Quadrette

Quadrette ist ein altes provenzalisches Kartenspiel für vier Spieler, die zwei Mannschaften bilden. Es ist ungewöhnlich, weil Kommunikation zwischen den Partnern erlaubt ist und der Mannschaftskapitän Informationen einholen und das Spiel anleiten darf. Es ähnelt dem klassischen Whist, ist aber einfacher und schneller zu spielen.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Spielrichtung ist gegen den Uhrzeigersinn, die Rangfolge des Asses und die mündliche Kommunikation zwischen den Partnern deuten auf ein gewisses Alter hin. Das Spiel scheint ein Ableger von Sizette („sechs Personen“[1]) für vier Spieler (daher der Name, weil Quadrette andeutet „vier Personen“). Sizette selbst wurde erstmals 1725 erwähnt[2] und wurde anscheinend in vielen Regionen Frankreichs gespielt, sowohl im Norden[3] als auch im Süden,[4] bevor es im späten 19. Jahrhundert ausstarb. Quadrette wurde erstmals 1785 in einem Wörterbuch der Regionen Provence und Comtat Venaissin erwähnt, wo es zusammen mit Sizette auch den Namen Parlaire (von „parleur“ – Sprecher[5]) trägt, da die Spieler über die Karten sprechen konnten, die sie in der Hand hielten.[6] Neben Quadreta hielt sich der Name „Parlaire“ mindestens bis Mitte des 19. Jahrhunderts.[7]
1834 waren Piquet, Quadrette und Sizette Spiele, mit denen sich alte Leute in den Hautes-Alpes entspannten,[8] aber Quadrette war auch im Languedoc bekannt.[9] Im Jahr 1860 wird Quatrète als eine Art „Dorf-Whist“ im Languedoc beschrieben, bei dem die Spieler ihrer Partner über ihre Hände sprachen.[10]
Das Quadrette überlebte mindestens bis in die 1930er Jahre, als sie noch als Quadretta in Nizza gespielt wurde. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass sie in derselben Region der Alpes-Maritimes auch heute noch gespielt wird.[11]
Regeln (1930)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die folgenden Regeln basieren auf dem Bericht von 1930 über „das gute alte Spiel unserer Väter, Quadretta, … das im Herzen der einfachen Leute und Bauern von Nizza einen so großen Platz einnahm“.[12]
Übersicht
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Spiel wird von vier Spielern in zwei Mannschaften gespielt, wobei sich die Partner gegenüberstehen. Ziel ist es, als erstes Team vier der acht Stiche zu machen. Kartengeben und spielen, ungewöhnlicherweise, sind gegen den Uhrzeigersinn. Jedes Team wählt einen Kapitän.[12]
Es wird ein 32-Karten-Kartenspiel mit französischen Farben verwendet. Die Karten werden in absteigender Reihenfolge vom König bis zur Sieben ausgeteilt. Das Ass liegt zwischen Bube und Zehn, wie bei Sizette und Triomphe.[12]
Geben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Spieler ziehen Karten aus dem Kartenspiel, um ihre Partner und den ersten Kartengeber zu bestimmen. Wer zuerst einen König zieht, wird zum ersten Geber, und wer einen König der gleichen Farbe zieht, wird zum Partner des Gebers. Der Geber mischt das Kartenspiel, lässt nach links abheben und gibt jeder 8 Karten in zwei Päckchen (4-4 oder 5-3), beginnend mit Vorhand (der Spieler rechts der Geber). Der Geber deckt die letzte Trumpfkarte auf, nimmt sie auf und legt sie zu den anderen Karten auf seiner Hand.[12]
Kommunikation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Vor Spielbeginn bewerten die Teams ihre Karten. Der Kapitän des führenden Teams (das Team, das nicht ausgeteilt hat), stellt Fragen, und der Partner antwortet mit Informationen zu den gehaltenen Karten. Der Kapitän ermittelt, welche Karten gehalten werden, und leitet das Spiel des Partners entsprechend an, z. B. welche Farbe ausgespielt werden soll. Sobald die erste Karte ausgespielt wurde, macht das andere Team dasselbe.[12]
Spiel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Spieler müssen, wenn möglich, Farbe bedienen; andernfalls dürfen sie nach Belieben trumpfen oder ablegen. Das erste Team, das 4 Stiche macht, hat gewonnen und erhält 1 Punkt. Macht es alle 8 Stiche, erhält es 2 Punkte.[12]
Während des Spiels kann der Kapitän Anweisungen wie „Nimm diese“ oder „Lass sie mir zulaufen“ geben. An einigen Orten durften die Teams nur sprechen, wenn sie ausgespielt hatten.[12]
Regeln (modern)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In einem modernen Regelwerk des Départements Alpes-Maritimes entspricht alles den Regeln von 1930 mit folgenden Ausnahmen:[11]
- Jeder Spieler erhält nur sechs Karten, und der Trumpf ist nicht die letzte Karte des Gebers, sondern die nächste Karte des Talons. Der Talon wird während des Spiels nicht verwendet. Dies erhöht die Unsicherheit.
- Vier Stiche sind nötig, um das Spiel zu gewinnen, sechs für ein Doppelspiel.
- Wenn beide Teams jeweils 3 Stiche machen, ist es unentschieden und beide erhalten 1 Punkt.
- Die Kapitäne der beiden Teams sind immer der aktuelle Geber und haben die aktuelle erste Hand.
- Nach dem ersten Stich dürfen nur die Kapitäne sprechen.
Beispiele für verwendete Kommunikation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Cason gibt ein Beispiel für die Eröffnungsdiskussion zwischen einem Kapitän und seinem Teamkollegen:
„Hast du einen König? – Nur einen. Bist du lang? [13] – Nur drei. Und wie viele Trümpfe? – Nur einen. Die Dame? – Nein. Und wie viele Karo? – Nur zwei. Dann spiel einen. Und versteck deine Hand!“
In einem Roman von Antoine Gandon aus dem Jahr 1861 wird eine Partie Quadrette zwischen Offizieren des 17. Chasseurs beschrieben. Der Held, Jean Gigon, und sein erfahrener Hauptmann unterhalten sich wie folgt:
„„Versteck deine Hand“, sagte der alte Schnurrbart. „Wie viele Trümpfe hast du, Jean Gigon?“ „Ich habe leider den König.“ „Also gut, spiel den Trumpfkönig.“ „Trumpfkönig“, sagte Gigon. „Ich spiele die Sieben“, sagte Gigons Nachbar. „Und ich die Acht“, sagte der alte Schnurrbart. „Ich, die Neun“, sagte der vierte Spieler. „Der erste Stich gehört uns“, fuhr der alte Soldat fort. „Jetzt, mein Junge, spiel dein Ass.“ „Mein Ass, aber ich habe es nicht!“ „Wie, du hast keinen Trumpf?“ „Nein, mein Alter.“[14] … woraufhin ein Streit ausbricht, dem ein Duell folgt.“
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- _ (1725). Académie Universelle des Jeux. Paris: Theodore Legras.
- Claude François Achard: Dictionnaire de la Provence et du Comté-Venaissin. Vol. 1. and Bd. 2. Marseilles: Jean Mossy, 1785.
- Jean Charles François, Baron Ladoucette: Histoire, Topographie, Antiquités, Usages, Dialectes des Hautes-Alpes. Paris: Gide, 1834.
- François Cason: „Les Jeux de Cartes à Nice: La Quadretta“ in Armanac Nissart: 288–290. Online in Occitanica collection, Centre interrégional de développement de l’occitan (CIRDOC) hrgs., Béziers, 1930.
- Charlotte Figuier: Nouvelles Languedociennes : les Fiancés de la Gardiole. Paris: Hachette, 1860.
- Claire Sénart Figuier: "Le Franciman: Scénes et Souvenirs du Bas-Languedoc" in Revue des Deux Mondes, Bd. 22. Paris: J. Claye, 1859. pp. 936–962.
- Simon-Jude Honnorat: Dictionnaire Provençal-Français Ou Dictionnaire De La Langue D'Oc. Bd. 3. Digne, 1847.
- M. Lebrun: Manuel des Jeux de Calcul et de Hasard, ou Nouvelle Académie des Jeux. Paris: Roret, 1828.
- Charles-Joseph Panckoucke: Encyclopédie méthodique: Dictionnaire des Jeux, Bd. 3. Paris: Panckoucke, 1792.
- L. Piat: Dictionnaire français-occitanien. Bd. 2. Montpellier: Imprimerie Centrale du Midi, 1893.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Panckoucke (1792), S. 274–275.
- ↑ Académie Universelle des Jeux (1725), S. 115–120.
- ↑ Lebrun (1828), S. 233–235.
- ↑ Sizette am salondesjeux.fr. Abgerufen am 29. Januar 2023.
- ↑ Piat (1893), S. 180.
- ↑ Achard (1785), Bd. 1, S. 646 & Bd. 2, S. 485.
- ↑ Er erscheint beispielsweise in Honnorat (1847), S. 798.
- ↑ Baron Ladoucette (1834), S. 446.
- ↑ Figuier (1859), S. 962.
- ↑ Figuier (1860), S. 145.
- ↑ a b La Quadrette unter www.departement06.fr. Abgerufen am 28. Januar 2023.
- ↑ a b c d e f g Cason (1930), S. 288–290.
- ↑ „Bist du lang?“ d. h. „ist dein König Teil einer langen Farbe?“
- ↑ Das Ass liegt vermutlich im Talon, deshalb ist es nicht erschienen; der alte Soldat nahm an, Gigon hätte das Ass aufgehalten.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Sizette – mit klassischer Spielregeln für das Quadrette.
- La Quadrette – moderne Spielregeln.