Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus (vor seinem Herrschaftsantritt Tiberius Claudius Nero Germanicus; * 1. August 10 v. Chr. in Lugdunum, heute Lyon; † 13. Oktober 54 n. Chr.) war der vierte römische Kaiser der julisch-claudischen Dynastie, der vom 24. Januar 41 n. Chr. bis zu seinen Tod im Jahr 54 regierte. Geboren wurde er in Lugdunum als Sohn des Nero Claudius Drusus und der Antonia Minor. Er war der erste römische Kaiser, der außerhalb Italiens geboren wurde.
Claudius galt als aussichtsloser Kandidat auf die Nachfolge im Kaiseramt. Der Überlieferung zufolge litt er an physischen Gebrechen. Bevor ihn sein Neffe Caligula im Jahr 37 zum Konsul machte, wurde er von seiner Familie praktisch von allen öffentlichen Tätigkeiten ausgeschlossen. Dieser Gesundheitszustand ersparte ihm wohl das Schicksal, das zahlreiche andere vornehme Römer ereilte, die den politischen Säuberungsaktionen während der Herrschaft des Tiberius und des Caligula zum Opfer fielen.
Als letzter männliche Erwachsene seiner Familie wurde Claudius zum potenziellen Nachfolger nach Caligulas Ermordung. Er war der erste römische Kaiser, an dessen Erhebung das Militär wesentlichen Anteil hatte. Trotz seines Mangels an politischer Erfahrung erwies Claudius sich als fähiger Verwalter und entfaltete eine rege Bautätigkeit. Seine Herrschaft brachte mit der Eroberung von Britannien die erste Ausbreitung des Römischen Reiches seit der Zeit des Augustus. Er interessierte sich besonders für die römische Rechtsprechung, beispielsweise führte er den Vorsitz in öffentlichen Prozessen und gab außerdem bis zu 20 Verordnungen am Tag heraus. Während seiner ganzen Regierungszeit zeigte er sich besonders durch die Aristokratie verwundbar. Claudius war ständig gezwungen, seine Position durch die Hinrichtung zahlreicher römischer Senatoren zu schützen. Die antiken Geschichtsschreiber beschreiben Claudius vor seiner Zeit als Kaiser als einen verwahrlosten, kränklichen und lächerlichen Mann; als Kaiser charakterisierte man ihn als ignorant und böswillig. Die moderne Forschung kommt zu einem differenzierteren Urteil und würdigt Claudius als umsichtigen und fähigen Herrscher.
Anfänge
Antike Beschreibungen des jungen Claudius
Der Historiker Sueton beschreibt sehr ausführlich die körperlichen Leiden des Claudius. Seine Knie waren schwach, gaben unter ihm nach, und sein Kopf zitterte. Er stammelte und seine Reden waren konfus. Wenn er aufgeregt war, lief seine Nase und er sabberte.[1] Der Stoiker Seneca bemerkt in seiner Apocolocyntosis, dass die Gestalt und der Gang des Claudius nicht an ein Lebewesen erinnerten.[2] Allerdings bemerkte Sueton wiederum, dass er keine körperliche Missbildung zeige und es ihm nicht an Würde fehle, wenn er still stehe oder säße.[3] Bei Verärgerung oder Stress verschlimmerten sich seine Symptome, verbesserten sich jedoch nach seiner Thronbesteigung.[4] Claudius selbst behauptete, dass er seine Leiden übertrieben habe, um sich selbst zu schützen.[5] Die moderne Diagnose hat sich im letzten Jahrhundert mehrere Male geändert. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurde oft als Ursache Kinderlähmung angenommen. Diese Diagnose verwendet Robert Graves auch in seinen Romanen über Claudius. Polio erklärt aber nicht die beschriebenen Symptome, während eine andere Theorie Infantile Zerebralparese als Ursache für das Leiden des Claudius annimmt.[6] Die antiken Historiker beschreiben Claudius außerdem charakterlich als einen großzügigen Mann, der spröde Witze machte, unkontrolliert lachte und mit dem einfachen Volk zu Mittag speiste.[7] Andererseits wird er aber auch als blutrünstig und grausam dargestellt, da er sowohl von Gladiatorenkämpfen als auch von Hinrichtungen äußerst angetan war. So ließ er beispielsweise in seiner Gegenwart Folterungen durchführen und schaute gern Hinrichtungen zu, die nach grässlichen altertümlichen Methoden vorgenommen wurden. Für seine Zornanfälle, die Claudius durchaus bewusst waren, entschuldigte er sich öffentlich.[8] Außerdem war er überaus vertrauensselig und damit für seine Frauen und Freigelassenen leicht manipulierbar.[9] Andererseits wird er als paranoid, apathisch, dumm und leicht verwirrt beschrieben.[10] Die noch vorhandenen Werke des Claudius zeigen jedoch, dass er einerseits ein intelligenter und belesener Gelehrter war und andererseits ein gewissenhafter Verwalter, der Wert auf Sorgfalt und Gerechtigkeit legte. Daher gibt sein Charakter zahlreiche Rätsel auf. Seit der Entdeckung eines Claudius-Briefes[11] im letzten Jahrhundert wurden zahlreiche Studien veröffentlicht, die Claudius rehabilitierten.
Herkunft und Jugend
Claudius wurde am 1. August 10 v. Chr., am Jahrestag der Weihung des dortigen Augustus-Altars, als Tiberius Claudius Drusus in Lugdunum geboren. Seine Eltern waren Drusus und Antonia Minor. Claudius hatte mit Germanicus und Livilla zwei ältere Geschwister. Außerdem hatte Antonia noch zwei weitere Kinder, diese starben jedoch früh. Seine Großeltern mütterlicherseits waren Marcus Antonius und Octavia Minor, die Schwester des Kaisers Augustus. Seine Großeltern väterlicherseits waren Augustus’ dritte Ehefrau Livia Drusilla, und Tiberius Claudius Nero. Während seiner Herrschaft brachte Claudius wiederholt das Gerücht hervor, dass sein Vater Drusus der uneheliche Sohn des Augustus war. Im Jahr 9 v. Chr. starb Drusus unerwartet an den Folgen eines Sturzes vom Pferd. Claudius wurde von seiner Mutter aufgezogen, die nie wieder heiratete. Das Verhältnis mit seiner Familie verschlechterte sich, je offensichtlicher Claudius’ Leiden wurden. Antonia schilderte ihn als ein Ungeheuer, das die Natur begonnen, aber nicht vollendet habe. Sie scheint ihren Sohn für einige Jahre seiner Großmutter Livia übergeben zu haben.[12] Livia war kaum freundlicher, denn sie sprach mit ihm wenig und übte Kritik nur in schriftlicher Form.[13] Schließlich kam er unter die Obhut eines ehemaligen Aufsehers für Lasttierknechte,[14] um ihn diszipliniert zu halten, aus der Überlegung heraus, dass sein Zustand an Faulheit und an einem Mangel an Willensstärke lag.
Jedenfalls erreichte er die Jugendjahre, die Symptome nahmen anscheinend ab und seine Familie erkannte sein Interesse für Geschichte. Im Jahr 7 wurde Titus Livius zusammen mit Sulpicius Flavus an den Hof berufen, um Claudius in Geschichte zu unterrichten. Er verbrachte fortan viel Zeit mit Flavus und dem Philosophen Athenodoros Kananites. Nach einem Brief des Augustus war jener von der rhetorischen Gewandtheit des Claudius überrascht.[15] Die Erwartungen an Claudius bezüglich seiner Zukunft stiegen. Am Ende war es sein Werk als Nachwuchshistoriker, das seine frühe Karriere zerstörte. Nach Vincent Scramuzza begann Claudius Arbeiten an der Geschichte über die Römischen Bürgerkriege, die Augustus als zu kritisch empfand.[16] Der Zeitpunkt für diese Darstellung war wohl zu früh, da sie Augustus daran erinnern haben dürfte, dass Claudius der Nachkomme des Marcus Antonius war. Seine Mutter und Großmutter beendeten sehr schnell seine schriftstellerischen Tätigkeiten, und dies dürfte auch ein Grund sein, warum Claudius nicht mit einer öffentliche Tätigkeit begann. Es wurde ihm nicht zugetraut, an der Spitze der Gesellschaft zu stehen. Als er sich später seiner Geschichtsdarstellung wieder zuwandte, überging Claudius die Kriege und das zweite Triumvirat.
Aber Claudius’ Ansehen war beschädigt, und die Familie stellte ihn in den Hintergrund. Als im Jahr 8 der Triumphbogen von Pavia errichtet wurde, um das Kaiserhaus zu ehren, wurde Claudius’ Name (jetzt Tiberius Claudius Nero Germanicus) nur am Rand eingeschrieben – hinter den verstorbenen Gaius und Lucius Caesar sowie den Kindern des Germanicus. In der Forschung wurde spekuliert, dass die Inschrift von Claudius Jahrzehnte später selbst angebracht worden war.[17]
Als Augustus im Jahr 14 n. Chr. starb, appellierte Claudius als 23-jähriger an seinen Onkel Tiberius, ihm Eintritt in den cursus honorum, die politische Laufbahn, zu gewähren. Der neue Kaiser Tiberius verlieh Claudius zwar die ornamenta consularia (konsularische Ehrungen),[18] vereitelte jedoch einen Senatsbeschluss, der Claudius das Recht gewährt haben solle, sein Votum unter den Consularen abzugeben. Da Tiberius ihm ebenso wie Augustus kein öffentliches Amt zugestand, gab Claudius die Hoffnung auf eine öffentliche Tätigkeit auf und verbrachte die übrige Regierungszeit auf seinen Landgütern bei Rom oder in Campanien.
Trotz der Verachtung der kaiserlichen Familie scheint es, dass Claudius sehr früh in der Öffentlichkeit respektiert wurde. Nach dem Tod des Augustus wählten die Equites Claudius mehrmals zu ihrem Repräsentaten. Als sein Haus niederbrannte, forderte der Senat, dieses aus öffentlichen Ausgaben wieder aufzubauen. Dabei wurde auch gefordert, dass Claudius erlaubt sei, im Senat zu debattieren. Die ablehnende Haltung des Tiberius änderte nichts an der öffentlichen Einstellung zu Claudius. Sofort nach dem Tod von Tiberius’ Sohn Drusus der Jüngere wurde Claudius von bestimmten Senatsfraktionen als möglicher Erbe ernannt, was wiederum seine politischen Ambitionen trotz seines Ausschlusses vom öffentlichen Leben verdeutlicht. Claudius musste jedoch seine politischen Einflussmöglichkeiten weiter zurückstellen.
Nach dem Tod des Tiberius bemerkte der neue Kaiser Caligula, dass sein Onkel Claudius politisch nützlich sei. Er bestimmte ihn im Jahr 37 zu seinem Mitkonsul, um dabei an seinen verstorbenen Vater Germanicus zu erinnern. Trotzdem wurde Claudius auch von Caligula gedemütigt, indem er ihn verspottete, enorme finanzielle Summen von ihm forderte oder ihn vor dem Senat lächerlich machte. Laut dem Historiker Cassius Dio war Claudius zum Ende der Herrschaft des Caligula sehr kränklich und dünn geworden.[19]
Der Prinzipat des Claudius
Regierungsantritt
Am 24. Januar 41 wurde Caligula im Rahmen einer umfassenden Verschwörung, in die der Prätorianer Cassius Chaerea und zahlreiche Senatoren verwickelt waren, umgebracht. Es ist nicht erwiesen, ob Claudius am Attentat beteiligt war, obwohl er vom Komplott gewusst haben musste, vor allem weil er kurz zuvor den Ort des Verbrechens verlassen hatte.[20] Nach dem Tod der Caesonia, der Frau Caligulas, und ihrer Tochter war es offensichtlich nötig, über die Verschwörung hinaus die ganze kaiserliche Familie auszulöschen. In dem Chaos im Anschluss an den Mord an Caligula floh Claudius zum Palast, um sein Leben zu retten. Nach der Überlieferung wurde Claudius vom Prätorianer Gratus versteckt hinter einem Vorhang gefunden und schließlich zum Kaiser ausgerufen.[21] Ein Teil der Wache könnte vorher geplant haben, Claudius als künftigen Kaiser zu erwählen, möglicherweise sogar mit seiner Zustimmung. Diese Prätorianer versicherten ihm, dass sie nicht eines der Bataillone seien, die nach Rache suchten. Claudius wurde in das Lager der Prätorianer gebracht und unter ihren Schutz gestellt. Claudius maß der Schutzhaft im Prätorianerlager große Bedeutung bei und zeigte dies auch einige Zeit später in der Münzprägung, die an jenen Vorgang erinnerte.
Der Senat trat zusammen und begann über die neue Regierung zu diskutieren, was schließlich zu einem Streit führte, wer der neue Princeps sein soll. Als die Senatoren erfuhren, dass Claudius in Frage komme, forderten sie Claudius auf, ihnen seine Zustimmung mitzuteilen, aber Claudius lehnte dies ab, da er um die Gefahren einer Einwilligung wusste. Der jüdische Historiker Flavius Josephus[22] berichtet, dass Claudius in seinen Tätigkeiten durch den jüdischen König Herodes Agrippa beeinflusst wurde. Obwohl eine frühere Darstellung des Josephus den Einfluss des Herodes Agrippa bei der Thronbesteigung des Claudius herunterspielt[23], ist es letztlich ungewiss, in welcher Weise Claudius bei der Thronbesteigung von Agrippa unterstützt wurde. Schließlich stimmte der Senat am 25. Januar der Übernahme der Macht durch Claudius zu.
Eine darauffolgende Amnestie des Claudius, von der nur die unmittelbaren Mörder ausgenommen waren, schuf Voraussetzungen zum Abbau der Spannungen. Obwohl er nicht zuließ, dass der Senat die damnatio memoriae über Caligula verhängte, ließ er dennoch alle Statuen Caligulas beseitigen. Claudius erhielt mit der tribunicia potestas und dem imperium procunsulare unmittelbar nach Herrschaftsantritt die üblichen Rechte des Princeps. Claudius unternahm zahlreiche Schritte, um seine Herrschaft gegenüber potenziellen Usurpatoren zu legitimieren, indem er den meisten einen Platz in der julisch-claudischen Familie zuwies. Er übernahm den Namen „Caesar“ als Cognomen; dieser Name hatte immer noch große Bedeutung in der Bevölkerung. Ebenso wie seine beiden Vorgänger nahm er den Namen „Augustus“ an. Den Ehrenbeinamen „Germanicus“ behielt er, um seine Verbindungen zum beliebten Bruder zu verdeutlichen. In seiner Politik versuchte er seine Legitimität durch demonstrative Anknüpfung an Augustus zu betonen. So divinisierte er gleich nach seinem Regierungsantritt die im Jahr 29 verstorbene Livia, um ihre Position als Frau des vergöttlichten Augustus hervorzuheben. Oft verwendete er die Bezeichnung „filius Drusi“ (Sohn des Drusus) in seinen Titeln, um das Volk an seinen legendären Vater zu erinnern.
Claudius war der erste Princeps, der anstatt des Senats von der Prätorianergarde als Kaiser proklamiert wurde. Indem er jedem Mann der Garde ein Donativ von 15.000 Sesterzen versprach, war er der erste Kaiser, der sich durch Bestechung die Loyalität des Heeres sicherte. Während Tiberius und Augustus dem Heer in ihren Testamenten Geldgeschenke machten, wurde dies auch nach dem Tod des Caligula erwartet, auch wenn sein testamentarischer Wille hierzu nicht vorliegt. Claudius zeigte sich dankbar gegenüber den Prätorianern; ihre Rolle bei der Kaiserhebung wurde auf Münzen herausgestellt.
Verhältnis zum Senat
Obwohl der Senat Claudius nach seiner Akklamation durch die Prätorianer zunächst zum Staatsfeind erklärt hatte, bemühte sich Claudius, durch Entgegenkommen eine Zusammenarbeit zu ermöglichen. So beteiligte er den Senat demonstrativ an Entscheidungen, schaffte die verhassten Majestätsprozesse ab und behandelte die Senatoren bewusst wie Standesgenossen. Ebenso versuchte er durch höfliche Umgangsformen mit dem Senat dieses Ziel zu erreichen, so saß er während der regulären Sitzungsperioden unter den Senatoren und sprach der Reihe nach. Viele Senatoren wurden von Claudius mit den ornamenta triumphalia ausgezeichnet. Die zahlreichen Suffektkonsulate sollten auch das Verhältnis zwischen ihm und den Senat entspannen, hierzu gehört auch ein zweites Konsulat an besonders wichtige Senatoren. So wurde Lucius Vitellius, der mit Claudius im Jahr 47/48 die Zensur übernahm, sogar dreimal Konsul. Die römischen Provinzen Macedonia und Achaea wurden dem Senat zurückgegeben. Der Senat durfte außerdem das erste Mal seit Augustus wieder Münzen mit Bronzeprägungen emittieren lassen.
Den Ausschluss von Senatoren aus dem Senat handhabte Claudius ebenso rücksichtsvoll wie Augustus.[24] Er versuchte Entlassungen gleichzeitig durch geeignete Männer aus den Provinzen auszugleichen. Eine in Lyon gefundene Inschrift (auch in einer Kurzfassung bei Tacitus erhalten) enthält eine Rede des Claudius, in der er den Wunsch vorträgt, gallische Aristokraten in den Senat aufzunehmen. In dieser Rede spricht Claudius ehrfurchtsvoll aber kritisch den Senat aufgrund seiner Verachtung dieser Männer an. Claudius erhöhte auch die Zahl der Patrizier, wobei er als Reaktion auf ihre schwindende Anzahl in der adligen Gesellschaft weitere Familien hinzufügte. Hierin folgte er dem Vorbild von Lucius Iunius Brutus und Gaius Iulius Caesar.
Trotz all dieser Maßnahmen blieben viele Senatoren Cludius gegenüber feindlich eingestellt.[25] Diese Feindschaft war eine kontinuerliche historische Gegebenheit, so dass er den Senat nie ohne Schutztruppe betrat und sich gezwungen sah, den Senat zu reduzieren, um ein effektives Arbeiten zu ermöglichen. Durch die allmähliche Zentralisierung der Macht drängte der Kaiser den Senat aus seiner Position, wobei ihm eine gut organisierte Beamtenschaft beistand. Dementsprechend wurde die Verwaltung Ostias einem Prokurator übergeben, nachdem der Hafen fertig gestellt worden war. Zahlreiche finanzielle Angelegenheiten wurden ritterlichen Prokuratoren oder Freigelassen übertragen. Selbst die ornamenta praetoria ließ er für seine Freigelassenen Pallas beschließen.[26] Dies führte zu weiteren Verstimmungen und Meinungen, dass die Freigelassenen den Kaiser beherrschten. Es kam während Claudius’ Herrschaft zu mehreren Putschversuchen, bei denen zahlreiche Senatoren hingerichtet wurden.
So wurde der Senator Gaius Appius Silanus unter fragwürdigen Umständen in der Anfangsphase der Herrschaft des Claudius hingerichtet. Kurz darauf kam es zu einer großen Rebellion der Senatoren Vinicianus und Scribonianus, der sich schnell einige weitere Senatoren anschlossen. Der Aufstand brach allerdings nach wenigen Tagen zusammen, weil Scribonianus von seinen Truppen verlassen und auf der Flucht getötet wurde. Zahlreiche andere Senatoren wurden aus unterschiedlichen Gründen hingerichtet, teils im Zusammenhang mit Verschwörungen, teils mit den Intrigen und Kämpfen in der engeren Umgebung.
Claudius’ Schwiegersohn Pompeius Magnus wurde für seine Teilnahme an einer Verschwörung zusammen mit seinen Vater Crassus Frugi hingerichtet. In ein anderes Komplott waren die Konsularen Lusius Saturninus, Cornelius Lupus und Pompeius Pedo verwickelt. Im Jahr 46 wurden Asinius Gallus, der Enkel des Gaius Asinius Pollio, und Statilius Corvinus wegen Verrats in die Verbannung geschickt, wobei zahlreiche Freigelassene des Claudius an der Intrige beteiligt waren. Valerius Asiaticus wurde aus unbekannten Gründen und ohne öffentlichen Prozess hingerichtet. Laut den antiken Quellen wurde er des Ehebruchs beschuldigt, wobei Claudius durch eine List dazu gebracht worden sei, die Bestrafung anzuordnen. Allerdings spricht Claudius in seiner Rede über die Gallier, die er ein Jahr später hielt, mit größter Verachtung über Asiaticus, wodurch sich vermuten lässt, dass sich die Anklage nicht auf Ehebruch beschränkte, sondern weitaus schwerwiegender war. Asiaticus war ein Anwärter auf den Kaiserthron nach dem ausbrechenden Chaos. Die meisten dieser Verschwörungen fanden vor Claudius’ Amtszeit als Censor statt und dürften ihn danach veranlasst haben, sich die senatorischen Parteinahmen genauer anzusehen. Suetonius bemerkt, dass insgesamt 35 Senatoren und 300 Ritter für ihr Handeln während der Regierung des Claudius hingerichtet worden waren.[27] Die vielen Verschwörungen belasteten das Verhältnis zwischen Senat und Kaiser zusätzlich.
Innenpolitik
Rechtspolitik
In seiner Regierungszeit machte Claudius die Gerichtsbarkeit zu einer der Hauptaufgaben des Prinzipats.[28] Viele Rechtssachen beurteilte er in seiner Amtszeit selbst. Als Richter soll Claudius unvorhersehbare und willkürliche, manchmal geradezu lächerliche Entscheidungen getroffen haben.[29] Er war auch leicht beeinflussbar; trotzdem beschäftigte er sich intensiv mit dem Rechtssystem. Die Gerichtsferien wurden in den Winter verlegt. Claudius verabschiedete auch ein Gesetz, das die Kläger aufforderte, in der Stadt zu bleiben, während ihre Fälle in Bearbeitung waren, was vorher auch die Angeklagten so tun mussten. Diese Maßnahmen sollten dazu beitragen, die Prozessdetails besser zu klären. Das Mindestalter für Geschworene wurde auf 25 angehoben, um möglichst erfahrene Geschworene zu gewährleisten. Im Jahr 53 wurde in den senatorischen Provinzen die Zivilgerichtsbarkeit in Steuerangelegenheiten von den Prokonsuln auf die kaiserlichen Prokuratoren übertragen.
Claudius gab zahlreiche Verordnungen von medizinischen Ratschlägen bis zu moralischen Urteilen heraus. Zwei berühmte Beispiele waren: „Eibensaft ist ein höchst wirksames Mittel gegen Schlangenbisse“ und „In diesem Jahr ist die Weinernte besonders reichlich, deshalb muss jedermann seine Weinkrüge gut auspichen.“ Eines der berühmtesten Erlasse handelt über den Status von erkrankten Sklaven. Die Sklavenhalter setzten kränkelnde Sklaven am Tempel des Aesculapius zum Sterben aus, allerdings wollten sie die Sklaven zurückhaben, wenn diese überlebten. Claudius verfügte, dass Sklaven, die sich wieder erholten, frei seien. Außerdem wurden Sklavenhalter als Mörder verurteilt, die Sklaven lieber töteten, als die Vorsorge für sie zu übernehmen.
Ein Untersuchungsbeamter des Claudius entdeckte, dass viele angeblich alteingesessene römische Bürger mit Wohnsitz in der heutigen Stadt Trento in Wirklichkeit das Bürgerrecht gar nicht besaßen. Der Kaiser ließ daraufhin eine Erklärung verlauten, dass sie künftig als Inhaber des Bürgerrechts gelten sollten, da eine Annullierung ihres Bürgerrechtsstatus größere Probleme verursacht hätte. Allerdings bestrafte Claudius in Einzelfällen die widerrechtliche Anmaßung des Bürgerrechts schwer und sprach darauf die Todesstrafe aus. Auch wurde jeder Freigelassene, der überführt wurde, Angehörige des Ritterstandes in Leibeigenschaft zu halten, zur Bestrafung wieder in die Sklaverei verkauft.
Bautätigkeiten
Claudius begann zahlreiche öffentliche Bautätigkeiten, sowohl in der Hauptstadt als auch in den Provinzen. Er baute zwei Aquädukte, die von Caligula begonnene Aqua Claudia und den Anio Novus. Diese wurden 52 in Rom fertiggestellt und trafen sich an der berühmten Porta Maggiore. Außerdem stellte er mit der Aqua Virgo einen dritten Aquädukt wieder her.
Besondere Aufmerksamkeit widmete Claudius den Verkehrswegen. Durch ganz Italien und den Provinzen ließ er Straßen und Kanäle bauen. So baute er einen großen Kanal vom Rhein bis zum Meer. In Italien wurde die Verbindung nach Rätien ausgebaut, während zur Adria hin die via Claudia angelegt wurde. In Rom baute er einen schiffbaren Kanal, der den Tiber mit seinen neuen Hafen Ostia Antica verbinden sollte. Diese Hafenstadt wurde in einem Halbkreis mit zwei Molen und einem Leuchtturm an seiner Öffnung konstruiert. Die künstliche Hafenanlage sollte die Überschwemmungen in Rom eindämmen, aber auch der besseren Getreideversorgung dienen. Zusätzlich war die künstliche Hafenanlage dazu gedacht, den Getreidehändlern zu ermöglichen, auch außerhalb der Schifffahrtssaison nach Ägypten zu reisen. Den Seeleuten garantierte Claudius spezielle Privilegien, wie das Bürgerrecht und die Befreiung von der Lex Papia Poppaea, ein Gesetz, das die Heirat regelte. Außerdem widerrief Claudius die Steuern, die Caligula auf Nahrungsmittel erhoben hatte, und er verringerte die Steuern für Gemeinden, die von Dürre oder Hunger beeinträchtigt waren. In Italien versuchte er die Gesamtfläche an anbaufähigem Land zu erhöhen. Durch die Trockenlegung des Fuciner Sees sollte die Landwirtschaft in Italien gefördert werden, und man wollte damit den naheliegenden Fluss das ganze Jahr über schiffbar machen. Hierbei sollte ein Tunnel durch das Seebett gegraben werden, aber der Plan schlug fehl. Der Tunnel war nicht groß genug, um so viel Wasser zu tragen. Die Trockenlegung eines Flusses wurde von vielen Herrschern und Machthabern, unter anderem von Trajan und Hadrian und im Mittelalter von Kaiser Friedrich II., in Erwägung gezogen. Erst im 19. Jahrhundert gelang es Alessandro Torlonia, einen ersten Tunnel erfolgreich auszubauen, allerdings dreimal so groß wie von Claudius geplant.
Mit den Bau von Staatsdenkmälern verfolgte Claudius in zweifacher Weise eine Absicht. Zum einem finden sich an verschiedenen Orten sehr viel aufwendigere Denkmäler mit reichem Reliefschmuck und zum anderen handelt es sich um Bauten des Augustus, die für Claudius selbst zentrale ideologische Bedeutung hatten und mit denen er sich bewusst in die Nachfolge des Augustus stellt.[30]
Religionspolitik
Als Autor einer Arbeit über die religiösen Reformen des Augustus fühlte Claudius sich in einer guten Position, um selbst einige Reformen einzuleiten. Er hatte eine strenge Meinung über die angemessene Form der Staatsreligion. Im Gegensatz zur Selbstvergötterung seines Vorgängers war Claudius maßvoll und bürgerlich in seinem Auftreten und lehnte alle übertriebenen Huldigungen ab. So verweigerte er eine Anfrage der alexandrinischen Griechen, einen Tempel für seine Göttlichkeit zu widmen, da er der Auffassung war, dass nur Götter neue Götter auswählen können. Auch einige Festspiele wurden von ihm wieder eingeführt, dagegen wurden religiöse Feiern, die von Caligula hinzugefügt worden waren, aufgehoben und alte Bräuche und Sprachen wieder eingeführt. Claudius war wegen der Ausbreitung östlicher Mysterien innerhalb der Stadt beunruhigt und suchte nach römischem Ersatz. Daher hob er die Mysterien von Eleusis, die während der römischen Republik ausgeübt worden waren, hervor. Seine konservative Religionspolitik setzte sich in der Vertreibung fremder Astrologen fort, gleichzeitig rehabilitierte er als Ersatz mit den Haruspices alte römische Wahrsager. Besonders energisch ging er gegen Druiden vor. Die Quellen treffen unterschiedliche Aussagen über die Maßnahmen des Claudius gegenüber den in Rom lebenden Juden. Cassius Dio erläutert, dass die große Anzahl der Juden ihre Ausweisung unmöglich gemacht habe und deshalb Claudius ihre Versammlung verboten habe.[31] Hingegen berichtet Sueton, dass Claudius die Juden aus Rom vertrieben habe, weil sie durch einen gewissen Chrestos zur Unruhe angestiftet worden seien.[32] Den Aufstände in Alexandrien zwischen Juden und Griechen in seiner frühen Regierungszeit versuchte er durch einen Befriedigungsversuch entgegenzuwirken, indem er der jüdischen Bevölkerung das alexandrinische Bürgerrecht verweigerte, sie jedoch vor den Übergriffen der Alexandriner schützte und zum gegenseitigen Gewaltverzicht aufrief. Ferner bestätigte er Privilegien für alle jüdischen Gemeinden. Nach Josephus versicherte er den Juden wie allen anderen Juden im Reich Rechte und Freiheit.[33]
Die Proselytenmacherei bekämpfte Claudius in jeder Religion, auch in Regionen, in denen er den ursprünglichen Bewohnern erlaubte, frei zu beten. Das Ergebnis all dieser Bemühungen wurde von Seneca in seiner Satire dargestellt, in der ein alter lateinischer Gott Claudius verteidigt.[34] Claudius ließ die Säkularspiele im Jahr 47 zum 800. Geburtstag des Bestehens der Stadt Rom abhalten, nur 64 Jahre, nachdem sie zum letzten Male stattgefunden hatten und dies mit der Begründung, dass Augustus seine Säkularfeier angeblich vorzeitig und ohne den sakralrechtlich festgelegten Zeitpunkt abzuwarten veranstaltet habe.[35] Im Jahr 52 ließ Claudius auf dem Fuciner See die größte Naumachie, die Inszenierung einer Seeschlacht, der Geschichte ausrichten.
Gelehrtentätigkeit
Claudius war die meiste Zeit seines Lebens schriftstellerisch tätig. Arnaldo Momigliano[36] erläutert, dass es während der Regentschaft des Tiberius, die den Höhepunkt der literarischen Tätigkeit des Claudius darstellte, politisch unklug war, über das republikanische Rom zu sprechen. Jüngere Autoren neigten eher dazu, die neue Ordnung zu beschreiben oder über unklare altertümliche Themen zu schreiben. Claudius war einer der wenigen Gelehrten, der beides abdeckten. Neben der Geschichte über die Herrschaft des Augustus, die ihm viel Ärger einbrachte, waren seine Hauptarbeiten die Geschichte der Etrusker und acht Bücher über die Geschichte Karthagos sowie ein etruskisches Wörterbuch und eine Abhandlung über das Würfelspielen, das er sehr liebte. Obwohl er die Behandlung der Kaiserzeit generell vermied, verfasste er eine Verteidigungsschrift für Cicero bezüglich der Strafen gegen Asinius Gallus.
In der modernen Forschung gibt es zahlreiche Vermutungen, warum Claudius sich gerade diese Themen ausgesucht hat. Momigliano meint, dass das Interesse an Karthago gekoppelt sei an die Erinnerung der großen Zeit Roms.[37] Barbara Levick sieht in Claudius einen Außenseiter, der deshalb gerne Außenseiter-Themen wählte, also Eskapismus in der Beschäftigung mit fernen und überdies romfeindlichen Völkern.[38] Allerdings gilt Claudius als der erste, der eine speziell karthagische Landesgeschichte verfasst hat.[39]
Neben seinen schriftstellerischen Tätigkeiten plante er eine Reform des Lateinischen Alphabets durch Hinzufügung drei neuer Buchstaben. Zwei dieser Buchstaben hatten dabei die Funktion der modernen Buchstaben W (das umgekehrte F) und Y (das halbe H), während das umgekehrte C für das griechische Ψ (PS) stehen sollte. Die Reform führte er während seiner Zensorschaft ein, doch sie konnte sich nicht durchsetzen. Da das klassische Latein ohne Wortabstand geschrieben wurde, versuchte er die alte Sitte des Setzens von Punkten zwischen verschiedenen Wörtern wieder einzuführen.
Schließlich verfasste er noch eine achtbändige Autobiographie, die von Sueton als geschmacklos bezeichnet wurde.[40] Keines dieser Werke ist erhalten geblieben. Der Verlust der Erkenntnisse, die die Werke des Claudius enthalten haben müssen, wird zu den schwersten Verlusten in der antiken Geschichtsschreibung gezählt.[41] Die Autobiographie des Claudius wird von Sueton einmal zitiert und er dürfte sie oftmals als Quelle herangezogen haben. Plinius der Ältere, der ihn öfters zitiert, reihte ihn unter die bedeutendsten gelehrten Schriftsteller seiner Zeit ein.[42]
Außenpolitik
Expansion und Provinzialpolitik
Schon zum Beginn der Herrschaft kam es unter Claudius zur ersten Ausdehnung des römischen Reiches seit der Regentschaft des Augustus. Thrakien, Mauretanien, Noricum, Pamphylien, Lykien wurden in das römische Reich eingegliedert und gelangten unter kaiserliche Verwaltung. Claudius gab Judäa mit Herodes Agrippa I. wieder einen König; nach dessen Tod wurde das Land aber zur Provinz gemacht und unter einen Prokurator gestellt. Obwohl der römische Einfluss an der Ostgrenze geschwächt wurde, kam es in Armenien und Parthien zu keinerlei militärischen Aktivitäten. König Mithridates im Bosporanischen Reich brachte nach seienr Absetzung die ganze Region in Unruhe, bis er im Jahr 49 entscheidend besiegt wurde. Die Einsetzung des parthischen Prinzen Meherdates, der als Geisel in Rom gelebt hatte, erwies sich als Fehlschlag. Ebenso gegenüber Germanien blieben militärische Aktivitäten aus. So verbot er Domitius Corbulo, dem Befehlshaber des niedergermanischen Heeres, auf der rechten Rheinseite sowohl verstärkt gegen Germanenstämme militärisch vorzugehen als auch Truppen dort zu stationieren. Auch bei den Kämpfen um die Herrschaft im Suebenreich unterließ er es zu intervenieren.
Für die militärischen Erfolge während seiner Regierungszeit nahm der unsoldatische Claudius insgesamt 27 Imperatorenakklamationen an, diese Zahl wurde nur noch von dem römischen Kaiser Constantin II. überschritten. Claudius führte im Jahr 48 einen Zensus durch, bei dem 5.984.072 römische Bürger gezählt worden[43], was ein Anstieg um eine Million unter dem letzten von Augustus durchgeführten Zensus ist. Diese erhöhte Zahl wurde durch die Gründung mehrerer römischer Kolonien und der zahlreichen Verleihung des römischen Bürgerrechts an Provinziale gefördert. Besonders die Gallier, Spanier, Griechen und auch die Britannier wurden mit dem römsichen Bürgerrecht bedacht. Die zeitgenössische Kritik äußerte, dass Claudius wahllos und in gewaltigem Ausmaß Provinzialen das Bürgerrecht verliehen habe.[44]. Claudius berief sich zwar auf Augustus und Tiberius, war aber bereitwilliger in der Vergabe. Im Westen wie im Osten trugen zahlreiche Personen den Namen Ti. Claudius. Ebenso scheint sich mit Claudius die Vergabe des Bürgerrechts an Auxiliarsoldaten nach 25 Jahren Dienst endgültig durchgesetzt zu haben, die ersten Militärdiplome stammen aus dem Jahr 52, in denen die Verleihung der civitas Romana dokumentiert wurde.[45].
Eroberung Britanniens
Die bedeutendste Expansion des römischen Reiches zu dieser Zeit war jedoch die Eroberung Britanniens. Schon unter Caligula wurde eine Invasion erwartet, sie bedurfte jedoch längerer Vorbereitung, weil dafür zahlreiche Einheiten, wie Legionen und etwa 20.000 Mann starke Hilfstruppen zusammengezogen werden mussten, ohne dadurch andere Regionen zu schwächen. Der aktuelle Anlass waren Unruhen im Süden der Insel, wo die Catuvellauni mehrere Nachbarstämme attackierten und den Atrebaten-Fürsten Verica veranlassten, bei den Römern Schutz zu suchen. Als andere Ursache gilt das Verlangen des Claudius, durch eine außergewöhnliche militärische Aktion sein Ansehen beim römischen Heer zu steigern. Neben diesen Gründen könnten auch irrige Vorstellungen von Topographie, Bodenschätzen und wirtschaftliche Möglichkeiten der Insel eine Rolle gespielt haben.[46]. Außerdem war Britannien ein sicheres Rückzugsgebiet für gallische Rebellen. Im Jahr 43 wurde Aulus Plautius von Claudius mit vier römischen Legionen nach Britannien („Britannia“) geschickt. Claudius selbst brachte nach der Beendigung der Anfangsoffensive Verstärkung und Elefanten mit. Nach 16 Tagen auf der Insel und der Eroberung von Camulodunum verließ Claudius die neue Provinz. Der Senat bewilligte ihm dafür einen Triumphzug, diese Ehrung wurde nur der kaiserlichen Familie zugestanden. Später hob Claudius diese Beschränkung für einige seiner fähigsten Generäle auf. Den Siegertitel „Britannicus“ lehnte Claudius für sich ab und gab ihn seinem Sohn. Als der britische Heerführer Caractacus schließlich im Jahr 51 gefangen genommen wurde, ließ Claudius Milde walten. Caractacus lebte die letzten Tage seines Lebens auf einem Landgut, das vom Römischen Reich bereitgestellt wurde – ein ungewöhnliches Ende für einen feindlichen Heerführer, aber nötig, um die Briten ruhig zu halten.
Lobbyismus
Freigelassene
Claudius war der erste Kaiser, der eine eigene Verwaltung organisierte.[47] Obwohl er keine gesetzlichen oder formalen Innovationen einführte, wurde der Kaiserhof erstmals in der Praxis das exekutive Zentrum der Verwaltung. Die persönlichen Angelegenheiten vertraute der Kaiser weder den Senatoren noch den Rittern an, sondern den Freigelassenen, die Staatsbeamte geworden waren. Dadurch konnte der Kaiser seine Unabhängigkeit von beiden Gruppierungen, dem Senat und der Ritterschaft, absichern und seine Macht in den Provinzen ausweiten. Das Sekretariat wurde in Büros eingeteilt, die unter der Führung eines Freigelassenen standen. Narcissus war als Sekretär zuständig für den Briefverkehr. Callistus wurde Sekretär für die Justiz. Es gab ein viertes Büro für verschiedene Angelegenheiten, das Polybius führte, bis er wegen Verrats hingerichtet wurde. Dass Narcissus anstelle des Claudius sich vor der Eroberung von Britannien an die Truppen wendete zeigt, dass die Freigelassenen für den Kaiser wichtige Aufgaben übernehmen konnten. Die Senatoren waren entsetzt, dass solch wichtige Positionen, die sie früher innehatten, sich nun in den Händen von Freigelassenen befanden. Durch den Einfluss der Freigelassenen auf die Finanzen, die Briefe und die Gesetze war es anscheinend nicht sehr schwierig, den Kaiser zu beeinflussen. Daher erhoben die antiken Historiker den Vorwurf, Claudius sei zu stark von seinen Freigelassenen abhängig. Andererseits sollen die Freigelassenen loyal gegenüber Claudius gewesen sein.[48] Er war ähnlich verständnisvoll zu den Freigelassenen und gab ihnen das Vertrauen in der Politik, wo er ihren Rat brauchte. Wenn sie jedoch verräterische Neigungen zeigten, wurden sie von Claudius bestraft, wie es das Beispiel von Polybius zeigte. Unabhängig vom Umfang ihrer politischen Stärke konnten die Freigelassen großen Reichtum anhäufen. Plinius der Ältere bemerkt, dass einige von ihnen reicher waren als Crassus, der zur Zeit der Römischen Republik der reichste Mann war.[49]
Frauen
Claudius’ Liebesleben war ungewöhnlich für einen höherklassigen Römer. Zum Liebesleben der ersten fünfzehn Kaiser bemerkte Edward Gibbon, dass „Claudius der einzige war, dessen Geschmack in der Liebe völlig korrekt war“ und somit weder der Päderastie noch Homosexualität verfallen. Gibbons Ansicht basierte auf der Aussage von Sueton, nach der Claudius eine große Leidenschaft für Frauen hatte, aber kein Interesse für Männer hegte.[50] Sueton und die anderen Historiker nutzten sein Liebesleben gegen ihn. Sie beschuldigten ihn, dass seine Frauen wesentlichen Einfluss auf ihn ausübten. Claudius war als junger Mann zweimal verlobt, beide Ehen kamen nicht zustande. Die erste Verlobung mit seiner 12-jährigen Cousine Aemilia Lepida wurde aufgelöst, als ihre Mutter 8 n.Chr. in Ungnade fiel. Die zweite Verlobung mit Livia Medullina endete mit dem plötzlichen Tod der Braut am Hochzeitstag.
Verheiratet war Claudius viermal. Seine erste Ehe schloss er mit Plautia Urgulanilla, einer Enkelin von Livias Vertrauter Urgulania. Während ihrer Verbindung wurde Claudius Drusus geboren. Kurz nach seiner Verlobung mit der Tochter des Seianus starb Drusus schon im Kindesalter an Erstickung. Später trennte sich Claudius von Urgulanilla wegen Ehebruchs und Verdachts der Ermordung ihrer Schwägerin Apronia. Als Urgulanilla nach der Scheidung eine Tochter namens Claudia gebar, lehnte Claudius das Kind ab, da der Vater einer der Freigelassenen war.
Wahrscheinlich im Jahr 28 heiratete Claudius mit Aelia Paetina eine Verwandte des Seianus. Mit ihr hatte er die Tochter Claudia Antonia. Im Jahr 31 trennte er sich von ihr, vermutlich im Zusammenhang mit dem Sturz des Seianus.
Noch vor seinem Herrschaftsantritt (etwa 39/40 n. Chr.) heiratete er die 14-jährige Valeria Messalina. Sie gebar Claudius zwei Kinder: im Jahre 40 die Tochter Claudia Octavia und kurz nach Claudius’ Herrschaftsantritt im Jahre 41 den Sohn Tiberius Claudius Germanicus, der später als Britannicus bekannt wurde. Die Tochter Octavia wurde später die erste Ehefrau des Kaisers Nero. Diese Ehe endete in einer Tragödie. Die antiken Quellen beschreiben Messalina als Nymphomanin, die Claudius regelmäßig untreu war. Angeblich versuchte Messalina sogar mit einer Prostituierten zu konkurrieren[51] und wollte seine Politik für ihre Zwecke auszunutzen, um Reichtum anzuhäufen. Im Jahr 48 heiratete sie in einer öffentlichen Zeremonie ihren Liebhaber Gaius Silius, während Claudius in Ostia war. Die Quellen sind in sich widersprüchlich darüber, ob sie vom Kaiser geschieden worden war oder nicht und ob sie die Absicht hatte, sich des Thrones zu bemächtigen. Der Claudius-Biograph Vincent Scramuzza meint, Silius habe Messalina überzeugt, dass Claudius zum Scheitern verurteilt sei und dass die Verbindung ihre einzige Hoffnung sei, ihre Position zu halten und ihre Kinder zu schützen.[52]
Nach Tacitus könnte ihn seine fortwährende Tätigkeit als Zensor („Sittenwächter“) davon abgehalten haben, die Affäre öffentlich zu rügen.[53] Es kam zur Hinrichtung von Silius und Messalina und den meisten Personen aus ihrem Bekanntenkreis. Claudius gab den Prätorianern das Versprechen, dass sie ihn umbringen dürften, wenn er jemals wieder heiraten würde.
Trotz dieser Erklärung heiratete Claudius erneut. Die Wahl fiel auf Agrippina die Jüngere, die aufgrund ihrer weiblichen Reize Claudius für sich gewann.[54] Da Agrippina Claudius’ Nichte war, wurden durch Senatsbeschluss generell Verbindungen zwischen Onkel und Nichte nicht mehr als Inzest angesehen. Wahrscheinlich war es aber auch eine Heirat aus politischen Gründen. Der Putsch des Silius machte durchaus die schwache Position des Claudius deutlich. Seine Position wurde auch dadurch labiler, dass Claudius keinen erwachsenen Erben hatte, denn Britannicus war noch ein Knabe. Agrippina war die Urenkelin des Augustus und brachte mit ihrem elfjährigen Sohn Lucius Domitius Ahenobarbus (den späteren Nero) einen weiteren Kaisernachfolger mit in die Ehe. Dieser war einer der letzten männlichen Nachkommen der kaiserlichen Familie. In der modernen Forschung wurde argumentiert, dass der Senat die Ehe durchsetzte, um den Streit zwischen Juliern und Claudiern zu beenden.[55] Der Streit ging auf die Aktionen Agrippina der Älteren gegen Tiberius zurück, die letztgenannten für den Tod des Germanicus verantwortlich machte. Agrippina bekam Ehrenrechte und faktische Macht zuerkannt, wie keine Frau eines Princeps zuvor. So erhielt sie den Namen Augusta und ihr Portrait erschien auf römischen Reichsmünzen. Von Anfang an bereitete Agrippina zielstrebig die Thronfolge ihres Sohnes vor. Der Philosoph Seneca wurde aus diesem Anlass aus seinem Exil auf Korsika zurückgerufen.
Am 25. Februar 50 wurde Domitius von Claudius adoptiert und hieß fortan Nero. Durch Zuerkennung von politischen Rechten wurde er deutlich als Nachfolger hervorgehoben. Dieses Verhalten hatte Tradition in der römischen Monarchie. So hatte Tiberius seinen Großneffen Caligula und seinen Enkel Tiberius Gemellus als Nachfolger herausgestellt. Außerdem war es im kaiserzeitlichen Rom Tradition, wenn man keinen natürlichen Erben hatte, einen Erwachsenen oder Heranwachsenden für die Kaisernachfolge zu adoptieren. Es wurde vermutet, dass Claudius außerdem einen seiner Schwiegersöhne adoptierte, um seine eigene Herrschaft zu schützen.[56] Denn sonst hätten mögliche Usurpatoren versuchen können, die Herrschaft an sich zu reißen. Die von Agrippina angestrebte Verlobung Neros mit der Claudius-Tochter Octavia diente zusätzlich der Integration in die kaiserlichen Familie.
Tod und Nachwirkung
Ermordung
In den antiken Quellen herrscht Übereinstimmung, dass Claudius durch Gift, das möglicherweise in Pilzen enthalten war, umgebracht wurde. Er starb in den frühen Stunden des 13. Oktobers 54 n. Chr. Die Darstellungen über den konkreten Vorgang und Ort unterscheiden sich sehr stark. Einerseits soll Claudius während seines Todeszeitpunkts in Rom vergiftet worden sein.[57] Während die taciteische Darstellung besagt, dass Claudius in seinen letzten Tagen in Sinuesa weilte[58], überliefern andere, dass Claudius’ Vorkoster, der Eunuch Halotus, Claudius das Gift unter das Essen habe mischen lassen, oder dass die Schuld bei Gaius Stertinius Xenophon, seinem Leibarzt, zu suchen sei. Möglicherweise war die berüchtigte Giftmischerin Locusta an der Vergiftung des Claudius beteiligt. Einige behaupten, dass er an einer Vergiftung durch eine einzige Dosis starb, während andere wiederum erläutern, Claudius habe die vergiftete Speise erbrochen, und man habe ihm nochmals Gift zugeführt.[59] Jedoch zogen ungeklärte Todesfälle von Herrschern oft unbestätigte Mordgerüchte nach sich. Dennoch beschuldigen fast alle seine letzte Ehefrau Agrippina als die Anstifterin für die Vergiftung. Agrippina und Claudius bekämpften sich in den letzten Monaten bis zu seinem Tod. Dies ging so weit, dass Claudius öffentlich die Ehe mit Agrippina bereute und begann, das Heranwachsen des Britannicus im Hinblick auf die Nachfolgeregelung genauer ins Auge zu fassen.[60] Claudius' letzter Wille hatte sich kurz vor seinem Tod noch einmal geändert: Entweder sah er sowohl Nero als auch Britannicus oder nur Britannicus als seinen Nachfolger an. Agrippina beabsichtigte die Nachfolge für ihren Sohn Nero zu sichern, bevor Britannicus an die Macht gelangte. In der modernen Forschung haben einige Historiker daran gezweifelt, ob Claudius ermordet worden oder doch nur eines natürlichen Todes gestorben ist. So wurde auch vermutet, dass Claudius an Stress starb, als er mit Agrippina um die Thronnachfolge stritt.[61] Seine vollständige Titulatur zum Zeitpunkt seines Todes war Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus, Pontifex maximus, Tribuniciae potestatis XIV, Consul V, Imperator XXVII, Pater patriae. Nero wurde sein Nachfolger. Claudius’ Asche wurde am 24. Oktober im Augustusmausoleum beigesetzt.
Von Nero und auf Senatsbeschluss hin wurde Claudius als Divus („Vergöttlichter“) konsekriert.[62] Die von Seneca verfasste Leichenrede hielt Nero. Kurze Zeit nach dessen Vergötterung erscheint die Verkürbissung des Divus Claudius, die boshafteste Satire, die je auf einen Herrscher geschrieben worden ist. Von der weniger treuen Anhängerschaft des Claudius gingen viele schnell in das Lager Neros über.
Nachleben
Nero kritisierte häufig den verstorbenen Kaiser und missachtete viele von Claudius’ Beschlüssen und Verfügungen mit der Begründung, Claudius sei irre gewesen.[63] Die Meinung über Claudius, er sei ein Idiot, blieb die ganze Zeit das Urteil während der Regentschaft Kaiser Neros. Schließlich stoppte Nero die Bezugnahme auf seinen vergöttlichten Adoptivvater und orientierte sich wieder an seine leibliche Familie. Claudius’ Tempel wurde von Nero nicht fertiggestellt und nach dem Tod seiner Mutter zerstört. Schließlich wurde die Baustelle von Neros Goldenen Haus übernommen.[64] Vespasian, der unter Claudius bedeutende Schritte in seiner Karriere machte, belebte den Claudius-Kult neu und ließ seinen Tempel am Caelius wieder aufbauen.[65] Als die Flavier jedoch ihre Herrschaft gefestigt hatten, hoben sie ihre eigenen Verdienste hervor und ihre Anlehnung an Claudius hörte auf. Später haben noch Titus, Domitian und Trajan das Andenken wohl weniger des Claudius selbst als seiner Regierung durch Münzen aufgefrischt.
Die antiken Schriftsteller Tacitus, Cassius Dio und Sueton verfassten alle ihre Werke, nachdem der letzte der Flavier abgetreten war. Alle drei waren Senatoren oder Ritter. Die antiken Historiker übernahmen in den Konflikten zwischen dem Senat und dem Princeps oftmals die Position des Senats. Sueton beschreibt Claudius als eine lächerliche Person, setzte viele seiner Taten herab und wies die guten Taten des Kaisers seinem Gefolge zu.[66] Tacitus schrieb eine Darstellung für seine Mitsenatoren und passte jeden der Kaiser in eine einfache Form seiner Auswahl.[67] Er beschrieb Claudius als einen Idioten, was sich sogar dadurch bemerkbar macht, dass er selbst, wenn er die Schriften des Claudius als Quelle benutzt, dies nicht angab und den Schreibstil des Claudius verfälschte.[68]
Cassius Dio war weniger voreingenommen, scheint aber Sueton und Tactus als Quellen benutzt zu haben. So wurde für lange Zeit die Vorstellung des Claudius als eines Vollidioten, gesteuert von denen, die er angeblich beherrschte, hochgehalten. Im Laufe der Zeit verlor Claudius außerhalb der historischen Darstellungen zunehmend an Bedeutung. Seine Bücher gingen als erstes verloren, als ihre altertümlichen Themen an Beliebtheit verloren. Am Ende des 2. Jahrhunderts überschattete der Geburtstag von Kaiser Pertinax, der seinen Geburtstag mit Claudius teilte, jede Erinnerungsfeier an Claudius. Im 3. Jahrhundert bemächtigte sich Kaiser Claudius Gothicus seines Namens. Nach dem Tod des Claudius Gothicus wurde dieser vom Senat divinisiert und ersetzte Claudius im römischen Pantheon.
Rezeption
Robert (von Ranke-)Graves’ Romane aus dem Jahr 1934, I, Claudius und Claudius the God (deutsche Ausgabe in einem Band: Ich, Claudius, Kaiser und Gott gelten als die bedeutendste fiktive Darstellung über den römischen Kaiser Claudius. Beide Bücher wurden in der ersten Person verfasst, um dem Leser den Eindruck zu vermitteln, es handele sich um eine Autobiografie. Graves setzte fiktive Tricks ein, um zu zeigen, dass kürzlich echte Übersetzungen von Claudius’ Schriften entdeckt worden seien. Zu diesem Zweck schließt die Darstellung I, Claudius den Besuch eines Orakels mit ein. Das Orakel berichtet, dass das Schriftstück fast 1900 Jahre später wiederentdeckt wird. Claudius’ erhaltene Briefe, Reden und Sprüche wurden besonders im zweiten Buch Claudius the God eingearbeitet, um Authentizität zu vermitteln.
Im Jahr 1937 unternahm der Regisseur Josef von Sternberg mit dem Film I, Claudius einen erfolglosen Versuch, die Romane von Graves zu verfilmen. Den römischen Kaiser sollte Charles Laughton spielen. Wegen eines schweren Unfalls der Hauptdarstellerin Merle Oberon wurde der Film nie fertiggestellt. Die noch vorhandenen Filmrollen wurden schließlich in der Dokumentation The Epic That Never Was von 1965 gezeigt.
Die beiden Bücher von Graves waren die Basis für eine dreizehnteilige von der BBC produzierte Fernsehausstrahlung. Die Miniserie, in der Derek Jacobi Claudius spielte, wurde 1976 auf BBC2 übertragen. Sie wurde ein großer Erfolg und gewann mehrere BAFTA-Auszeichnungen. Die Serie wurde im Jahr 1977 in den USA im Masterpiece Theatre gespielt.
Neben den Verfilmungen der Bücher von Graves gab es aber auch zahlreiche andere filmische Bearbeitungen. Tinto Brass setzte 1979 den Skandalfilm Caligula (dt. Untertitel Aufstieg und Fall eines Tyrannen) in Szene. Gore Vidal schrieb das Drehbuch, Tinto Brass führte Regie. Die Rolle des Claudius spielte hier Giancarlo Badessi. Im Gegensatz zu den Büchern von Graves wurde hier Claudius als ein Idiot dargestellt. Im Fernsehen wurde 1968 der Schauspieler Freddie Jones bekannt für seine Rolle des Claudius in der britischen TV Serie The Caesars, während in der Kurzserie A.D., die für das Fernsehen produziert wurde, Richard Kiley als Claudius auftritt.
Literarisch sind Claudius und seine Zeitgenossen behandelt in dem historischen Roman Minutus der Römer von Mika Waltari, und die Geschichte des Claudius, wie sie sich Robert Graves vorstellte, wurde rezipiert durch den kanadischstämmigen Science Fiction Autor A.E. van Vogt in seinen beiden Romanen Empire of the Atom und The Wizard of Linn. Eine Buchreihe von Simon Scarrow wählt als Schauplatz dessen Herrschaft, und obwohl sie nicht direkt auf Claudius bezogen ist, tritt er dort häufiger auf. Diese Reihe stellt Bezüge zu seinen Handlungen während des Britannien-Feldzuges, seine Krankheit und politische Standfestigkeit her. Daneben erscheint Claudius auch in den zahlreichen Romanen, die seine Ehefrauen Messalina und Agrippina als Hauptfiguren haben.
Claudius in der Forschung
Das Urteil in der Forschung über den spezifischen Charakter der Regierungszeit des Claudius ist keineswegs einheitlich. Bei aller Divergenz der Forschung ist man sich dennoch darüber einig, dass mit Claudius ein Neubeginn oder zumindest eine doch ganz wesentliche Weiterentwicklung in der Administration des römischen Reiches festzustellen sei. Schwankend ist man allerdings darüber, ob diese Veränderungen durch Claudius oder eher der Initiative seiner Freigelassenen zu geschrieben werden. Hans-Georg Pflaum sieht in Claudius einen „halben Narren“ und zeichnet damit mehr die „Regierung der Favoriten des Claudius“ für die politischen Maßnahmen dieser Zeit verantwortlich und betont somit den Einfluss der Freigelassenen während der Herrschaft des Claudius.[69] Für Barbara Levick gilt Claudius als der erste richtige Kaiser, folglich beginne mit ihm das institutionalisierende Kaisertum.[70] Für Vincent Scramuzza stellte Claudius eines der verwirrensten Probleme in der gesamten Geschichte überhaupt dar.[71]
Literatur
Quellen
In seinem Werk Apocolocyntosis (dt: die Verkürbissung), das als Menippeische Satire angelegt ist, greift Seneca den kürzlich Verstorbenen an, wahrscheinlich um sich für das unter seiner Regierung erlittene Unrecht zu rächen. Inhaltlich geht es darum, dass Claudius aus dem Leben scheidet, zum Gott erklärt wird und schließlich in den Himmel gelangt. Dort weiß man jedoch nichts mit ihm anzufangen, so dass er sich schließlich in der Unterwelt wiederfindet, wo ihm dann der Prozess wegen seiner Vergehen gemacht wird.
- L. Annaeus Seneca, Apocolocyntosis - Die Verkürbissung des Kaisers Claudius. Übersetzt und herausgegeben von Anton Bauer, Stuttgart 2001, Reclam ISBN 978-3150076767.
- Lateinischer Text von Senecas Apocolocyntosis
Weiterhin geben Suetons Kaiserbiographien und Tacitus’ Annalen Auskunft über Claudius und seine Zeit.
- Sueton: Claudius. Antike Biographie aus der Sammlung der Kaiserbiographien von Caesar bis Domitian. Zahlreiche Ausgaben, beispielsweise mit deutscher Übersetzung in: Gaius Suetonius Tranquillus: Sämtliche erhaltene Werke. Magnus, Essen 2004, ISBN 3-88400-071-3, englische Übersetzung und lateinisches Original Lateinische Übersetzung und deutsche Übersetzung
- Tacitus: Annalen. Herausgegeben von Erich Heller, 3. Auflage, Düsseldorf und Zürich 1997. Die Bücher 11 und 12 der Annalen behandeln die Zeit des Claudius.
- Buch 11 der Annalen des Tacitus
- Buch 12 der Annalen des Tacitus
Sekundärliteratur
- David Alvarez Cineira: Die Religionspolitik des Kaisers Claudius und die paulinische Mission. Herder, Freiburg 1999, ISBN 3-451-26894-9.
- Michael Grant: Roms Caesaren. Von Julius Caesar bis Domitian. Beck, München 1978, ISBN 3-406-04501-4.
- Wilhelm Kierdorf: Claudius. In: Manfred Clauss (Hrsg.): Die römischen Kaiser. 2. Auflage, Beck, München 2001, ISBN 3-406-47288-5, S. 67–76.
- Barbara Levick: Claudius. Batsford, London 1993, ISBN 0-7134-5210-2.
- Arnaldo Momigliano: Claudius. The Emperor and his achievement. 2. Auflage, Cambridge 1961.
- Vincent Scramuzza: The Emperor Claudius. Harvard University Press, Cambridge 1940.
- Volker Michael Strocka (Hrsg.): Die Regierungszeit des Kaisers Claudius (41–54 n. Chr.): Umbruch oder Episode? Internationales interdisziplinäres Symposion aus Anlass des hundertjährigen Jubiläums des Archäologischen Instituts der Universität Freiburg i. Br., 16.–18. Februar 1991. Zabern, Mainz 1994, ISBN 3-8053-1503-1.
Erzählende Literatur
- Robert (von Ranke-)Graves: Ich, Claudius, Kaiser und Gott. Übersetzt von Hans Rothe. List, München 2002, ISBN 3-471-78578-7 (englische Erstausgabe 1934).
Weblinks
- Vorlage:PND
- Garrett G. Fagan: Kurzbiografie (englisch) bei De Imperatoribus Romanis (mit Literaturangaben)
- I, Claudius (UK 1937) Nie fertiggestellte Erstverfilmung von Robert Graves’ fiktiver Claudius-Biografie
- I, Claudius / Ich, Claudius, Kaiser und Gott (UK 1976) 13-teilige BBC-Miniserie von Robert Graves’ Roman mit Sir Derek Jacobi als Claudius. Die Serie ist seit einiger Zeit auf DVD erhältlich.
- Claudius und seine Familie: Stammtafel in Bildern
Anmerkungen und Quellen
- ↑ Sueton: Claudius 30.
- ↑ Seneca: Apocolocyntosis 5, 3.
- ↑ Sueton: Claudius 30.
- ↑ Sueton: Claudius 31.
- ↑ Sueton: Claudius 38.
- ↑ Ernestine F. Leon: The Imbecillitas of the Emperor Claudius. In: Transactions and Proceedings of the American Philological Association, 79 (1948), S. 79–86, hier: S. 83.
- ↑ Sueton: Claudius 5, 21, 40; Cassius Dio 60, 2, 5, 12, 31.
- ↑ Sueton: Claudius 34, 38.
- ↑ Sueton: Claudius 29. Cassius Dio 60, 2, 8.
- ↑ Sueton: Claudius 35, 36, 37, 39, 40; Cassius Dio 60, 2, 3.
- ↑ Brief an die Alexandriner.
- ↑ Cassius Dio 60, 2.
- ↑ Sueton: Claudius 3.
- ↑ Sueton: Claudius 2.
- ↑ Sueton: Claudius 4.
- ↑ Vincent Scramuzza: The Emperor Claudius. Cambridge 1940, S. 39.
- ↑ M. Stuart: The Date of the Inscription of Claudius on the Arch of Ticinum. In: American Journal of Archaeology 40 (1936), S. 314–322.
- ↑ Sueton: Claudius 5.
- ↑ Cassius Dio 60, 2.
- ↑ A. Major: Was He Pushed or Did He Leap? Claudius’ Ascent to Power. In: Ancient History: Resources for Teachers 22 (1992), S. 25–31.
- ↑ Josephus: Jüdische Altertümer 19,102; Cassius Dio 60,1.
- ↑ Josephus: Jüdische Altertümer 19,162.
- ↑ Josephus: Jüdischer Krieg 2, 204–233.
- ↑ Tacitus: Annalen 11,25.
- ↑ Die Spannungen zwischen Claudius und dem Senat untersucht D. McAlindon, Senatorial opposition to Claudius and Nero. In: American Journal of Philology 77 (1956), S.113–132; D. McAlindon, Senatorial advancement in the age of Claudius. In: Latomus 16 (1957), S.252–262; D. McAlindon, Claudius and the senator. In: American Journal of Philology 78 (1957), S.279–286.
- ↑ Tacitus: Annalen 12,53.
- ↑ Sueton: Claudius 29.
- ↑ Cassius Dio 72,6,1.
- ↑ Sueton: Claudius 15.
- ↑ Tonio Hölscher: Claudische Staatsdenkmäler in Rom und Italien. Neue Schritte zur Festigung des Prinzipats. In: Volker Michael Strocka (Hrsg.): Die Regierungszeit des Kaisers Claudius (41–54 n. Chr.): Umbruch oder Episode? Internationales interdisziplinäres Symposion aus Anlass des hundertjährigen Jubiläums des Archäologischen Instituts der Universität Freiburg i. Br., 16.–18. Februar 1991. Zabern, Mainz 1994, S. 93.
- ↑ Cassius Dio 60,6,6.
- ↑ Sueton: Claudius 25,4.
- ↑ Josephus: Jüdische Altertümer 19, 287.
- ↑ Seneca Apocolocyntosis 9.
- ↑ Sueton: Claudius 21,2.
- ↑ Arnaldo Momigliano: Claudius. The Emperor and His Achievement. Cambridge 1961, S. 4f.
- ↑ Arnaldo Momigliano: Claudius. The Emperor and his achievement. Cambridge 1961, S. 9.
- ↑ Barbara Levick: Claudius. Batsford, London 1990, S. 25.
- ↑ Jürgen Malitz: Claudius (FGrHist 276) – der Prinzeps als Gelehrter In: Volker Michael Strocka (Hrsg.): Die Regierungszeit des Kaisers Claudius (41–54 n. Chr.): Umbruch oder Episode? Internationales interdisziplinäres Symposion aus Anlass des hundertjährigen Jubiläums des Archäologischen Instituts der Universität Freiburg i. Br., 16.–18. Februar 1991. Zabern, Mainz 1994, S. 139.
- ↑ Sueton: Claudius 41.
- ↑ Michael Grant: Roms Caesaren. Von Julius Caesar bis Domitian. München 1978, S. 163.
- ↑ Michael Grant: Roms Caesaren. Von Julius Caesar bis Domitian. München 1978, S. 162.
- ↑ Tacitus: Annalen 11,25.
- ↑ Seneca: Apocolocyntosis 3,3.
- ↑ CIL XVI 1–3.
- ↑ Karl Christ: Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis zu Konstantin. S. 217f.
- ↑ Nach P.C.R. Weaver: Misplaced offical to Claudius and Nero. In: Antichthon 13 (1979), S.70–102, gehört dieser Prozeß der zunehmenden Bürokratisierung erst in die Regierungszeit Vespasians.
- ↑ Tacitus: Annalen 12, 65.
- ↑ Plinius: Naturgeschichte 23,134.
- ↑ Sueton: Claudius 33.
- ↑ Cassius Dio 61,31; Plinius, Naturgeschichte 10,172.
- ↑ Vincent Scramuzza: The Emperor Claudius. Cambridge 1940, S. 90.
- ↑ Tacitus: Annalen 11,25.
- ↑ Sueton: Claudius 26.
- ↑ Vincent Scramuzza: The Emperor Claudius. Cambridge 1940, S.91f. Dazu auch Tacitus: Annalen 12,6,7; Sueton: Claudius 26.
- ↑ S. V.Oost: The Career of M. Antonius Pallas. In: American Journal of Philology 79 (1958), S. 113–139.
- ↑ Sueton: Claudius 44.
- ↑ Tacitus: Annalen 12,66.
- ↑ Sueton: Claudius 44.
- ↑ Sueton: Claudius 43.
- ↑ Barbara Levick: Claudius. Batsford, London 1990, S.76f.
- ↑ Sueton Nero 9
- ↑ Sueton: Nero 33
- ↑ Barbara Levick: Claudius. Batsford, London 1990, S. 187.
- ↑ Sueton: Vespasian 9.
- ↑ Vincent Scramuzza, 1940, S. 29.
- ↑ D.W.T.C. Vessey: Thoughts on Tacitus' Portrayal of Claudius. In: American Journal of Philology, 92 (1971), S. 385–409.
- ↑ M. Griffin: Claudius in Tacitus. In: Classical Quarterly, 40 (1990), S. 482–501. Ein Abschnitt der Annalen 11, 14 ist hierfür ein gutes Beispiel. Dieser Exkurs zur Geschichte der Schriftentwicklung geht sicher auf Claudius' eigene Begründung seiner Buchstabenreform zurück, da sie sich mit dessen Persönlichkeit und überlieferten Schriften deckt. Tacitus nimmt keine Zuweisung vor.
- ↑ Hans-Georg Pflaum, in: Propyläen Weltgeschichte, Bd. 4, Frankfurt 1963, S. 336.
- ↑ Barbara Levick: Claudius. Batsford, London 1990 S.41.
- ↑ Vincent Scramuzza: The emperor Claudius. Massachusetts 1940.
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Personendaten | |
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NAME | Claudius |
ALTERNATIVNAMEN | Tiberius Claudius Drusus Germanicus |
KURZBESCHREIBUNG | römischer Kaiser zwischen 41 und 54 n. Chr. |
GEBURTSDATUM | 1. August 10 v. Chr. |
GEBURTSORT | Lugdunum (heute Lyon) |
STERBEDATUM | 13. Oktober 54 |
STERBEORT | Rom |