Prora
Prora ist ein zwischen 1936 und 1939 errichtetes geplantes KdF-Seebad auf Rügen, dessen Kern der so genannte Koloss von Prora bildete, acht aneinandergereihte baugleiche Häuserblocks. Die noch heute zu erahnende Gesamtkonzeption der Anlage ist ein Beispiel dafür, dass der Nationalsozialismus seinen Machtanspruch sowohl über die Architektur demonstrieren als auch diesen über eine gleichgeschaltete Bevölkerung vollständig ausüben wollte.

Lage
Prora liegt auf der Ostseeinsel Rügen zwischen den Orten Sassnitz und Binz an der Prorer Wiek, einer weitläufigen Meeresbucht, auf der so genannten Schmalen Heide (der Prora), die den Jasmunder Bodden von der Ostsee trennt. Der Gebäuderiegel erstreckt sich über eine Länge von 4,5 km in einem Abstand von ca. 150 m zum Strand. Die Küste der Schmalen Heide bietet einen langen flachen Sandstrand, der von Binz bis zum Fährhafen Neu Mukran reicht. Dieser Strand bot die ideale Voraussetzung für die Errichtung eines Seebades. Der Bereich zwischen Gebäuden und Küste ist heute mit Kiefern und niedrigem Gebüsch bewaldet.
Geschichte
Während der Zeit des Dritten Reiches wurde von der Organisaion Kraft durch Freude der Bau von insgesamt fünf Seebädern für jeweils 20.000 Menschen geplant, die es der Bevölkerung ermöglichen sollten, günstig und propagandistisch kontrolliert jeweils zwei Wochen im Jahr Urlaub zu machen. Das einzige letztlich in Teilen realisierte Projekt aus diesem Plan ist das KdF-Seebad Rügen, Prora. Die dafür benötigten Flächen wurden bereits 1935 von Fürst Malte zu Putbus erworben und die Grundsteinlegung erfolgte am 2. Mai 1936, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Ausschreibung für das Bauvorhaben noch lief. Der Termin war aber bewusst so früh gewählt worden, da es sich um den symbolträchtigen dritten Jahrestag der Gewerkschaftszerschlagungen handelte. Die eigentlichen Arbeiten begannen erst ein halbes Jahr später.
In den drei Jahren zwischen 1936 und 1939 wurden die acht Gästeblöcke errichtet. Alle großen Baufirmen des Reiches waren an den Bauarbeiten beteiligt und arbeiteten zeitweise mit 9.000 Bauarbeitern am KdF-Seebad Rügen. Da jede der beteiligten Baufirmen jeweils einen Block zu errichten hatte, entwickelte sich dabei eine Art Wettbewerb um die schnellste Bauleistung.
Mit Kriegsbeginn 1939 wurden die Bauarbeiten weitgehend gestoppt. Mit Ausnahme eines Blocks waren die acht Wohnblöcke, die südliche Festplatzrandbebauung und die Kaianlage zu diesem Zeitpunkt bereits im Rohbau fertig gestellt, nicht jedoch die Schwimmbäder, die Festhalle und weite Teile der Wirtschaftgebäude. Sie wurden niemals verwirklicht. An den Rohbauten wurden noch die nötigsten Sicherungsarbeiten durchgeführt, dann wurden die Bautätigkeiten endgültig eingestellt. Das bereits angelieferte Baumaterial verblieb aber vor Ort, was auf eine geplante Wiederaufnahme der Arbeiten nach Kriegsende schließen ließ. Noch während des Krieges wurde dann aber doch ein Teil des südlichen Abschnittes provisorisch bewohnbar gemacht, um für Bombenopfer aus Hamburger Ausweichquartiere zu schaffen. Bis Kriegsende diente Prora außerdem als Ausbildungsstätte für Luftwaffenhelferinnen.
Als ab Mai 1945 die Sowjetunion die Kontrolle auf Rügen übernahm, wurde die Anlage zur Internierung von Grundbesitzern und zur Unterbringung von Heimatvertriebenen aus den Ostgebieten genutzt und Teile wurden für den Abtransport als Kriegsreparationen demontiert. Zwischen 1948 und 1953 wurden die Bauten von der Sowjetarmee genutzt, die den südlichsten Rohbau sprengte und abtrug. An den beiden nördlichsten Häuserblöcken wurden ebenfalls Sprengübungen durchgeführt, die Bauten wurden dabei aber nur schwer beschädigt und blieben teilweise stehen.
Die nach 1949 ebenfalls eingezogenen Kasernierten Volkspolizei, aus der 1956 die Nationale Volksarmee (NVA) der DDR hervorging, nutzte die Gebäude als Kaserne und erklärte sie zum Sperrgebiet. Die entsprechenden Umbauten waren 1956 abgeschlossen, und es wurden insgesamt bis zu 10.000 Soldaten in Prora stationiert. In dem Komlex befand sich eine wichtige Unteroffiziersschule der NVA, außerdem wurden auch Soldaten politisch befreundeter Gruppen aus Entwicklungsländern ausgebildet. In den 80er Jahren waren in Prora bis zu 500 Bausoldaten stationiert, die im Fährhafen Mukran arbeiteten.
Nach der Deutschen Einheit 1990 übernahm die Bundeswehr als Nachfolgerin der NVA das Gelände, stellte die Nutzung aber bis Ende 1992 ein und verließ Prora.
Seit Anfang 1993 ist die Anlage öffentlich zugänglich. Sie befindet sich nach wie vor im Besitz der Bunderepublik, die allerdings intensiv nach neuen Eigentümern sucht (s.u.).
Architektur und Konzeption


Der Auftrag zur Erreichtung des Seebades wurde nach einer Ausschreibung im Februar 1936 an den Architekten Clemens Klotz (1886-1969) erteilt. Zwar waren insgesamt zehn rennomierte Architekten an dem Verfahren beteiligt, allerdings waren von Klotz, der schon andere nationalsozialistische Propagandabauten errichtet hatte, bereits vorher schon Pläne für die Anlage entwickelt worden. Sie wurden nach dem Wettbewerb auf Weisung Hitlers nur dahingehend modifiziert, dass aus dem Entwurf des Architekten Erich Putlitz die große Festhalle als weiteres zentrales Element übernommen und architektonisch angepasst wurde. Der Gesamtentwurf wurde auf der Weltausstellung in Paris 1937 mit dem Grand Prix ausgezeichnet, parallel dazu aber noch während der Bauausführung bis 1939 weiterhin verändert.
Die Planungen sahen vor, für die Unterbringung der Urlauber, acht jeweils 550 m lange, sechsgeschossige völlig gleichartige Häuserblocks mit insgesamt 10.000 Gästezimmern zu errichten. Durch diese langgestreckte, über ca. 5 km entlang der Küstenlinie reichende Bauweise konnte erreicht werden, dass alle Zimmer Meerblick hatten, während die Flure zur Landseite hin gelegen waren. Die geplante Ausstattung der nur 2,5 mal 5 Meter großen Zimmer, von denen jeweils zwei mittels einer Tür verbunden werden konnten, war an heutigen Maßstäben gemessen recht karg: zwei Betten, eine Sitzecke, ein Schrank und ein Handwaschbecken. Weitere sanitäre Einrichtungen fanden sich jeweils in den landwärts gerichteten Treppenhäusern der Blocks. Bemerkenswert ist, dass alle Gästezimmer über Lautsprecher verfügen sollten.
Das Leben in der Ferienanlage sollte dem totalitären Anspruch des Systems folgend in der Gemeinschaft stattfinden. Zu diesem Zweck waren Gemeinschaftshäuser mit Liegehallen geplant, die in regelmäßigen Abständen "wellenbrecherartig" küstenwärts aus der Häuserfront heraus gebaut wurden und die die Urlauber vom Wetter unabhängiger machen sollten. Als weitere Gemeinschaftseinrichtungen sollten unter anderem zwei Wellenschwimmbäder, ein Kino und mehrere Gastronomiebetriebe errichtet werden. Weitere zentrale Elemente der Anlage waren der in der Mitte zwischen den Blocks geplante Aufmarschplatz und die Kaianlagen, die ein Anlegen von Seebäderschiffen ermöglichen sollten.
Parallel zu den Anlagen für die Urlauber musste die komplette Infrastruktur für eine derartige Menge Menschen aufgebaut werden. Landeinwärts wurden zu diesem Zweck ein Bahnhof, Personal- und Wirtschaftsgebäude geplant und auch zum Teil realisiert.
Von der ursprünglichen Planung der Hauptanlage konnten bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges nur die Bettenhäuser und die südliche Festplatzrandbebauung fertiggestellt werden. Nach dem Krieg wurden der südliche geprengt und abgetragen und die beiden nördlichen Blocks nach Sprengübungen als Ruine hinterlassen. Der nachfolgende Nutzer, die Nationale Volksarmee, komplettierte die Rohbauten. Da diese als Kasernen aber in erster Linie zweckmäßig sein mussten und die Originalpläne sowieso nicht mehr verfügbar waren, lässt sich an den Blocks heute zum Teil deutlich nachweisen, in welcher Periode des Baus welche Teile ergänzt wurden.
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Heutige Nutzung und Planungen
Seit über 10 Jahren versucht die Bundesvermögensverwaltung mangels eines nachhaltigen eigenen Nutzungskonzepts die unter Denkmalschutz stehende Anlage ganz oder in Teilen zu verkaufen. Die Bauten verfallen und sind dem Vandalismus preisgegeben außer jenen etwa 20 %, die durch Privatinitiative genutzt und erhalten werden.

Heute gibt es in Block 3, Prora Mitte, und dem Querbau mit Ruinen und der Kaianlage diverse kulturelle Einrichtungen. Unter anderem sind die „Museumsmeile Prora“ mit einem NS-KdF-Museum („Museum Prora“), NVA-Museum, Rügen-Museum und Sonderausstellungen, die Bildergalerie Rügenfreunde, und ein Wiener Kaffeehaus dort zu finden. Bis vor einigen Jahren existierte außerdem das „One World Camp Youth Hostel“ mit äußerst günstigen Übernachtungsmöglichkeiten, dessen Mietvertrag im Hinblick auf mögliche Verkäufe aber nicht verlängert wurde. Vom 22. bis 24. August 2003 fand dort unter dem Motto „Wer, wenn nicht wir! Wo, wenn nicht hier!“ ein vom Land Mecklenburg-Vorpommern organisiertes und finanziertes Wochenend-Sommerfest („Prora03“) mit rund 15.000 internationalen Teilnehmern statt.
Kreise dieser Privatinitiativen entwickelten die Vision, die Blöcke 1, 2, 4 und 5 mit dem schon genutzten Prora Mitte nach und nach zu einem einzigartigen Jugendbegegnungszentrum für bis zu 30.000 Teilnehmer auszubauen. Ebenso wie gescheiterte Planungen, Prora wieder zu einem Touristikzentrum zu machen, sind diese aber bisher nicht realisiert und werden in den umliegenden Fremdenverkehrszentren sehr kritisch gesehen.
Am 23. September 2004 wurde Block 6 für 625.000 Euro an einen unbekannten Ersteigerer veräußert.
Trivia
- Der Name Prora ist entgegen der weit verbreiteten Ansicht kein Akronym wie beispielsweise Napola, sondern der Name der umgebenden Landschaft. Im griechisch-römischen bezeichnet Prora auch den Bug eines Schiffes.
- Obwohl es sich bei Prora um eines der Vorzeigeprojekte der Organisation KdF handelte, kam Hitler nie auf die Baustelle.
- Der Grundstein von Prora wurde nie gefunden. Er müsste laut alten Fotos und Berichten in der Gegend der Kaianlagen liegen. Die Originalpläne gingen in den Wirren des Kriegsendes verloren.
- Auf der einen Seite der Anlage stehen noch Ruinen. Es kursiert das Gerücht, dass die Russen nach dem Krieg versuchten, diese aus Stahlbeton gebauten Gebäude zu sprengen, aber es gelang nicht ganz und die Reste sind zu einer Touristenattraktion geworden. Dies ist ein Irrtum, denn die Russen hatten nicht die Absicht, die Blöcke zu sprengen, sondern führten lediglich Sprengstoff-Übungen durch.
- Wie immer bei schlechter Datenlage gibt es auch um Prora zum Teil unglaubliche Gerüchte: unter anderem soll es im Prorakomplex eine U-Boot-Durchfahrt unter der Insel hindurch geben. Durch das Fehlen der Originalpläne und die Tatsache, dass einige Kelleranlagen durch Überflutung unzugänglich sind, werden diese und vergleichbare Theorien gefördert.
Literatur
- Joachim Wernicke und Uwe Schwartz: Der Koloss von Prora auf Rügen - gestern - heute - morgen. Prora, 2003, ISBN 3-7845-4900-4
- Jürgen Rostock und Franz Zadniček: Paradies|Ruinen - Das KdF-Seebad der Zwanzigtausend auf Rügen. Christian Links Verlag, Berlin, 1992, ISBN 3861531496
- Bernfired Lichtnau: Prora - Das erste KdF-Bad Deutschlands: Prora auf Rügen. Das unvollendete Projekt des 1. KdF-Seebades in Deutschland. Greifswald, (3. akt. Aufl.) 1995, ISBN 3-930066-33-5
- Hendrik Liersch "Ein freiwilliger Besuch - als Bausoldat in Prora", 2. Auflage, 2003, Verlag amBATion / Randlage, ISBN 3-928357-06-9