivium (Arithmetik, Astronomie, Geometrie, Musik). Gelesen wurden nur wenige anerkannte Schriftsteller der Spätantike und des frühen Mittelalters wie Boëthius, Cassiodor oder Isidor von Sevilla.

Nach dem Beginn der Kreuzzüge bekam das christliche Abendland Kontakt zur überlegenen Geisteswelt des Islams. Unzählige bildungshungrige Europäer lernten arabische Mathematik, Astronomie, Medizin und Philosphie kennen, in den Bildungszentren des Orients lasen sie erstmals die griechischen Klassiker wie Aristoteles (im Mittelalter nur „der Philosoph“ genannt) im Originaltext. Auch über den islamisch besetzten Teil Spaniens kamen viele Impulse besonders nach Frankreich. Das damals vorbildliche Ausbildungssystem der islamischen Welt wurde bereitwillig aufgenommen, um die starren Regelungen und Lehrpläne der europäischen Kloster- und Kathedralschulen aufzuweichen.

Obwohl Anfang des 12. Jahrhunderts Petrus Abaelardus als einer der Vorreiter dieser Entwicklung noch strengster kirchlicher Verfolgung besonders durch Bernhard von Clairvaux ausgesetzt war, ließ sich die Entstehung von freien Universitäten nicht mehr verhindern. Mit dem Wachstum der erfolgreichen Handelsmetropolen entstanden ab der Mitte des 13. Jahrhunderts auch die Universitäten: Bologna, Padua, Paris, Orléans, Montpellier, Cambridge und Oxford, um nur einige Gründungen dieser Zeit zu nennen. Schon bald gehörte es für eine reiche Stadt zum guten Ton, bekannte Gelehrte und viele Studenten in ihren Mauern zu beherbergen.

Die frühen Universitäten des Spätmittelalters besaßen keine festen Gebäude oder Vorlesungsräume. Je nach Situation nutzte man öffentliche Räume für Vorlesungen: In Italien waren es oft die Piazzas, in Frankreich Kreuzgänge in Kirchen und in England fanden die Vorlesungen nicht selten an Straßenecken statt. Erst später mieteten erfolgreiche Lehrer, die von ihren Studenten direkt je Vorlesung bezahlt wurden, Räumlichkeiten für ihre Vorlesungen. Und bald gab es auch schon die ersten Studentenunruhen: Auch wenn es der Stolz einer Stadt war, eine Universität zu besitzen, gab es doch häufig Streitigkeiten mit den in Bünden organisierten Studenten wegen zu hoher Preise für Kost und Logis und Kritik wegen zu viel Schmutz auf den Straßen oder betrügerischer Gastwirte. In Paris gingen die Auseinandersetzungen im Jahr 1229 so weit, dass die Universität nach dem gewaltsamen Tod mehrerer Studenten mit Umsiedlung in eine andere Stadt drohte. Papst Gregor IX. erließ daraufhin eine Bulle, die die Eigenständigkeit der Universität von Paris garantierte. Fortan konnten zunehmend selbst die mächtigen Bürgerschaften den Universitäten keine Vorschriften mehr machen.

Der Philosoph Wilhelm von Ockham und das als Ockhams Rasiermesser bekannte Prinzip leiteten das Ende der fruchtlosen scholastischen Debatten ein und machten den Weg für experimentelle Wissenschaft frei. Ockham zufolge sollte sich die Philosophie nur mit Dingen beschäftigen, über die echtes Wissen erreicht werden kann (Prinzip der Sparsamkeit, engl. parsimony). Mittelalterliche Vorläufer der experimentellen Forschung kann man bereits in der Wiederentdeckung des Aristoteles und im Werk [[Roger Bacons sehen. Den endgültigen Todesstoß versetzte der Scholastik Nikolaus von Kues, dessen Schriften das heliozentrische Weltbild des Nikolaus Kopernikus vorwegnahmen.

Kurz vor und nach dem Fall Konstantinopels strömten auch verstärkt byzantinische Gelehrte nach Europa, wie auch bereits vorher byzantinische Kodizes nach Europa gelangt waren (siehe etwa Giovanni Aurispa).

Die meisten technischen Errungenschaften des 14. und 15. Jahrhunderts waren nicht original europäisch, sondern stammten aus China oder Arabien. Die umwälzende Wirkung folgte nicht aus den Erfindungen selbst, sondern aus ihrer Verwendung. Schießpulver war den Chinesen schon lange bekannt gewesen, doch erst die Europäer erkannten sein militärisches Potential und konnten es zur neuzeitlichen Ausbreitung und Weltbeherrschung nutzen. In diesem Zusammenhang sind auch die Fortschritte der Navigation wesentlich. Kompass, Astrolabium und Sextant erlaubten gemeinsam mit verbessertem Schiffsbau das Bereisen der Weltmeere. Gutenbergs Druckerpresse machte nicht nur die protestantische Reformation möglich, sondern trug auch zur Verbreitung des Wissens bei und damit zu einer egalitäreren Gesellschaft.

Klima und Landwirtschaft

Um 1300–1350 ging die Mittelalterliche Warmzeit in die folgende Kleine Eiszeit über. Das kältere Klima reduzierte die Ernten; Hungersnot, Seuchen und Bürgerkriege folgten. Die wichtigsten Ereignisse waren die Große Hungersnot 1315–1317, der Schwarze Tod, und der Hundertjährige Krieg. Als die Bevölkerung Europas auf die Hälfte abnahm, wurde reichlich Land für die Überlebenden verfügbar, und in der Konsequenz wurde die Arbeit teurer. Versuche der Landbesitzer, die Löhne gesetzlich zu begrenzen – wie mit dem englischen Statute of Labourers 1351, waren zum Scheitern verdammt. Es war praktisch das Ende der Leibeigenschaft im größten Teil Europas. In Osteuropa andererseits gab es nur wenige große Städte mit einem lebendigen Bürgertum, um den Großgrundbesitzern Paroli zu bieten. Daher gelang es diesen dort, die Landbevölkerung in noch stärkere Unterdrückung zu zwingen.

Militärische Entwicklungen

Siehe auch: Militärgeschichte, Liste der Kriege und Schlachten/14. und 15. Jahrhundert

Durch Schlachten wie jene von Bannockburn (1314) oder Grandson (1476) wurde den europäischen Fürstenhäusern klar, dass der große militärische Vorteil der feudalen Kavallerie verloren und eine gutausgerüstete Infanterie ihr vorzuziehen war. Die Engländer waren den Franzosen in Hundertjährigen Krieg durch den Einsatz ihrer hocheffizienten Langbogen (ursprünglich eine walisische Erfindung) überlegen. Auf lange Sicht führten diese Entwicklungen gemeinsam mit wirtschaftlichen und politischen Gesichtspunkten zur Ablösung der feudalen Lehnstruppen durch Söldner. Insbesondere Schweizer Soldtruppen waren sehr gefragt.

Die Erfindung des Schwarzpulvers veränderte nachhaltig die Kriegsführung. Nicht über die Handfeuerwaffen auf dem Schlachtfeld, die noch lange Zeit bedeutungslos blieben, sondern in Form von Belagerungsgeschützen. Die Effizienz der Kanonen gegen Festungen bedeutete, dass die Territorialmacht der Feudalherrn nicht länger absolut war.

Beide Veränderungen trugen gemeinsam dazu bei, das Feudalsystem abzuschaffen und den Weg für die stärker zentralisierten Nationalstaaten zu ebnen.

Religion

Die in Abschnitten, aber keineswegs insgesamt herrschende apokalyptische Stimmung führte vielfach zum Wunsch der direkten Gotteserfahrung. Das Bibelstudium vermittelte den Menschen das Bild der einfachen Lebensweise Jesu Christi und der Apostel, ein Vorbild, dem die existierende Kirche nicht gerecht wurde, gerade weil das Papsttum seit 1309 in Avignon (Avignonesisches Papsttum) residierte und sich immer mehr von den Menschen entfernte. Hinzu kam das abendländische Schisma von 1378, welches erst durch den Konziliarismus beendet werden konnte (Konzil von Konstanz). Infolge der Glaubenskrise entstanden vermehrt Bettelorden und apostolische Gemeinden, die sich dem einfachen Leben widmen wollten. Viele davon wurden von der Kirche wegen Ketzerei verfolgt, so beispielsweise die Waldenser, Katharer oder die Brüder vom freien Geist.

Das Große Abendländische Schisma

Hauptartikel: Abendländisches Schisma

Seit dem frühen 14. Jahrhundert gelangte das Papsttum zunehmend unter den Einfluss der französischen Krone, bis hin zur Verlagerung seines Sitzes nach Avignon 1309. Als der Papst 1377 beschloss, nach Rom zurückzukehren, wurden in Avignon und Rom unterschiedliche Päpste gewählt, mit dem Resultat des sog. Abendländischen Schismas (13781417). Die Kirchenspaltung war eine ebenso politische wie religiöse Angelegenheit; während England den römischen Papst unterstützte, stellten sich seine Kriegsgegner Frankreich und Schottland hinter den Papst in Avignon.

Auf dem Konzil von Konstanz (14141418) wurde das Papsttum wieder in Rom vereinigt. Obgleich die Einheit der Westkirche danach noch hundert Jahre andauerte und obgleich der Heilige Stuhl einen größeren Reichtum aufhäufte als jemals zuvor, hatte das Große Schisma doch irreparablen Schaden verursacht. Die inneren Konflikte der Kirche förderten den Antiklerikalismus bei Herrschern und Beherrschten und die Teilung ermöglichte Reformbewegungen, die schließlich einschneidende Veränderungen hervorrufen sollten.

Reformbewegungen

John Wyclif

Hauptartikel: John Wyclif

Obwohl die Katholische Kirche lange gegen häretische Bewegungen gekämpft hatte, entstanden im Spätmittelalter innerkirchliche Reformbestrebungen. Deren erste entwarf der Oxforder Professor John Wyclif in England. Wyclif sprach sich dafür aus, die Bibel als einzige Autorität in religiösen Fragen zu betrachten, und und lehnte Transsubstantiation, Zölibat und Ablässe aus. Er übersetzte auch die Bibel ins Englische. Obwohl sie einflussreiche Freunde in der englischen Aristokratie hatten, etwa John of Gaunt, wurde Wyclifs Partei, die Lollarden, letztendlich unterdrückt.

Jan Hus

Hauptartikel: Jan Hus

Die Lehren des böhmischen Priesters Jan Hus basierten mit wenigen Änderungen auf jenen von John Wyclif. Dennoch hatten seine Anhänger, die Hussiten, viel größere politische Auswirkungen als die Lollarden. Hus sammelte in Böhmen zahlreiche Anhänger und als er 1415 wegen Häresie verbrannt wurde, verursachte dies einen Volksaufstand. Die folgenden Hussitenkriege endeten zwar nicht mit der nationalen oder religösen Unabhängigkeit Böhmens, aber Kirche und deutscher Einfluss wurden geschwächt.

Martin Luther

Porträt Luthers von Lukas Cranach

Hauptartikel: Martin Luther

Die Reformationszeit liegt genaugenommen nicht mehr im Spätmittelalter, doch sie beendete die Einheit der Westkirche, die eines der wichtigsten Merkmale des Mittelalters gewesen war.

Martin Luther, ein deutscher Mönch, löste die Reformation aus, als er am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg nagelte. Auslöser seiner Handlung war die Erneuerung des Ablasshandels durch Papst Leo X 1514 für den Bau des neuen Petersdoms. Luther wurde vom Reichstag zu Worms (1521) aufgefordert, seine Häresie zu widerrufen. Als er sich weigerte, belegte ihn Karl V. mit der Reichsacht. Unter dem Schutz Friedrichs des Weisen von Sachsen konnte er dennoch die Bibel ins Deutsche übersetzen.

Für viele weltliche Fürsten war die Reformation eine willkommene Gelegenheit, ihren Besitz und Einfluss zu vergrößern. Gegen die Reformation wendete sich die katholische Gegenreformation. Europa war nun geteilt in den protestantischen Norden und den katholischen Süden, Grundlage der Religionskriege des 16. und 17. Jahrhunderts.

Kultur

Kunst

Michelangelos Pieta

Die Bildende Kunst erfuhr im Spätmittelater eine enorme Weiterentwicklung. Im frühen 13. Jahrhundert entstanden die Werke von Giotto als Vorläufer der Renaissance. In der Malerei spricht man von der nördlichen Renaissance mit Zentrum in den Niederen Landen, und der italienischen Renaissance mit Florenz als Angelpunkt. Während die nördliche Kunst mehr auf Muster und Oberflächen gerichtet war, etwa die Gemälde des Jan van Eyck, erforschten italienische Maler auch Bereiche wie Anatomie und Geometrie. Die Entdeckung der Fluchtpunkt-Perspektive (Zentralprojektion), die Brunelleschi zugeschrieben wird, war ein wichtiger Schritt zu optisch realistischen Darstellungen. Die italienische Renaissance erreichte ihren Höhepunkt mit der Kunst von Leonardo da Vinci, Michelangelo, und Raphael.

Architektur

Während die gotische Kathedrale in den nordeuropäischen Ländern sehr in Mode blieb, konnte sich dieser Baustil in Italien nie recht durchsetzen. Hier ließen sich die Architekten der Renaissance von klassischen Gebäuden inspirieren, und das Meisterwerk der Periode war Brunelleschis Dom Santa Maria del Fiore in Florenz.

Literatur

Hauptartikel: Dichtung des Spätmittelalters

Die wichtigste Entwicklung in der spätmittelalterlichen Literatur war der zunehmende Gebrauch der Volkssprachen gegenüber dem Latein. Beliebt waren Romane, die meist die Legende vom Heiligen Gral zum Thema hatten.

Der Autor, der vor allen anderen die neue Zeit ankündigte, war Dante Alighieri. Seine Göttliche Komödie, geschrieben auf Italienisch, beschreibt zwar eine mittelalterlich-religiöse Weltsicht, in der er auch verankert war (siehe Monarchia), bedient sich aber dazu eines Stils, der auf antiken Vorbildern basiert. Andere Promotoren der italienischen Sprache waren Petrarca, dessen Canzoniere als erste moderne Gedichte gelten, und Boccaccio mit seinem Decamerone. In England trug Geoffrey Chaucer mit seinen Canterbury Tales dazu bei, Englisch als Literatursprache zu etablieren. Wie Bocaccio beschäftigte sich Chancer mehr mit dem alltäglichen Leben denn mit religösen oder mythologischen Themen. In Deutschland wurde schließlich Martin Luthers Übersetzung der Bibel zur Basis für die deutsche Schriftsprache.

Siehe auch

Literatur

  • The New Cambridge Medieval History, hrsg. von David Abulafia, Christopher Allmand, Michael Jones u.a., Bd. 5–7, Cambridge 1998–2000. Die umfassenste Darstellung des europäischen Spätmittelalters mit sehr ausführlicher Bibliographie.
  • Ulf Dirlmeier und andere: Europa im Spätmittelalter 1215–1378 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte 8), München 2003. Die zur Zeit beste wissenschaftliche Einführung mit umfangreicher Bibliographie und Begriffserklärungen.
  • Johan Huizinga: Herbst des Mittelalters, Stuttgart 1975. Klassische Darstellung
  • Malte Prietzel: Das Heilige Römische Reich im Spätmittelalter (Geschichte kompakt), Darmstadt 2004. Grundsolide, wenn auch knappe Darstellung der Ereignisgeschichte, aber auch der politischen Strukturen.