Oper

musikalische Gattung des Theaters
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Als Oper (ital. opera in musica, von lat. opus - Arbeit, Werk) bezeichnet man seit etwa 1650 eine musikalische Gattung, in der eine szenisch-dramatische Handlung durch Musik gestaltet wird. Zur Gesamtwirkung der Oper vereinigen sich:

Bühnenbild zur Zauberflöte von Karl Friedrich Schinkel
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Aufführung der "Verkauften Braut" 1913-22 in Prag

Hierbei wird vor allem die Musik zum Träger der Handlung, der Stimmung und der Gefühle - im Gegensatz zur simultanen Untermalung eines Sprechstücks mit Musik (Melodram) oder der einlagenartigen musikalischen Auflockerung einer Handlung (Singspiel, Bühnenmusik).

Die Vielfalt der zusammenwirkenden Künste schafft viele Möglichkeiten für eine Oper, Gestalt anzunehmen, lässt aber auch Widersprüche entstehen. Die Musikgeschichte kennt daher viele unterschiedliche Ausprägungen der Oper.

Als „Oper“ bezeichnet man auch das Opernhaus (die Aufführungsstätte) oder die aufführende Kompagnie.

Form

Nummernoper

Formal gesehen ist die Oper von der Barockzeit bis in die Romantik hinein eine Aneinanderreihung verschiedener, aber in sich geschlossener Musikstücke (Nummernoper), die durch Rezitative oder (im Singspiel) gesprochene Dialoge miteinander verbunden werden und eine durchgängige Handlung darstellen. Wie auch im Schauspiel kann eine Oper in Akte, in Bilder, in Szenen bzw. Auftritte gegliedert sein. Die musikalischen Bestandteile der Oper sind vielfältig zusammengesetzt, haben aber nicht alle die gleiche Gewichtung. In jeder Oper werden sie, der Handlung oder den Absichten des Komponisten entsprechend, in unterschiedlichem Ausmaß eingesetzt. Möglich sind:

  • Ein anfangs eigenständiges Musikstück ist die Ouvertüre, ital. oft Sinfonia, die eine Oper oder einen Akt eröffnet. Oft wird thematisches Material aus der jeweiligen Oper zitiert (z. B. in HumperdincksHänsel und Gretel“), oder die Ouvertüre schildert die wesentlichen Züge der Handlung im Voraus (Programmouvertüre, z. B. „Der Freischütz“, Carl Maria von Weber). Klassische und romantische Ouvertüren werden auch separat von der Oper als Konzertstücke für Orchester eingesetzt. Deshalb liegen für eine Ouvertüre manchmal zwei Schlüsse vor: Einer, der direkt in die Oper überleitet, und ein sogenannter Konzertschluss.
  • Das Vorspiel ist meist kürzer als eine Ouvertüre und geht oft direkt in die Musik der Szene über (z. B. „Der Rosenkavalier“, Richard Strauss).
  • Ein Zwischenspiel, französisch Entr'acte, verbindet unterschiedliche Akte, Bilder oder Szenen. Sie werden häufig für rasche Umbauten des Bühnenbildes genutzt. Innerhalb der Opernakte finden sich manchmal Ballettmusik bzw. Tänze (z. B. in Wagners „Tannhäuser“), Märsche, seltener Pantomimen, Auftrittsmusiken etc. In seltenen Fällen werden auch Zwischenspiele getrennt von der Oper als Konzertstücke aufgeführt ("Four Sea Interludes" aus Benjamin Brittens Oper "Peter Grimes").
  • Gesangsnummern als geschlossene Form:
  • Die Arie ist der Oberbegriff für alle Sologesänge in der Oper. Andere Bezeichnungen für Solostücke können sein: Lied, Couplet, Ariette, Cabaletta, Romanze, Ballade etc. Arien sind oft die publikumswirksamsten und bekanntesten Teile einer Oper und werden einzeln, manchmal mit Rezitativ, außerhalb des Opernrahmens in Konzerten gegeben. Die Arie beschreibt meistens einen Gefühlszustand, Erinnerungen oder Gedanken der singenden Figur und lässt so die dramatische Handlung stillstehen.
  • Ensembles für mehrere Stimmen: Duett, Terzett, Quartett etc. Ensembles stellen meist das Finale einer Oper nach dem ersten oder letzten Akt dar und führen auch oft die Handlung weiter (Bsp. „Don Giovanni“, W. A. Mozart).
  • Der Chor bietet Abwechslung zu den Solostücken und stellt in den meisten Fällen das Volk dar. Einige Opern bieten Chören einen Hauptschwerpunkt, der die solistischen Stücke vergessen lässt. (z. B. „Boris Godunow“ von Modest Mussorgski). Auch diese Stücke können außerhalb der eigentlichen Oper im Konzert gesungen werden.
  • Eine Sonderform nimmt hier das französische Vaudeville ein, ein von mehreren Solisten gesungenes bekanntes Strophenlied, oft mit gemeinsamem Refrain.
  • Introduktion, Zwischenspiel und Finale sind längere ein- bzw. überleitende oder einen Akt beschließende Formen mit wechselnden Formen und Besetzungen.
  • Gesangsnummern mit Handlung schildernder Funktion:
  • Das Rezitativ ist ein vertonter Text, der sehr dem Sprachverlauf der Worte folgt. Es dient dazu, die Handlung innerhalb einer Oper voranzutreiben und Überleitungen zwischen den Musikstücken herzustellen. Hierbei werden manchmal Recitativo secco und Recitativo accompagnato unterschieden, wobei das erstere Rezitativ nur mit Cembalo begleitet wird, das zweite mit Orchester.
  • Die Szene, ital. Scena, entstand im 19. Jh. aus dem Rezitativ und wird mit Orchester begleitet. Meist schließt sich daran eine Arie an.
  • Das Melodram bezeichnet musikbegleitetes Sprechen. (In Ludwig van Beethovens Oper „Fidelio“ wird das Melodram innerhalb einer Oper eingesetzt, um zu zeigen, dass das Grauen der Hauptheldin Leonore, als sie ihrem eigenen Mann das Grab schaufeln soll, sich nicht mehr mit Musik ummänteln lässt. Diese Szene bleibt jedoch die Ausnahme in der Gattung.) Das Melodram bildet eine eigenständige Form, die ganze Werke umfasste, ist aber heute von den Theatern verschwunden. Auf die Wirkung eines Melodrams greift die heutige Filmmusik in hohem Maße zurück.

Durchkomponierte symphonische Großform

Richard Wagner schuf ab der Mitte des 19. Jahrhunderts eine neue Form, die die musikalische Nummernstruktur ersetzte und in welcher sich Musik und Dichtung zu einem durchkomponierten sinfonischen Ganzen verbinden. Wagners Opern bezeichnet man als Musikdrama, das eine unendliche Melodie zum Ideal hat. Sein Werk „Tristan und Isolde“ bezeichnete Wagner dementsprechend nicht als Oper, sondern als Handlung in Musik, was an die ursprünglichen Opernbegriffe "Favola in musica", oder "dramma per musica" erinnert. Dementsprechend schwierig ist es, aus durchkomponierten Opern Ausschnitte zur Darbietung in Konzerten zu finden.

Die durchkomponierte Oper ist im Prinzip für alle Komponisten nach Wagner maßgeblich, auch wenn viele Komponisten immer wieder auf geschlossene Formen in Opern zurückgegriffen haben (z. B. Zoltán Kodály oder Kurt Weill). Einige Nummernopern haben durchaus die Tendenz zur durchkomponierten Oper, sind aber nicht vollständig durchkomponiert. Die Nummernoper lebt außerdem in Operette und Musical weiter.

Unterarten

In der Geschichte der Oper unterscheidet man grob zwei Traditionsstränge, die sich jedoch vielfach berühren und mischen: Zum einen die dramatischen, tragischen oder ernsten Werke, zum anderen alles, was sich im Bereich der Komödie abspielt. Dazwischen bewegt sich die Opera semiseria als Vertreterin der Tragikomödie.

Die Urform sowohl tragischer als auch komischer Werke ist im italienischen (neutralen) Begriff Dramma per musica enthalten, wie in der Anfangszeit die Oper betitelt wurde. Der ursprünglich seriöse Anspruch resultiert aus dem Rückgriff auf antike Theaterstoffe - insbesondere Tragödien - und epische Heldendichtungen, die allerdings immer mehr von zeitlich näherliegenden historischen Sujets verdrängt wurden. Ein typisches Beispiel für die frühe ernste Oper ist "Il ritorno d'Ulisse in patria" von Claudio Monteverdi. Da die Trennung beider Opernstile noch nicht zwingend notwendig war, bezeichnete man auch heitere Werke als Dramma per musica, z. B. "Il matrimonio segreto" von Domenico Cimarosa. (Im Italien des 19. Jahrhunderts wurde der Begriff als Melodramma weitergeführt. Sowohl Bellinis tragische Oper "Norma" als auch die komödiantische Oper "L'elisir d'amore" von Donizetti gehören dieser Kategorie an.)

 
Gemälde einer Theaterszene von H. Daumier
  • Tragische Opern
Als fester Begriff etablierte sich die Opera seria erst im 18. Jahrhundert. Mischformen oder tragikomische Inhalte waren mit dieser Titelbezeichnung ausgeschlossen. Händels Oper "Radamisto" ist ein typisches Werk. Als Antipol zu Italien verlieh Frankreich ihrer eigenen Form der Opera seria den Titel Grand Opéra. Dazu zählt z.B. "Les Troyens" von Hector Berlioz. Ebenfalls in Frankreich entstand die Tragédie lyrique, wesentlich geprägt durch Lully und das Ballett am Hofe Louis' XIV.
Das stark ineinander verflechtende, durchkomponierte Musikdrama des reiferen Wagners ("Lohengrin") findet im Ausland nur in Debussy eine Entsprechung, der den anlehnenden Begriff Drame lyrique für seine Oper "Pelléas et Mélisande" verwendete. Später konnten die Stoffe auch aus Roman, Theaterstück und Novelle stammen. Opern, die direkt nach diesem Vorbild komponiert wurden, nennt man Literaturoper. "Death in Venice" bzw. "Tod in Venedig" von Benjamin Britten nach der Vorlage von Thomas Mann ist eine recht direkte Umsetzung des literarischen Stoffes in Musik.
  • Heitere, komische Formen enthalten häufig gesprochene Szenen und führen historisch weiter zu Operette und Musical, wobei auch hier die Grenzen fließend sind. Die Stoffe stammen aus dem Volkstheater und der Komödie, ebenso kann hier Bezug auf bereits existierende Schauspiele genommen werden wie in Verdis letzter Oper "Falstaff". Stark beeinflusst sind die heiteren Opern weiterhin durch die italienische commedia dell'arte, aber auch durch die deutsche Hanswurstiade, Posse und Schwank.
Die Opera buffa ist die Urform der heiteren Opern, in Deutschland wurde dieser Begriff als Komische Oper übersetzt. Beispiele sind "Il Barbiere di Siviglia" von Gioacchino Rossini, "Der Waffenschmied" von Albert Lortzing.
Das Singspiel ist in Anlehnung an die italienische Opera buffa entstanden. Zunächst verstand man hierunter eher ein "Schauspiel mit Musik", wobei der musikalische Anteil später immer mehr zu überwiegen begann. Es trägt oft volkstümlich-bürgerlichen Charakter, ist geprägt von einfachen Lied- bzw. Rondoformen und verwendet statt Rezitativen deutsche Dialoge, gelegentlich auch Melodramen zwischen den musikalischen Nummern. "Die Entführung aus dem Serail" von Wolfgang Amadeus Mozart ist eines der bekanntesten Singspiele. Mozart benutzt hier die Form zur Darstellung auch ernster Inhalte und bedient sich für die Arien auch komplexerer musikalischer Formen, als sie für das Singspiel typisch waren.
Die französische Form des Singspiels war die Opéra comique. Sie musste nicht unbedingt heiteren Inhalts sein, grenzte sich aber zur Grand Opéra ab, indem ohne Ballett und mit gesprochenen Dialogen gearbeitet wurde. Eines der berühmtesten Werke aus der Sparte opéra comique ist "Carmen" von Georges Bizet).
  • Tragikomödien
Die Opera semiseria bildet eine Mischform zwischen beiden Grundtendenzen. Neben der Haupthandlung finden sich komische Nebenfiguren und -szenen ein.
Der Begriff der Kammeroper bezieht sich auf ein mit geringem Personal realisierbares Werk. Die Anzahl der Sänger ist in der Regel nicht mehr als fünf, das Orchester wird ebenfalls auf ein kleines Kammerorchester begrenzt. Auch die Bühne ist oftmals kleiner, was deutlich zu einer eher beengenden Atmosphäre beitragen kann, die für die Wirkung des Werkes von Vorteil ist. Ein Beispiel dafür ist "Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte" von Michael Nyman.

Diese Bezeichnungen dienen nur zur genaueren Klassifizierung und wurden, wo nötig, um weitere Untertitel bereichert. Luciano Berio verwandte für sein Werk "Passaggio" z.B. den Begriff Messa in scena ("Inszenierung"), der in keiner weiteren Oper sonst verwendet wird. George Gershwin beschrieb sein Werk "Porgy and Bess" als "An American Folk Opera". Um sich von der Idee der Oper abzugrenzen, bevorzugen moderne Komponisten oft alternative Bezeichnungen wie etwa "azione musicale" (musikalische Handlung) ("Un re in ascolto", Luciano Berio). Damit soll klar verdeutlicht werden, dass die Handlung auf der Bühne das eigentlich Wichtige darstellt.

Andere Werke heißen schlicht "Oper" oder "Opéra" und führen keine weitere Unterbezeichnung im Titel.

Geschichte

Vorgeschichte

Bereits im antiken griechischen Theater verband man szenische Aktion mit Musik. Der Chor hatte hierbei eine tragende Rolle: Chorgesang wurde einerseits zu den pantomimischen Tänzen herangezogen, welche das Theaterstück in verschiedene Teile gliederten; andererseits hatte der Chor auch die Aufgabe, die Handlung kommentierend zu begleiten (Bsp. "Antigone", Sophokles). Es ist nicht bekannt, ob die Römer diese Tradition übernommen hatten. Mit der Zerstörung der römischen Theater im 6. Jahrhundert sind Aussagen hierüber nicht mehr zu belegen - das gilt auch für alle anderen Aktivitäten, die das Theater betreffen.

Im Mittelalter wurde die Tradition von musikbegleiteter Handlung fortgesetzt. Geistliche Themen wurden herangezogen, um dem einfachen Volk die Aussage der Bibel anschaulicher zu machen. Ganze Teile eines Gottesdienstes wurden mit den Mitteln des Theaters dargestellt. Beliebtes Thema war dabei die Geburt oder Auferstehung Christi. Dabei wurde durch das ganze Stück hindurch gesungen. Bei bedarf, wenn es das Stück verlangte, wurden auch Instrumente eingesetzt. Daraus entstanden die auch außerhalb der Kirche aufgeführten Mysterienspiele. Weltliche Stücke, wie z. B. kurze Komödien, wurden in einigen Szenen nur teilweise mit Musikeinlagen unterstützt. Adam de la Halles melodienreiches Stück "Jeu de Robin and Marion", das um 1280 geschrieben wurde, bildet hier eine Ausnahme.

Auch in Intermedien, Tanzspielen, Masken- und Triumphaufzügen der Renaissance findet man die Verbindung von Szene und Musik. Tanzspiele fanden zur Zerstreuung des höfischen Adels statt und konnten auch die Zuschauer mit einbeziehen, wenn das Stück zuende ging. Aus der Theaterhandlung wurde dann in einen allgemeinen Maskenball mit Tanz übergeleitet, der für alle anwesenden bestimmt war. Zum Schluss der Veranstaltung wurden die Masken abgenommen. Maskenumzüge waren hingegen zur Belustigung des Volkes gedacht.

Der früheste dokumentierte Versuch in Deutschland, eine dramatische Handlung mit singenden Protagonisten und Musik in einem Bühnenbild aufzuführen, ist die Aufführung von Orpheus und Amphion auf einer Simultanbühne anlässlich der Jülichschen Hochzeit von Johann Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg mit Markgräfin Jakobe von Baden in Düsseldorf 1585. Als möglicher Komponist der nicht überlieferten Musik wird Andrea Gabrieli genannt. Die Musik sei so schön gewesen, "daß es denselben / so dazumahl nit zugegen gewesen / und solchen Musicum concentum & Symphoniam gehört haben /onmüglich zu glauben." Die Handlung war freilich primär eine Allegorese im Sinne eines Fürstenspiegels.

Entstehung der Oper

Die Oper im heutigen Sinn entstand Ende des 16. Jahrhunderts in Florenz. Die Florentiner Camerata, in der die Oper entstand, war ein akademischer Gesprächskreis, in dem sich Dichter (z.B. Ottavio Rinuccini), Musiker, Philosophen, Adlige und ein Kunstmäzen - zunächst übernahm Graf Bardi diese Rolle, später Graf Corsi- zusammen fanden. Man versuchte, die antike Form und die Vertonungsprinzipien der griechischen Tragödie wiederzubeleben. Vincenzo Galilei, Vater des Astronomen, gehörte ebenfalls dieser Gruppe an. Er entdeckte Hymnen des Mesomedes, die heute verloren sind, und schrieb ein Traktat gegen die niederländische Polyphonie - einer der deutlichsten Beweise für den gewünschten musikalischen Stil.

Das verständliche Wort war für die Florentiner Camerata in der Vokalmusik das wichtigste. Eine klare, einfache Gesangslinie wurde zum Ideal erklärt, der sich die sparsame Generalbass-Begleitung mit wenigen und leisen Instrumenten - Laute, Cembalo - unterzuordnen hatte. Großartig ausformulierte melodische Ideen waren allerdings ebenso unerwünscht, um den Inhalt des Wortes nicht mit zuviel Gesang zu verschleiern. man sprach sogar von einer "noblen Verachtung des Gesangs". Diese Art des Singens nannte man recitar cantando, rezitierenden Gesang. Die außerordentliche Schlichtheit und Beschränkung des recitar cantando ist als ein Gegensatz zur vorherrschenden Polyphonie zu sehen, die mit ihren komplexen Ton- und Textschichtungen den Inhalt der Werke vollends verschleiern konnte. Mit der Monodie sollte das Wort wieder zu seinem vollen Recht kommen. Neu an dieser Art zu singen war, dass durch die Worte direkte subjektive Gefühle, sog. Affekte, transportiert werden konnten.

 
Claudio Monteverdi

Als erstes Werk der Gattung Oper gilt "La Dafne" von Jacopo Peri (1597) auf einen Text von Rinuccini, von dem bis auf ein paar Fragmente kein Notentext erhalten geblieben ist. Weitere wichtige Werke aus der Anfangszeit der Oper sind "L'Euridice" von Jacopo Peri (1600) als älteste erhaltene Oper sowie "Euridice" (1602) und "Il Rapimento di Cefalo" von Giulio Caccini. Die erste deutsche Oper ist 1627 die (verschollene) Daphne von Heinrich Schütz, der die Form der Oper bei seinem Studienaufenthalt 1609-1613 in Italien kennen gelernt hatte.

Besondere Bedeutung hat Claudio Monteverdis erste Oper "L’Orfeo" (1607). Hier sind im Vergleich zu seinen Vorgängern erstmals eine reichere Instrumentation (wenngleich diese in der Partitur meist nur angedeutet ist), ausgebautere Harmonik, tonmalerisch-psychologische und bildhafte Ausdeutung von Wort und Figuren sowie eine personencharakterisierende Auswahl der Instrumente zu hören. Monteverdi verbreitert die Einstimmigkeit des recitar cantando zu einem arienhafteren Stil um. Auch die Chöre erhalten größeres Gewicht. Zwar nimmt seine persönliche Entwicklung im "Orfeo" erst ihren Anfang, seine Spätwerke "Il ritorno d’Ulisse in patria" (1640) und "L’incoronazione di Poppea" (1643) stellen aber in Hinblick auf die Musikdramatik Höhepunkte der gesamten Opernentwicklung dar.

Arie des orfeo
Arie des orfeo

Das 17. Jahrhundert

Das erste öffentliche Opernhaus, das Teatro San Cassiano in Venedig, wurde 1637 eröffnet. Historische Darstellungen verdrängten bald die mythischen Stoffe der ersten Opern, allen voran ging darin Monteverdi mit "L'incoronazione di Poppea". Die venezianische Oper entwickelte sich rasch und bezog komische Randfiguren in die Handlung mit ein. Zu den Opern kamen vornehmlich Angehörige des Bürgertums, den Spielplan bestimmte der geldgebende Adel anhand des Publikumsgeschmacks. Die feingeistige Oper wurde kommerzialisiert und dementsprechend vereinfacht. Die Da-capo-Arie mit vorangestelltem Rezitativ prägte für lange Zeit den Stil des Sologesangs in der Oper, Chöre und Ensembles wurden dementsprechend gekürzt. Verwechslungen und Intrigen bildeten das Grundrepertoire für die Handlungen, die mit komischen Szenen der beliebten Nebenfiguren angereichert wurden. Francesco Cavalli war neben Claudio Monteverdi und Antonio Cesti einer der produktivsten Opernkomponisten der Zeit.

 
Jean-Baptiste Lully

Die Librettisten erhielten ihr Geld durch den Verkauf von Textheftchen, die komplett mit Wachskerzen zum Mitlesen vor der Vorstellung verteilt wurden, und hatten keine Gelegenheit, damit einen Lebensunterhalt zu verdienen. Der Anwalt Gian Francesco Busenello und Giovanni Faustini galten in der Textdichtung als stilbildend und wurden häufig nachgeahmt. Im reicheren Rom erhielten Maschineneffekte und Chöre ein größeres Gewicht.

Georg Friedrich Händel war zu dieser Zeit einer der produktivsten Opernkomponisten, allerdings nicht immer erfolgreich. Sein Wirken in London zog die Zuhörer aufgrund mehrerer unglücklicher Umstände nicht wie gewünscht in seinen Bann, u.a. wegen der starken Konkurrenz durch den berühmten Kastraten Farinelli, der in der rivalisierenden Operntruppe sang. Die Qualität seiner Werke bleibt davon jedoch unberührt. Vor allem "Alcina" und "Xerxes" sind zu beliebten Händel-Opern geworden.

In Paris entwickelte Jean-Baptiste Lully zusammen mit seinem Librettisten Philippe Quinault den französischen Typ der Oper, dessen herausragendstes Merkmal neben den häufigen Chören das Ballett ist. Lully schrieb "L'ercole amante (der verliebte Herkules)", ursprünglich eine Oper von Cavalli, zu einer französischen Version um und fügte u.a. Ballette ein, die letztendlich mehr Beifall fanden als die Oper an sich. "Cadmus et Hermione" bildete schließlich die erste vollständig eigene Tragédie lyrique aus und blieb modellhaft für alle nachfolgenden Opern Frankreichs der Zeit. Dennoch versuchten Lullys Nachfolger Marc-Antoine Charpentier und André Campra, die französische Oper und die italienische miteinander zu versöhnen.

Das 18. Jahrhundert

Die Generalbassbezifferung der frühen Opern verschwand nach und nach zugunsten einer ausnotierten Orchesterfassung. Einerseits war die Tragédie lyrique mit ihrem volleren Instrumentarium dafür ausschlaggebend, andererseits die italienische Tendenz, aus dem ursprünglichen dramma per musica ein Arienkonzert zu machen. Die typischen Instrumente des Generalbass (z. B. Basslauten) wurden durch die Streichergruppe ersetzt - einzig das Cembalo blieb erhalten und nahm meistens eine Hauptrolle bei den noch nicht ausinstrumentierten secco-Rezitativen ein.

Die inzwischen fünfteiligen Da-capo-Arien mit der Abfolge AA'-B-AA'entwickelten sich zu weiteren spezifischen Untergruppen:

  • Der Aria di bravura (dt. Bravourarie), die mit überreichen Koloraturen versehen ist
  • Der Aria cantabile mit schöner Linienführung
  • Der Aria di mezzo carattere mit deutlich ausgeprägter Orchesterbegleitung
  • Der Aria concertata mit konzertierenden Instrumenten
  • Der Aria parlante, die heftige Gefühlsausbrüche schilderte.

Zusätzlich konnte der Star des Abends noch eine Aria baule (sog. "Koffer-Arie") einschieben, die ihm Gelegenheit gab, sich von seiner besten Seite zu präsentieren. Mit der eigentlichen Handlung hatte die Arie allerdings nichts zu tun. Durch diese relativ übersichtliche Auswahl an Unterformen konnten Arien relativ ungehemmt miteinander vertauscht oder mehrfach verwendet werden. Zunehmend wurde der Belcanto-Gesang zu einer Darstellung virtuoser Gesangstechniken, die extreme Spitzentöne, geschmeidige Triller und weite Sprünge als normal umfassten.

Das allgemeine Handlungschaos der gängigen Oper, entstanden aus dem Bedürfnis, vielen Geschmäckern zugleich gerecht zu werden, schreckte die italienischen Librettisten Apostolo Zeno und Pietro Metastasio ab. Ihr Verdienst ist es, ein von überflüssigen Seitenhandlungen, mythischen Allegorien und Nebenfiguren völlig befreites Libretto als Grundlage der neuen Oper geschaffen zu haben. Auf dieser Grundlage konnte die Opera seria sich als schlüssiges, ernsthaftes Werk behaupten. In ausgeklügelten Versen werden die Hauptfiguren der Oper nach und nach in ein scheinbar unlösbares Dilemma geleitet, das sich zum Schluss durch einen unverhofften Einfall zum Guten wendet (lieto fine).

 
Wolfgang Amadeus Mozart

Durch diese konsequente Trennung konnten die komischen Parteien ihre eigene Oper entwickeln, die heitere Opera buffa, die aus dem reichen Fundus der Commedia dell'arte schöpft. Hier hatten die Verwechslungskomödien ihr eigenes Spielfeld gefunden. Das Personal besteht meist aus einem adligen Liebespaar und zwei Untergebenen, oft Magd und Diener, die hier als echte Hauptpersonen fungieren können, statt wie vorher nur bemerkenswerte Nebenfiguren zu sein. Kastratenpartien wurden in der Opera buffa vermieden, stattdessen wurden realistischere Stimmlagen für Männerpartien eingeführt und bald zur Selbstverständlichkeit.

Frankreichs Pendant zur in Paris umstrittenen Opera buffa wurde die Opéra comique. Die Rezitative wurden durch gesprochene Dialoge ersetzt. Auch dieses Modell fand im Ausland Erfolg. Die neue Einfachheit und Lebensnähe schlägt sich auch in kleineren Arietten und nouveaux airs, die im Unterschied zu den allseits bekannten Vaudevilles neu komponiert wurden, nieder.

Christoph Willibald Gluck war es schließlich, der mit seinen Opern "Orfeo ed Euridice" und "Alceste" die ernste Oper aus Italien und Frankreich vermischte und damit auf eine neue Stufe hob (Opernreform). Der konsequent einfach gehaltene Handlungsablauf, gestaltet von Ranieri Calzabigi, kommt ohne komplexe Intrigen aus, die Zahl der Protagonisten schrumpft.

Auch Wolfgang Amadeus Mozart fand seinen eigenen Weg, mit der ihm teuren Tradition der italienischen Oper umzugehen, ohne in deren alten Stil zu verfallen. Er schaffte es in seinem Don Giovanni, Opera seria und Opera buffa wieder einander anzunähern. In "Die Zauberflöte" verband Mozart Elemente der Oper mit jenen des Singspiels und des lokal vorherrschenden Alt-Wiener Zaubertheaters, das seine Wirkung besonders aus spektakulären Bühneneffekten und einer märchenhaften Handlung bezog. Mozart-Opern (und insbesondere die "Zauberflöte") gehören bis heute zum Standardrepertoire eines Opernhauses.

Das 19. Jahrhundert

 
Carl Maria von Weber

Die Französische Revolution und der Aufstieg Napoleons zeigten ihre Auswirkungen auf die Oper am deutlichsten bei Ludwig van Beethovens einziger Oper "Fidelio" bzw. "Leonore". Dramaturgie und musikalische Sprache orientierten sich deutlich an Luigi Cherubinis "Médée" (Medea, 1797). Die Handlung beruht auf einer wahren Begebenheit innerhalb der Revolution, und der Freiheitsdrang der ursprünglichen Volksbewegung zeigt sich deutlich als Ideal der Oper. "Fidelio" kann zum Typus der "Rettungsoper" gezählt werden, in der die Errettung eines Menschen aus großer Gefahr der Gegenstand ist. Nach der Zauberflöte und dem Fidelio brauchte die deutsche Kulturlandschaft mehrere Anläufe, um schließlich in der Romantik eine eigene Opernsprache zu entwickeln. Eine der wichtigsten Vorstufen hierzu lieferte E.T.A. Hoffmann mit seiner romantischen Oper "Undine".

Carl Maria von Weber war es schließlich, der aus der Tradition des Singspiels mit viel dramatischen Farbenreichtum im Orchester die deutsche Oper in Gestalt des "Freischütz" 1821 gebührend aufleben ließ. Sein wegen des schlechten Textbuches kaum gespieltes Werk "Oberon" maß dem Orchester soviel Bedeutung zu, dass sich später namhafte Komponisten wie Gustav Mahler, Claude Debussy und Igor Strawinsky auf ihn beriefen.

Weitere Komponisten der deutschen Romantik waren der als Opernkomponist kaum bekannte Franz Schubert, dessen Freunde ihm keine kongeniale Textvorlage liefern konnten, Heinrich Marschner, der mit seinen Opern um übernatürliche Ereignisse und Naturschilderungen ("Hans Heiling") großen Einfluss auf Richard Wagner ausübte, Albert Lortzing mit seinen Spielopern "Zar und Zimmermann" sowie "Der Wildschütz" und schließlich Otto Nicolai, der mit den "lustigen Weibern von Windsor" etwas italianità in die deutsche Oper trug.

In Frankreich herrschte zunächst die in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelte Form der Opéra comique vor . Daniel-François-Esprit Auber gelang mit seiner Oper "La Muette de Portici", deren Titelheldin von einer stummen Ballerina dargestellt wurde, der Anschluss an die Grand Opéra. Der Librettist Eugène Scribe war zu dieser Zeit einer der gefragtesten Dichter. Die Grand Opéra verzichtete in ihren Haupthandlungen weitgehend auf Liebesgeschichten, historisch-politische Motive blieben im Vordergrund. Etwa ab 1850 vermischten sich beide Formen zu einer Opernform ohne Dialoge. Georges Bizet schrieb 1875 sein bekanntestes Bühnenwerk Carmen noch als Opéra comique. Beispiele für diese Entwicklung sind Charles Gounods "Faust" von 1859 und Jacques Offenbachs "Les contes d'Hoffmann" bzw. "Hoffmanns Erzählungen" (1871-80). Dies führte zur durchkomponierten Tragédie lyrique des Jules Massenet.

 
Modest P. Mussorgski

Schließlich trat auch Russland mit seinen ersten Nationalopern auf den Plan, genährt durch den Import anderer Erfolge aus dem Westen. Michail Glinka komponierte 1836 mit "Iwan Sussanin" (oder auch: Ein Leben für den Zaren) das erste Werk mit russischen Sujets, war aber musikalisch noch stark westlichen Einflüssen verhaftet. Modest Mussorgski gelang die Lösung von ihnen erfolgreich mit "Boris Godunow" nach einem Drama von Alexander Puschkin. Auch Borodins "Fürst Igor" führte Glinkas Erbe weiter. Peter Tschaikowsky stand zwischen den russischen Traditionen und denen der westlichen Welt und entwarf ein bürgerliches Liebesdrama mit "Eugen Onegin", das ebenfalls auf einer Vorlage von Puschkin beruht.

In Tschechien waren Bedřich Smetana und Antonín Dvořák die meistgespielten Komponisten der Nationaloper, die mit Smetanas "Libussa" im neuen Nationaltheater in Prag ihren Anfang nahm. "Die verkaufte Braut" desselben Komponisten wurde zum Exportschlager. Dvořaks Oper "Rusalka" verknüpfte volkstümliche Sagen und deutsche Märchenquellen zu einer lyrischen Märchenoper, Leoš Janáček und Bohuslav Martinů führten ihre Bestrebungen weiter.

Italien verfiel ab dem Jahr 1813, wo seine elfte Oper "L'Italiana in Algeri" aufgeführt wurde, dem jungen und überaus produktiven Belcanto-Komponisten Gioacchino Rossini. "Il Barbiere di Siviglia" (1816) und "La Cenerentola" nach dem Aschenputtel-Märchen von Charles Perrault sind bis heute im Standardrepertoire der Opernhäuser zu finden. Federnder Rhythmus im Orchester und eine nie überfordernde Behandlung der Singstimme ließen Rossini zu einem der beliebtesten Komponisten Europas werden. Die bis dato noch üblichen Verzierungen der Sänger schrieb Rossini dezidiert in seine Partien hinein und unterband damit ausufernde Improvisationen. Eine neue formale Idee verwirklichte er mit seiner scene ed arie, die den starren Wechsel Rezitativ-Arie auflockerte und doch das Prinzip der Nummernoper aufrecht erhielt. Seine eigene politische Grand Opéra verfasste er über "Wilhelm Tell" (ital.: Gulliaume Tell), die in Österreich verboten und an verschiedenen europäischen Orten in entschärfter Fassung mit anderen Haupthelden aufgeführt wurde.

 
Giuseppe Verdi

Gaetano Donizetti war ein nicht minder erfolgreicher Opernkomponist. "Lucia di Lammermoor" mit der berühmten koloraturreichen Wahnsinnsszene hält sich neben den heiteren Opern "Don Pasquale", "L'elisir d'amore" und "La fille du régiment" konsequent auf den Spielplänen der Opernhäuser. Vincenzo Bellini, ein von Maria Callas wieder der Vergessenheit entrissener Komponist, verfasste im Gegenzug große tragische Belcanto-Opern wie "I Puritani", "I Capuleti ed i Montecchi" und "Norma´" (1831), deren Arie "Casta diva" zu den berühmtesten der Welt gehört.

Die weitgespannten Melodiebögen Bellinis machten starken Eindruck auf den jungen Giuseppe Verdi. Seit seiner dritten Oper "Nabucco" galt er als Nationalkomponist für das immer noch von den Habsburgern beherrschte Italien. Der Gefangenenchor "Va, pensiero, sull' ali dorate" entwickelte sich zur heimlichen Nationalhymne des Landes. In seinen von Arrigo Boito gedichteten Opern nehmen Chorszenen zunächst eine wichtige Stellung ein. Verdi verließ zunehmend die traditionelle Nummernoper; ständige emotionale Spannung verlangte nach einer abwechslungsreichen Durchmischung der einzelnen Szenen und Arien. Mit "Macbetto" wandte sich Verdi endgültig von der Nummernoper ab und ging seinen Weg der intimen Charakterschilderung von Individuen weiter, bis er mit "Otello" und der überraschenden Komödie "Falstaff" die Komposition aufgab. Hier das Thema des erwähnten "Gefangenenchores".

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Richard Wagner schließlich formte die Oper so grundlegend nach seinen Ideen um, dass die oben genannten deutschen Komponisten neben ihm schlagartig verblassen mussten. Mit "Rienzi" erlebte der bis dahin eher glücklose Wagner seinen ersten Erfolg in Dresden. Er konnte mit der Unterstützung von Ludwig II. schließlich sein eigenes Festspielhaus in Bayreuth eröffnen, das spezifisch für seine Werke vorgesehen war. Spezielle Wagner-Themen seiner fast durchweg ernsten Opern sind Erlösung durch Liebe, Entsagung oder Tod. In "Tristan und Isolde" verlegte er das innere Drama der Hauptfiguren in die Musik - die äußere Handlung der Oper ist erstaunlich ereignisarm. Mit dem "Ring der Nibelungen", dem wohl bekanntesten Opernzyklus in vier Teilen mit etwa 16 Stunden Aufführungszeit insgesamt, schuf Wagner sein Lebenswerk. "Parsifal" war die letzte seiner Opern, die die Musikwelt in zwei Lager spalteten und sowohl Nachahmer (Engelbert Humperdinck, Richard Strauss vor seiner "Salome") als auch Skeptiker - insbesondere in Frankreich - hervorriefen.

Jahrhundertwende

Nach dem Abtreten Verdis eroberten die jungen Veristen (ital. vero = wahr) in Italien die Szene. Ungeschönter Naturalismus war eines ihrer höchsten ästhetischen Ideale - dementsprechend wurde von säuberlich verfassten Versen Abstand genommen. Pietro Mascagni und Ruggiero Leoncavallo waren die typischsten Komponisten aus dieser Zeit, Giacomo Puccini hingegen derjenige, der an Ruhm über sie hinaus wuchs. "La Bohème", ein Sittengemälde aus dem Paris der Jahrhundertwende, der "Politkrimi" "Tosca" und die fernöstliche "Madama Butterfly", mit der unvollendeten "Turandot" noch um ein weiteres an Exotismus gesteigert, sind vor allem wegen ihrer Melodien zu Meisterwerken geworden.

Das 20. Jahrhundert

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Claude Debussy

Claude Debussy gelang es schließlich, sich vom Einfluss des Deutschen zu befreien, und erschuf mit "Pelléas et Mélisande" 1902 eines der nuanciertesten Beispiele für die von Wagner übernommene Leitmotivtechnik. Maurice Maeterlincks Textvorlage bot viel an mehrdeutigen Symbolismen an, die Debussy in die Orchestersprache übernahm. Die Gesangspartien wurden fast durchweg rezitativisch gestaltet und boten der "unendlichen Melodie" Wagners mit dem "unendlichen Rezitativ" ein Gegenbeispiel. Eine der raren Ausnahmen, die dem Hörer eine gesangliche Linie darbieten, ist das in obigem Beispiel zitierte schlichte Lied der Mélisande.

Nach Richard Strauss, der mit "Salome" und "Elektra" zunächst zum spätromantischen Expressionisten wurde, sich dann allerdings mit "Der Rosenkavalier" wieder früheren Kompositionsstilen zuwendete, schafften es nur noch wenige Komponisten, einen Platz in den Repertoires der Opernhäuser zu finden. Stattdessen wurden (und werden) eher die Werke der Vergangenheit gepflegt. Die Aufnahme eines zeitgenössischen Werkes in das Stadardrepertoire bleibt die Ausnahme.

Alban Berg gelang dies dennoch mit seinen Opern "Wozzeck", der freitonal angelegt wurde, und "Lulu", die sich ganz der Zwölftonmusik bedient und von Friedrich Cerha vollendet wurde. Gelegentlich wird auch die unvollendete Oper "Moses und Aron" von Arnold Schönberg aufgeführt, ansonsten hinterließ die Zweite Wiener Schule keine weiteren Spuren im Standardrepertoire. Musikalisch musste sich allerdings jeder moderne Komponist mit der Zwölftonmusik auseinandersetzen und entscheiden, ob er auf ihrer Grundlage weiter arbeitete (Franz Schreker) oder eher in tonalen Bahnen dachte.

Insgesamt wurde die Oper immer stärker von individuellen Einflüssen der Komponisten abhängig als von allgemeinen Strömungen. Die ständige Präsenz der "Klassiker" des Opernrepertoires ließ die Ansprüche an moderne Opern steigen, und jeder Komponist musste seinen eigenen Weg finden, um mit der Vergangenheit umzugehen, sie fortzuführen, zu verfremden oder mit ihr zu brechen. Im Folgenden entstanden immer wieder Opern, die die Grenzen der Gattung sprengten und zu überwinden trachteten. Auf musikalischer wie textlicher Ebene verließen die Komponisten zunehmend bekanntes Terrain und bezogen die Bühne und die szenische Aktion in den - oft genug abstrakten - musikalischen Ablauf mit ein. Kennzeichen für das neue Bühnenbild des 20. Jahrhunderts sind die zunächst handlungsbegleitenden, später selbständigeren Videoprojektionen.

Benjamin Britten ließ das moderne England auf den internationalen Opernbühnen Einzug halten. Von seinen überwiegend tonalen Opern sind "A Midsummer Night's Dream", basierend auf dem Schauspiel William Shakespeares, "Albert Herring", "Billy Budd" und "Peter Grimes" am bekanntesten. Immer wieder zeigte sich Brittens Vorliebe und Talent zur Klangmalerei insbesondere in der Darstellung des Meeres.

Francis Poulenc schrieb die einzige bekannte Oper für eine einzige Sängerin. In "La voix humaine" zerbricht die schlicht als "Frau" bezeichnete Person an der Untreue ihres Geliebten, der ihr per Telefon den Laufpass gibt. Luciano Berio verwendete in "Passaggio" zu der weiblichen Hauptfigur "Sie" auch einen kommentierenden Chor.

1976 entstand "Einstein on the Beach", der erste Teil einer Trilogie, in der auch "Satyagraha" und "Akhnaton" vertreten sind - Hommages an Persönlichkeiten, die die Weltgeschichte veränderten: Albert Einstein, Mahatma Gandhi und den ägyptischen Pharao Echnaton. Der Komponist Philip Glass, der Minimal Music verhaftet, verwendete für Einstein on the Beach keine zusammenhängenden Sätze mehr, sondern Zahlen, Solfège-Silben, Nonsens-Worte. Entscheidend waren die Darstellung der Geschehnisse auf der Bühne.

Mauricio Kagels Bühnenwerke sind ebenso oft Werke über Musik oder Theater an sich, die am ehesten als "Szenisch-musikalische Aktion" zu klassifizieren ist - die Musik ist kaum festgelegt, da Kagel sich der freien Improvisation seiner Interpreten überlässt, die auf Nicht-Instrumenten (Reißverschlüssen, Babyflaschen etc.) spielen oder sie ungewöhnlich benutzen, bedeutungslose Silben singen oder Handlung und/oder Musik per Zufall oder durch improvisierte Lesart entstehen lassen. Mit Humor übte Kagel dabei hintersinnige Kritik an Staat und Theater, Militär, Kunstbetrieb usw. Skandale erregte sein berühmtestes Werk "Staatstheater", in dem die verborgenen Mechanismen desselben an die Oberfläche gekehrt werden.

Luigi Nono verwendete seine Musik dagegen, um politische und soziale Missstände anzuklagen. Besonders deutlich wird dies in "Intolleranza", wo ein Mann auf einer Reise zu seiner Heimat Demonstrationen, Proteste, Folterungen, Konzentrationslager, Gefängnishaft und Missbrauch bis hin zu einer Überschwemmung erlebt und schließlich feststellt, dass seine Heimat dort ist, wo er gebraucht wird.

In Deutschland erregte die Oper "Das Mädchen mit den Schwefelhölzern" von Helmut Lachenmann 1996 Aufmerksamkeit. Sie basiert auf der bekannten Weihnachtsgeschichte von Hans Christian Andersen. Auf eigenwillige Weise setzt Lachenmann hier das Gefühl der Kälte in Klang um.

Weitere, hier nicht berücksichtigte Komponisten des 20. Jahrhunderts sind Hans Werner Henze, Luigi Dallapiccola, Leonard Bernstein, Aaron Copland und John Cage. Die zunehmende Individualisierung und der geringe zeitliche Abstand machen die Trennung zwischen "Klassikern der Moderne" und experimentierfreudigem, aber nicht unbedingt wegweisendem opus schwierig.

Das 21. Jahrhundert

Karlheinz Stockhausen vollendet 2005 seine 1978 begonnene Heptalogie LICHT. Mit seinem Lebenswerk hinterlässt er einen religiöse Themen behandelndes, monumentales opus. Die Opern bauen auf einer "Superformel" auf, die drei Melodien zusammenfügen, welche die Hauptfiguren - Michael, Eva, Luzifer - charakterisieren. Ursprüngliche Idee des Zyklus: Den Wochentagen religiös-biologischen Sinn abseits von Konsum und Produktion zurückzugeben. Die ersten Opern erlebten in Mailand ihre Uraufführung ("Donnerstag", "Samstag", "Montag"), in Leipzig wurden "Dienstag" und "Freitag" zum ersten Mal gespielt.

Konkrete Personen oder Gruppen werden teilweise mehrfach besetzt (Eva: 3 Soprane), mit einem Instrument oder einer Gruppe derselben assoziiert (Michael-Truppe: 3 Trompeten, 6 Tutti-Trompeten, Schlagzeug, Synthesizer), oder durch einen Tänzer erweitert. Außergewöhnliche Einfälle bietet der Zyklus in Fülle - so werden vier Streicher in vier fliegende Hubschrauber gesetzt und spielen von dort ihre Musik. Zwei 35-minütige Stücke für Chor und Orchester werden simultan in zwei verschiedenen Räumen gespielt, der Hörer bekommt nur Ausschnitte davon zu hören. Die verschiedenfarbig gekleideten Chormitglieder singen in Sanskrit, Chinesisch, Arabisch, Englisch und Suaheli. Insgesamt ergibt sich ein hochkomplexes Bild, das sich an der Sehnsucht des Menschen nach einer besseren Welt orientiert. In seiner Gesamtheit wurde das insgesamt 29 Stunden Musik umfassende Werk LICHT nicht zuletzt wegen der immensen organisatorischen Schwierigkeiten noch nicht aufgeführt.

Aufführungspraxis der Oper

Die große Menge an Werken macht es Theatern und Opernhäusern nicht einfach, eine Auswahl zu treffen, die einem hohen Anspruch genügt und auch genügend Publikum findet. Nach und nach hat sich ein praxiserprobter, mehr oder weniger enger Kanon an Opern herausgebildet, die zur Aufführung kommen. Für die Inszenierung stellt sich oft die Frage, ob eine sich an der Entstehungszeit der jeweiligen Oper anlehnende oder eine zeitgenössische, das heutige Publikum betreffende Gestaltung (Regietheater) zu bevorzugen wäre.

Sprache der Aufführungen

Bis zur Mitte der 1960er Jahre wurden Opern zumeist in der jeweiligen Landessprache des Aufführungsortes aufgeführt. So wurden Verdi-Opern in Deutschland in deutscher Sprache und Wagner-Opern in Italien in italienischer Sprache gesungen, wie auch Radio- und Fernsehaufzeichnungen belegen. Bereits zuvor gab es jedoch Theater, die Opern in der jeweiligen Originalsprache aufführten, etwa die Metropolitan Opera in New York. Auch die Salzburger Festspiele zeigten Opern stets ausschließlich in der Originalsprache. 1956 führte Herbert von Karajan an der Wiener Staatsoper das Prinzip ein, Opern in der Originalsprache aufzuführen. Mit seiner Begründung, die Einheit von Wort und Musik gehe bei Übersetzungen in eine andere Sprache verloren, wurden Opern allmählich immer mehr in ihrer ursprünglichen Form aufgeführt. Auch der Schallplatten und Sänger-Markt, der sich zunehmend internationalisierte, trug entscheidend zu dieser Entwicklung bei. In der DDR gab es hingegen weiterhin eine große Tradition von Übersetzungen, jedoch wurde mit neuen Übertragungen (z.B. Walter Felsenstein, Siegfried Schoenbohm) versucht, den Inhalt des Originals genauer, sprachlich gelungener und vor allem musikalisch passender umzusetzen. Heute werden in fast allen Opernhäusern simultan zur Aufführung Übertitel eingeblendet. An vielen kleineren Theatern, vor allem im Osten Deutschlands, gibt es noch Aufführungen in deutscher Sprache. Auch gibt es in einigen Städten (z.B. Berlin, München, Wien) mehrere Opernhäuser, von denen eines Opern in Übersetzungen aufführt, wie etwa die Komische Oper Berlin. Hin und wieder gibt es auch eine autorisierte Übersetzung (wie im Falle der Opern Leoš Janáčeks, deren deutscher Text von Janáčeks Freund Max Brod stammt, so dass auch der deutsche Text als original gelten darf). Schwierig gestaltet sich die Aufführung in Originalsprache auch immer dann, wenn Dialoge in dem Werk vorkommen. Hier gibt es auch Mischformen, d.h. gesprochene Texte werden übersetzt, gesungene erklingen jedoch in Originalsprache. Im Bereich Singspiel, Operette, Musical ist daher die übersetzte Musiktheateraufführung weit verbreitet.

Siehe auch

Literatur

Bücher

  • Johannes Jansen: Schnellkurs Oper. Dumont Buchverlag, Köln 1998, ISBN 3-7701-4280-2
  • Rudolf Kloiber, Wulf Konold, Robert Maschka: Handbuch der Oper. 9. Auflage. Deutscher Taschenbuch-Verlag (München)/Bärenreiter (Kassel u. a.) 2002, ISBN 3423325267
  • Arnold Jacobshagen (Hrsg.): Praxis Musiktheater. Ein Handbuch. Laaber-Verlag, Laaber 2002, ISBN 3890075126
  • Carl Dahlhaus, Sieghart Döhring (Hrsg.): Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters. Piper, München/Zürich 1986-1997, ISBN 3-492-02411-4, ISBN 3-492-03972-3 (6 Bände und ein Registerband)
  • Ulrich Schreiber: Die Kunst der Oper. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main 1988-2005, ISBN 3-7632-3101-3, ISBN 3-7632-5643-1 (4 Bände)
  • Silke Leopold, Robert Maschka: Who's who in der Oper. Deutscher Taschenbuch-Verlag (München)/Bärenreiter (Kassel u. a.) 2004, ISBN 3-423-34126-2 oder ISBN 3-7618-1780-0
  • Stanley Sadie (Hrsg.): The new Grove dictionary of opera. Grove, New York/Oxford 2004, ISBN 0195221869 (englisch)

Fachzeitschriften

  • Opernwelt. Friedrich-Berlin-Verlags-Gesellschaft, Berlin, ISSN 0030-3690
  • Das Opernglas. Opernglas-Verlags-Gesellschaft, Hamburg, ISSN 0935-6398
Wiktionary: Oper – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Oper – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien