Goetheanum

Gebäude in Dornach im Kanton Solothurn, Schweiz
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Das Goetheanum ist ein Gebäude in Dornach, rund zehn Kilometer südöstlich von Basel, in der Schweiz. Es wurde 1928 eröffnet und ist benannt nach Johann Wolfgang von Goethe. Das Gebäude dient als Sitz und Tagungsort der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft, der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft und vor allem als Konzerthaus und Theaterbau. Nachdem 1924 das erste Goetheanum durch Brandstiftung zerstört worden war, eröffnete 1928 der Nachfolgebau – beide Entwürfe stammen von Rudolf Steiner. Bei dem markanten wie monumentalen Sichtbetonbau mit weit gespanntem Dach gehört der weitestgehende Verzicht auf rechte Winkel zum Identitätsmerkmal der anthroposophischen Architektur. Das stilistisch oft dem Expressionismus zuzurechnende monolithische Bauwerk wirkt skulptural geformt und sollte nach Steiners Vorstellung „das Wesen organischen Gestaltens“ zum Ausdruck bringen.[1] Zusammen mit anderen stilistisch ähnlichen Bauten in der näheren Umgebung bildet das seit 1993[2] unter Denkmalschutz stehende Goetheanum mit ihnen ein Ensemble und zählen zur Liste der Kulturgüter nationaler Bedeutung im Kanton Solothurn. Als grundlegendes bauliches Vorbild hat das Goetheanum zudem Impulse für die gesamte anthroposophische Architektur gegeben, zu denen beispielsweise die Gebäude vieler Waldorfschulen zählen.

Goetheanum: Westfassade
Goetheanum: Südfassade

Geschichte

Vorgeschichte

Rudolf Steiner wurde 1902 zum Generalsekretär der Theosophische Gesellschaft in Berlin gewählt, aus der sich später die anthroposophische Strömung hervorging. Die theosophische Gesellschaft lud zu verschiedenen Veranstaltungen und führte jährlich einen Kongress durch. Neben weltanschaulichen Fragen, die erörtert wurden bedurfte es auch Räume, die künstlerischen Darbietungen zu zeigen. Bereits 1907 war Steiner soweit erstarkt, dass er den ersten Kongress auf deutschem Boden, nämlich in München, abhalten ließ. In den folgenden Jahren etablierte sich der Ort, so dass sich die Mitglieder der Gesellschaft traditionell weiterhin in München trafen. Dies geschah in gemieteten Theater- und Kongressräumen.[3] Bereits in den 1910er Jahren kam in der grösser werdenden Mitgliedergemeinde der Wunsch auf, die Arbeit und das künstlerische Schaffen ganzjährig in eigenen Räumen durchzuführen. Steiner selbst fürchtete den Untergang der Strömung, sollte es nicht gelingen, einen dauerhaften Ort einzurichten. Er führte auch maßgeblich die Abspaltung im Jahr 1912 von der theosophischen Gesellschaft durch, hin zu einer europäisch-christlich ausgerichteten Strömung, die sich fortan Anthroposophie nannte.

Auf Initiative Steiners wurde der Architekt Schmid-Curtius beauftragt, Entwürfe für ein Grundstück in München anzufertigen. Das Bauprojekt, der einen Doppelkuppelbau vorsah, trug den Namen Johannisbau[4] benannt nach der Hauptgestalt Johannes Thomasius in Rudolf Steiners Mysteriendramen. Der Plan für diesen Bau stieß bei der städtischen Behörde, der benachbarten Kirche wie auch den Anwohnern auf erheblichen Widerstand und Verhandlungen zur Realisierung des Bauvorhabens erwiesen sich als langwierig. Als Steiner im Herbst 1912 zu einer Vortragsreihe nach Basel kam traf er auf den Zahnarzt Emil Grosheintz (1867–1946)[5], der sich der Bewegung sehr verbunden fühlte. Grosheintz lud Steiner auf seinen Landsitz in Dornach ins Haus Brodbeck. Das zu dieser Zeit kaum bebaute, leicht hügelige Gelände im Birstal interessierte Steiner für sein Bauvorhaben, der mittlerweile daran zweifelte, dass in München eine Einigung zu erzielen sei. Da ihm Grosheintz das Grundstück zur Verfügung stellte besuchte es Steiner im März 1913 zusammen mit einem Architekten. Steiner erschien das Gelände nicht nur aus baulichen sondern auch aus historischen Gründen geeignet, da bereits in vorchristlicher Zeit in der Umgebung heilige Plätze bestanden. Zudem fand auf einem Hügel, welcher für den Bau des neuen Zentrums erwählt wurde, am 22. Juli 1499 die Schlacht bei Dornach statt, aus der sich die Schweiz endgültig vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation herauslöste.

Nachdem Schmid-Curtius die ursprünglichen Pläne immer weiter umarbeiten musste um auf die umliegenden Bauwerke in München Rücksicht zu nehmen bestätigte sich für Steiner, dass Dornach der passendere Platz für sein Vorhaben ist, da auf dem unbebauten Hügel das Gebäude besser zur Geltung käme. Die Entscheidung, tatsächlich in der Schweiz zu bauen fiel im Juni 1913 und bereits am 20. September des selben Jahres fand die Grundsteinlegung statt.[6]

Erstes Goetheanum

 
Das erste Goetheanum
 
Luftbild des ersten Goetheanums und der umliegenden Bauten

Als Planungsgrundlage für das erste Goetheanum wurden die Entwürfe für den Johannesbau in München genommen. Bereits in diesem Projekt war die Idee eines Doppelkuppelbaus mit zwei ineinandergreifenden Kuppelsegmenten enthalten:[7] Zwei ungleich grosse Kuppelräume, die auf zwei ungleich grossen Rotunden ruhen, durchdringen[8] sich gegenseitig. Die grosse Kuppel stand 18 Meter über der Bühne und der höchste Punkt der Kuppel lag 27.2 Meter über dem Boden. Die Kuppel wurde von Holzsäulen getragen, die aus unterschiedlichen Holzarten bestanden.[9] Beide Kuppeln waren von aussen mit norwegischem Schiefer gedeckt.[10]

Auch der Oberbau auf einem Betonsockel mit Jugendstilelementen war vollständig aus Holz. Das Prinzip der Metamorphose sollte das tragende Element des gesamten Baugedankens darstellen. Die Formen der Kapitelle entwickelten sich fortlaufend aus der jeweils vorhergehenden. Bei den die Säulen verbindenden Architraven verhielt es sich ebenso. Die Deckenmalerei der beiden Kuppeln wurden durchwegs mit Pflanzenfarben ausgeführt. Für die Motive der Fenster entwickelte Steiner eine besondere Glasschleiftechnik.

Es war beabsichtigt, nicht nur eine Belebung der Form zu erreichen, wie sie im Jugendstil zum Ausdruck gebracht wurde, sondern ein organisch-plastisches Bauen sollte geschaffen werden, das zum formenden Element der Architektur[11] werden sollte.[12] Im Zusammenspiel der Künste (Malerei, Bildhauerei, Architektur) bei der Innenraumgestaltung wurde erstmals ein wichtiges Element des Jugendstils erreicht: „Das integrierte Gesamtkunstwerk: Eine einheitliche Bauidee hatte alle Künste miteinbezogen.“[13] Damit wurde ein weiteres Ideal der neueren Kunst realisiert, die Idee der Werkgemeinschaft: Fachkräfte, Künstler und ungeschulte Hilfskräfte arbeiteten zusammen am Entstehen des Baus. Dieses Ideal war so stark unter den Beteiligten, dass sogar während des Ersten Weltkrieges Angehörige von siebzehn verfeindeten Nationen miteinander arbeiteten.[14]

Erst 1918 setzte sich die Bezeichnung Goetheanum gegenüber Johannesbau durch. Steiner verehrte Johann Wolfgang von Goethe, der neben seiner teilweise auf esoterisch Gesichtspunkte vertrauende Dichtung auch naturwissenschaftliche Arbeiten hervorbrachte. Goethe nutzte seine Metamorphosenlehre und die Entdeckung der „Urpflanze“ zur Erforschung der seelischen und geistigen Welten. Steiners fand für seine Erkenntnisbemühungen in Goethes Arbeiten Ausgangspunkte.[10]

Die Bauarbeiten gingen auch während des Krieges weiter. In der Nacht auf den 1. Januar 1923 wurde das mit 3'183'000 Schweizer Franken versicherte[15] Gebäude durch Brandstiftung zerstört. Ermittlungen zufolge muss der Brand als Schwelbrand zwischen den Wänden gelegt worden, damit er sich unbemerkt und langsam ausbreiten konnte. Der oder die Brandstifter wurden nie gefunden. Da die Mitglieder der anthroposophischen Strömung immer wieder angefeindet und angepöbelt wurden spricht eine Theorie dafür, dass der Brand von dem Personenkreis gelegt wurde, der den Anthroposophen feindlich eingestellt war.[16]

Zweites Goetheanum

 
Goetheanum von Nordwesten bei Nacht
 
Mittelgang im Verwaltungsbereich des Goetheanums

Bereits im Sommer des Jahres 1914 begann Rudolf Steiner an einem Modell für ein neues Gebäude zu arbeiten. Es sollte nicht mehr aus Holz, sondern aus Beton gebaut werden.[17] Anstelle eines runden Kuppelbaus waren dafür eckige Formen geplant. Im Gegensatz zum ersten Goetheanum sollte der neue Bau auch die Arbeitsstätten für die Sektionen enthalten, sowie Räume für die Verwaltung. Das obere Geschoss war für den grossen Saal mit Bühne[18] bestimmt, das mittlere Geschoss für wissenschaftliche und künstlerische Arbeiten, im Erdgeschoss war Raum für die Probenbühne vorgesehen an deren Stelle später der sogenannte Grundsteinsaal getreten ist. Für die farbigen Fenster nutzte man die Entwürfe und die Schleiftechnik Steiners vom ersten Bau. Der grosse Saal blieb bis 1957 unvollendet und wurde, mit seinen vom ersten Goetheanum übernommenen Deckenmalereien, der neuen Bestuhlung und den heftig diskutierten Säulen erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts fertig.[19] Insgesamt beliefen sich die Baukosten auf 7 Mio. Schweizer Franken, was einem inflationsbereinigten Wert von rund 98 Mio. Franken im Jahr 2005 entsprach.[20]

Mit seinen gewaltigen Dimensionen steht der Betonbau des zweiten Goetheanum als einzigartiges Beispiel für die organische Architektur. Die plastisch gestalteten Aussenwände mit ihren doppelt gebogenen Flächen unterscheiden sich von früheren Versuchen, etwa der eines Antoni Gaudí, die Betonwand frei zu gestalten. Die Funktion der Säulen wird nicht nur als eine tragende, aufstrebende gesehen, sondern auch eine von oben nach unten gehende, die den Bau mit der Erde verbindet.[21] Neben der Feuersicherheit fiel die Wahl auf den Baustoff Beton wohl auch deswegen weil der Wiederaufbau verhältnismässig schnell und kostengünstig möglich war.[22]

Die Bauarbeiten begannen 1924. An der Ausgestaltung der Innenräume war Rudolf Steiner nur in der Anfangsphase beteiligt. An der Ausführung des Baus konnte er nicht mehr mitwirken, da er im Frühjahr 1925 verstarb. Neben dem Hauptgebäude gibt es eine Reihe von Nebengebäuden, die ebenfalls von Steiner entworfen und in der unmittelbaren Nähe gebaut wurden. Sie bilden eine Einheit mit dem Hauptgebäude und mit der Geländegestaltung, die auch zum grossen Teil von Steiner stammt.

Das Goetheanum wurde viele Jahre nach Eröffnung als halbfertiger Rohbau genutzt. Das Südtreppenhaus wurde 1930 vollendet, am Grundsteinsaal mit bis zu 450 Plätzen wurde von 1952 bis 1989 gebaut und der erste Ausbau des Grossen Saals erfolgte in den Jahren 1956 bis 1957. Erst in den Jahren 1996 bis 1998 erhielt der Hauptsaal seine endgültige Gestaltung. Westeingang (1962–1964), Nordflügel (1985–1989) und der Englische Saal mit einer Kapazität für 200 Personen (1970) wurden erst Jahrzehnte nach Eröffnung 1928 realisiert.[23]

Da das tragende Beton-Fachwerk zumeist aus sehr dünnen Wänden (manche nur 6 Zentimeter) ausgefacht ist und es einen Wasserzementwert von mehr als 0.5 aufweist,[24] korrodiert die Bewehrung leicht und musste zusammen mit dem Schieferdach bereits mehrfach saniert werden.[25]

Beschreibung

Architektur und Bautechnik

 
Ansicht von Nordwesten bei Sonnenuntergang
 
Detailansicht von der Terrasse mit südlicher Luftwurzel

Das auf einem künstlichen Hügel angelegte und exakt geostete Goetheanum mit seinem Sockelunterbau erstreckt sich in Ost-West-Richtung 90.2 Meter, in Nord-Süd-Richtung 85.4 Meter. Der Oberbau selbst misst 72 Meter Länge, 64 Meter Breite und ragt 37.2 Meter in die Höhe.[20] Der umbaute Raum fällt mit 110'000 Kubikmeter mit 15'000 Kubikmeter Beton fast doppelt so gross aus wie bei seinem Vorgängerbau mit 66'000 Kubikmeter.[26] Die vereinnahmte Grundfläche beträgt 3'200 Quadratmeter, die Oberfläche des Sockels 3'300, die des Hochbaus 5'500 Quadratmeter.[27] Die konkav und konvexen Ausformungen des in Sichtbeton errichteten Bauwerks erinnern an einen monumentalen Bunker – wie ihn der Architekturkritiker Christoph Hackelsberger[28] – und seine zerklüftete Formgebung entfaltet eine lichtabhängige Ästhetik. Seine Aussenmasse und sein exponierter Standort auf dem 370 m ü. M. gelegenen Hügel im Tal der Birs machen es weit über die Grenzen der Gemeinde sichtbar.

Auf der repräsentativen Westfassade befindet sich – eingelassen in der tragenden Sockelkonstruktion – das dreigeteilte Hauptportal. Darüber umrahmt ein ausladender Balkon die Süd-, West und Nordseite das Goetheanum. Über dem Balkon erheben sich zwei monumentale Glasflächen, die untere ist spinnennetzartig profiliert und beherbergt eine zweiflügelige Tür, die den Zugang zum Balkon vom Inneren ermöglicht. Die Fensterfront darüber ist in rechteckige Segmente unterteilt und an der oberen Kante abgeschrägt. Das mit grauen Schindeln gedeckte Dach wölbt sich ähnlich dem Panzer einer Schildkröte über die gesamte Konstruktion. Beidseitig der Westfassade flankieren zwei Säulen – sogenannte Luftwurzeln (→ Luftwurzel) – und ragen in den vom Balkon gebildeten Innenhof. Diesen kommt allerdings keine baulich tragende Funktion zu.[29] Da die Dachlast von den Saalwänden getragen werden, sind die Luftwurzeln mit Dehnungsfugen vom Dach getrennt.

An den Längsseiten befinden sich auf Höhe des Konzertsaals schlanke Fenster, im östlich zugewandten Teil dominieren kleine Fenster mit zumeist wechselnden polygonalen Aussenumrissen. Diese Gestaltung setzt sich in der eher schlicht und weniger monumental wirkenden Ostfassade fort.

 
Ein Fenster

Aufgrund des plastisch modellierten Äusseren mit seinen vielen gekrümmten Flächen und scharfen Graten des Goetheanums war der Schalungsaufwand enorm hoch. Die vom Zimmermann Heinrich Liedvogel (1904–1977) ausgeführten Arbeiten zeichneten sich dadurch aus, dass dünne Leisten im nassen Zustand gebogen werden mussten um sie über Spanten zu nageln.[1] Damit schuf man die notwendigen Formen, die später mit Beton ausgegossen werden konnten. Statik und Berechnung der Betonarbeiten wurden durch das Basler Ingenieurbüro Leuprecht & Ebbell durchgeführt. Insgesamt wurden rund 15'000 Kubikmeter Beton und 990 Tonnen Rundstahl zur Bewehrung verwenden. Aufgrund der Ausmasse und der zum Erbauungszeitpunkt neuen Methode nimmt das Goetheanum eine Pionierrolle in der Geschichte des Betonbaus ein.[27] Vergleichbare Betonrippenkonstruktionen wurden davor nur bei der Jahrhunderthalle in Breslau (1911–1913) und der Luftschiffhalle in Orly (1921–1923) realisiert.

Ole-Falk Ebbel-Staehelin war als Ingenieur maßgeblich am Bau des zweiten Goetheanums beteiligt. Er was bereits für die Konstruktion des Betonsockels für das erste Goetheanum, das Heizhaus sowie das Haus Duldeck verantwortlich. Seine Arbeiten für das zweite Goetheanum zählen zu den Pionierleistungen der Ingenieurkunst in den Anfängen des Betonbaus. 1952 war er an der Berechnung der Stahlbetonträger im Zuge der Umbaumaßnahmen für den Grundsteinsaal beteiligt.[30]

Lüftungs- und Brandbekämpfungssystem

Im ganzen Haus befinden sich insgesamt zwölf Lüftungsanlagen. In einem Lüftungssystem wird frische Luft aus dem sogenannten Lichthof – einem freien Raum zwischen Oberbau und Terrasse im Nordosten – in den Keller angesaugt, um ihn dann nachdem er die Heizaggregate passiert hat über Kanäle mit grossem Querschnitt unter den Boden des Grossen Saals zu verteilen. Die grossen Querschnitte sorgen einerseits dafür, dass der Luftstrom nicht als Zugluft empfunden wird, andererseits ist die technisch äusserst geräuscharm. Die im Saal zirkulierende Luft wird über die Glasfenster und der Zentralleuchte gesammelt. Die darin enthaltene Wärme wird über Pumpen extrahiert und in den Keller geleitet um die frische Luft vorzuwärmen. Die Abluft wird über das Dach nach aussen geblasen. Im selben Kreislauf lässt sich die Lufttemperatur gegenüber der Aussentemperatur auch absenken.

Für die Kühlung stehen zwei grosse Wasserbecken von 160 Kubikmeter Regen- und 220 Kubikmeter Sprinklerwasser zur Verfügung. Beide Becken können im Bedarfsfall auch im Rahmen des Brandschutzes über eine Sprinkleranlage im Goetheanum zur Brandbekämpfung eingesetzt werden. Am Ende der Löschwasserleitungen steht das Wasser für die Toiletten zur Verfügung. Über Wärmepumpen wird das Wasser im Sprinklerbecken auf bis zu 6 ° C abgekühlt und die überschüssige Wärme in das Regenwasserbecken geleitet. Das mit günstigerem Nachtstrom abgekühlte Wasser kann tagsüber durch die Lüftungen in den Saal geleitet werden und diesen um bis zu 7° C abkühlen.[31]

Innenarchitektur und Ausstattung

Erdgeschoss und Westflügel

 
Detail des Westtreppenhauses

Das Goetheanum ist grob in zwei funktional verschiedene Bereiche getrennt: der interne Ostteil beherbergt die Bühne und die dazugehörenden Räume und der für die Öffentlichkeit zugängliche Bereich im Süden und Westen wie die Cafeteria in der Wandelhalle, die Garderobe, eine Buchhandlung, Empfang und Information am Südeingang, ein Tagungsbüro sowie ein kleiner Laden. Im Erdgeschoss befindet sich der Grundstein-, der Terrassensaal sowie der Englische Saal.

 
Konstruktionsdetails der Aussenhaut im Mittelgeschoss

Der ursprünglich als kleine Bühne konzipierte Grundsteinsaal mit einem Platzangebot für 450 Besucher wird vorrangig für Vorträge und Feiern genutzt. Da der Raum vergleichsweise niedrig und ohne Tageslicht ist wird er nur für Theateraufführungen im kleinen Kreis verwendet. Trotzdem verfügt er über sämtliche technischen Einrichtungen, die für ein Theater notwendig sind. Während der Renovierung von 1989 bis 1991 wurde der Raum grossflächig mit Wandmalereien nach Skizzen von Rudolf Steiner gestaltet. Der vom Architekten Rex Raab (1914–2004)[32] gestaltete Englische Saal wurde in den Jahren 1969 bis 1971 ausgebaut und ebenfalls mit Wandmalereien geschmückt und dient als Vortrags- und Vorlesungssaal. Die Benennung des Saals erinnert daran, dass Mitglieder und Förderer aus England im Besonderen durch ihre Spenden den Ausbau ermöglicht hatten. Der einfach gehaltene Terrassenssal dient für Gruppenarbeiten und wird auch als Raum für wechselnde Ausstellungen.

In der Westfassade befindet sich das repräsentativen Hauptportal, das von drei mächtigen doppelflügeligen Türen im Sockelbau gebildet wird. Von da gelangt man zu den Garderoben des Grossen Saals und den Bereich des Foyers. Von diesem Eingang gelangt man in das massive Westtreppenhaus, das von einer grosszügigen und breiten Doppelwendeltreppe gebildet wird. Im ersten Geschoss führt eine von Eisenstreben durchzogene Glasfront mit doppelflügeliger Glastüre auf den als Terrasse genutzten Sockelunterbau. Der Innenausbau des unverputzten und unbemalten Westtreppenhauses, der weitgehend den konstruktiven Formen in Form von flach schwingenden Strebebögen folgt und damit viele inneren Details der Konstruktion sichtbar macht, wurde von Rex Raab und Arne Klingborg (1915–2005) gestaltet.[33]

Glasfenster

Der weitere Weg treppenaufwärts zum Grossen Saal führt an ein von aussen kaum erkennbares rotes Fenster in Form eines Triptychons. Das Thema dieses Fensters sowie der weiteren im Grossen Saal ist die individuelle Entwicklung des Menschen, sein Streben nach Erkenntnis und Entwicklung. Da die Fenster innerhalb des Grossen Saals nicht als Triptychon gestaltet werden konnten erfolgt die motivische Dreiteilung der hohen Fenster untereinander.[34]

Im linken Fenster blickt ein Mensch mit gesenktem Haupt von einem Berg dessen Blick aus Angst, Hass, Spot und Zweifel dar ihm den Blick der aufsteigenden gräulichen Tiere verstellt. Das mittlere Fenster stellt eine von Engeln umrahmtes ernsthaft blickendes Antlitz mit Lotusblumen dar. Der Zusammenhang dieses Individuums im Kosmos wird durch angedeutete Tierkreisbildern des Löwens, des Stiers und dem Planeten Saturn dargestellt. Im unteren Teil ist eine Darstellung von Michael, der innen Mut gefasst hat mit dem Drachen. Im rechten Bild haben die Wesen freien Ausblick auf geistige Höhen erlangt.[35]

Die weiteren Fenster dieser Serie befinden sich im Zuschauerraum des Grossen Saals, beidseitig vom Eingang bis zur Bühne in der Abfolge der Farben Grün, Blau, Violett und Rosa angeordnet.

Die grünen Fenster stellen die Auseinandersetzung mit dem Bösen dar. Die Schlange, die sich mit stechendem Blick in die Erde bohrt symbolisiert im Nordfenster dabei die kühle und scharfe Intelligenz. Im Südfenster stellt sich das Böse als verlockender Engel dar, der dem Menschen zwar Erkenntnis und Selbstständigkeit in Aussicht stellt, ihn aber von der geistigen Welt abbringt. In der Anthroposophie werden diese beiden Gestalten des Bösen als Ahriman und Luzifer bezeichnet.[36]

 
Gang am blauen Fenster

In den blauen Fenstern werden die Geheimnisse des Raumes offenbart. Der sogenannte „Geistesschüler“ erkennt den Zusammenhang zwischen Makro- und Mikrokosmos. Das Südfenster stellt den Aufbau des Leibes dar, die Darstellungen im Nordfenster gehen auf den Zusammenhang der menschlichen Sinne – repräsentiert durch Seh- und Tastsinn – und dem Kosmos ein.[37]

Die violetten Fenster zeigen den Weg von Seele und Geist (Geistseele) und ihrer zeitlichen Entwicklung. Nach Rudolf Steiners Verständnis durchlaufen diese eine lange Reihe von Inkarnationen und eignen sich damit Fähigkeiten und Lebenserfahrung an. Im Südfenster bewegt sich die Geistseele von der geistigen Welt hinein in die irdische und befindet sich zwischen Tod und neuer Geburt. Als Januskopf dargestellt blick sie gleichzeitig in die Vergangenheit und Zukunft hinein. Unter der Situation wird ein Elternpaar gezeigt. Im Nordfenster beginnt die Geistseele ihren Zustand mit dem Tod – durch einen Leichnam dargestellt, der von seinen Angehörigen umringt ist. Der geschlängelte Weg des Lebens führt ihn in mehreren Stationen rückwärts vom alten Mann bis zum Säugling und von dort zu höheren Sphären. Auf diesem Weg setzt sich der Mensch mit der Frage wie er zu Christus und Gott steht; bildlich durch die Kreuze von Golgota und den Gesetzestafeln angedeutet.[38]

Die rosa Fenster haben die Dimension zum Thema, die jenseits von Raum und Zeit rein geistliche Ziele verfolgen. Das Südfenster deutet in seinen Darstellungen die Meditation des Geistwesens der Menschen an. Das Nordfenster stellt die Frage dar, wie der Mensch zu Christus steht und wie Christus mit Luzifer und Ahriman umgeht.[38]

Die Fenster stammen von der russischen Künstlerin Assja Turgenjewa, die bereits beim Bau des ersten Goetheanums mitwirkte. Die Herstellung der Fenster zog sich über Jahrzehnte hinweg, so dass diese erst zu Pfingsten 1945 eingeweiht werden konnten. Die Stärke der Glasplatten beträgt etwa 17 Millimeter. Die Farben der geschliffenen Scheiben wurden durch die Zugabe von Metallen und Metallsalzen hergestellt. So erhielt beispielsweise das rote Fenster Zusätze von Gold, das grüne Fenster Eisensalze. Die Motive wurden mit einem wassergekühlten Schleifkopf erstellt, um Spannungen und damit Risse am Werkstück zu vermeiden.

Der Grosse Saal

Der 1000 Sitzplätze fassende Grosse Saal besteht in seiner Grundfläche aus einem sich zur quadratischen Bühne hin offenen Trapez. Diese Aufteilung durch die auseinanderlaufenden Wände vermittelt selbst dem Zuschauer auf den hinteren Rängen durch die perspektivische Wirkung, der Bühne sehr nahe zu sein. Die Form vom ineinander verlaufendem Quadrat und Trapez ist als Metamorphose der Doppelkuppel des ersten Goetheanums. Nach der Fertigstellung des zweiten Goetheanums wurde der Saal fast dreissig Jahre im Rohbau genutzt und erst in den folgenden Jahrzehnten ausgestaltet. Erst in den 1930er Jahren wurden die ersten Glasfenster eingesetzt und Anfang der 1950er Jahre die Orgel eingesetzt. Ein erster Innenausbau mit einfachen Formen erfolgte 1957. Da die ursprünglich eingehängte Decke aus Asbest nicht nur aufgrund der Gesundheitsgefährdung problematisch war sondern auch optisch keine optimale Lösung darstellte kam es zu einem Ideenwettbewerb für die Neugestaltung. Allerdings waren die Entwürfe umstritten und führten jahrzehntelang zu keiner endgültigen Lösung. Erst als Behörden in den 1980er Jahren den Abbau von asbesthaltigen Bauteilen in von Personen genutzten, geschlossenen Räumen aus Gesundheitsgründen forderten, wurde der Rohbau 1989 ausgehöhlt und in den Jahren 1996 bis 1998 komplett neu gestaltet.[39]

Für die Gestaltung des Grossen Saals konstruiert man an jede Seite sieben Pfeiler, wobei der erste und der siebte mit den Ecken des Saals verschmilzt, was wiederum als bauliche Metamorphose zum ersten Goetheanum gedacht war. Bereits dort waren die sieben Säulen und Kapitelle mit dem darüber geschwungenen Architrav ausgestaltet worden.

Die plastische Gestaltung des Innenraums wurde über Spritzbeton realisiert, die ein bildhauerisches Bearbeiten möglich machte. Damit ist mit dem Beton leichter möglich war wählte man als Beimischung Bims- und Kalkstein statt des sonst üblichen Flusskies. Für den rötlichen Farbton wurde Eisenoxid in Pulverform beigegeben.[40][41]

Süd- und Nordflügel

Der Südeingang wird im täglichen Betrieb am häufigsten benutzt. Ähnlich wie im Westtreppenhaus setzt sich das Gestaltungsprinzip des Äusseren im Inneren fort. Auffällig ist, dass im Geländer ein Handlaufprofil eingearbeitet ist, welches dem Griff der menschlichen Hand entspricht. Das Treppenhaus im Südtrakt sowie das dazu gehörige Vestibül wurden 1930 fertiggestellt.[42] Weitere Ausbauten wurden in den Jahren 1951 und 1993 vollzogen. In diesem Bauteil wurden im Jahr 1981 im ersten Geschoss ein Konferenzraum gebaut, im 5. Stock ein Ausstellungsraum 1935 fertiggestellt, im 6 Stock das sogenannte Südatelier im Jahr 1993. Das 1987 bis 1991 vollendete Nordtreppenhaus führt im 5. Stock zum Nordsaal (1986) und im 6. Geschoss zum Nordatelier (1987). Im Gegensatz zum Westteil sind Wände und Decken im Treppenhaus mit warmen Farbtönen gemalt. Die Farbgestaltung aus den 1980er Jahren geht auf das Konzept des aus Schweden stammenden Maler Fritz Fuchs (* 1937) zurück.[43]

Nichtöffentliche Räume

Das Goetheanum ist kaum unterkellert. Die wenigen und niedrigen Kellerräume wurden in den 1990er Jahren erweitert und als Archiv, Lager und für technische Einrichtungen verwendet. Dieses ist von den Kellerräumen über einen unterirdisch begehbaren Gang mit dem Heizhaus verbunden – und das bereits schon seit den Zeiten des ersten Goetheanums. Die fehlenden Kellerräume werden durch viele Räume, Nischen und Korridore kompensiert. Bereits um den Grossen Saal herum befindet sich ein Hohlraum, der zwischen Dach und Decke stellenweise sieben Meter Höhe erreicht. Das Dach wird von Bindern getragen, an denen Stahlstäbe zur Aufhängung befestigt sind. In so einem Zwischenraum ist die Beleuchtungsbrücke mit der zentralen Leuchteinheit untergebracht. Der Hohlraum setzt sich an den Seiten fort und befindet sich auch in den Luftwurzeln. Oberhalb des Grossen Saals befinden sich zwei Requisitenlager in der obersten Plattform, die unter anderem tausende Theaterkostüme beherbergt. Von diesen Räumen gelangt man in nur rund 80 Zentimeter breite Zwischenräume zwischen den farbigen Glasfenstern und den aus Panzerglas bestehenden Aussenfenstern. Weitere Räume rund um den Bühnenbereich sind nur über zwei interne Treppenhäuser erreichbar. Sie enthalten Lagerräume für Kulissen und werden als Garderobe genutzt. Bis heute (Stand 2011) unfertig ist das nordöstliche Treppenhaus, das sich bisher nur im Rohzustand befindet und noch aus Eisenarmierung besteht.[44]

Bauwerke in der Umgebung

 
Holzmodell des Goetheanums und seiner Umgebung
 
Das Heizhaus dient der Wärmeversorgung des Goetheanums

Die organische Form des Goetheanums setzt sich auch in der Landschaftsgestaltung des Hügels und sonstiger Zugehörigkeiten wie Sitzbänke, Gartentore oder Laternen fort. Dazu gehört auch eine über sieben ringförmig angeordneten Stufen erreichbare Aussichtsplattform auf der Höhe des sogenannten Drachenschwanzes, von dem der Blick auf die Nordwestseite des Goetheanums möglich ist. Zur Gestaltung der Hügellandschaft wurde der Aushub des Goetheanums verwendet.[45]

Um das Goetheanum herum befinden sich eine Reihe von privaten Wohnhäusern, Verwaltungs- und Zweckbauwerken, die ebenfalls zum Teil von Rudolf Steiner entworfen wurden – das Konzept der „Kolonie“ hat sich bereits beim Bau des ersten Goetheanums abgezeichnet. Zu den augenfälligsten dieser Bauten gehört das erste in Beton errichtete Bauwerk dieses Ensemblesn das 1915 errichtete Heizhaus. Dem zweigeschossigen Unterbau mit Fenstern in jeder Etage setzt sich ein skulptural geformter Oberbau auf, der durch seine Formgebung an eine Sphinx erinnert. Der Schornstein ist hinter einem verästelten, baumartigen Gebilde kaschiert. Das am nördlichen Rand des Hügels befindliche Heizhaus dient bis heute seiner Wärmeversorgung. Allerdings wurde Anfang der 1990er Jahre die ursprüngliche Kohleheizung durch ein gasbetriebenes Blockheizkraftwerk ersetzt und es können noch 15 weitere Gebäude beheizt werden. Das Heizhaus, das über einen unterirdischen Tunnel mit dem Goetheanum verbunden ist, produziert rund 250 kW Wärme und 190 kW Elektrizität.[46]

Ein weiterer bemerkenswerter Zweckbau ist das Transformatorhäuschen im Südwesten des Hügels. Das von Rudolf Steiner entworfene und im Jahr 1921 erbaute Bauwerk fällt durch seine in alle Himmelrichtungen reichenden kleinen Auskragungen mit Satteldächern auf, welche für die Abzweigungen der Freileitungen dienen. Es wird heute vom örtlichen Elektrizitätswerk betrieben.

Südöstlich vom Goetheanum befindet sich die Schreinerei. Sie ist ein einfaches holzverschaltes Gebäude und war während des Baus des ersten Goetheanums Arbeitsplatz der Zimmerei, aber auch Ort für kulturelle Veranstaltungen, wie Vorträge und Aufführungen. In ihm befindet sich Rudolf Steiners Sterbezimmer. Noch heute wird der Saal für Konzerte und Theater genutzt.

 
Das Glashaus

Das ebenfalls 1914 erbaute Glaushaus oder Glasatelier besteht aus zwei getrennten Zylindern mit separaten Kuppeldächern. Zwischen den Zylindern befindet sich auf dem Dach des Mittelbaus ein Balkon, der von beiden mit Schindeln bedeckten Kuppeln aus begehbar ist. Es wurde zur Bearbeitung der im Goetheanum verwendeten Fenster eingerichtet. Heute dient es der „Naturwissenschaftlichen Sektion“ und der „Sektion für Landwirtschaft“ der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft. Die Westkuppel beherbergt einen Seminarraum, in der Ostkuppel eine Bibliothek untergebracht und im unteren Stockwerk Werkstätten und Büroräume.[47] Das Holzhaus erinnert aufgrund dessen Formen entfernt an den ersten Goetheanum-Bau.

In östlicher Nachbarschaft zum Goetheanum steht das 1923 fertiggestellte Eurythmeum. Das Haus mit dem Tanzsaal entstand kurz vor dem Goetheanum und diente insbesondere im Hinblick auf die Verwendung des Sichtbetons als Versuchsbau für das bevorstehende Neubauprojekt.[27] Westlich vom Goetheanum, unweit des Fussweges, der als Zentralachse zur Westfassade führt steht das 1915 erbaute Haus Duldeck, in dem seit 2002 das Rudolf-Steiner-Archiv und der Rudolf Steiner Verlag untergebracht ist.[48]

Das Haus Friedwart befindet sich nordwestlich, direkt unterhalb des Goetheanums. Es wurde nach Entwürfen von Rudolf Steiner vom Architekten Paul Johann Bay unter Mitwirkung von Edith Maryon erstellt. Das Gebäude, ursprünglich als Wohnhaus konzipiert, wurde 1921 der anthroposophischen Bewegung zur Verfügung gestellt. Nach verschiedenen Sekretariaten anthroposophischer Einrichtungen, beherbergte es die „Forbildungsschule am Goetheanum“, der ersten Schule in der Schweiz auf Grundlage der Waldorfpädagogik. Heute wird das Haus Friedwart als Hotel garni mit 23 Betten betrieben.[49]

Zwischen Goetheanum und Haus Friedwart befindet sich auf halber Höhe die Rudolf Steiner Halde. Die architektonische Besonderheit des Gebäudes, das vor dem Umbau Haus Brotbeck hieß, liegt vor allem bei dem großen Übesaal und dem Atelier. Beide wurden von Rudolf Steiner entworfen. Es wurde 2003/2004 grundlegend saniert. Heute wird es vor allem für Tagungen genutzt. In ihm sind die Sektion für Schöne Wissenschaften, die Sektion für redende und musizierende Künste, die Finanzabteilung und das Puppentheater untergebracht.[50]

Orgel

 
Grosser Saal mit Blick auf die Orgel

Die Orgel im Grossen Saal wurde 1957 von dem Orgelbauer Thomas Kuhn (Männedorf) mit 28 Registern erbaut.[51] Das Instrument steht auf einer Empore über dem Eingangsportal gegenüber der Bühne. Das Prospekt aus Ulmenholz entstand im Jahr 1998 passt sich dem architektonischen Stil des Goetheanums an.

Mit der Neugestaltung des grossen Saales wurde entsprechend Steiners Vorgaben eine Anpassung der Orgel erforderlich. Daher wurde das Instrument 2004 von der Orgelbaufirma Roesel & Hercher (Saalfeld, Thüringen) umfassend überarbeitet, mit einem neuen Spieltisch und neuen Trakturen ausgestattet, und für die sensible Raumakustik angepasst und neu intoniert.

Die Orgel hat heute 30 klingende Register auf zwei Manualen und Pedal (mechanische Schleifladen).[52] Die Trakturen sind elektrisch.[53] In klanglicher Hinsicht weist das Instrument zwei Besonderheiten auf. Die Stimmtonhöhe beträgt C = 128 Hz. Zum anderen wurde eine speziell von Maria Renold entwickelte, astronomisch-musikphilosophisch begründete Stimmung angelegt. Dieses Konzept greift Ausführungen Steiners zur Musik auf und entwickelt ein Konzept der „Formprinzipien der Tonleitern“, das eine nicht-temperierte Stimmung der neuen „Zwölf-Qintentöne-Leiter“ ermöglichen soll.[54]

Nutzung

Das Goetheanum versteht sich als Tagungs-, Kultur- und Theaterbau und nicht als Kirche. Daher existierten auch keine kirchlichen Räume oder Meditationszimmer.[55]

Auf der Bühne des Goetheanums werden regelmässig Faust-Aufführungen dargeboten. 1938 wurden hier als erster Einrichtung beide Teile von Goethes Faust inszeniert. Des Weiteren werden regelmässig Steiners Mysteriendramen aufgeführt. Das Kulturprogramm beinhaltet Tagungen zu verschiedenen Themen aus Kultur und Wissenschaft, Konzerte, Eurythmie- und Theateraufführungen, Besichtigungen, Führungen, und Ausstellungen.

Das Goetheanum beherbergt eine Buchhandlung, die Redaktion der Zeitschrift Das Goetheanum, eine Eurythmieschule, einen Studiengang in Bildhauerei und bietet viele andere künstlerische Kurse an. Hier haben auch die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft und die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft mit ihren zehn Fachsektionen ihren Sitz. Die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft gilt als Dachverband der verschiedenen Landesgesellschaften, in denen allgemeine Zeit- und Lebensfragen in Studiengruppen und Lesekreisen erarbeitet werden. In der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft werden zentrale Fragen der Anthroposophie erforscht. Hierzu gehören unter anderem die Bereiche Medizin, Pädagogik, Bildende Kunst und Sozialwissenschaften. Zum Goetheanum gehören ausserdem die in seiner unmittelbaren Nachbarschaft befindlichen Einrichtungen wie Gärtnerei, Restaurant und der Verlag am Goetheanum.[56]

Ist Ostteil des Bauwerks befindet sich eine anthroposophische Bibliothek mit über 100.000 Titeln, die vermutlich alle relevanten Schriften der Anthroposophie umfasst. Daneben beherbergt das Goetheanum ein Archiv mit rund 4 Mio. Dokumenten, eine Kunstsammlung und das Planarchiv der Bauadministration mit über 8000 architektonischen Plänen.[57]

Literatur

  • Rudolf Steiner: Der Baugedanke des Goetheanum. Dornach 1932, 3. umgestaltete A. 1986, ISBN 3-7235-0353-5.
  • Carl Kemper: Der Bau. Studien zur Architektur und Plastik des ersten Goetheanum. Freies Geistesleben, Stuttgart 1966, ISBN 3-7725-0534-1.
  • Sonja Ohlenschläger: Rudolf Steiner (1861–1925). Das architektonische Werk. Imhof, Petersberg 1999, ISBN 3-932526-37-6 (= Diss. Bonn 1991).
  • Christina Haberlik: 50 Klassiker. Architektur des 20. Jahrhunderts. Gerstenberg, Hildesheim 2001, ISBN 3-8067-2514-4.
  • Werner Blaser: Natur im Gebauten. Rudolf Steiner in Dornach. Birkhäuser, Basel 2002, ISBN 3-7643-6541-2 .
  • Hans Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte. Verlag am Goetheanum, Dornach 2005, ISBN 3-7235-1258-5.
  • Hagen Biesantz, Arne Klingborg:Das Goetheanum-Der Bauimpuls Rudolf Steiners. Dornach, 1978, ISBN 3-7235-0211-3.
Commons: Goetheanum – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Kind-Barkauskas, Kauhsen, Polonyi, Brandt: Beton Atlas: Entwerfen mit Stahlbeton im Hochbau. Birkhäuser Architektur, 2001, ISBN 978-3764366858, S. 24
  2. Daten zum Goetheanum
  3. Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 77
  4. Der Johannesbau in München
  5. Biografie zu Emil Grosheintz-Laval
  6. Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 78
  7. Biesantz, Klingborg: Das Goetheanum. S. 15.
  8. Floor Plan und Cross Section abgerufen: 5.Juni 2011
  9. Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 82
  10. a b Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 84
  11. Rudolf Steiner: Architecture
  12. Biesantz, Klingborg: Das Goetheanum, S. 21
  13. Biesantz, Klingborg: Das Goetheanum. S. 24
  14. Biesantz, Klingborg: Das Goetheanum. S. 25
  15. Helmut Zander: Anthroposophie in Deutschland : theosophische Weltanschauung und gesellschaftliche Praxis 1884–1945, Vandenhoeck & Ruprecht 2007, ISBN 978-3525554524, S. 1160
  16. Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 85
  17. Margarita Woloschin: Die grüne Schlange. S. 377
  18. Das Goetheanum News Sheet 1926, Supplement No. 9 (February 1926) Der werdende Bühnen-Raum. abgerufen: 5. Juni 2011
  19. Biesantz, Klingborg: Das Goetheanum. S. 68
  20. a b Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 22
  21. Biesantz, Klingborg: Das Goetheanum. S. 76
  22. Helmut Zander: Anthroposophie in Deutschland : theosophische Weltanschauung und gesellschaftliche Praxis 1884–1945, Vandenhoeck & Ruprecht 2007, ISBN 978-3525554524, S. 1165
  23. Bautätigkeit von 1930–1989
  24. Jesberg, Paulgerd; Kühne, Markus; Schubert, Marianne: Goetheanum und das Bauen heute. In: Deutsche Bauzeitschrift, Jg.: 40, Nr.12, 1992, ISSN 0011-4782, S. 1831–1838
  25. Beton- und Schieferdachsanierung Goetheanum
  26. Helmut Zander: Anthroposophie in Deutschland: theosophische Weltanschauung und gesellschaftliche Praxis 1884–1945, Vandenhoeck & Ruprecht 2007, ISBN 978-3525554524, S. 1161
  27. a b c Michael Hanak: Sichtbar geformter Beton. In: tec21, 44/2004 (PDF; 293 KB)
  28. Christoph Hackelsberger: Beton: Stein der Weisen? Nachdenken über einen Baustoff, Bauwelt-Fundamente, Vieweg, 1988, ISBN 3-528-08779-X.
  29. Helmut Zander: Anthroposophie in Deutschland : theosophische Weltanschauung und gesellschaftliche Praxis 1884–1945, Vandenhoeck & Ruprecht 2007, ISBN 978-3525554524, S. 1162
  30. Biografie Ebbel-Staehelin
  31. Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 59
  32. Biografie von Rex Raab
  33. Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 24
  34. Biesantz, Klingborg: Das Goetheanum-Der Bauimpuls Rudolf Steiners. S. 69
  35. Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 41
  36. Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 43
  37. Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 44
  38. a b Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 46
  39. Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 26
  40. Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 30
  41. Goetheanum Dornach: Kunst aus der Spritzbetonmaschine
  42. Biesantz, Klingborg: Das Goetheanum-Der Bauimpuls Rudolf Steiners. S. 71
  43. Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 56
  44. Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 57
  45. Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 62
  46. Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 68
  47. Glashaus am Goetheanum
  48. Informationen zum Haus Duldeck
  49. Haus Friedwart
  50. Rudolf Steiner Halde
  51. Ursprüngliche Disposition der Kuhn-Orgel
  52. Disposition der Kuhn-Orgel des Goetheanums in Dornach(CH) (PDF-Date; 213 kB), gesehen 2. Juni 2011.
  53. Orgel des Goetheanums, gesehen 26. Mai 2011
  54. Einstimmung der Orgel nach Maria Renold (PDF-Datei, 82 kB), gesehen 2. Juni 2011.
  55. Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 58
  56. Goetheanum
  57. Hasler: Das Goetheanum. Eine Führung durch den Bau, seine Umgebung und seine Geschichte, S. 93

Koordinaten: 47° 29′ 10″ N, 7° 37′ 13″ O; CH1903: 613691 / 259499