Königreich Kongo
Das Reich Kongo war ein ehemaliges Bantureich in Zentralafrika vom 14. Jahrhundert bis ins 17. Jahrhundert. Es erstreckte sich über Teile des heutigen Angola, der Republik Kongo und der Demokratischen Republik Kongo und war das führende zentralafrikanische Staatswesen seiner Zeit überhaupt.
Geographie
Zur Zeit seiner Entdeckung durch die Portugiesen nahm das Kongoreich mit seiner Ausdehnung von rund 300.000 km² das gesamte westliche Viertel des heutigen Kongo sowie Teile des heutigen Nord-Angolas und der Republik Kongo ein (zum Vergleich: die wiedervereinigte Bundesrepublik Deutschland ist knapp 357.000 km² groß).
Administration
Gliederung
Das Reich war eine Föderation aus vier Teilstaaten, die neben dem Kernstaat Kongo aus den vertraglich eingebundenen Staaten Kakongo, Loango und Ngoyo bestand. Der Teilstaat Kongo unterstand dabei unmittelbar dem Mani-Kongo.
Unterhalb der Teilstaaten war das Reich in die Ebenen Provinz, Distrikt und Dorf gegliedert, jeweils geführt von einem Beamten, der ab der Provinzebene auch Berater des Mani-Kongos war. So war der Teilstaat Kongo in die sechs Provinzen Mpemba, Sundi, Mpangu, Mbata, Mbamba und Soyo unterteilt.
Recht
Neben dem Privileg als König selbst Recht zu sprechen, existierte ein Rechtswesen, das auch so ausdifferenzierten Positionen wie einem Mani Vungu Vungu, einem obersten Richter für Ehebruchsfälle, Raum bot.
Finanzen
Die Untertanen des Landes waren steuerpflichtig, der König kontrollierte darüberhinaus die Geldzufuhr, als Geld dienten Kaurimuscheln, die auf einer Küsteninsel vorkamen.
Die Monarchie
Der König wurde als Repräsentant des ganzen Reiches von einem Komitee aus neun bis zwölf Wahlmännern aus den Nachkommen des Königs, sprich: den Nachfahren des Gründervaters Ntinu Wene entweder aus dem Kimpanzu- oder dem Kimulazu-Clan gewählt. Dem Mani-Kongo beigesellt war der zwölfköpfige Rat Ne Mbanda, der bei wichtigen Entscheidungen wie z.B. bei der Einsetzung von Beamten, der Erklärung von Kriegen sowie der Öffnung und Schließung von Strassen ein Vetorecht besaß.
Der Mani-Kongo saß auf einem Thron aus Holz und Elfenbein, Insignien seiner Macht waren eine Peitsche aus dem Schweif eines Zebras, einem mit Fellen und Tierköpfen behängten Gurt sowie einer kleinen Mütze. Seine Untertanen mussten sich ihm auf allen vieren nähern und durften ihm weder beim Essen noch beim Trinken zusehen, taten sie letzteres doch, drohte ihnen die Todesstrafe.
Klassenstruktur
Das Reich kannte eine Adelsklasse, sie besaß das Privileg, Eisen zu schmieden, da der mythische Gründer des Reiches ein Schmied gewesen sein soll. Neben den "normalen" Bürgern gab es auch Sklaven, durch Kriegsgefangenschaft, Verschuldung, Bestrafung oder als familiäre Mitgiftzahlung. Ähnlich wie im antiken Rom oder Griechenland war diese Sklaverei allerdings – verglichen mit der späteren Form der Europäer – eine Sklaverei mit "menschlichem" Antlitz, Sklaven konnten hier ihre Freiheit wiedergewinnen oder sich gar mit Freien verheiraten.
Handwerk und Landwirtschaft
Neben der Bearbeitung von Eisen wurde auch Kupfer verarbeitet. Aus Bambuspalmen wurden Textilien gewoben, Yamswurzeln, Bananen und anderes Obst und Gemüse angebaut, des weiteren Schweine, Rinder und Ziegen gezüchtet.
Geschichte
Von der Entstehung bis zum Kontakt mit Portugal
Das Kongoreich entstand um 1370. Mythischer Gründungsvater war Ntinu Nimi a Lukeni, ein Schmiedekönig, der, vom Reich seines Vaters, dem Königreich Vungu aus, in der Provinz Sundi angekommen sei. Von dort eroberte er als erstes das Reich der Mbundu im Norden des heutigen Angola, wo er sich auch zeitweise niederließ. In seinem zweiten eroberten Gebiet, der Provinz Mpemba, gründete er M'banza-Kongo (zu deutsch "Königshof Kongo"), die neue Hauptstadt des expandierenden Reichs, heute (in der Kolonialzeit vorübergehend umgetauft zu Sao Salvador) an der Grenze zur DR Kongo in Angola gelegen. Die zu dieser Zeit unabhängigen Königreiche Kakongo, Loango und Ngoyo band er vertraglich in das Reich ein.
Eine nach dem ersten Erreichen der Kongo-Mündung 1482 durch Diogo Cão entsandte portugiesische Expedition führte 1489 zum ersten europäischen Kontakt mit dem König in M'banza-Kongo. Der amtierende Mani-Kongo Nkuwu entsandte im Gegenzug einen Emissär nach Portugal, ließ sich bereits 1491 als João I. taufen (fiel allerdings 1493 oder 1494 bereits wieder von dem neuen Glauben ab) und erhielt im Gegenzug militärische Hilfe der Portugiesen, die seine regionale Vormachtstellung konsolidieren half.
Nach dem Tod Nkuwus gab es einen Machtkampf zwischen dem christlichen Mwemba und seinem traditionell-religiösen Bruder Mpanzu, der das Wahlergebnis nicht akzeptierte. In der "Schlacht von M'banza-Kongo" konnte sich Mwemba gegen seinen Bruder durchsetzen, der Legende nach allerdings nur mit dem "Beistand Gottes" in Form von bewaffneten Reitern, die vom Himmel herab erschienen. Als Dom Afonso I. übernahm Mwemba 1506 die Herrschaft über den Kongo.
Afonso I. und das Regimento Manuels
Afonso war um 1456 geboren worden und herrschte 37 Jahre lang über den Kongo, länger als jeder andere Herrscher vor oder nach ihm. Er betrieb als ein fromm christlicher Herrscher eine Politik selektiver Modernisierung in enger Anlehnung an Portugal. Er verstand die europäischen Großmächte als christliche Bruderstaaten, begann mit dem Aufbau eines einheimischen Klerus, entsandte Studenten nach Europa und versuchte europäische Handwerker und Akademiker in den Kongo zu holen. Seine Hoffnung war, durch eine forcierte Christianisierung und Kooperation von den Portugiesen und seinem königlichen Standesgenossen Manuel dauerhaft als gleichwertig anerkannt zu werden, eine Strategie, die anfangs erfolgreich war. Portugal anerkannte den Mani-Kongo (im Gegensatz zu allen anderen europäischen Königshäusern) als König, wenn auch (aus formalen Gründen) nicht als "Hoheit".
1512 jedoch kam es zum so genannten "Regimento" Manuels, einer Anweisung an seinen Botschafter. Es sah vor, dass die Portugiesen dem Mani-Kongo bei der Organisation seines Reiches beiseite stehen sollten, inklusive des Aufbaus eines Rechtssystems nach europäischem Muster und dem Aufbau eines Heeres. Auch missionarisches Engagement, die Unterstützung beim Bau von Kirchen sowie die Unterrichtung des Hofes in portugiesischer Etikette waren angedacht, im Gegenzug sollte der Kongo die portugiesischen Schiffe mit wertvoller Fracht füllen, im Schreiben Manuels mit konkreter Forderung:
"Diese Expedition hat uns viel gekostet, es wäre falsch sie mit leeren Händen zurück nach Hause zu schicken. Obgleich es unser zuvörderster Wunsch ist, Gott zu dienen und den Mani-Kongo des Kongo zu erfreuen, solltet Ihr nichtsdestoweniger ihm in unserem Namen deutlich machen, was er zu tun habe um die Schiffe zu füllen, sei es mit Sklaven, Kupfer oder Elfenbein."
Immer wieder aber musste sich Afonso schon kurz nach seiner Inthronisation enttäuscht sehen, vor allem das von ihm als gierig und "schamlos" empfundene Verhalten der Missionare und die aufkommende Sklavenjagd der Portugiesen, die keinen Unterschied mehr zwischen "normalen" Sklaven, Freien oder sogar Adligen machten, führte dazu, dass er mehrfach Briefe an den portugiesischen König und selbst Emissäre in den Vatikan entsandte, um des Problems kooperativ Herr zu werden. Dort aber fand er kein Gehör und schränkte 1526 die Macht Portugals ein, indem er die Portugiesen des Landes verwies, eine Aufforderung, der zwar Missionare und Offizielle nachkamen, nicht aber die gefürchteten Sklavenjäger. Während Portugal seine Interessen als Reaktion auf das Königreich der Luanda verlagerte, verfiel der Kongo allmählich, da es wirtschaftlich und strukturell längst von Portugal abhängig geworden war.
Zerfall und Zerschlagung des Reiches
Nach Afonsos Tod 1543 sollte ihm eigentlich Pedro I. nachfolgen, der aber von Afonsos Enkel, Diogo I., in einer unmittelbar folgenden Auseinandersetzung um die Thronfolge, entmachtet wurde. Obwohl ursprünglich eher portugal-feindlich eingestellt, lädt Diogo 1546 wieder Missionare ins Land. Ein Angriff durch das Volk der Jaga 1569 aus dem heutigen Tansania, dem das im Inneren instabil gewordene Reich nicht allein hätte standhalten können, führte zu einem Hilferuf Alvaro I. an Portugal, welches das Land vor den Jaga retteten. Aber diese Befreiung war ein Pyrrhussieg, Alvaro I. mußte sich in den Vasallendienst Portugals begeben und der Kongo wurde tributpflichtig, auch formal endete mit diesem Schritt die Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit der beiden Königreiche. Alvaros verzweifelter Akt stabilisierte den Kongo im Inneren zwar und anschließend versuchte Alvaro sich wieder aus der Umklammerung durch Portugal zu lösen, dies mißlang aber und so machte Alvaro I. letztendlich Portugal den Weg frei, um aus dem Kongo einen Umschlagplatz für den expandierenden Sklavenhandel zu machen. Dieser führte zur Entvölkerung ganzer Landstriche und ließ das Kongoreich allmählich zerfallen, insbesondere nach dem Tod Alvaro II. im Jahre 1614, als Alvaro III. den ausbrechenden Bürgerkriegen, Aufständen und Rebellionen nicht Herr zu werden vermochte, zumal er und seine Nachfolger sich in einem Geflecht zwischen Portugal, der neuen Macht Spanien und den sich ihre Selbstständigkeit erkämpfenden Holländern bewegen mußten.
Erst Garcia II. versuchte sich von 1641 - 1661, in einer Allianz mit den Niederlanden, gegen den immer maßloser werdenden Sklavenhandel und die portugiesische Vorherrschaft zu stellen. Als aber 1665 sein Nachfolger Antonio I. alle mit Portugal abgeschlossenen Verträge für ungültig erklärte und die Rückgabe aller von Portugal annektierten Gebiete forderte, besiegte eine portugiesische Armee in der Schlacht von Ambuila das kongolesische Heer, enthauptete Antonio sowie zahlreiche seiner Höflinge (darunter den Luso-afrikanischen Schriftsteller Manuel Roboredo) und ergriff die endgültige Kontrolle über das Land, das anschließend in seine Einzelprovinzen zerschlagen wurde. Ab 1718 zerfielen die verbliebenen Provinzen endlich in Häuptlingstümer, das Kongoreich hatte in seiner ursprünglichen Form nach etwas über 300 Jahren zu existieren aufgehört.
Seit dem Wiedererscheinen eines Königs im Jahre 1793 existierte das Amt jedoch als ethnische und kulturelle Institution weiter bis in die Gegenwart. Seit 1962 ist zwar kein Amtsinhaber mehr vom Staat bestätigt worden, scheinbar ist aber Dona Isabel Maria da Gama, Witwe von Antonio III., derzeit die amtierende Regentin (zugleich die erste weibliche Amtsinhaberin). Manche Quellen berichten jedoch von einem Ende ihrer Herrschaft im Jahre 1975.
Das Königreich Kongo gab seine Namen zwei modernen Staaten: der Republik Kongo und der Demokratischen Republik Kongo. Zur Geschichte der letzteren siehe Geschichte der Demokratischen Republik Kongo.
Liste der Mani-Kongo des Kongo
Die Mani-Kongo wurden vom Ältestenrat entweder aus dem Kimpanzu- oder Kimulazu-Clan heraus gewählt, es gibt jedoch Ausnahmen, diese sind in der Liste gekennzeichnet.
Mani-Kongo des Reichs
- Ntinu Nimi a Lukeni ca. 1370-1420, Staatsgründer
- Nanga kia Ntinu Kongo (1420-1435)
- unbekannt (1435-1450)
- unbekannt (1450-1465)
- João I. (Nzinga-a-Nkuwu) vor 1482-1505
- Afonso I. (Mvemba-a-Nzinga) (1505-1543)
- Pedro I. (Nkanga-a-Mwemba) (1543-1545)
- Francisco I. (Mpudi-a-Nzinga Mvemba) (1545-1545)
- Diogo I. (Nkumbi Mpudi a Nzinga) (1545-1561)
- Afonso II. (Mvemba-a-Nzinga) (1561-1561)
- Bernardo I. (Mvemba-a-Nzinga) (1561-1566)
- Henrique I. (Mpudi-a-Mvemba Nzinga) (1566-1567)
- Alvaro I. (Mpangu-a-Nimi Lukeni lua Mvemba) (1568-1587)
- Alvaro II. (Mpangu-a-Nimi Lukeni lua Mvemba) (1587-1614)
- Bernardo II. (Mpangu-a-Nimi Lukeni lua Mvemba) (1614-1615)
- Alvaro III.(Mpangu-a-Nimi Lukeni lua Mvemba) (1615-1622)
- Pedro II. Afonso (Nkanga-a-Mvika lua Ntumba-a-Mvemba) (1622-1624)
- Garcia I. (Mvemba-a-Nkanga Ntinu) (1624-1626)
- Ambrosio (Mvemba-a-Nkanga Ntinu) (1626-1631)
- Alvaro IV. (Mvemba-a-Nkanga Ntinu) (1631-1636
- Alvaro V. (Mvemba-a-Nkanga Ntinu) (1636-1636)
- Alvaro VI. (Mvemba-a-Nkanga Ntinu) (1636-1642) nicht aus traditionellem Clan
- Garcia II. (Nkanga-a-Lukeni) (1642-1661)
- Antonio I. (Vita-a-Nkanga) (1661-1665), letzter unabhängiger Mani-Kongo des Kongoreiches
Mani-Kongo der Provinzen
Mani-Kongo in Mbanza Kongo, (São Salvador)
- Alvaro VII. (Mpangu-a-Nsundi) (1665-1666) nicht aus traditionellem Clan
- Alvaro VIII. (1666-1666) nicht aus traditionellem Clan
- Rafael (1669-1674)
- Daniel (Mpangu-a-Miyala) (1674-1678)
- unbekannt (1678-1694)
- Pedro IV. Nsaku-a-Mvemba (1694-1718) nicht aus traditionellem Clan, später gestrichen
- Pedro Constantino (Mpangu) (1718-?) nach Streichung des Vorgängers auch als Pedro IV. geführt
Mani-Kongo in Ki-Mpangu
- Afonso III. (1667-1669)
- Garcia III. Nkanga-a-Mvemba (1669-1678)
- André I. Nlaza (?-1679)
- Álvaro IX. Nimi-a-Mvemba (?-1680) nicht aus traditionellem Clan
- Manuel I. Nzinga (?-1680)
- Pedro IV. Nsaku-a-Mvemba (1694-1718) nicht aus traditionellem Clan
Mani-Kongo in Mbula
- Pedro III. Nsuku-a-Ntamba (1667-1683)
- João II Nsuku-a-Ntamba (1683-1717)
Obskure Periode
Mani-Kongo dieser Zeit müssten aufgrund der Nummerierung späterer Amtsinhaber die folgenden Herrscher einschliessen:
Ihre Reihenfolge und Existenz im einzelnen ist jedoch nicht gesichert.
Mani-Kongo als kulturelle Institution
- Henrique III. (1793-1802)
- Alvaro XI. (1802-1802)
- Garcia V. (Nkanga-a-Mvemba) (1802-1830)
- André II. (1830-?)
- André III. (?-1842)
- Henrique IV. (Lunga) (1842-1858)
- Alvaro XII. (1858-1859)
- Pedro V. (Kivuzi) (1859-1891)
- Alvaro XIII. (Mfutila) (1891-1896)
- unbekannt (1896-1901)
- Pedro VI. (1901-1912)
- Manuel III. (1912-1915)
- Alvaro XIV. (1915-1923)
- Pedro VII. (1923-1955)
- Antonio III. (1955-1957)
- Isabel (1957-1962), Regentin
- Pedro VIII. (1962-1962)
- Isabel (1962-1975?), erneut Regentin
Literatur
- Bernd Ludermann (Hrsg.), "Kongo - Geschichte eines geschundenen Landes", "Weltmission Heute 55 - Länderheft", Hamburg 2004, ISSN 1430-6530, (Sehr gute Gesamtübersicht zu Geschichte, Kultur und Gesellschaft des Kongo)
- Olivier de Bouveignes, "Les anciens rois du Congo", Grands Lacs, Namur, 1948
- J. Vansina: "Les anciens royaumes de la savane". Univ. Lovanium, Léopoldville, 1965 (auch in engl. als "The Kingdoms of the Savanna", 1966, Online: http://www.questia.com/PM.qst?a=o&d=58871203)
- Peter N. Stearns (Hrsg.), "The Encyclopedia of World History: Ancient, Medieval, and Modern", Boston, 2001, http://www.bartleby.com/67/363.html, http://www.bartleby.com/67/869.html, http://www.bartleby.com/67/885.html (accessed 12.11.2004)
- Adam Hochschild, "Schatten über dem Kongo - Die Geschichte eines fast vergessenen Menschheitsverbrechens", Stuttgart 2000, ISBN 3608919732, (Hauptsächlich zur Gewaltherrschaft Leopolds und ihrem Ende)
Weblinks