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Max Windmüller

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Max Windmüller

Max Windmüller, genannt Cor (* 7. Februar 1920 in Emden, Ostfriesland; † 21. April 1945 in Cham, Bayern) war ein deutsch- jüdischer Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Nachdem die Familie Windmüller vor den Nationalsozialisten in die Niederlande fliehen musste, schloss er sich der Gruppe Westerweel an und rettete vielen jüdischen Kindern und Jugendlichen das Leben.

Leben

Max Windmüller wurde als Sohn des Schlachters und Viehhändlers Moritz Windmüller sowie Jette Windmüller, geb. Seligmann, als eines von fünf Kindern geboren. Die Eltern geben ihm den Vornamen Max nach dem im Ersten Weltkrieg gefallenen Bruder des Vaters. Von 1926 bis 1933 besucht er die jüdische Volksschule in Emden. In seinem letzten Schuljahr wird er Mitglied der sozialistischen Arbeiterjugend.

1933 beginnt die Flucht der Familie in die Niederlande, nachdem die nationalsozialistischen Behörden dem Vater die Gewerbeerlaubnis entzogen haben. Die Flucht führt die Familie über Delfzijl nach Beilen zu einer Schwester der Mutter. Von dort geht es weiter nach Groningen, wo er sich mit seinem Bruder Isaak einer Gruppe anschließt, welche die Auswanderung von Jugendlichen nach Palästina organisiert. Sein Bruder Isaak wird Leiter dieser Gruppe, und Windmüller absolviert als Vorbereitung für die Auswanderung nach Palästina eine landwirtschaftliche Ausbildung auf einem Bauernhof in der Nähe von Assen. Kurz vor Ausbruch des Krieges im Jahre 1939 flieht sein Bruder Isaak mit dem illegalen Auswandererschiff Dora nach Palästina.

Max, der auch schon an Bord war, wird von Rue Cohen, dem Organisator der Ausbildung für Palästina-Pioniere, dazu bewogen, wieder an Land zu gehen; er soll weiter beim Aufbau der Hachscharah helfen, die junge Juden aus Deutschland und Österreich zur Ausbildung für Palästina auf holländischen Bauernhöfen unterbringt.

1940 werden die Niederlande vom deutschen Reich überfallen und besetzt. Nun sind auch die dort lebenden Juden dem deutschen Regime unterworfen. Im Jahr 1941 kommt es für die Juden in den Niederlanden zu einem traumatisierenden Erlebnis, als 900 junge Juden von den deutschen Besatzern gefangen genommen und in das KZ Mauthausen deportiert werden. Bis Ende September sind nahezu alle ermordet worden, und die Deutschen drohen jedem, der ihren Anforderungen nicht folgt, mit der Deportation nach Mauthausen.

Durch dieses Erlebnis geprägt, bereiten sich viele der auswanderungswilligen Jugendlichen auf ein Leben im Untergrund vor. Dabei werden sie von holländischen Helfern unterstützt. Windmüller lernt seine spätere Verlobte Metta Lande kennen, eine aus Wien geflüchtete Jüdin. Im Juli 1942 beginnen die Nationalsozialisten mit den Massendeportationen aus den Niederlanden, zehntausende Juden werden in das KZ Westerbork verbracht, von wo aus wöchentlich Transporte in die Vernichtungslager Auschwitz und Sobibor starten. Unter den Deportierten befinden sich auch die Mutter Windmüllers sowie sein Bruder Salomon nebst Frau und wenige Wochen altem Kind.

Windmüller versteckt sich in dieser Zeit mit seinem jüngeren Bruder Emil an verschiedenen Orten in den Niederlanden, so auch 13 Monate auf Dachböden in Amsterdam und Haarlem. Er schließt sich der später so genannten Gruppe Westerweel an, deren Leiter der überzeugte Pazifist Joop Westerweel ist. Diese Gruppe hatte sich der Organisation von Verstecken und Ausweispapieren bei nichtjüdischen Holländern verschrieben. Am 14. August 1942 erfährt der Amsterdamer Judenrat von der geplanten Deportation aller Kinder, Jugendlichen und ihrer Erzieher. Die Gruppe um Windmüller wird hierüber rechtzeitig von Erika Blüth informiert, so dass alle Gefährdeten untertauchen können. Windmüller allerdings wird zum ersten Mal von der Gestapo gefasst und in das KZ Westerbork verbracht, kann aber schon nach zwei Tagen in einem Wäschewagen fliehen. Er taucht bei Frans und Henny Gerritsen in Haarlem unter, wo auch sein Bruder Emil mit zeitweise bis zu zehn "Onderduikers" (Untergetauchten) versteckt ist. Hier ist eines der Zentren des Untergrundes. Frans ist Graphiker und kann in Zusammenarbeit mit Widerstandsleuten in den Gemeindeverwaltungen die dringend nötigen Pässe, Lebensmittelkarten, Marschbefehle und andere Dokumente fälschen. Windmüller erhält neue Papiere, heißt jetzt offiziell Cornelius Andringa und nennt sich Cor. Unter diesem Namen ist er ab 1943/1944 Verbindungsmann der Juden im besetzten Frankreich. Im Jahre 1943 organisiert die Widerstandsgruppe um Joop Westerweel, Menachem Pinkhof, Joachim Simon und Max Windmüller Kontakte über Belgien und Frankreich zu anderen jüdischen Gruppen, zur Jewish Agency und zum Joint (American Joint Distribution Committee) aufgebaut. Windmüller organisiert mit seiner Gruppe organisiert er Fluchtwege in den Süden Frankreichs und über die Pyrenäen nach Spanien.

Max Windmüller wird unter seinem Decknamen Cor der Verbindungsmann im besetzten Frankreich. Mit ihm arbeitet eine ganze Gruppe von jungen Leuten, die um ihr eigenes Überleben und das ihrer jüdischen Schicksalsgenossen kämpfen. Im April 1944 ist Cor gerade wieder unterwegs auf einer seiner Rettungsfahrten nach Holland. Da wird in seiner Pariser Wohnung eine erste Gruppe von Mitkämpfern von der Geheimen Staatspolizei verhaftet.

Cor und seine Kameraden versuchen alles, um den Aufenthaltsort der Verhafteten zu ermitteln und sie, wenn möglich, zu befreien. Seine Genossin Paula Kaufmann schmuggelt sich als Sekretärin ins Gestapo-Hauptquartier. Die beiden geben sich als Liebespaar, wenn Max sie vom Dienst abholt. Sie kommt immer zusammen mit ihrem Chef aus der Zentrale, dann wird sie nicht kontrolliert. In ihrer Tasche bringt sie geheime Unterlagen und Blankopapiere heraus. Cor hat jetzt einen Ausweis als Mann des Sicherheitsdienstes für die besetzten Gebiete in Frankreichund kann aufgrund seiner Bewegungsfreiheit Fluchtwege in den Süden Frankreichs und über die Pyrenäen nach Spanien aufbauen. Sie alle, jüdische Flüchtlinge zumeist aus Österreich und Deutschland, darunter Max' Verlobte Metta Lande, geben sich den Besatzungsbehörden gegenüber als Holländer aus. Zehntausende von zivilen Arbeitern, Belgier, Dänen, Holländer, werden für den Bau des Atlantikwalls eingesetzt. In diesen Menschenmassen, die von einer Arbeitsstelle zur anderen unterwegs sind, "schwimmen" die jüdischen Flüchtlinge mit. Cors Aufgabe besteht unter anderm darin, die einzelnen Flüchtlinge an der sogenannten grünen Grenze - an illegalen Grenzübergängen - abzuholen und durch Belgien in den Süden Frankreichs zu schleusen.

"Kop op!" (Kopf hoch!) - so erinnern einige der Geretteten noch heute - ist das Wort, mit dem Cor die vom Terror der Nazis geängstigten und gedemütigten jungen Flüchtlinge ermuntert.

Unermüdlich ist Cor zwischen den Niederlanden, Belgien, Nordfrankreich (Paris, Bretagne) und dem Süden Frankreichs (Toulouse, Lyon) unterwegs Es gelingt auf diese Weise, etwa einhundert junge Leute in die Freiheit zu schleusen. So rettet Cor auch seinen Bruder Emil. Von den insgesamt 716 in den Niederlanden "auf Hachscharah" lebenden jungen Juden überlebten 393 durch das Engagement der Westerweel-Gruppe. Ein Mitglied der Gruppe um Cor, Paula Kaufmann, arbeitet als Sekretärin beim Chef der Bauabteilung im Hauptquartier der Gestapo und hat so Zugang zu Papieren und geheimen Unterlagen.

Im Kontakt mit der im Vichy-Frankreich operierenden "Resistance Juive" sind Cor und seine Gruppe beteiligt an einem erfolglosen Versuch, gefangene Chaverim (Kameraden) zu befreien. Weiter wollen sie die im Aufbau befindliche "Armée Juive" mit dem britischen Intelligence Service in Verbindung bringen. Sie werden getäuscht - tragisch für sie: Die Kontaktleute, "Lydia" und "Charles" genannt, arbeiten als Doppelagenten nicht nur für den britischen Geheimdienst, sondern auch für die Gestapo.

Am 18. Juli 1944 wird ein geheimes Treffen der Jüdischen Résistance in Rue Erlanger in Paris von der Gestapo gestürmt. Windmüller und andere bedeutende Mitglieder des jüdischen Widerstands werden verhaftet, so André Amar, Henri Pohoryles, Ernest Appenzeller, César Chamy und Maurice Loebenberg. Der Haftbefehl lautet auf Hochverrat, Feindbegünstigung, Spionage. Metta entgeht der Verhaftung durch einen glücklichen Zufall. Sie werden in das Gestapo-Hauptquartier in die Rue de la Pompe verbracht, verhört und auch gefoltert, woran Loebenberg stirbt. Der Rest wird über das Gefängnis Fresnes in das Lager Drancy verbracht. Von dort sind insgesamt mehr als 61.000 Personen, Juden und Leute des Widerstands, in die Todeslager deportiert worden. Von der Gruppe um Cor finden sich dort auch Kurt Reilinger (Nanno), Paula Kaufmann, Alfred Fraenkel (Tzippy), Ernst Hirsch, Ernst Ascher, Gert Sperber, Paul Wolf und von der französischen Gruppe René Kapel, Jacques Lazarus und andere.

Konzentrationslager Buchenwald

Als die Befreiung des Lagers durch alliierte Truppen kurz bevorsteht, werden Cor und weitere 50 Personen mit dem letzten Transport aus dem besetzten Frankreich deportiert. Alois Brunner lässt zu diesem Zweck extra einen Waggon an seinen Fluchtzug anhängen, der die Aufschrift: "Juden Terroristen" trägt. Wahrscheinlich sollte zu einem späteren Zeitpunkt ein Schauprozeß gegen die angebliche "jüdische Weltverschwörung" inszeniert werden. Metta folgt mit Freunden in einem Auto der Spur des Zuges bis zur Grenze in Liège - vergeblich. Zwar ist unterwegs 21 Gefangenen die Flucht geglückt, aber Cor ist nicht unter ihnen. Max Windmüller wird am 25. August 1944 im KZ Buchenwald als Neuzugang unter der Häftlingsnummer 54573 als staatenloser Jude, Beruf "Landarbeiter", registriert. Er muß aber den roten Winkel der politischen Gefangenen tragen. Am 20. September 1944 kommt Max Windmüller in ein Außenkommando nach Bochum zur Zwangsarbeit in einer Panzerplattenfabrik der Eisen- und Hüttenwerk AG (heute Teil der ThyssenKrupp AG). Er wird zum Aufseher über seine Kammer mit 16 Mitgefangenen bestellt und nach einigen Tagen aufgefordert, strenger zu sein. Als er sich weigert, wird er zu allerschwersten Arbeiten eingeteilt. Die Essensration besteht aus ¾ Liter Suppe und 200 Gramm Brot am Tag. Ab dem 7. März 1945 wird er wieder in der Lagerkartei Buchenwald geführt.

Am 3. April 1945 erfolgt der letzte Appell in Buchenwald vor dem SS-Lagerkommandanten Hermann Pister. Dieser gibt am nächsten Tag den Befehl zur Evakuierung aller jüdischen Häftlinge. Vom 7. bis 10. April 1945 und damit kurz vor dem Eintreffen der amerikanischen Armee wird ein Teil der jüdischen Häftlinge in den Hallen der Deutschen Ausrüstungswerke (DAW) zusammengetrieben. In mehreren Transporten werden über 10.000 Häftlinge mit dem Ziel Konzentrationslager Flossenbürg (nahe Weiden an der tschechischen Grenze) in Marsch gesetzt. Die erste Kolonne soll ganz zu Fuß ihr Ziel erreichen, ist aber in Wirklichkeit dazu bestimmt, auf diesem Marsch zu sterben. Die Häftlinge sollen "keinesfalls in die Hände des Feindes fallen". Bereits auf den wenigen Kilometern bis Weimar werden 40 Häftlinge ermordet und noch am gleichen Tag in das Lagerkrematorium zurückgebracht. Auf der kurzen Strecke zwischen Orlamünde und der bayrischen Grenze werden 238 Häftlinge erschlagen oder erschossen.

Andere werden in offenen Viehwaggons nach Flossenbürg abtransportiert, auch Paul Wolf und Max Windmüller. Wegen des Vorrückens der Amerikaner wird ihre Kolonne von dort auf einen Fußmarsch zum Konzentrationslager Dachau gezwungen. Auf dem ganzen Weg bleiben zahllose Häftlinge infolge körperlicher Schwäche und Mißhandlungen liegen, sie werden von der SS erschlagen und erschossen. Je dichter die alliierten Truppen nachrücken, um so schneller wächst die Zahl der Toten. Nur etwa 300 Häftlinge kommen in Dachau an. Am 21. April 1945 wird Max Windmüller von einem SS- Mann erschossen, nachdem er sich durch Lungenentzündung und Fieber entkräftet aus der Kolonne entfernt hatte, um sich auszuruhen.

Nachwirkung

Etwa 100 junge Juden wurden von Windmüller persönlich in die Freiheit geschleust, die gesamte Gruppe Westerweel kommt auf 393 gerettete Juden.

Gedenken

Datei:Judenstrasse-kl.jpg
Die Judenstraße in Emden, von 1933 - 1998 Webergildestraße, heute Max-Windmüller-Straße
  • 1946 erhält Windmpüller posthum die Medaille der Résistance Francaise.
  • An Leben und Taten Windmüllers wird heute in Yad Vashem erinnert.
  • Im Westerweel-Gedächtniswald, in der Nähe von Haifa, steht ein Denkmal für Joop Westerweel, Max Windmüller und ihre Mitstreiter aus der jüdischen Widerstandsbewegung.
  • Im Museum der Ghetto-Kämpfer Beit Lochamei ha Ghettaot (Israel) wird er als Widerstandskämpfer geehrt.
  • Die Stadt Emden hat die ehemalige Webergildenstraße am 8. November 1998 in Max-Windmüller-Straße umbenannt.
  • Im Konzentrationslager Flossenbürg befindet sich eine Gedenkstätte.

Literatur

  • Arbeitskreis Juden in Emden (Hrsg.), Max Windmüller (1920 – 1945) - Eine Recherche von Klaus Meyer Dettum, Emden 1997
  • Jacques Lazarus, Les Juives au combat, Paris 1947.
  • Anny Latour, The Jewish Resistance in France 1940-44, New York 1972.
  • Jean-Francois Chaigneau, Le dernier Wagon, Paris 1981.
  • René S. Kapel, Un rabbin dans la tourmente (1940- 1944), Paris 1986.
  • Lucien Lazare, La résistance Juive en France, Paris 1987.
  • Marianne und Reinhard Claudi, Die wir verloren haben, Lebensgeschichten Emder Juden, Aurich 1988
  • Yigael Benjamin, They were our friends, Tel Aviv 1990
  • Berrie Jissachar Asscher, Van Mokum naar Jerusalem (1924-1944), Beerscheva 1996.