Die Münchner oder Bayerische Räterepublik war 1918 und 1919 der kurzlebige Versuch, nach dem Ersten Weltkrieg einen sozialistischen Staat in Form einer Rätedemokratie in Bayern zu schaffen.
Am Ende des Ersten Weltkriegs kam es auf Grund der Leiden der Bevölkerung in Deutschland zu einer Revolution, der Novemberrevolution, in der der bayerische König als erster deutscher Monarch abdankte. Kurt Eisner von der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) rief den Freien Volksstaat Bayern aus und wurde Ministerpräsident. Nachdem Eisner 1919 erschossen worden war kam es zu Machtkämpfen und zu einem Streit zwischen Anhängern des Rätesystems und des Parlamentarismus. Im März wurde Johannes Hoffmann zum Ministerpräsidenten gewählt und im April wurde zuerst durch anarchistische Intellektuelle danach von den Kommunisten eine Räterepublik ausgerufen.
Ende April griff eine weiße Armee die Verteidiger der Räterepublik an und eroberte München zurück. Im Laufe der Kämpfe und danach kam es auf beiden Seiten zu Grausamkeiten, hunderte Menschen starben.
Der Ablauf und die schrecklichen Ereignisse der Revolution begünstigten den Aufstieg des Nationalsozialismus. In den folgenden Jahren wurde Bayern zur Ordnungszelle in Deutschland, in der auch Adolf Hitler arbeitete und 1923 den Hitlerputsch durchführte.
Chronik
- 29. Oktober 1918: Beginn des Matrosenaufstand
- 8. November: nach der ersten Revolution verkündet Kurt Eisner den Freien Volksstaat Bayern
- 11. November: Waffenstillstand zwischen Alliierten und dem Deutschen Reich
- 10. Januar - 4. Februar: Bremer Räterepublik
- 12. Januar 1919: Wahl zu verfassungsgebendem Landtag
- 21. Februar: Eisner wird erschossen
- 17. März: Johannes Hoffmanm Ministerpräsident
- 7. April - 13. April: 1. Münchner Räterepublik
- 13. April - 2. Mai: 2. Münchner Räterepublik
- 11. August: Verkündigung der Weimarer Verfassung
- 14. August: Unterzeichnung der Bamberger Verfassung für Bayern
Gründe
Durch die Versorgungsengpässe und das Massensterben im Ersten Weltkrieg wuchs auch in Bayern die Unzufriedenheit; nicht nur die Bauern litten unter der Kriegswirtschaft. Wie an vielen Orten im Deutschen Reich kam es auch in Bayern zu Januarstreiks, es wurde ein Verständigungsfriede und die Demokratisierung gefordert. Zum Ende des Krieges wurde Deutschland de facto nicht vom Kaiser oder der Reichsregierung, sondern von der Obersten Heeresleitung (OHL) unter Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff regiert. Die Hauptursache für den Krieg wurde in der Politik des preußischen Obrigkeitsstaats gesehen; dem König wurde vorgeworfen, nur ein Parteigänger des Kaisers zu sein. Dadurch und durch das Eingeständnis der Niederlage verlor der unbeliebte König Ludwig III., der sich nach Ansicht der Bevölkerung zu Unrecht zum König gemacht hatte, die letzte Autorität und Loyalität in Bayern. Die von ihm eingeleitete Reform der Parlamentisierung kam zu spät, um die Monarchie zu retten.
Am 29. Oktober reiste Kaiser Wilhelm II. nach Spa und es kam in Kiel und Wilhelmshaven zum Matrosenaufstand. Die OHL hatte erst Ende September 1918 die Niederlage eingestanden, obwohl sie die Lage schon im August als aussichtslos eingestuft hatte. In den letzten Tagen sollte die Hochseeflotte zu einer aussichtslosen Entscheidungsschlacht auslaufen. Die Matrosen weigerten sich, sich auf eine Selbstmordmission zu begeben. Es kam zum Aufstand, die Soldaten bildeten Räte, die Arbeiter folgten ihnen und der Aufstand breitete sich in kurzer Zeit in ganz Deutschland aus.
Die verschiedenen Gruppen
Die drei wichtigsten Parteien dieser Zeit waren die MSPD oder SPD, USPD und die KPD
Die SPD oder MSPD war eher gemäßigt und gegen eine Revolution, sondern für Reformen. Im Rahmen des Burgfriedens hatten sie den Krieg unterstützt. Einige ihrer Mitglieder saßen in bereits in der Monarchie in der Regierung. An der neuen Regierung beteiligte sich die SPD, um die Kontrolle zu behalten und die SPD lehnte das Rätesystem ab. Erhard Auer und Johannes Hoffmann waren die bedeutendsten Mitglieder der Partei während der Revolution.
Die USPD war als Partei von Eisner der eigentliche Urheber des Umsturzes und befürwortete größtenteils, zumindest für eine Übergangsphase, das Rätesystem. Als USPD hatte sich während des Weltkriegs der linke Flügel der SPD von dieser abgespalten und ein Ende des Krieges gefordert. Bei den Wahlen erhielt die USPD nur 2,5% der Stimmen. Kurt Eisner war bei den Januarstreiks verhaftet worden und wurde erst im Oktober wieder entlassen.
Die KPD entstand anfang 1919 aus linksrevolutionären Gruppen und kämpfte für das Rätesystem, die Verstaatlichung von Betrieben und die Weltrevolution. Eines ihrer Mitglieder war der aus Russland stammende und von Berlin nach München gesandte Eugen Leviné. Nach der Machtübernahme kontaktierten sie die kommunistische Führung in Moskau, um sich dieser anzuschließen.
Am 12. November wurde die Bayerische Volkspartei gegründet. Sie war ein Ableger der Zentrumspartei und schürte im Wahlkampf die Furcht vor den Bolschewisten. Ebenfalls während der Revolution, am 5. Januar 1919, wurde die Deutsche Arbeiterpartei gegründet. Sie spielte momentan noch keine Rolle, wurde aber 1920 in NSDAP umbenannt.
Eine weiter beteiligte Gruppe waren anarchistische und pazifistischer Schriftsteller und Philosophen. Sie führten nach der 3. Revolution eine Räteregierung, die aber von den Kommunisten als Scheinräterepublik bezeichnet wurde. Zu dieser Gruppe gehörten Ernst Toller, Erich Mühsam und Gustav Landauer.
Ende der Monarchie (1. Revolution)
Demonstration auf der Theresienwiese
Am 7. November 1918, als sich die russische Oktoberrevolution zum ersten Mal jährte, veranstaltete die SPD, Gewerkschaften und USPD eine gemeinsame Friedenskundgebung auf der Münchner Theresienwiese. Damit der von ihm angestrebte Übergang zur parlamentarischen Monarchie in Bayern nicht gefährdet würde, forderte der bayerische König Ludwig III. die Polizei zur Zurückhaltung auf, obwohl Hinweise auf einen Umsturzversuch durch die USPD vorlagen.
Um 15 Uhr begann die Demonstration auf der Theresienwiese mit etwa 60.000 Teilnehmern. Zuerst sprachen zwölf verschiedene Redner, unter anderem Erhard Auer, der Vorsitzende der bayerischen SPD, Ludwig Gandorfer, ein radikaler Bauernführer, sowie Kurt Eisner. Er war der Vorsitzende der USPD und hatte sich bereits im Norden aufgestellt, um gut zu den Kasernen zu kommen. Einige Redner wollten die Leute beruhigen und wiesen auf die kommenden Reformen hin, andere forderten ein sozialistisches Rätesystem. Der Hauptzug der Demonstration bewegte sich nach der Annahme einer Resolution, die einen sofortigen Friedensschluss, einen Rücktritt des deutschen Kaisers, einen Achtstundentag und eine Arbeitslosenversicherung forderte, zum Friedensengel. Dort löste sich der Zug nach einer Rede von Franz Schmitt, einem Abgeordneten der SPD, auf. Die meisten Betriebe, Geschäfte und Ämter hatten geschlossen, um ihren Angestellten die Möglichkeit zu geben, an der Kundgebung teilzunehmen.
Marsch zu den Kasernen
Ohne dass es die meisten anderen bemerken, entfernten sich etwa 2000 Menschen unter Führung von Kurt Eisner und Ludwig Gandorfer zuerst zur Kraftwagenkolonne der Kraftfahr-Ersatzabteilung in der Kazmairstraße. Die Behörden vertrauten auf die Münchner Garnisonstruppen und maßen der Aktion keine große Bedeutung bei. Die Kraftfahrer schlossen sich dem Zug an, der nacheinander zur Ersatzkompanie des Münchner Landsturmbataillons, zur Marsfeldkaserne, Türkenkaserne und zu den Kasernen auf dem Oberwiesenfeld und an der Dachauerstraße marschierte. Auch dort schlossen sich jeweils viele Soldaten an, wegen Kriegsmüdigkeit, der Überzeugungskraft der Revolutionäre oder der Teilnahme anderer Soldaten. Um ungefähr 19 Uhr erschienen Demonstranten vor der königlichen Residenz. Philipp von Hellingrath, der Kriegsminister, musste eingestehen, dass in München keine Truppen zur Verfügung stünden. Mit auswärtiger Hilfe konnte nicht gerechnet werden, da Meldungen von Unruhen eintrafen. Otto Ritter von Dandl riet Ludwig III., zu fliehen. Ludwig verließ in Zivilkleidung zusammen mit seiner schwerkranken Frau, drei Töchtern, dem Erbprinzen Albrecht und einem kleinen Hofstaat München in drei Mietautos mit dem Ziel Schloss Wildenwart am Chiemsee.
Übernahme der Regierung
Nachdem die Revolutionäre Einrichtungen wie den Hauptbahnhof, Gebäude der Regierung oder militärische Einrichtungen ohne Widerstand besetzt hatten, hielt Kurt Eisner eine Versammlung im Franziskaner-Bierkeller ab und nahm danach im Mathäserbräu an einer Massenveranstaltung teil. Dort bildete er einen Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat. Zum Vorsitzenden wurde Franz Schmitt, ein SPD-Abgeordneter gewählt.
Eisner verkündete in der ersten Stunde des 8. November den Freien Volksstaat Bayern als Freistaat. Einen Tag später proklamierte Karl Liebknecht vom Spartakusbund in Berlin die Freie Sozialistische Republik Deutschland. In ganz Deutschland kam es zur Novemberrevolution und zu politischen Aufständen, beispielsweise in Kiel (Matrosenaufstand), Berlin, Bremen und Hamburg. Es wurden Arbeiter- und Soldatenräte gegründet, wobei München ein Zentrum der Rätebewegung war. Bis zum 23. November mussten alle Monarchen der deutschen Länder dem Bayerischen König folgen und abdanken. Auf Grund der Ereignisse in München kam es auch in anderen bayerischen Städten (zum Beispiel Kaiserslautern, Ingolstadt, Kempten) zur Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten durch Mitglieder von SPD und USPD. Die Teilnahme von SPD-Mitgliedern an diesen Räteregierungen zeigt, dass 'gemäßigte Kräfte' die Revolution dominierten.
Der Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat wählte eine Revolutionsregierung aus USPD und SPD mit Kurt Eisner als Ministerpräsident und Außenminister, Auer (SPD) als Innenminister, Johannes Hoffmann (SPD) als Kultusminister, Edgar Jaffé als Finanzminister und Albert Roßhaupter (SPD) als Militärminister.
Ein provisorischer Nationalrat, der sich aus Vertretern des Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrates, der Gewerkschaften, der Berufs- und Frauenverbände und den Fraktionen der SPD und des Bauernbundes im bayerischen Landtag zusammensetzte, trat an die Stelle des Landtags.
Am 11. November kam es zum Waffenstillstand zwischen den Alliierten und dem Deutschen Reich, der erste Weltkrieg endete.
Am 12. November entband der König die Beamten vom Treueeid auf seine Person, erklärte sich aber nicht bereit abzudanken. Die Revolutionsregierung erlaubte dem König sich in Bayern aufzuhalten und der König erhielt als "Unterstützung" 600.000 Mark. Am 12. November wurde auch die Bayerische Volkspartei gegründet.
Haltung der Öffentlichkeit
Die Stimmung der Bevölkerung schwankte zwischen Hoffnung auf Demokratie und Abneigung gegen die Revolution. Die katholische und die evangelische Kirche standen auf der Seite der Monarchie und sahen in den Linken eine größere Gefahr für Deutschland als in den Rechten. Die Kirchen spielten allerdings für das Schicksal der Räterepublik keine große Rolle. Die gesellschaftliche Struktur blieb trotz der Änderung der Staatsform erhalten. Die Beamten blieben in ihren Stellungen, zum Beispiel Gustav Ritter von Kahr Regierungspräsident von Oberbayern.
Politik der Revolutionsregierung
Da sich die Revolutionsregierung nur als Übergangsregierung sah kam es zu keinen tiefgreifenden Reformen. Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung waren die inhaltlichen Gegensätze zwischen der revolutionäreren USPD und der SPD, die die Revolution eindämmen wollte. Nachdem Eisner nicht durchsetzen kann, dass die Weimarer Verfassung der Zustimmung der Länder bedarf spricht er sich im Regierungsprogramm vom 15. November für einen gemeinsamen deutsch - österreichischen Staat aus und nimmt auch Kontakt zum tschechischen Staatspräsidenten zur Gründung einer Donauföderation auf. Die Föderation soll vor allem von den Ländern gelenkt werden, der Plan scheitert am Eingreifen der Reichsregierung. Die Verstaatlichung der Industrie wurde zurückgestellt, lediglich einige Forderungen der Gewerkschaften wie der Achtstundentag und eine bessere Unterstützung der Arbeitslosen wurden umgesetzt. Die monarchischen Beamten blieben wie im übrigen Deutschland im Amt.
Eisner ernannte entsprechend den Reservatrechten Gesandte für Bern, Berlin, Wien und Prag. Um einen besseren Friedensvertrag für Bayern zu erreichen veröffentlichte er Berichte, die für die Kriegsschuld Deutschlands sprachen und rief damit Empörung hervor. Unter Kultusminister Johannes Hoffmann wurde ein Schulreform zur Aufhebung der geistlichen Schulaufsicht durchgeführt. Die Reform ging in das Vorläufige Staatsgrundgesetz mit ein und hatte auch später Bestand. Der Heraldiker Otto Hupp wurde beauftragt, ein neues Staatswappen zu gestalten.
Wahlen, Mord an Eisner und 2. Revolution
Im Januar begann in ganz Deutschland mit Aufständen in Berlin die zweite Phase der Revolution. In der Regierung gab es eine Kontroverse zwischen den Befürwortern des Rätesystems (USPD) und Befürwortern einer starken Stellung des Parlaments (SPD). Die Befürworter eines starken Parlaments setzten sich durch und der Einfluss der Räte sank im ganzen Land. Auf Druck der SPD fanden am 12. Januar 1919 Wahlen zu einem verfassungsgebenden Landtag statt, vorher wurde jedoch am 4. Januar 1919 ein vorläufiges Staatsgrundgesetz beschlossen. Das Staatsgrundgesetz enthielt keine Elemente des Rätesystems, sondern basierte auf der parlamentarischen Demokratie.
Bei den Wahlen gab es erstmals das Verhältniswahlrecht und das Wahlrecht für Frauen. Die Verlierer dieser Wahl waren der Bayerische Bauernbund mit 9% (16 Sitzen) und die USPD mit 2,5% (3 Sitzen), die Parteien der Revolution. Gewinner waren die Bayerische Volkspartei, die Nachfolgepartei des Bayerischen Zentrums mit 35% (66 Sitzen) und die SPD mit 33% (61 Sitzen). Die DDP erhielt 14% (25 Sitze), DNVP zusammen mit der pfälzischen Mittelpartei 6% (9 Sitze).
Eisner wurde am 21. Februar auf dem Weg zur konstituierenden Sitzung des Landtags, wo er den Rücktritt seines Kabinetts anbieten wollte, vom rechtsradikalen Anton Graf von Arco auf Valley erschossen. Eisner hatte sich die politische Rechte auf Grund seiner jüdischen Abstammung, als "Preuße", seiner Anerkennung der deutschen Kriegsschuld und seines Versuchs, die Sozialistische Internationale wiederzubeleben, zum Feind gemacht. Ein Mitglied des Arbeiter, Soldaten- und Bauernrates erschoss als Rache zwei konservative Abgeordnete und verletzte Erhard Auer schwer. Als Reaktion vertagte sich der Landtag.
Nach einem Aufruf der USPD kam es zu einem Generalstreik. Die Macht übernahm der "Zentralrat der Bayerischen Republik" unter Ernst Niekisch (SPD) und über München wurde der Belagerungszustand verhängt. Am 25. Februar lehnte der 11-köpfige bayerische Rätekongress aus Mitgliedern von USPD, SPD und KPD den Antrag von Erich Mühsam die Räterepublik auszurufen ab. Die Presse wurde zensiert, es gab eine Radikalisierung der bisher eher unblutigen Revolution und eine zunehmende Auseinandersetzung zwischen Vertretern des Rätesystems und des Parlamentarismus.
Neue Regierung
Der Rätekongress bildete am 1. März eine neue Regierung unter Martin Segitz, die aber die Landtagsabgeordneten nicht anerkannten. Am 17. März wählten die Abgeordneten Johannes Hoffmann (SPD) zum neuen Ministerpräsidenten und bestätigten das vorläufige Staatsgrundgesetz.
Im neuen Kabinett war Hoffmann Außenminister und Kultusminister, Martin Segitz (SPD) Innenminister, Ernst Schneppenhorst (SPD) Militärminister und Karl Neumaier (parteilos) Finanzminister. Der Regierung gehörten auch ein Mitglied des Bauernbundes und Mitglieder der USPD an. Es gelang der neuen Regierung nicht, die Spannungen zwischen Anhängern des Rätesystems und des Parlamentarismus abzubauen. Die Regierung und das Parlament mussten nach einer neuerlichen Revolution fliehen, setzten aber ihre Arbeit fort. Am 24. Mai legte die Regierung dem Landtag die neue Verfassung vor, der sie an einen Ausschuss weiterleitete. Am 24. April wurde eine neue Gemeindeverfassung erlassen.
Räterepublik der Schwabinger Literaten (3. Revolution)
Schließlich riefen am 7. April die Literaten Ernst Toller und der Anarchist Erich Mühsam, sowie der ebenfalls anarchistische Philosoph Gustav Landauer die Räterepublik Baiern aus (Photo unten). Die Führung übernahm anfangs Ernst Niekisch, den noch am ersten Tag Toller ablöste. Die neue Führung beendete den Kontakt zur Reichsregierung. Da die Räterepublik nicht von Kommunisten geführt wurde bezeichneten diese sie als Scheinräterepublik.
Auch in vielen Städten, vor allem südlich der Donau, wurde die Räterepublik ausgerufen. Aus der Regierung Hoffmann traten die USPD - Minister und Karl Neumaier aus, die restliche Regierung floh nach Bamberg, wo auch die Bamberger Verfassung entstand. Diese Räterepublik hatte nur geringe Bedeutung und wurde bald abgelöst.
Es kam in München zu Problemen mit der Lebensmittelversorgung und zu einem Generalstreik. Am 13. April (Palmsonntag) kam es unter der Anführung von Heinrich Aschenbrenner, einem Kommandanten der regierungstreuen Republikanischen Schutzwehr, zur Verhaftung von Mitgliedern der Räterepublik. Die Aktion wurde von der Roten Armee unter Soldatenrat Rudolf Egelhofer am selben Tag niedergeschlagen, wobei 17 Personen starben.
Kommunistische Räterepublik (4. Revolution)
Als Reaktion riefen im Hofbräuhaus die Betriebs- und Soldatenräte noch während der Kämpfe die Kommunistische Räterepublik aus. Die gesetzgebende und die vollziehende Gewalt wurden in dieser 2. Räterepublik an einen Aktionsausschuss aus 15 Personen unter Führung von Eugen Leviné übertragen. Von diesem Aktionsausschuss wurde ein aus vier Personen bestehender Vollzugsrat gewählt, dem auch die aus Russland kommenden Eugen Leviné und Max Levien angehörten.
Um die Räterepublik zu schützen, wurde eine so genannte Rote Armee unter Rudolf Egelhofer aufgebaut, die bürgerliche Presse verboten, Lebensmittel beschlagnahmt und ein zehntägiger Generalstreik ausgerufen. Die Führung beabsichtigte, keinen eigenen Weg zu gehen, sondern die Revolution in Bayern zu einem Teil der internationalen Revolution unter Moskauer Führung zu machen und nahm dazu Kontakt zu Russland auf.
Ende der Räterepublik
Inzwischen verbreiteten sich Gerüchte über angebliche Greueltaten in München, die zu einer massiven Gegenbewegung führten. Die Regierung Hoffmann in Bamberg hetzte die Landbevölkerung gegen die "Diktatur der Russen und Juden" in der Stadt auf, die angeblich die Frauen zu Gemeineigentum erklärt hatten. Eine Hungerblockade gegen die Münchner Räterepublik war die Folge. Die Regierung Hoffmann unterstützte die Bildung von Freikorps und bat Reichswehrminister Gustav Noske um Hilfe. Dennoch gelang es nicht, ausreichend bayerische Truppen zu rekrutieren, die bereit waren, gegen ihre Landsleute in München zu kämpfen. So forderte Ministerpräsident Hoffmann (SPD), vom Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) Freikorps aus Berlin an. In der zweiten Aprilhälfte rückten 35.000 Soldaten unter General Burghard von Oven auf München zu. Mit dabei waren Offiziere wie der Franz Ritter von Epp, der bereits bei der Niederschlagung des Boxeraufstandes in China und an dem berüchtigten Massaker an den Hereros in Deutsch Süd-West-Afrika beteiligt war. Viele Soldaten trugen schon das Hakenkreuz, das Symbol der völkischen Thule-Gesellschaft am Helm.
Die Rote Armee konnte anfängliche Gefechte gewinnen aber die 'weiße' Armee aus preußischen und württembergischen Truppen sowie Freikorps besetzte am 20. April Augsburg, wo es daraufhin zu einem Generalstreik kam. Die Bamberger Regierung verhängte am 25. April über München das Standrecht. Es gelang den Revolutionären nicht, ausländische Hilfe zu gewinnen oder den Erzbischof als Geisel zu nehmen. Es gab Spannungen zwischen Mitgliedern der USPD (Toller) und der KPD (Leviné). Am 27. April trat der Aktionsausschuss zurück und es wurde ein neuer Aktionsausschuss, ohne Kommunisten, gewählt.
Am 1. Mai 1919 schloss die 'weiße' Armee München ein und eroberte die Stadt bis zum darauffolgenden Tag vollständig, damit endete die letzte Räteregierung in Deutschland. Der Widerstand der etwa 2000 Kämpfer der "Roten Armee" war insgesamt schwach und blieb auf einige wenige Stellen beschränkt. Die Regierung Hoffmann kehrte daraufhin zurück. Nachdem es beim Vormarsch der Freikorps auf München zu willkürlichen Erschießungen gekommen war, wurden zehn im Münchner Luitpold-Gymnasium festgehaltene Geiseln von Mitgliedern der "Roten Armee" erschossen. Dieser "Geiselmord" galt den Freikorps als zusätzliche Rechtfertigung für ihre Terrorherrschaft in München, die zahlreiche Menschenleben forderte. Das Standrecht wurde am 1. August aufgehoben, am 14. August wurde die Bamberger Verfassung unterzeichnet und der Kriegszustand endete am 1. Dezember.
Ende und Folgen der Revolution
Bei der Niederschlagung der Revolution starben einige Dutzend Revolutionsgegner und Freikorpsoldaten und unterschiedlichen Quellen zu Folge mehr als 600 oder 1000 Revolutionäre und Verteidiger der Münchner Räterepublik. Unter anderem wurden 52 russische Kriegsgefangene von einem Freikorps in einer Kiesgrube bei Gräfelfing erschossen. Gustav Landauer wurde am 2. Mai von Soldaten und Freikorps-Mitgliedern im Gefängnis Stadelheim brutal misshandelt und erschossen. Hunderte wurde wegen falscher Denunziationen verhaftet und hingerichtet, beispielsweise denunzierte ein Pfarrer aus München-Perlach zwölf Arbeiter, die dann von Freikorps ausgeplündert und erschossen wurden. Auch Adolf Hitler, der sich während der Revolutionszeit in München versteckt hatte, denunzierte danach mehrere mit der Räterepublik sympathisierende Kameraden seines ehemaligen Regiments. In den folgenden Wochen wurden über 2200 Unterstützer der Räterepublik zu Haftstrafen verurteilt. Rudolf Egelhofer und Gustav Landauer wurden von Freikorpssoldaten ermordet; nur Max Levien gelang die Flucht. Eugen Leviné, wurde wegen Hochverrats angeklagt und zum Tode verurteilt. Nach seiner Hinrichtung am 5. Juni 1919 kam es u.a. in Berlin zu einem Generalstreik. Erich Mühsam wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt, Toller zu fünf Jahren.
Der auf beiden Seiten entstandene Hass vergiftete lange die politischen Verhältnisse. Die Tatsache, dass einige der führenden Personen jüdischer Abstammung waren (Kurt Eisner, Gustav Landauer und Erich Mühsam, Eugen Leviné) wurde als Grund für Antisemitismus missbraucht. Das Trauma, die Wunden, die Folgen der Revolutionszeit (Hunger, Angst, viele Tote, Hass, Dolchstoßlegende) und Versäumnisse der Revolution (Demokratisierung der monarchistischen Justiz und Verwaltung) waren ein schweres Erbe für die Demokratie und begünstigten den Aufstieg der Nationalsozialisten. Die juristische Aufarbeitung der Münchner Räterepublik nach ihrer Niederschlagung zeigte zum ersten Mal in großem Stil die politische Einseitigkeit der Justiz in der Weimarer Republik: Während rechte Verbrechen gar nicht oder sehr milde bestraft wurden, wurden linke Verbrechen und andere Taten mit aller möglichen Härte des Gesetzes verfolgt. Nach der Niederschlagung der Revolution wurde Bayern zur "Ordnungszelle" in Deutschland. Es wurde die Zuflucht Rechter und 1923 kam es zum Hitlerputsch.
Siehe auch:
Literatur
- Peter Jakob Kock, Franz Menges, Manfred Tremel, Wolf Volker Weigand: Geschichte des modernen Bayern, München: Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit 2000 (Nummer: A 100095, kostenlos)
- Allan Mitchell: Revolution in Bayern 1918/1919, Beck 1967 , ISBN: B0000BSOEO
- Karl Bosl: Bayern im Umbruch. Die Revolution von 1918, ihre Voraussetzungen, ihr Verlauf und ihre Folgen, München/Wien 1969
Weblinks
- http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/revolution/raeterepublik/
- Die Entstehung der Räterepublik in München 1919
- Rede des standrechtlich erschossenen Eugen Leviné
- Ausführliche Informationen
- Rätesystem in der Presse
- Ein Brief kommt nicht an - die Botschaft bleibt erhalten. Otto Gross und die Münchener Räterepublik, von Raimund Dehmlow und Rolf Mader