Andrej Hlinka

slowakischer Priester, Politiker und Nationalistenführer
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Andrej Hlinka (* 27. September 1864 in Černová, heute Stadtteil von Ružomberok (dt. Rosenberg)); † 16. August 1938 in Ružomberok), war ein slowakischer Priester, Politiker und Anführer slowakischer Patrioten/Nationalisten. Er wirkte am Ende des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Leben

 
Andrej Hlinka

Hlinka studierte Theologie am Priesterseminar des Zipser Kapitels, beendete sein Studium im Jahre 1889 und arbeitete dann als Pfarrer in verschiedenen Städten, zuletzt in Rosenberg. Schon früh begann er seine politische Tätigkeit in der christdemokratischen Volkspartei (Ľudová strana), die von Graf Zichy geleitet wurde. Als die Partei das Prinzip der nationalen Toleranz aufgab und sich der von der ungarischen Staatsmacht propagierten Magyarisierung der Slowakei anschloss, trat Hlinka aus ihr aus und wurde zu einem der wichtigsten Wortführer des rechten Flügels der Slowakischen Volkspartei (Slovenská ľudová strana). Im Jahre 1897 wurde er Redakteur der Zeitschrift "Volksnachrichten" (Ľudové noviny), begründete 1906 die slowakische Volksbank (Ľudová banka) und 1910 die slowakische Verlagsgenossenschaft in Pressburg. In der Zwischenzeit 1906 - 1909 saß er nach einem Scheinprozess im Gefängnis weil er sich gegen die Magyarisierung aussprach und slowakischsprachige Schulen verlangte. Im Gefängnis diskutierte er interessanterweise mit dem späteren ungarischen Kommunistenführer Béla Kun und war gleichzeitig als Autor und Übersetzer religiöser Schriften tätig. Nachdem Hlinka selbst vom Heiligen Stuhl für unschuldig erklärt wurde, mussten ihn die ungarischen Behörden schließlich freilassen.

Im Jahre 1918 wurde Andrej Hlinka Mitglied des neugebildeten Slowakischen Nationalrates und unterstützte anfangs die Ideologie der einheitlichen tschechoslowakischen Nation, von der er sich jedoch bald abwandte. In demselben Jahre entstand die neue Slowakische Volkspartei, deren Vorsitzender er wurde. Als solcher fuhr er mit einer Delegation seiner Partei im Sommer 1919 nach Paris, um der Friedenskonferenz die Forderungen der Volkspartei nach weitgehender Autonomie für seine Heimat vorzulegen. 1924 wurde er zum Päpstlichen Kammerherrn ernannt und 1927 zum Apostolischen Protonotar. Im Jahre 1925 nahm seine Partei den Namen "Hlinkas slowakische Volkspartei" (Hlinkova slovenská ľudová strana, HSLS) an, und bis zu seinem Tode war Hlinka ihr Vorsitzender, Chefideologe und Hauptvertreter. Von 1918 bis 1938 war er auch Führer der HSLS-Fraktion im Parlament.

Ideologie

Seine Ideologie war durch Patriotismus/Nationalismus, extremen Klerikalismus, Antikommunismus und Antisemitismus gekennzeichnet. Später kamen auch dazu heftige Vorwürfe gegen den Prager Zentralismus. Hlinka schloss 1938 kurz vor seinem Tode ein Zusammenarbeitsabkommen mit Konrad Henlein und dem Fürst Eszterházy. Hlinka war ein katholischer Priester, für den die Erweckung der slowakischen Volksidentität vor allem die Bewahrung der christlichen Ideale bedeutete; der säkularisierte Staat, sei es in der tschechoslowakischen (demokratischen) oder der italofaschistischen Ausgabe, war für ihn ein Gräuel.

Als seine Partei nach Hlinkas Tod mit seinem früheren Stellvertreter Jozef Tiso an der Spitze die Macht in der 1939 aus den Ruinen der Rumpf-Tschechoslowakei entstandenen 1. Slowakischen Republik übernahm, wurde er zur Kultfigur des neuen Regimes: Man benannte nach ihm einen Orden und schuf zwei Massenorganisationen, die seinen Namen trugen, die Hlinka-Garde (Hlinkova garda), eine Nachahmung der SA und die Hlinkajugend (Hlinkova mládež), eine Nachahmung der Hitler-Jugend.

Nachdem die Tschechoslowakei 1945 erneuert worden war und die Kommunisten 1948 an die Macht gekommen waren, wurde Hlinka hingegen wegen seiner negativen Einstellung zum einen zu den Kommunisten, zum anderen zum Prager Zentralismus, als einer der größten Verbrecher der slowakischen Geschichte dargestellt. Entsprechend sind auch sämtliche Texte, die zwischen 1948 und 1989 über ihn geschrieben wurden, mit größter Vorsicht zu genießen. Im Jahre 1939 brachte die Slowakei eine Münze (5 Kronen) mit seinem Porträt in einer Stückzahl von 5,101,000 heraus. 1947 wurden davon 2,000,000 Stück wieder von der Bank der Tschechoslowakei eingeschmolzen. --Gollmann 15:13, 11. Nov. 2006 (CET)

Nach der samtenen Revolution (1989) wurde das negative Bild, das Hlinka in der Vergangenheit zugeschrieben wurde, korrigiert. Die 1991 erschienene Slovak National Biography nennt ihn "one of the most significant personalities in modern Slovak history, a nationalistic Christian politician and representative of Slovak autonomic efforts". Er ist auch auf der 1000-Kronen-Banknote der heutigen Slowakei abgebildet.

Literatur

  • Andrej Hlinka a jeho miesto v slovenskych dejinach, Bratislava 1991
  • K. Sidor, Andrej Hlinka, Bratislava 1934
  • Ernst Nolte, Die faschistischen Bewegungen, München 1966
  • Slovak National Biography, Martin 1991
  • Encyklopédia Slovenska, Band IV., Bratislava 1980