Konrad I. (Ostfrankenreich)

König des Ostfrankenreichs (881-918)
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Konrad I. (* um 881, † 23. Dezember 918 in Weilburg; beerdigt in Fulda) war seit 906 Herzog von Franken und von 911 bis 918 König des Ostfrankenreichs.

Siegel König Konrads I.

Adelsfehden zwischen den mächtigen Aristokratenfamilien um die Macht in den einzelnen Stammesgebieten des ostfränkischen Reiches, die wiederholten Ungarneinfälle und die Schwäche des karolingischen Königtums führten zur Etablierung regionaler Mittelgewalten, den späteren Herzogtümern. In dieser Situation kam Konrad, selbst als Repräsentant dieser einsetzenden Entwicklung und zugleich am Regiment des ostfränkischen Karolingers Ludwig des Kindes beteiligt, empor. Als König versuchte Konrad sich der anbahnenden Auflösung des Reichsverbandes entgegen zu stellen und die Herrschaft wieder im ganzen Reich ausüben zu wollen. Seine siebenjährige Regierungszeit ist daher hauptsächlich durch die Konflikte mit den ostfränkischen Herzögen (duces) der einzelnen Teilreiche und durch die Ungarneinfälle geprägt. Konrads Herrschaft bildete den Übergang von den Karolingern zu den Ottonen, dem es nicht gelang eine neue Königsdynastie zu begründen. Er führte die Herrschaftspraxis der Karolinger fort.

Seine Zeit gehört zu den quellenärmsten des gesamten Mittelalters. Während die Jahrzehnte später verfassten ottonischen Geschichtswerke Konrad noch positive Eigenschaften zuweisen, gilt er in der Forschung oftmals mit seiner ganzen Regierungszeit als gescheitert. Lange Zeit wurde die Königswahl Konrads als Beginn einer deutschen Geschichte verortet. Erst jüngst setzte sich die Auffassung durch, dass sich das deutsche Reich nicht in einem Akt sondern in einem langgestreckten Prozess entwickelte. Gleichwohl wird Konrad in dieser Entwicklung als wichtiger Akteur angesehen, die schließlich zur Entstehung des deutschen Reiches führte.

Leben bis zum Herrschaftsantritt

Herkunft und Familie

Konrad entstammte dem seit Mitte des 9. Jahrhunderts nachweisbaren fränkischen Geschlecht der Konradiner. Dieses Geschlecht verfügte über einen beträchtlichen Besitz an ehemaligen Reichsgut in Thüringen, Hessen und im Lahngebiet, am Mittelrhein und nach 892 auch in Mainfranken und in Lothringen sowie eine Reihe von Grafschaften (in Hessen zeitweise in Thüringen, im Lahngau, Rheingau und Wormsfeld, später in der Wetterau, im Niddagau, Volkfeld und Gozfeld, im Bonn,- Nahe,- und Keldachgau) sowie mehrere Abteien (St. Maximin, Oeren, Kaiserswerth). Durch treuen Königsdienst unter Arnulf stiegen die Konradiner zu einer einflussreichen Stellung auf.

Seine Eltern waren Konrad der Ältere und Glismut. Konrad der Ältere war Graf im Hessengau und im mainfränkischen Gozfeld. Über Glismuds Herkunft ist nichts bekannt. Konrad der Ältere hatte mit Gebhard, Eberhard und Rudolf noch drei Brüder. Diese Brüder bestimmten das politische Geschehen. Gebhard und Eberhard bekleideten die Grafenämter in der Wetterau, im oberen Rheingau und im Niederlahngau. Gebhard war seit 903 Herzog in Lothringen. Rudolf, der jüngste Bruder, stand seit 892 an der Spitze des Bistums Würzburg. Er fiel wie sein Bruder Gebhard bei den Einfällen der Ungarn (908 und 910). Konrad selbst hatte neben Eberhard von Franken noch einen weiteren Bruder namens Otto. 904 und 910 ist Konrad als (Laien)-Abt in Kaiserwerth bezeugt. In einer Urkunde wird er 910 als dux tituliert. Der Titel könnte auf eine Herzogswürde deuten oder der ehrenden Hervorhebung des zu dieser Zeit im Reich konkurrenzlos mächtigen Konradiners dienen.[1] Bei ihrem Versuch auch in Lothringen die Führungspositionen an sich zu reißen, gerieten die Konradiner auf den Widerstand der Matfridinger, einer der mächtigsten Adelsfamilien Lothringens. Als die Matfridinger dabei in Lothringen die Abteien der Konradiner besetzten, zog Konrad 906 gegen sie zu Felde. In dem Konkurrenzkampf mit den Konradinern unterlagen die Matfridinger.

Bereits 897 brach in Franken zwischen den beiden führenden Adelsfamilien, den Konradinern und den Babenbergern, eine jahrelange Fehde aus, bei der es um die Abgrenzung der Machtsphären in diesem Teilreich ging. Eberhard, der Bruder Konrads des Älteren, starb 902 in der Fehde. Die durch den Lothringerfeldzug geschwächte Konradinermacht nutzte 906 Adalbert für einen Feldzug gegen die Konradiner. In der Schlacht bei Fritzlar fiel 906 Konrad der Ältere im Kampf gegen den Babenberger Adalbert. Die Reichsregierung unterstützte in der Fehde die konradinische Position. Auf Betreiben des ostfränkischen Königs wurde Adalbert gefangen genommen und enthauptet. Die im selben Jahr zu Gunsten der Konradiner beendete Fehde hatte erhebliche Verschiebungen der Kräfteverhältnisse zur Folge. Die Konradiner errangen durch die Fehde die unangefochtene Vormachtstellung in ganz Franken. Durch den Tod seines Vaters übernahm Konrad die Rolle des Familienoberhauptes der Konradiner und der des Reichslenkers. Die konradinische Dominanz am Hofe und der Ausgang der Babenberger Fehde, kostete die Liudolfinger, die Verwandtschaftsbeziehungen zu den unterlegenden Babenbergern pflegten, eine unter Arnulf noch vorhandene Königsnähe. Dies bedeutete auch, dass der Einfluss des Königs in Sachsen und Thüringen verschwand. Nicht ein einziges Mal ist Ludwigs Regierung in Sachsen nachweisbar.

Der Königsnachfolger

Lothringen, das einstige Kernland der Karolinger, stand mit Ludwigs Halbbruder Zwentibold unter eigener Herrschaft. Dadurch konnte sich die Provinz Franken unter den Herrschern Arnulf und Ludwig dem Kind zur Kernprovinz des Ostreichs entwickeln, und hier bildeten die Konradiner, insbesondere nach dem Ausschluss der Babenberger, die bei weitem stärkste Macht. Nach dem Ende der Regentschaft des erbenlosen, militärisch erfolglosen und in großen Adelsfehden der Zeit versagenden jungen ostfränkischen Karolingers Ludwig war der Übergang der ostfränkischen Königsgewalt an ein mächtiges Adelsgeschlecht vorherbestimmt.

Der einzige noch lebende Karolinger, der westfränkische Karl III. („der Einfältige“) war für die Adelsfamilien des Ostreiches mit Ausnahme Lothringens weder von seiner westfränkischen Position noch von seinen militärischen Erfolgen ein diskutabler Kandidat. Die Kandidaten anderer Adelsgeschlechter schieden für die Königsnachfolge aus. Otto der Erlauchte, das Haupt der Liudolfinger, trat nur in zwei Königsurkunden als Intervenient auf und hatte keine besondere Nähe zum Königshof. Liutpold aus dem Adelsgeschlecht der Liutpoldinger, wurde zwar von Ludwig in seinen Urkunden als nepos oder noch häufiger als propinquus noster (unser Verwandter) bezeichnet. Allerdings beschränkte sich seine Nähe zum Königshof auf dessen Aufenthalte in Bayern. Er fiel 907 bei einem Ungarneinfall und sein Sohn Arnulf war für die Königsnachfolge noch zu jung. Konrad I. hingegen gehörte einem der mächtigsten Adelsgeschlechter dieses Teilreiches an. Sein Aufstieg zum ostfränkischen Königtum beruhte ganz wesentlich auf der Machtposition, die seine Vorfahren sich im Reich Ludwigs des Deutschen erkämpft hatten. Nach dem Tod seines Vaters stieg er, dem Zeugnis der Interventionen in Königsurkunden zur Folge, zum einflussreichsten und beherrschenden weltlichen Berater am Königshof Ludwigs des Kindes auf. Zu der überragenden Stellung der Konradiner gehörten auch die ausgezeichneten Kontakte zu den anderen Mitgliedern des Regentenkreises wie Hatto von Mainz, Adalbero von Augsburg und Salomo von Konstanz.

Seit 908 tritt Konrad in fast jeder zweiten Urkunde als Intervenient auf. Und wird dabei meist noch als Verwandter hervorgehoben. Mit Ludwig dem Kind hatte Konrad eine entfernte Verwandtschaft gemeinsam. In seinen Urkunden bezeichnete Konrad Ludwig das Kind als consanguineus (Blutsverwandter)[2], dieser nannte Konrad seinen nepos[3]. Konrad besetzte damit eindeutig die Position eines secundus a rege. Diese Gegebenheiten machten Konrad I. zum geeignetsten Königsnachfolger und weniger die Tatsache, dass er Franke oder Karolinger war. Der Übergang der Herrschaft auf Konrad erfolgte damit keineswegs überraschend, wie die Darstellung Widukinds suggeriert, der Konrad als Verlegenheitskandidaten darstellt.

Nachdem Ludwig das Kind am 24. September 911 verstorben war, wählten gut sechs Wochen später am 10. November in Forchheim Franken, Sachsen, Alemannen und Baiern den Franken Konrad zum König.[4] Nicht beteiligt waren die Lothringer, die den westfränkischen König Karl den Einfältigen als ihren Herrn anerkannten. Mit der Entscheidung für Forchheim stellten sich die Großen und der neue König in die ostfränkische Reichstradition. Der wohl wichtigste Fürsprecher dieser Wahl war Erzbischof Hatto von Mainz, der bedeutendste geistliche Amtsträger im ostfränkischen Reich. Auch Salomo von Konstanz, der die Schwäche des Kindkönigs Ludwig beklagt hatte, dürfte zu Konrads Förderern gehören.

Der ostfränkische König

Die Ausgangssituation

Konrad trat seine Herrschaft unter äußerst schwierigen Voraussetzungen an. Bereits seit Jahrzehnten litt das Reich unter den Einfällen von äußeren Feinden. Zwar war die Normannengefahr gegen Ende des 9. Jahrhunderts abgeflaut. Doch bedrohten von nun an die Ungarn das Reich. Anders als die Normannen führten die Ungarnzüge nicht über die See oder Flüsse, was eine präventive Errichtung von Hindernissen ermöglicht hätte können, sondern führten über das offene Land und waren in ihren Bewegungen wesentlich schneller und nicht an vorgegebene Routen gebunden. Mit der katastrophalen Niederlage der Bayern am 4. Juli 907 unter Führung Luitpolds gegen die Ungarn und ihren Einfällen im Jahr 909 in Alemannien scheint Ludwig nach Sachsen und Thüringen auch diese Region gemieden zu haben und sich fortan ausschließlich in Franken aufgehalten zu haben.[5] 910 wurde auch ein Reichsheer unter der persönlichen Führung von Ludwig dem Kind auf dem Lechfeld bei Augsburg besiegt. Als Ludwigs Herrschaft mit seinem Tod 911 endete, war das Reich den ungarischen Beutezügen nahezu schutzlos ausgeliefert.

Im Inneren des Reiches hatte die königliche Zentralmacht durch Thronstreitigkeiten innerhalb der Herrschaftsdynastie der Karolinger sowie durch minderjährige und schwache Könige an Ansehen verloren. Fünf Könige zwischen 876 und 911, die zwischen zwei und längstens 10 ½ Jahren regierten, konnten keine wirksame Königsmacht aufrechterhalten. Ihre königlichen Befehle drangen nicht mehr bis in alle Reichsteile hindurch. Die Ungarneinfälle offenbarten außerdem die Führungslosigkeit und Schwäche der Regentschaft. Dies verstärkte die Desintegration zwischen der Reichsregierung und den einzelnen Teilregionen. Unter Liutpolds Nachfolger Arnulf, der vorrangig bedacht war seine Stellung in Bayern zu manifestieren, sind die Beziehungen zum Reich nahezu zum Stillstand gekommen. Verstärkt wurde dieser Entfremdungsprozess am Königshof zu den einzelnen Stammesgebieten noch durch die Förderung der konradinischen Dominanz und der mangelnden Kooperation und Integration der regionalen Machthaber an der Regierung. In den einzelnen Stammesgebieten kämpften mächtige Adelsfamilien um die Vorherrschaft. bzw. die Regenten versuchen ihre Stellung zu befestigen und institutionell abzusichern. Die zunehmende Monopolisierung der Konradiner und die räumliche Einengung des Hofes auf Franken führte schließlich auch in Alemannien zu Aufständen. Die Bayern auf Separationskurs, die zunehmende Königsferne der Liudolfinger in Sachsen und die offene Sezession in Lothringen bildeten das historische Erbe was Ludwig das Kind seinem Nachfolger Konrad hinterließ.

Regierungspraxis

Konrad versuchte als Nicht-Karolinger die karolingische Herrschaftspraxis fortzuführen und seine Herrschaft in die Tradition des karolingischen Königtums zu stellen. Besonders deutlich zeigte sich diese bei den königlichen Urkunden und der Organisation der Hofkapelle einschließlich des zu dieser Institution gehörenden Urkunderessorts. Aus der Kanzlei Ludwigs des Kindes wurden die Notare übernommen. An der Spitze von Kanzlei und Kapelle blieb der Konstanzer Bischof Salomon, der diese Aufgaben schon zu Zeiten des letzten ostfränkischen Karolingers versehen hatte. In seinen Urkunden hielt Konrad das Andenken (memoria) an die Karolinger aufrecht. Gleich in seiner ersten Urkunde nahm er seine karolingischen Vorgänger in das Gedächtnis auf. Vielfach bestätigte Konrad die Schenkungen und Verleihungen seiner Vorgänger. In seiner Beurkundungspraxis wurden oft die Klöster und Bistümern, die auch schon sein Vorgänger Ludwig das Kind bedacht hatte. Die Kontinuität wird ebenfalls in den legitimierenden Hoheitszeichen betont. Das Siegel seines Vorgänger mit den neugeschaffenen Typus, der den Herrscher bildnishaft mit Schild, Fahnenlanze und Diadem als kampfbereiten oder von Gott mit dem Sieg bedachten Heerführer zeigt, übernahm auch Konrad. Auch Ziele und Mittel von Konrads Politik waren karolingisch geprägt. So wurden in enger Anlehnung mit der Kirche die aufstrebenden fürstlichen Mittelgewalten bekämpft.

Herrschaftsantritt

Zu Beginn seines Herrschaftsantritts empfing Konrad wahrscheinlich durch Erzbischof Hatto von Mainz die Salbung, die schon bei den Karolingern ein wichtiges Element der Legitimation gewesen war. Nach den Urkunden und Aktivitäten des ersten Regierungsjahres trat Konrad die Herrschaft aus einer relativ gefestigten Position an. Die hohe Akzeptanz der Intervenienten in den ersten beiden Regierungsjahren belegt sowohl eine breite Akzeptanz seiner Herrschaft als auch eine Beteiligung der Großen an der Regierung.

Als eine seiner ersten Handlungen führte Konrad gleich nach seiner Wahl einen Umritt über Schwaben und Franken, an die Grenzen Bayerns und nach Lothringen durch und betrat als erster König seit Ludwig dem Deutschen wieder Sachsen. Mit dem Umritt beabsichtigte Konrad die königliche Herrschaft wieder in allen Gebieten des Reiches auszuüben. Eine seine ersten Reisen führte den König dabei ins südliche Schwaben zu Bischof Salomo von Konstanz und St. Gallen. In Konstanz feierte Konrad das erste Weihnachtsfest. Am zweiten Tag brachen Konrad und Salomon zu einem Besuch des Klosters St. Gallen auf. In St. Gallen verbrachte er drei unbeschwerte Tage. Dort wurde Konrad in die Gebetsverbrüderung des Klosters aufgenommen. Der Eintrag im St. Galler Verbrüderungsbuch diente der Sicherung der Memoria, da Konrad über die Fürbitte der Mönche auch Eingang in das himmlische Buch finden würde, in dem Gott die Namen der Gerechten aufschrieb. Im Gegenzug machte Konrad dem Kloster reiche Stiftungen: Silber für jeden Bruder, drei Schulfreie Tage für die Kinder zum Spielen, die Ausstattung der Gallusbasilika mit wertvollen Decken und eine Bestätigung der Klosterimmunität. Der Ablauf des Besuchs, die Darstellung Konrads in den Quellen als primus inter pares, das Versprechen der Gebetshilfe und die Darstellung Bischofs Salomo als Königsgleicher legen den Abschluss einer amicitia (ein System von Freundschaftsbündnissen als Herrschaftsmittel) nahe.[6]

Der Verlust Lothringens

Die ruhigen Tage fanden allerdings bereits im Januar 912 ein Ende. König Karl von Westfrankenreich („der Einfältige“) war in Lothringen erschienen und sogar bis ins Elsass vorgedrungen, um seinen Besitzanspruch durch Regierungshandlungen geltend zu machen. Er ließ in eigenem Namen Urkunden ausstellen, wodurch auch konradinisches Gut betroffen war. Der Tod des konradinischen Herzogs Gebhard im Jahr 910 führte zu einer entscheidenden Schwächung der Stellung der Konradiner in dieser Region. Wohl im Juli oder August 911 wandten sich große Teile des lothringischen Adels von Ludwig dem Kind und den Konradinern ab. Anfang November erkannten die Lothringer Karl den Einfältigen als König an. Zur Verteidigung des Herrschaftsanspruchs über Lothringen und der dortigen Besitzungen und Rechte seiner Familie, führte der neue König in den Jahren 912 und 913 drei Feldzüge. Ihm gelang es zwar in einem ersten Feldzug den Westfranken Karl zurückzudrängen. Aber noch im gleichen Jahr drangen lothringische Große erneut ins Elsass ein und brannten die Bischofsstadt Straßburg nieder. Ein weiterer Feldzug im Jahr 913 brachte keinen Erfolg. Obgleich die regionalen Machtverhältnisse kaum von Karl bestimmt worden, blieb Lothringen seit 913 seinem Einfluss entzogen. Für Konrad bedeutete dieser Verlust nicht nur einen Verlust an Prestige sowie an Machtmitteln des Königtums, sondern auch eine Schwächung der Familienpositionen im Westen. Besonders verlustreich war hierbei besonders der Entzug der konradinischen Abtei St. Maximin in Trier. Lothringen galt als das traditionsreiche kulturelle und ökonomische Zentrum des einstigen großfränkischen Reiches, da hier vor allem die Kaiserstadt Aachen lag.

Wirtschafts- und Personalpolitik

 
Königsurkunde Konrads I. Schenkung an das Kloster Fulda am 12. April 912.

Durch den Dynastiewechsel mussten die regionalen und lokalen Führungsschichten wie Grafen, Bischöfe und Äbte, die Burgherren und die königlichen Vasallen ihre Loyalitätsbeziehungen zum König neu ausrichten. Von den fünf Kirchenprovinzen des ostfränkischen Reiches wurden nur die Sitze von Mainz, Trier und Bremen frei und mussten neubesetzt werden. Die Kirchenprovinzen Trier und Köln schlossen sich 911 Lothringen an. Im Mai 913 wurde in Mainz Heriger Nachfolger des verstorbenen Erzbischof Hatto. In Bremen setzte er nach dem Tod von Erzbischof Hoger 916 und dem Tod des Erzbischofs Reginward 918 nicht den vom Domkapitel gewählten Dompropst Leidgard, sondern dessen Kapellan Unni zum neuen Erzbischof ein. In Salzburg zog er 912 Pilgrim I. an sich, indem er ihn zum Erzkapellan machte. Erzbischof Radbod von Trier wurde im Sommer 913 westfränkischer Erzkanzler. Bei seinem Tod am 30. März 915 hatte Konrad keine Möglichkeit, die Wahl des Nachfolgers zu beeinflussen. Der neue Erzbischof Ruotger von Trier verblieb im westfränkischen Reichsverband. Hingegen ist Konrads Einflussnahme auf die Besetzung von Bistümern ist völlig unbekannt. Obwohl sich besonders in Speyer die Vorgänge dramatisch gestalteten. In der Auseinandersetzung um Hoheitsrechte innerhalb und außerhalb von Bischofsstädten zwischen Bischöfen und Gräfen, wurde der Bischof Einhard von Speyer am 12. März 913 in Straßburg erschlagen. Mit der Untersuchung des Mordfalls von Speyer beauftragte die Synode von Hohenaltheim 916 Bischof Richgowo von Worms. Der Ausgang des Verfahrens ist unbekannt.

Während sich die Bistümer seinem Zugriff fast vollständig entzogen hatten, versuchte Konrad größeren Königsabteien der Karolinger, die oft unter dem Einfluss bischöflicher Kommendataräbte oder gräflicher Laien befanden, wieder als Reichsabteien stärker in seine königliche Verfügungsgewalt zu bekommen. Der Abtei Murbach bestätigte Konrad Wahlrecht, Immunität und Besitzrechte. Mit 23 Urkunden bedachte Konrad weit häufiger die Klöster als die Bistümer. Von der deutlichen Bevorzugung der Klöster erhoffte er sich wohl einen Rückhalt für seine Politik.[7] An der Spitze standen dabei die Klöster Lorsch (5 Urkunden), St. Emmeram und Fulda (je 4). Die Klöster Lorsch, das sächsische Corvey, die fränkisch-thüringischen bzw. hessischen Klöster Fulda und Hersfeld und das schwäbische St. Gallen besuchte er und bestätigte ihnen die alten Privilegien der Immunität und freien Abtwahl und förderte sie zum Teil mit neuen Zuweisungen. In chronologischer Weise hielt sich Konrad in St. Gallen (Weihnachten 911), Fulda am 12. April 912, Corvey am 3. Februar 913, Lorsch am 22. Juni 913 und Hersfeld am 24. Juni 918 auf. Die Reichsabteien sollten durch ihre Verpflichtung zum servitium regis (Königsdienst) für den neuen König wieder verstärkt nutzbar zu machen. Die Gastung des königlichen Hofes auf der Durchreise, die personellen und sachlichen Dienstleistungen im Kriegsfall und die politischen Aufgaben des Abtes waren die wichtigsten Aufgaben des Königsdienstes. Die Höhe dieser Lasten ist mangels Quellen allerdings unklar.

Ungarneinfälle

Gegenüber den Ungarneinfällen während seiner Herrschaft, die zwischen 912 und 917 mindestens viermal in sein Reich einfielen, blieb Konrad untätig. Warum Konrad gegenüber den Ungarn keine Gegenmaßnahmen einleitete bleibt rätselhaft. Die regionalen Führer blieben auf ihre eigenen Kräfte gestellt. Nach den Quellen führte nur ein Einfall der Ungarn zu einer Niederlage. 913 wurden sie zunächst von den Alemannen unter Pfalzgraf Erchanger und Graf Odalrich zurückgeschlagen. Herzog Arnulf vernichtete dann am Inn das Heer fast vollständig. Die Niederlage 913 ging später in das kollektive Gedächtnis der Ungarn ein und wurde in ungarischen Chroniken oft mit anderen Niederlagen und Verlusten verbunden. Dieser Sieg stellte einen Prestigewinn gegenüber den König dar. Einen Ansehen verschaffener Sieg über einen äußeren Feind hätte Konrads Prestige in Anbetracht der auf Ehre, Ruhm und Sieg ausgerichteten Wertvorstellungen des mittelalterlichen Kriegeradels erheblich gestärkt. Mit dem Verlust Lothringens und dem Ausweichen gegenüber den Ungarneinfällen setzte ab 913 ein rascher Verlust seiner Autorität ein, der zum offenen Konflikt mit Heinrich in Sachsen, Berthold und Burchhard in Schwaben sowie mit Arnulf in Bayern führte. Dennoch hielt sich keiner der Ungarnzüge in einen Rahmen, in dem eine Regionalmacht über die Verteidigung hinaus effiziente Gegenmaßnahmen hätte entwickeln können.

 
Initiale mit König Konrad I. Codex Eberhardi, Fulda, um 1150–1160

Verhältnis zu den Stammesgebieten

Sachsen

Der Sachsenherzog Otto der Erlauchte bildete als Schwager des 906 hingerichteten Babenbergers, und Konkurrent der Konradiner in Nordhessen sowie ihrer Verbündeten in Nordthüringen ein ständiges Risiko für Konrads Königtum. Der Tod Ottos am 30. November 912 ermöglichte Konrad die Verhältnisse aktiver umzugestalten, als es unter seinem Vorgänger Ludwig dem Kind geschah. Am 3. Februar 913 bestätigte Konrad dem Kloster Corvey die Immunität und die freie Abtwahl. Bei einem Aufenthalt in Kassel bestätigte er am 18. Februar dieselben Rechte auch dem Kloster Hersfeld und privilegierte das südwestfälische Kloster Meschede. Dies sind die einzigen Zeugnisse für eine Regierungstätigkeit Konrads in Sachsen. Ausgangspunkt des Streites zwischen Konrad und den Sachsen bildete der Tod Ottos des Erlauchten. Nach Widukind habe Konrad Bedenken gehabt, Heinrich „die ganze Macht seines Vaters zu übertragen“[8] Dadurch habe er sich das Missfallen beim ganzen Heer Sachsens zugezogen und die Sachsen hätten trotz aller Beschwichtigungen Konrads auf eine ungeschmälerte Nachfolge bestanden und dem Sohn zum Widerstand geraten. Diese Situation habe Konrad mit der Hilfe Hattos von Mainz zu korrigieren versucht. Doch der geplante Mordanschlag mit einer Halskette wurde verraten.[9] Stattdessen besetzte Heinrich unverzüglich die Mainzer Besitzungen in Sachsen und Thüringen und dehnte darüber hinaus seinen Herrschaftsbereich auf ganz Thüringen aus. Auf die Kunde von Heinrichs Erfolgen sandte Konrad 915 seinen Bruder Eberhard mit einem Heer nach Sachsen, das jedoch bei der Eresburg (bei Kassel) eine verheerende Niederlage erlitt. Veranlasst durch die Niederlage und die Flucht des Bruders zog Konrad selbst mit einem Heer nach Sachsen.

Als die Heere bei Grone aufeinandertrafen, war Heinrich dem König militärisch unterlegen. Heinrich soll angeblich schon entschlossen sein, sich dem König freiwillig zu unterwerfen (deditio), um anschließend mit ihm eine Schwurfreundschaft zu schließen, erst ein Graf namens Thietmar habe die Franken durch listige Verdrehung der Tatsachen zum Rückzug veranlassen können.[10] Die Darstellung Widukinds könnte frei erfunden sein und somit literarische Fiktion sein. Die Forschung geht auch ohne konkrete Nachrichten in den Quellen von einem Ausgleich im Jahr 915 zwischen Konrad und Heinrich aus. Heinrich scheint vielmehr eine deditio (Unterwerfung) vollzogen zu haben, mit der er Konrad und sein Königtum anerkannte. Als Grund wird angenommen, der Widukind dazu bewogen habe die friedliche Einigung und des Ausgleichs zu unterdrücken und an deren Stelle die Anekdote des listigen Thietmar zu setzen, dass eine Unterwerfung Heinrichs vor Konrad nicht in das Bild passt was man vom ersten König der ottonischen Dynastie zeichnen wollte.[11]

Damit einigten sich Konrad und Heinrich offenbar im Jahr 915 auf die Anerkennung des status quo und die gegenseitige Respektierung der Einflusszonen. Konrad verzichtete damit auf weitere militärische Interventionen im sächsisch-thüringischen Grenzraum, während der Sachsenherzog davon absah, alemannisch und bayerische Große, mit denen Konrad im Konflikt stand, zu unterstützen. Das weitere Verhältnis zwischen Konrad und Heinrich nach dem Jahr 915 ist allerdings unbekannt. Vielmehr rückten die Auseinandersetzungen Konrads mit den süddeutschen Machthabern in den Mittelpunkt.

Schwaben

Anders als in Bayern oder Sachsen, wo sich früh einzelne führende Geschlechter als duces etablieren konnten, bestand in Alemannien länger eine Konkurrenzsituation zwischen mehreren Adelsfamilien. Die Machtverhältnisse in der Region waren zu Beginn der Königsherrschaft Konrads instabil: 911 versuchte Markgraf Burkhard von Rätien in der karolingischen Königspfalz Bodman sich zum dux bzw. princeps Alemannorum aufzuschwingen und wurde aufgrund eines nicht allgemein anerkannten Urteils hingerichtet. Im Konkurrenzkampf des hiesigen Adels wurde die Familie Burkhards durch physische Vernichtung oder Exilierung ihrer Mitglieder ausgeschaltet. Die Söhne Burkhard und Ulrich wurden in die Verbannung geschickt. Sein Bruder Adalbert wurde auf Anstiften des Konstanzer Bischof Salomo getötet. Danach strebten die Pfalzgrafen Erchanger und Berthold die Herzogswürde an. Das Feiern des Weihnachtsfestes Konrads in St. Gallen und Konstanz und seine unmittelbar folgenden Aufenthalte in Bodman und Ulm waren auch eine königliche Machtdemonstration in dieser Region. 913 brach im Anschluss an den Lotharinger Feldzug des Königs ein offener Streit zwischen Erchanger und Konrad aus. Der Grund des Streites ist unbekannt. Im Herbst wurde er beigelegt und der Friedensschluss durch die Heirat des Königs mit Erchangers Schwester Kunigunde besiegelt. Ein Jahr später nahm Erchanger Bischof Salomo, den Vertreter königlicher Interessen in Alemannien gefangen, wurde dann aber selber von Konrad ergriffen und in die Verbannung geschickt. In dieser Situation kehrte der jüngere Burkhard zurück und begann gegen den König zu rebellieren. Daraufhin belagerte Konrad vergeblich den von Burkhard besetzten Hohentwiel und musste sich wieder zurückziehen da der Sachsenherzog Heinrich in Franken eingefallen war. Erchanger kehrte daraufhin aus seinem Exil zurück und schloss mit Burkhard ein Zweckbündnis. Konrad reagierte nun mit kirchlichen Sanktionen: Auf der Synode von Hohenaltheim wurden Erchanger und seine Komplizen zu lebenslanger Klosterhaft verurteilt. Die kirchlichen Sanktionen haben daran nichts geändert. Im Januar 917 setzte Konrad seine Widersacher Erchanger, Berthold mitsamt seinen Neffen Liutfrid gefangen und ließ alle am 21. Januar 917 bei Aldingen, die zur deditio (Unterwerfung) bereit waren, enthaupten. Der schwäbische Adel erhob daraufhin ihren bisherigen Gegner Burkhard zum Herzog. Zum Ende Konrads Königsherrschaft brach Burkhard erneut zur Rebellion aus, auf die der König nicht mehr reagieren konnte.

Bayern

Die im Jahr 913 eingegangene Ehe mit Kunigunde, der Witwe des 906 verstorbenen bayerischen Herzogs Luitpold, sollte neben Schwaben auch seinen Einfluss in Bayern stärken. Bayern sollte wieder zu einer Basis der Königsherrschaft gemacht werden, wie dies einst unter Ludwig dem Deutschen der Fall war. Im Juni 914 wird Kunigunde erstmals in einer seiner Urkunden als seine Frau genannt.[12] Gemessen an den Königsurkunden Konrads I. spielte seine Frau während seiner Regierung allerdings keine bedeutende Rolle. Dass sie sich schon 915 Lorsch als Begräbnisort auswählte, ohne einen gemeinsamen Begräbnisort mit ihrem Mann auszusuchen, der sich in Fulda bestatten ließ, deutet außerdem auf kein besonders enges Verhältnis der beiden.[13]

Der Kampf um die Führungsposition war in Bayern weitgehend entschieden. In Bayern standen nicht nur die bayrischen Bischöfe auf der Seite des Königs, sondern der Episkopat eines ganzen Metropolitensprengels. Sie stellten sich geschlossen hinter Konrad, denn Arnulf hatte bisher rücksichtslos Kirchen- und Klostergut enteignet und Kirchenrechte an sich gerissen. Herzog Arnulf versuchte sich in Bayern der königlichen Herrschaft zu entziehen und sogar die Reichskirche in seine Gewalt zu bringen. Die Chronologie der Auseinandersetzung ist aufgrund der Quellenlage umstritten.[14] Im Jahr 916 kommt es zu einer Rebellion Arnulfs, die der König durch einen Feldzug Regensburg beendete. Arnulf ging ins Exil nach Ungarn. Die Verwaltung übertrug Konrad seinem Bruder Eberhard. Ein Jahr später vertrieb der aus Ungarn zurückkehrende Arnulf Konrads Bruder Eberhard. Bei den Auseinandersetzungen mit Arnulf holte sich Konrad die Verwundung der er später erlag.

Verhältnis zur Kirche

In der Zeit um 900 wurden die Bischöfe immer wieder durch den Laienadel bedroht oder gar getötet. So wurde der Erzbischof Fulko von Reims ermordet. 913 traf dieses Schicksal auch Bischof Otbert von Straßburg. Die Kirche war somit auf ein starkes Königtum angewiesen und das bedeutete auch dass der König gegen seine Feinde mit kirchlichen Mitteln geschützt werden musste. Die Bischöfe spielten mit 39 Intervenienten[15], also als Vermittler einer Bitte um Bestätigung oder eine Schenkung durch den König, eine bedeutende Rolle. Auf Konrad übten insbesondere die führenden Mitglieder der Hofkapelle und der Kanzlei Einfluss aus. Als wichtigste Person galt dabei Bischof Salomo III. von Konstanz, der das Amt des Kanzlers in der gesamten Regierungszeit des Königs innehatte.

Schon zu Beginn von Konrads Königtum dürfte eine enge Zusammenarbeit zwischen König und Kirche bestanden haben, die in einer Salbung, wahrscheinlich durch Erzbischof Hatto von Mainz, ihren Ausdruck fand. Fast alle fränkischen, alemannischen und bayerischen Suffragane sowie die Erzbischöfe selbst standen mit dem Herrscher im Kontakt und werden in seinen Diplomen genannt. Jedoch sind sie in der Regel nicht außerhalb ihrer Region am Hofe nachweisbar, was den Episkopat nicht als tragende Stütze der Königsherrschaft Konrads erscheinen lässt.[16]

Unter der Leitung des päpstlichen Legaten Petrus von Orte fand am 20. September 916 die Synode von Hohenaltheim, die Konrad als christus Domini (Gesalbter des Herrn) bezeichnet. Ungewiss ist sowohl ob Konrad selbst an der Synode teilnahm als auch welche Bischöfe an der Synode anwesend waren. Nicht zur Synode erschienen allerdings die sächsischen Bischöfe, die wegen ihres Nichterscheinens auf der Synode scharf getadelt wurden. Selbst die Bedeutung von Hohenaltheim in der Zeit um 916 ist unbekannt. Doch kann die Wahl nur mit der Anwesenheit Konrads I. im bairisch-fränkischen Grenzgebiet zusammenhängen, da eine Synode, die allein von Bischöfen geplant und einberufen worden wäre, sich als Tagungsort eher eine Bischofsstadt ausgewählt hätte.[17] Die Synode sollte das enge Bündnis zwischen König und Kirche festigen. Hierzu wurden kanonische Bestimmungen zum Schutz des Königs und zum Schutz der Bischöfe vor Laien erlassen. Gewalttaten gegenüber dem König, den christus Domini, wurden mit dem Anathem bedroht. Dass Heinrich auf der Synode nicht als Gegner des Königs genannt wird, könnte ein Beleg für einen Ausgleich in Grone von 915 sein.[18] Der Versuch der Kirche die königliche Macht zu stärken brachte nicht den erwarteten Erfolg. Schwaben und Bayern fielen erneut vom König ab.

Tod und Nachfolge

 
Fuldaer Totenannalen mit Eintrag König Konrad I. (3. Spalte, 6. Zeile)

Möglicherweise ist es bereits 915 in Grone zwischen König Konrad und dem Sachsen Heinrich zu einer Vereinbarung über die Nachfolge im Reich gekommen. Ein solches Abkommen gewinnt auch deshalb an Wahrscheinlichkeit, weil Konrads Gattin Kunigunde bereits in fortgerücktem Alter war und auch nach zweijähriger Ehe sich kein Kindersegen einstellte.[19] Wie das Verhältnis zwischen Konrad und Heinrich entwickelte ist unbekannt. Zumindest sind weitere Konflikte zwischen Konrad und Heinrich nicht überliefert.

Zahlreiche voneinander unabhängige Nachrichten berichten von einem langen Siechtum des Königs bis zu seinem Tod. Die Ursache dieser Krankheit war offensichtlich die Verwundung, die er sich 916 bei einem Heereszug gegen Arnulf von Bayern zuzog. Die Funktionsunfähigkeit von Konrad wirkte sich auch auf seine Königsherrschaft aus. Von 916 bis zu seinem Tod wurden sämtliche Urkunden des Königs an Orten Frankfurt (2x), Würzburg (2x), Tribur und Forchheim ausgestellt, die an schiffbaren Flüssen liegen. Demnach hatte der König sowohl in seinen letzten beiden Jahren ein sehr eingeschränktes Aktionsfeld und scheint in dieser Zeit, wenn überhaupt, nur per Schiff gereist oder transportiert worden zu sein.[20]

Konrad wurde von seinem Sterbeort, dem Stammsitz Weilburg, auf eigenen Wunsch nach Fulda und im Januar 919 mit allen Ehren in der Kirche des Bendektinerklosters Fulda beigesetzt.[21] Die Wahl Konrads für Fulda als Begräbnisort könnte mit der großen Mönchsgemeinschaft und mit der Bonifatiusnähe zusammenhängen, da ein besonders wirkungsmächtiger Heiliger Gewähr dafür bot, dass das Andenken eines Königs gewahrt bleibt. Der Name Konrads wurde in die von 779 bis 1065 im Kloster geführten Totenanalen aufgenommen und in das Gebetsdenken der Mönche eingeschlossen. Jedoch finden sich in den Nekrologeinträgen auch die Namen von Konrads Vorgängern und Nachfolgern, was ein recht dürftiger Hinweis für ein andauerndes Gebetsdenken Konrads ist.

Sein Nachfolger wurde nicht sein Bruder Eberhard, sondern der Sachse Heinrich, der Sohn Ottos des Erlauchten. Der Herrschaftsübergang selbst wird von Liudprand, Adalbert und Widukind in gleicher Weise geschildert: König Konrad habe vor seinem Tod den Auftrag gegeben, Heinrich die Königswürde anzutragen und ihm die Insignien zu überbringen, sein Bruder Eberhard habe dies ausgeführt. Nach der vieldiskutierten Darstellung Widukinds soll der sterbende König selbst seinem Bruder Eberhard befohlen haben, auf die Thronfolge zu verzichten und die Insignien aus Mangel an fortuna (Glück) und mores (oftmals in der Forschung mit Königsheil übersetzt) die höchste Staatsgewalt (summa rerum publicum) dem Sachsenherzog Heinrich zu übertragen.[22] Allerdings spricht der ungewöhnlich lange Zeitraum von fünf Monaten bis zur Erhebung Heinrichs zum König eher gegen eine öffentlich ausgesprochene Designation durch seinen sterbenden Vorgänger. Vielmehr dürften zähe Verhandlungen zwischen Eberhard und Heinrich über die Nachfolge entbrannt zu sein, in denen Eberhard einsehen musste, dass Bayern und Schwaben eigene Wege gingen und er sich zudem mit seinen Verwandten zerstritten hatte.[23]

Wirkung

Maßnahmen nach Konrads Tod

Nach dem Tode Konrads ist es wohl zwischen dem 14. und 24 Mai 919 in Fritzlar, nahe der Grenze des konradinischen und liudolfingischen Machtbereichs, zur Erhebung Heinrichs als neuen König gekommen. Der Schilderung Widukinds zur Folge habe der Konradiner Eberhard vor den versammelten Franken und Sachsen Heinrich als König benannt. Als ihm der Mainzer Erzbischof Heriger die Salbung anbot, habe Heinrich dies nicht angenommen: Er wolle sich damit begnügen durch den Königsnamen aus den Großen seines Reiches herausgehoben worden zu sein – Salbung und Krönung jedoch sollten Würdigeren vorbehalten werden.[24] Die Darstellung hat bis heute heftige Kontroversen ausgelöst. So wird bis heute eine Salbungstradition diskutiert. Dass nur Repräsentanten der Sachsen und Franken anwesend waren und der mögliche Salbungsverzicht zeigen aber, dass Heinrich, im Gegensatz zu Konrad, seine Herrschaft mit einem reduzierten Anspruch antrat und dies in Fritzlar demonstrativ zum Ausdruck gebracht wurde.[25]

Um seine Herrschaft zu sichern musste Heinrich sein Verhältnis zu den Herzögen regeln. Unter seiner Herrschaft vollzog sich die Integration der Stammesfürsten in die Machtstrukturen des ostfränkischen Reiches. Die Etablierung der regionalen Mittelgewalten, den späteren bzw. werdenden Herzogtümern, denen sich Konrad noch militärisch entgegenstemmen zu versuchte, fand unter Konrads Nachfolger Heinrich von vornherein dessen Anerkennung. Die regionalen Machthaber besaßen Herrschaftsgewalt, die sie nicht einer Verleihung des Königs verdankten sondern durch Usurpation errangen. Mit der Huldigung durch den König gewannen sie die Legitimation ihrer zunächst usurpierten Führungsrolle. Konrads Bruder Eberhard wurde als amicus regis (Freund des Königs) einer der wichtigsten Männer im Reich und blieb dies bis zu Heinrichs Tod. In Schwaben soll sich im Jahr 919 Herzog Burkhard ohne Widerstand "mit allen seinen Burgen und seinem ganzen Volk".[26] dem König unterworfen haben. Herzog Arnulf übte nach 918 bis 921 eine De-facto Königsgewalt aus, mit der er sich die Herrschaftsmittel des Königtums in Bayern sicherte. Die vieldiskutierte Nachricht, die sich in den Salzburger Annalen findet, die Bayern hätten ihren Herzog Arnulf in regno Teutonicorum zum König ausgerufen, wird in der neueren Forschung verstärkt angezweifelt[27] Erst nach intensiveren militärischen Aktivitäten dem König unterwarf sich Herzog Arnulf in Bayern dem König. In seiner Machtposition wurde Arnulf nicht beschnitten, als er Heinrich huldigte und von diesem als amicus in den Kreis der Berater aufgenommen wurde. Heinrich überließ dem Herzog sowohl das Recht zur Vergabe der Bistümer als auch der Fiskus, mit der bedeutenden Regensburger Pfalz, verblieben bei Arnulf. In seinen Urkunden verfügte Heinrich außerdem nie über Güter in Bayern.

Im Unterschied zu Konrad versuchte Heinrich nicht, sich die Machtmittel des karolingischen Königtums anzueignen, sondern überließ den principes in einem der ostfränkischen Teilreiche ihre Führungsrolle. Die Herzöge wiederum verpflichteten sich ihm zu Leistungen und dauerhafter Unterstützung. Freundschaft und weitgehende Selbstständigkeit wurde den Herzögen zugebilligt, allerdings erst nach einem demonstrativen Akt der Unterordnung.

In Lothringen vollzogen sich ebenfalls Verhandlungen die zum Abschluss eines Freundschaftsbündnisse zwischen Karl den Einfältigen und Heinrich vollzoegen. Im November 921 trafen sich die beiden Könige bei Bonn. In der Mitte des Rheins, genau auf der Grenze zwischen Lothringen und dem Ostfrankenreich, wurde ein Schiff verankert, auf dem die beiden Könige zu gleich einen Vertrag mit einander schlossen. Heinrich erkannte Karls Herrschaft über Lothringen an, während dieser ihn als völlig gleichberechtigten fränkischen König akzeptierte, als rex Francorum orientalium bzw. rex orientalis.[28].

Gegenüber den Ungarneinfällen 919, 924 und 926 blieb Heinrich, ähnlich wie Konrad, machtlos. Doch geriet einer ihrer Anführer in Gefangenschaft und für dessen Freilassung erkaufte der König gegen einen jährlichen Tribut eine neunjährige Schonung. In den folgenden Jahren wurden Maßnahmen vereinbart um nach Auslaufen des Vertrages gegen die Ungarn militärisch gerüstet zu sein. Um die Zukunft seiner Dynastie zu sichern wich Heinrich durch das Prinzip der Individualsukzession (der Einzelthronfolge) von der karolingischen Herrschaftspraxis, bei der das Reich unter den legitimen Söhnen aufgeteilt wurde, ab. Heinrich machte in der sogenannten Hausordnung seinen Sohn Otto zum alleinigen Nachfolger und leitete damit die Dynastie der Ottonen ein. Nach intensiver militärischer Vorbereitung gelang am 15. März 933 ein militärischer Erfolg in Riade gegen die Ungarn. Doch erst Heinrichs Nachfolger Otto konnte durch seinen militärischen Erfolg in der Lechfeldschlacht die Ungarngefahr dauerhaft beenden

Konrad im Urteil der Ottonen

 
Verwandtschaftstafel der Ottonen. Mit Hinweis auf Konrad I. als den Vorgänger Heinrichs I.

Die Zeit Konrads gehört zu den quellenärmsten des Mittelalters. Nach dem Abbrechen der Chronik Reginos von Prüm im Jahr 906 und dem Versiegen der Altaicher Fortsetzung der Fuldaer Annalen im Jahr 901. Die Annalen des westfränkischen Geschichtsschreibers Flodoard von Reims umfassen den Zeitraum 919 bis 966, scheiden als Quelle auch aus. Es sind im wesentlichen nur kurze, zeitgenössische hagiographische Notizen vorhanden. Hinzu kommt, dass der Herrscher keine Tradition, kein Königshaus ausbilden konnte, welches das Andenken an ihn hochgehalten und ihn verherrlicht hätte. Die Grundlage bilden seine 38 Urkunden mit denen er Schenkungen, Rechtsverleihungen und den Austausch von Gütern vornahm oder bestätigte. Allerdings wurde die Hälfte der erhaltenden Diplome in den ersten anderthalb Jahren seines Königtums ausgestellt. Danach gibt es immer wieder längere Zeiträume aus denen keine Königsurkunde überliefert ist. Die Urkunden zeigen, dass der König sich vor allem in den letzten beiden Jahren in Franken aufhält und diese Region zur ausschließlichen Regierungslandschaft wurde. Die annalistischen Aufzeichnungen können zwar kein zusammenhängendes Geschichtsbild überliefern, dennoch erscheint Konrad in den annalistischen Nachrichten als glückloser Feldherr, der die Ungarn-Abwehr den Großen überlassen musste und sich selbst im Innern seines Herrschaftsverbandes kaum behaupten konnte.

Ausführlichere Nachrichten (bei Widukind von Corvey und Liutprand von Cremona) sind nicht nur aus spätem Rückblick, sondern zudem aus sächsisch- ottonischer bzw. italienisch-ottonischer Perspektive abgefasst und berichten erst aus dem zweiten Regierungsjahrzehnt Ottos I.. Ihre spärlichen Nachrichten sind keine Primärinformationen und sind offensichtlich auf eine orale Traditionsbildung zurückzuführen, die das Geschehen im Nachhinein fiktional verformte. Welche Einzelheiten trotzdem zutreffend überliefert sind, ist ungewiss.

Nach Widukind, der die Herrschaft der Ottonen zu legitimieren versuchte, war schon Konrad nur König von Ottos „des Erlauchten“ (des Vaters Heinrichs I.) Gnaden geworden, dem die Krone bereits 911 angetragen worden sei. Die Liudolfinger stellten für Widukind also von Anfang an die gegebenen Herrscher.[29] Damit waren für ihn die Ottonen und nicht die Konradiner die eigentlichen Gewinner des Zerfalls des Karolingerreiches im Osten.

Dennoch zollen die ottonischen Quellen dem König durchaus Respekt und gelangen zu einer positiven Einschätzung. Widukind präsentierte Konrad durchaus als mächtigen und rechtmäßigen Herrscher.[30] Der Fortsetzer der Chronik Reginos von Prüm nannte ihn „einen stets milden und weisen Mann und einen Liebhaber der göttlichen Lehre“.[31] Liudprand von Cremona bezeichnete ihn anlässlich seiner Wahl als einen „kräftigen und kriegserfahrenen Mann aus fränkischem Geschlecht“,[32] der die aufständischen Fürsten „durch die Macht seiner Weisheit und die Stärke seiner Tapferkeit“ überwunden und unterworfen habe.[33] „Hätte nicht der frühe Tod, der nicht säumiger an die Hütten der Armen pocht als an die Burgen der Könige, den König Konrad so frühzeitig dahingerafft, so wäre er der Mann gewesen, dessen Name über viele Völker der Erde geboten hätte.“[34]

Die ottonische Familie hat lange Zeit für Konrad beten lassen. Im Merseburger Necolog ist der König mit seinem Todestag, dem 23. Dezember, und dem Titel rex (König) verzeichnet. Das St. Galler Verbrüderungsbuch enthält die Namen der bis 932 verstorbenen Angehörigen der liudolfingisch-ottonischen Familie sowie die Personen zu denen die Liudolfinger eine gute Beziehung hatten. Unter den Namen der Gruppe findet für die letzten Tage des Dezembers der Name Chuonradus, der mit König Konrad identifiziert wird. Diese Gebetverpflichtungen dienten Adelsfamilien im Mittelalter für Verwandte und Freunde.

Nachleben im Hoch- und Spätmittelalter

 
Gedenkplatte an König Konrad I. im Fuldaer Dom

Ein sicheres Wissen über Konrad I. fand man zu Beginn des 12. Jahrhunderts kaum mehr vor. In der Erinnerung der hochmittelalterlichen Chroniken blieben neben den Regierungsdaten meist nur die Ungarneinfälle und die Aufstände der Fürsten haften. Die hochmittelalterlichen Chronisten bemühten sich die Geschichte des römischen Reiches nach Dynastien zu gliedern, die Translatio imperii zu entwickeln und der Herrschererfolge besondere Beachtung schenken – diesem Traditionsstrang fiel Konrad zum Opfer. Sein Königtum galt als belangloses Zwischenspiel, das sich nicht in die Vorstellung kontinuierlicher Herrschaftsausübung großer Geschlechter einfügte. Vielmehr wurde es als merkwürdig empfunden, dass ein König losgelöst von einer Dynastie zu herrschen vermochte, so dass einige ihn einfach zu einem Karolinger machten.[35]

In der Landes-, Regional-, und Stadtchronik des späten Mittelalters war Konrad nahezu unbedeutend und galt als vergessener König. Während Konrad in der Sächsischen Weltchronik noch relativ ausführlich in Erscheinung tritt, sind die Nachrichten in anderen Chroniken deutlich spärlicher und er wird als „Ludwig“ oder „als letzter Karolinger“ bezeichnet. Genaue Kenntnis über seine Herkunft und die Kaiserwürde sind nicht immer vorhanden gewesen. In der kollektiven Erinnerung des Spätmittelalters spielte Konrad kaum eine Rolle. Eine Ausnahme bildet die Hessische Landeschronik von Wigand Gerstenberg. Wigand feierte Konrad als Retter des Christentums, dessen Wahl zum König er als Rettung vor den Ungarneinfällen ansah. Wigand machte Konrad zum größten Förderer der Stadt Frankenberg. Konrad erscheint geradezu als der Urheber einer großen städtischen Vergangenheit und verdrängt damit auch fast den von Wiegand gerühmten Karl den Großen.[36] Warum der Chronist Konrad derart in den Mittelpunkt rückte, ist ungewiss.

Ebenso ist Konrads Wirken in urkundlichen Quellen offenbar regional begrenzt. Konrad lebte in urkundlichen Quellen nur in einem sehr begrenzten Umkreis fort, überwiegend in Gebieten in denen seine Familie und er selber begütert waren, in denen Rechte und Besitzungen der Konradiner lagen. Vor allem Fulda, Mainz und Würzburg sind Zentren urkundlicher Nachwirkungen. Außerhalb des fränkischen Gebietes, also jenseits seiner unmittelbaren Herkunft, spielte das Andenken an den König in Urkunden keine Rolle. Aus seinem Hausstift Weilburg liegen keine Urkunden vor, da diese Institution bis in die staufische Zeit hinein keinerlei Herrscherurkunden mehr erhalten hat. Ebenso geriet Konrads Grab in Vergessenheit, da eine das Mittelalter überdauernde Grabpflege nicht stattgefunden hat. Die Lage seines Königsgrabes ist seit dem 12. Jahrhundert unbekannt. Nur noch eine im Jahr 1879 angebrachte Sandsteintafel erinnert an sein Grab.

Geschichtsbilder und Forschungsperspektiven

Dass die ostfränkischen Großen nicht dem einzigen noch regierenden Karolinger das Königtum antrugen, sondern einen Nichtkarolinger zu ihrem König machten, wurde oft als historische Weichenstellung für ein werdendes Deutschbewusstsein gewürdigt.[37] Die Entscheidung von Ostfranken, Sachsen, Alemannen und Bayern gegen einen Westfranken galt als Hinweis auf ein starkes Gemeinschaftsgefühl rechts des Rheins im Sinne eines „deutschen“ Nationalgefühls, weshalb nur einer der Ihren und kein „Franzose“ als König in Frage gekommen sei. Die Entstehung des Deutschen Reiches um das Jahr 900 war bis lange nach dem Zweiten Weltkrieg eine allgemeine Grundüberzeugung. Die deutschen Stämme wurden als die eigentlichen Gründer des deutschen Reiches angesehen. Uneinig war man sich lediglich welches konkrete Datum zwischen 843 und 936 in Betracht kommt.

Der Historiker Harry Bresslau hielt 1911 vor der „wissenschaftlichen Gesellschaft“ in Straßburg einen Vortrag mit dem Titel „Das tausendjährige Jubiläum der deutschen Selbstständigkeit“ indem er Konrads Wahl eine bedeutende Rolle bei der Abgrenzung zwischen der fränkischen und der deutschen Epoche des Reiches zuwies. Dynastiewechsel, Königswahl und Unteilbarkeit des Reiches waren für Bresslau die Hauptgründe warum er 911 als Epochenjahr ansah[38] Andere Historiker wie etwa Walter Schlesinger sahen in der Designation des Sachsenherzogs Heinrich durch den sterbenden König Konrad einen wesentlichen Beitrag zur Entstehung des mittelalterlichen Reiches, das sie mit dem Herrschaftsantritt 919 jenes Heinrich beginnen ließen.

Johannes Haller ließ mit Konrads Königtum die deutsche Geschichte beginnen und leitete 1923 sein Kapitel mit den Worten ein: Seit wann gibt es eine deutsche Geschichte? Die richtige Antwort lautet: seit es Deutsche und ein deutsches Volk gibt. Aber seit wann gibt es das? … Eine deutsche Geschichte kann es erst geben, wenn die unter sich verbundenden Stämme sich vom Gesamtverband des fränkischen Reiches lösen und eine Einheit für sich bilden. … Konrad I. gilt darum als der erste deutsche König, und beim Jahr 911 darf man – wenn man nach festen Zahlen fragt, die freilich immer etwas Äußerliches behalten – die erste Epoche der deutschen Geschichte ansetzen: die Entstehung des deutschen Staates.“ [39] Noch 1972 leitete Wolf-Heino Struck seinen Aufsatz über die konradinischen Stiftsgründungen mit folgenden Worten ein: Als im November 911 Konrad I. in Forchheim [...] zum König gewählt und damit vor 1060 Jahren die Geschichte des Deutschen Reiches eingeleitet wurde, erreichte das Geschlecht der Konradiner den Höhepunkt seines Ansehens.“ [40]

Erst durch die reichhaltigen Forschungen der letzten Jahrzehnte zur Nationsbildung sind solche ehemals als sicher geltende Vorstellungen verloren gegangen. Man sieht heute das Deutsche Reich in einem Prozess entstanden, der im 11. und 12. Jahrhundert noch nicht abgeschlossen war.[41] Außerdem ist heute unstrittig, das die sogenannten gentes, die politisch organsierten Großgruppen, die auch die Wahl Konrads bestimmten, keine „deutschen Stämme“, sondern deutschsprachige Völker waren, die sich als Franken, Bayern, Sachsen oder Schwaben verstanden, nicht aber als „Deutsche“.[42] Der Begriff regnum Teutonicum wurde als Fremd- und Eigenbezeichnung erst allmählich seit dem 11. Jahrhundert gebraucht[43]

Konrad im Urteil der Forschung

 
Denkmal König Konrads. Mit dem Text: Conrad I. 911-918. Deutscher König und Graf des Lahngaues übertrug in treuer Sorge für des Reiches Sicherheit und Macht sterbend Heinrich von Sachsen Krone und Herrschaft.

Während die ottonischen Quellen dem König ein positives Urteil ausstellen, gilt Konrad in der Forschung nach weit verbreiteter Ansicht mit seiner ganzen Regierung als gescheitert. Es gelang ihm trotz verschiedener Kriegszüge weder den Verlust Lothringens an Karl den Einfältigen zu verhindern, noch vermochte er der einsetzenden Ungarngefahr Herr zu werden noch die aufstrebenden Fürsten in den Regionen in das Reich zu integrieren. Diese Urteile wirken bis heute nach. Die eher nationalgeprägte Forschung sah seine größte Leistung erst auf dem Sterbebett vollbracht, als er mit Heinrich für einen fähigen Herrscher sorgte, die Ernst Dümmler als „seine ehrenvollste That“ rühmte.[44]

Die ungünstige Beurteilung, die Konrad im nationalstolzen 19. Jahrhundert erfuhr, verdeutlicht exemplarisch ein Vorgang, der sich 1891 ereignete: Als man Konrad an seinem ehemaligen Stammsitz Weilburg ein Denkmal errichten wollte, wurde das Vorhaben von den Stadtvätern Weilburgs abgelehnt. Herrscher und Epoche erschienen ihnen von allzu geringer Bedeutung. Das Denkmal wurde schließlich bei Villmar auf einem Felsen hoch über der Lahn aufgestellt, wo es noch heute steht. Robert Holtzmann schlussfolgerte 1941 in seiner Geschichte der sächsischen Kaiserzeit: „Am Erfolge gemessen kann man freilich sagen: er ist gescheitert. Begünstigt von der Geistlichkeit, aber sonst fast nur auf die Kräfte der heimischen Rheinfranken gestützt, hat er auf allen Punkten Niederlagen erlitten.“[45] Zwei Jahre später meinte Gerd Tellenbach: „Konrad I. aber vermochte den Versuch von 911 noch nicht zum Gelingen zu führen. Seine Regierung ist eine Kette politischer Mißerfolge.“[46]

Solche Urteile finden sich bin in die jüngere Zeit. 1991 urteilte Johannes Fried: „Trotz mancher Teilerfolge […] überfordert er die Ressourcen des Königtums durch die inneren Auseinandersetzungen und versagt schließlich auch bei der Abwehr äußerer Feinde, der Ungarn und Dänen“.[47] Für Fried war Konrad ein König, der „auf ganzer Linie scheiterte“[48] Das Fehlen Konrads I. in den einschlägigen Herrscherbiographieserien begründet man mit seiner Erfolglosigkeit und dass er weder den Karolingern noch den Ottonen zuzurechnen ist.[49]

Seit einem grundlegenden Aufsatz von Hans-Werner Goetz aus dem Jahr 1982, indem er die Beurkundungspraxis Konrads I. untersuchte, wurde Konrad in der Folgezeit keine detailliertere Behandlung zuteil. Die Forschung ordnete Konrad eher in übergeordnete Zusammenhänge ein, ohne ihm dabei eine wegweisende Rolle zugestehen. Auch in der Schulbuchgeneration ist Konrad in neueren Werken nur noch sporadisch vertreten. Erst durch eine Fuldaer Bürgerinitiative initiierte wissenschaftliche Tagung im Jahr 2005 rückte Konrad wieder vermehrt in den Vordergrund. Ein Rehabilitierungsversuch unternahm dabei Hans-Henning Kortüm. Nach seinem Urteil ist Konrad nicht gescheitert sondern agierte höchst erfolgreich. Das negative Konradbild begründete er zum einem mit der fehlenden Ausbildung einer Dynastie.[50] und zum anderen auf einer falschen Interpretation der berühmten Formulierung fortuna atque mores des negativen Resümees Widukinds. Nach Widukind soll König Konrad auf dem Sterbebett zu seinem Bruder Eberhard gesagt haben, dass ihm fortuna atque mores fehlen. Während fortuna nach wie vor das im mittelalterlichen Verständnis so wandelbare Glück von Königen bezeichnet, müsste mores statt wie bisher oft mit Königsheil mit Sallusts Zeitgeist übersetzt werden. Denn Widukind orientierte sich eng an Sallust. Die veränderte Übersetzung, würde schließlich bedeuten, dass mit fortuna und mores ein Herrscherwechsel vonstatten geht und der Zeitgeist (mores) sich zwangsläufig von einem sterbenden König abwendet.

Im Jahr 2008 begründeten die Historiker Gerd Althoff und Hagen Keller die entscheidende Schwäche für das Scheitern des Königtums Konrads I. damit, „daß es dem König nicht gelang, ein personales Beziehungsnetz aufzubauen, das über den Kreis hinausreichte, mit dessen Hilfe er das Königtum übernommen hatte.[51]

Anmerkungen

  1. Thilo Offergeld, Reges Pueri. Das Königtum Minderjähriger, Hannover 2001, S.633.
  2. D Ko I 3, ed. Thedor Sickel, MGH DD Dt. Könige I, Hannover 1879–1884, S.3f.
  3. D D LK 35, 64, 67 und 73.
  4. Annales Alamannici a. 912 (Codex Modoetinsi), ed. Walter Lendi, Untersuchungen zur frühalemannischen Annalistik. Die Murbacher Annalen, Freiburg 1971, S.188.
  5. Thilo Offergeld, Reges Pueri. Das Königtum Minderjähriger, Hannover 2001, S.583.
  6. Verena Postel, Nobiscum Partiri: Konrad I. und seine politischen Berater, in: Hans-Werner Goetz (Hrsg.), Konrad I.: auf dem Weg zum "Deutschen Reich"?, S.129–149, hier: S.146.
  7. Hans Werner Goetz: Der letzte Karolinger? Die Regierung Konrads I. im Spiegel seiner Urkunden. In: Archiv für Diplomatik. Nr. 26, 1980, S. 56–125, S.98f..
  8. Widukind, Sachsengeschichte I, 21.
  9. Widukind, Sachsengeschichte I, 22.
  10. Widukind, Sachsengeschichte I, 24.
  11. Gerd Althoff, Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat, Stuttgart u.a. 2000, S.34.
  12. D Ko I 23.
  13. Ingrid Heidrich, Das Adelsgeschlecht der Konradiner vor und während der Regierungszeit Konrads I., in: Hans-Werner Goetz (Hrsg.), Konrad I.: auf dem Weg zum "Deutschen Reich"?, S.59–75, hier: S.74.
  14. Roman Deutinger: Königswahl und Herzogserhebung Arnulfs von Bayern. Das Zeugnis der älteren Salzburger Annalen zum Jahr 920, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 58, 2002, S. 17–68, hier: S.41.
  15. Hans-Werner Goetz, Der letzte „Karolinger“? Die Regierung Konrads I. im Spiegel seiner Urkunden, in: Archiv für Diplomatik 26, 1980, S.56–125, hier: S.91f..
  16. Gerd Althoff/ Hagen Keller: Spätantike bis zum Ende des Mittelalters. Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen. Krisen und Konsolidierungen 888–1024. 10., völlig neu bearbeitete Auflage, Stuttgart 2008, S.82.
  17. Wilfried Hartmann, König Konrad I. und die Kirche, in: Hans-Werner Goetz (Hrsg.), Konrad I.: auf dem Weg zum "Deutschen Reich"?, S.93–109, hier: S.105.
  18. Gerd Althoff, Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat, Stuttgart u.a. 2000, S.34.
  19. Hans-Henning Kortüm, König Konrad I. – Ein gescheiterter König?, in: Hans-Werner Goetz (Hrsg.), Konrad I.: auf dem Weg zum "Deutschen Reich"?, S.43–56, hier: S.52.
  20. Gerd Althoff, König Konrad I. – König Konrad I. in der ottonischen Memoria?, in: Hans-Werner Goetz (Hrsg.), Konrad I.: auf dem Weg zum "Deutschen Reich"?, S.317–328, hier: S.324.
  21. Continuator Reginonis 919.
  22. Widukind, Sachsengeschichte I, 25.
  23. Johannes Laudage, König Konrad I. in der früh- und hochmittelalterlichen Geschichtsschreibung, in: Hans-Werner Goetz (Hrsg.), Konrad I.: auf dem Weg zum "Deutschen Reich"?, S.340–351, hier: S.347.
  24. Widukind, Sachsengeschichte II, 26.
  25. Gerd Althoff/ Hagen Keller: Spätantike bis zum Ende des Mittelalters. Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen. Krisen und Konsolidierungen 888–1024. 10., völlig neu bearbeitete Auflage, Stuttgart 2008, S.118.
  26. Widukind, Sachsengeschichte I, 27.
  27. Roman Deutinger: Königswahl und Herzogserhebung Arnulfs von Bayern. Das Zeugnis der älteren Salzburger Annalen zum Jahr 920, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 58, 2002, S. 17–68.
  28. Bonner Vertrag (7. November 921) c. 1, ed. Ludwig Weiland, MGH Const. I, Hannover 1893, Nr.. 1, S.1.
  29. Widukind, Sachsengeschichte I, 16.
  30. Widukind, Sachsengeschichte I, 25.
  31. Continuatio Reginonis a. 919.
  32. Liudprand von Cremona, Antapodis II, 17.
  33. Liudprand von Cremona, Antapodis II,19.
  34. Liudprand von Cremona, Antapodis II, 20.
  35. Frutolf von Michelsburg, Chronicon a. 912, ed. Georg Waitz, MGH SS VI, Hannover 1844, S.175.
  36. Die Chronik des Wigand von Gerstenberg, ed. Hermann Diemar, 2. Auflage, Marburg 1989, S.396 u. S. 402-405.
  37. Walter Schlesinger, Die Anfänge der deutschen Königswahl, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (ZRG). Germanistische Abteilung (GA) 66, 1948, S.381-440, hier: S.398.
  38. Harry Bresslau, Das tausendjährige Jubiläum der deutschen Selbständigkeit, in: Schriften der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg 14, Straßburg 1912, S.1-16.
  39. Johannes Haller, Die Epochen der deutschen Geschichte S.17–19.
  40. Wolf-Heino Struck, Die Stiftsgründungen der Konradiner im Gedächtnis der mittleren Lahn, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 36, 1972, S.28–52, hier: S.28.
  41. Hans-Werner Goetz, Einführung: Konrad I. - ein König in seiner Zeit und die Bedeutung von Geschichtsbildern, in: Konrad I.: auf dem Weg zum "Deutschen Reich"?, S.13–29, hier: S.18. Vgl. dazu: Joachim Ehlers, Die Entstehung des Deutschen Reiches, 2. Auflage, München 1998.
  42. Jörg Jarnut, König Konrad I. und die Entstehung des mittelalterlichen Reiches, in: Konrad I.: auf dem Weg zum "Deutschen Reich"?, S.265–273, hier: S.267.
  43. Eckhard Müller-Mertens, Regnum Teutonicum. Aufkommen und Verbreitung der deutschen Reichs- und Königsauffassung im frühen Mittelalter, Köln u.a. 1970.
  44. Ernst Dümmler, Geschichte des Ostfränkischen Reiches, Bd. 3: Die letzten Karolinger. Konrad I. (Jahrbücher der deutschen Geschichte), 2. Auflage, Leipzig 1888, S.574–620, hier S.618.
  45. Robert Holtzmann, Geschichte der sächsischen Kaiserzeit, 4. Auflage München 1961, S.66.
  46. Gerd Tellenbach, Wann ist das Deutsche Reich entstanden?, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 6, 1943, S.1–41.
  47. Johannes Fried, Die Formierung Europas 840-1046, München 1991, S.75.
  48. Johannes Fried, Der Weg in die Geschichte. Die Ursprünge Deutschlands bis 1024, Berlin 1994, S.450–461, hier: S.458.
  49. Hans-Werner Goetz, Einführung: Konrad I. - ein König in seiner Zeit und die Bedeutung von Geschichtsbildern, in: Hans-Werner Goetz (Hrsg.), Konrad I.: auf dem Weg zum "Deutschen Reich"?, S.13–29, hier: S.25.
  50. Hans-Henning Kortüm, König Konrad I. – Ein gescheiterter König?, in: Hans-Werner Goetz (Hrsg.), Konrad I.: auf dem Weg zum "Deutschen Reich"?, S.43–56, hier: S.54f..
  51. Gerd Althoff/ Hagen Keller: Spätantike bis zum Ende des Mittelalters. Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen. Krisen und Konsolidierungen 888–1024. 10., völlig neu bearbeitete Auflage, Stuttgart 2008, S.85.

Quellen

  • Onlineversion der Regesta Imperii
  • Ekkehard IV. von St. Gallen: Casus Sancti Galli, ed. Hans F. Haefele (Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 10), Darmstadt 1980.
  • Liudprand von Cremona: Werke, in: Quellen zur Geschichte der sächsischen Kaiserzeit, übersetzt von Albert Bauer, Reinhold Rau (Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 8), Darmstadt 1971, S. 233–589.
  • Widukind von Corvey: Die Sachsengeschichte des Widukind von Corvey. In: Quellen zur Geschichte der sächsischen Kaiserzeit. Übersetzt von Albert Bauer und Reinhold Rau. Darmstadt 1971, S. 1–183 (Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe, Band 8).

Literatur

  • Roman Deutinger: Königswahl und Herzogserhebung Arnulfs von Bayern. Das Zeugnis der älteren Salzburger Annalen zum Jahr 920, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 58, 2002, S. 17–68.
  • Hans-Werner Goetz (Hrsg.): Konrad I. Auf dem Weg zum „Deutschen Reich“?. Verlag Dr. Dieter Winkler, Bochum 2006, ISBN 3-89911-065-X. (Tagungsbericht) und (Rezension)
  • Hans Werner Goetz: Der letzte Karolinger? Die Regierung Konrads I. im Spiegel seiner Urkunden. In: Archiv für Diplomatik. Nr. 26, 1980, S. 56–125.
  • Hans-Werner Goetz: "Dux" und "Ducatus". Begriffs- und verfassungsgeschichtliche Untersuchungen zur Entstehung des sogenannten "jüngeren" Stammesherzogtums, Bochum 1977, ISBN 3-921543-66-5.
  • Gudrun Vögler: Die Konradiner - das Geschlecht König Konrads I. - Eine fränkische Hocharistokratie im Hessengau zu Hause. Buchenblätter - Beilage der Fuldaer Zeitung für Heimatfreunde - 81. Jahrgang Nr. 1 vom 9. Januar 2008
  • Gudrun Vögler: Die Konradiner. Das Geschlecht Konrads I. In: Nassauische Annalen 119, Verlag des Vereines für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung, Wiesbaden 2008, Seiten 1–46.
  • Gudrun Vögler: König Konrad I. : (911–918). Konrad I. - der König, der aus Hessen kam. Aus Anlass des Wissenschaftlichen Symposions König Konrad I. Auf dem Weg zum "Deutschen Reich"?, Fulda, 21.–24. September 2005 ; gleichzeitig Begleitband der in Fulda und Weilburg gezeigten Ausstellung Geschichte - Bewusstsein - Verortung. Konrad I. - der König, der aus Hessen Kam, Juni und September 2005, ISBN 3-86568-058-5.
Commons: Konrad I. – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
VorgängerAmtNachfolger
Herzog von Franken
906–918
Eberhard von Franken
Ludwig das KindOstfränkischer König
911–918
Heinrich I.