Wenn
ein kommutativer Ring mit einer
ist, dann ist der Polynomring
die Menge aller Polynome mit Koeffizienten aus dem Ring
und der Variablen
zusammen mit der üblichen Addition und Multiplikation von Polynomen. Davon zu unterscheiden sind in der abstrakten Algebra die Polynomfunktionen, nicht zuletzt, weil unterschiedliche Polynome dieselbe Polynomfunktion induzieren können.
Sei R ein Ring mit 1. Dann ist
die Menge

der Folgen in
, bei denen fast alle, also alle bis auf endlich viele, Folgenglieder gleich
sind.
Die Addition wird komponentenweise durchgeführt:

und die Faltung der Folgen definiert die Multiplikation
.
Durch diese Verknüpfungen wird auf dem Raum der endlichen Folgen eine Ringstruktur definiert, dieser Ring wird als
bezeichnet.
In diesem Ring wird
definiert als

und die
ist
.
Aus der Definition der Multiplikation durch Faltung folgt dann, dass

ist und in der Klammer rechts genau an der
-ten Stelle eine Eins steht, ansonsten besteht die Folge ausschließlich aus Nullen.
Mit dem Erzeuger
kann nun jedes Element
aus
eindeutig in der geläufigen Polynomschreibweise

dargestellt werden. Die einzelnen Folgenglieder
nennt man die Koeffizienten des Polynoms.
Damit erhält man den Polynomring
über
in der Unbestimmten
.
Der Polynomring in mehreren Veränderlichen wird rekursiv definiert durch:
![{\displaystyle R[X_{1},\dotsc ,X_{n}]:=R[X_{1},\dotsc ,X_{n-1}][X_{n}]}](/media/api/rest_v1/media/math/render/svg/50ffc670f87a92d3ca292ba70b7b0939a8c46a0a)
Man betrachtet hier also Polynome in der Variablen
mit Koeffizienten aus dem Polynomring
, wobei dieser wieder genauso definiert ist. Dies kann man solange fortsetzen, bis man bei der Definition des Polynomrings in einer Veränderlichen angekommen ist. In
kann man jedes Element eindeutig als

schreiben.
Der Polynomring in beliebig vielen Unbestimmten (mit einer Indexmenge
) kann entweder als der Monoidring über dem freien kommutativen Monoid über
oder als der Kolimes der Polynomringe über endliche Teilmengen von
definiert werden.
Ist
ein Körper, so ist
die Bezeichnung für den Quotientenkörper von
, den rationalen Funktionenkörper. Analog wird der Quotientenkörper eines Polynomrings
über mehreren Unbestimmten mit
bezeichnet.
Die Funktion
![{\displaystyle {\begin{array}{rccl}\deg \colon &R[X]&\to &\quad \mathbb {N} _{0}\cup \{-\infty \}\\&f&\mapsto &{\begin{cases}\max \left\{k\in \mathbb {N} _{0}\mid a_{k}\neq 0\right\},&{\text{wenn }}f\neq 0\\-\infty ,&{\text{wenn }}f=0\end{cases}}\end{array}}}](/media/api/rest_v1/media/math/render/svg/b9109b79c2a78ea25b9cda03bcecf64e28f177e4)
definiert den Grad des Polynoms
in der Unbestimmten
. Hierbei gelten für
die üblichen Maßgaben für Vergleich und Addition: Für alle
gilt
und
.
Der Koeffizient
wird der Leitkoeffizient von
genannt.
Es gilt für alle
.
- (Enthält
keine Nullteiler – präziser: sind die Leitkoeffizienten keine Nullteiler –, gilt die Gleichheit.)
.
Aus diesem Gradsatz folgt insbesondere, dass wenn
ein Körper ist, die Einheiten genau den Polynomen mit Grad null entsprechen, und das sind die Konstanten ungleich null.
Bei einem Körper
wird
durch die Gradfunktion zu einem euklidischen Ring: Es gibt eine Division mit Rest, bei der der Rest einen kleineren Grad als der Divisor hat.
- Beispiele
- Sei
der Ring der ganzen Zahlen. Dann sind
und
beide vom Grad 1. Das Produkt
hat den Grad 2, wie sich auch aus
ausrechnet.
- Sei
der Restklassenring modulo 6 (ein Ring mit den nicht-trivialen Nullteilern 2 und 3) und wie oben
und
. Beide sind
und auch hier vom Grad 1. Aber
hat den Grad 1 und
.
Bei einem Monom

definiert man die Summe der Exponenten

als den Totalgrad des Monoms, falls
.
Der Grad
des nichtverschwindenden Polynoms

in mehreren Veränderlichen wird definiert als der maximale Totalgrad der (nichtverschwindenden) Monome. Eine Summe von Monomen von gleichem Totalgrad ist ein homogenes Polynom. Die Summe aller Monome vom Grad
, d. i. das maximale homogene Unterpolynom von maximalem Grad, spielt (bezogen auf alle Veränderliche zusammen) die Rolle des Leitkoeffizienten. (Der Leitkoeffizient einer einzelnen Unbestimmten ist ein Polynom in den anderen Unbestimmten.)
Der Gradsatz gilt auch für Polynome in mehreren Veränderlichen.
In der Polynomschreibweise sehen Addition und Multiplikation für Elemente
und
des Polynomrings
wie folgt aus:
,

Der Polynomring
ist nicht nur ein kommutativer Ring, sondern auch ein Modul über
, wobei die Skalarmultiplikation gliedweise definiert ist. Damit ist
sogar eine kommutative assoziative Algebra über
.
Falls
und
kommutative Ringe mit
sind und
ein Homomorphismus ist, dann ist auch
ein Homomorphismus.
Falls
und
kommutative Ringe mit
sind und
ein Homomorphismus ist, dann gibt es für jedes
einen eindeutigen Homomorphismus
, der eingeschränkt auf
gleich
ist und für den
gilt, nämlich
.
Ist
ein kommutativer Ring mit
, so gilt:
- Ist
nullteilerfrei, so auch
.
- Ist
faktoriell, so auch
(Lemma von Gauß).
- Ist
ein Körper, so ist
euklidisch und daher ein Hauptidealring.
- Ist
noethersch, so gilt für die Dimension des Polynomrings in einer Variablen über
: ![{\displaystyle \dim(R[X])=\dim(R)+1}](/media/api/rest_v1/media/math/render/svg/09bea3e7dbfa60fa81fa1cccb14bc02d7ea4d710)
- Ist
noethersch, so ist der Polynomring
mit Koeffizienten in
noethersch (Hilbertscher Basissatz).
- Ist
ein Integritätsring und
, so hat
maximal
Nullstellen. Dies ist über Nicht-Integritätsringen im Allgemeinen falsch.
- Ein Polynom
ist genau dann in
invertierbar, wenn
invertierbar ist und alle weiteren Koeffizienten nilpotent in
sind. Insbesondere ist ein Polynom
über einem Integritätsring
genau dann invertierbar, wenn es ein konstantes Polynom
ist, wobei
eine Einheit in
ist.
Ist

ein Polynom aus
, so nennt man

die zu
gehörende Polynomfunktion. Allgemeiner definiert
auch für jeden Ringhomomorphismus
(in einen kommutativen Ring
mit 1) eine Polynomfunktion
Der Index wird oft weggelassen.
Umgekehrt haben Polynomringe
über einem kommutativen Ring
mit 1 die folgende universelle Eigenschaft:
- Gegeben ein Ring
(kommutativ mit 1), ein Ringhomomorphismus
und ein
, so gibt es genau einen Homomorphismus
mit
, so dass
eine Fortsetzung von
ist, also
gilt.
Diese Eigenschaft wird „universell“ genannt, weil sie den Polynomring
bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt.
Der Homomorphismus

wird der Auswertung(-shomomorphismus) für
oder Einsetzung(-shomomorphismus) von
genannt.
- Setzen wir
und
, so ist
die identische Abbildung;
.
- Betrachten wir einen Polynomring
mit zusätzlichen Unbestimmten
(s. Polynome mit mehreren Veränderlichen) als Erweiterung von
, ergibt sich analog zur Konstruktion aus vorigem Beispiel der Einsetzungshomomorphismus
als Monomorphismus von
in
,
Ist
ein Ring (kommutativ mit 1), dann ist auch die Menge
der Abbildungen von
in sich ein Ring und nach der universellen Eigenschaft gibt es einen Homomorphismus
![{\displaystyle \Phi \colon R\left[X\right]\to \operatorname {Abb} (R,R)}](/media/api/rest_v1/media/math/render/svg/8678ef0e5edf1adf3761f73dff6fb089dc33ad99)
mit
(die konstante Abbildung) für alle
und
(die Identitätsabbildung).

ist die dem Polynom
zugeordnete Polynomfunktion. Der Homomorphismus

ist nicht notwendig injektiv, zum Beispiel ist für
und
die zugehörige Polynomfunktion
.
Da in dem endlichen Körper
die Einheitengruppe zyklisch mit der Ordnung
ist, gilt für
die Gleichung
. Deswegen ist die Polynomfunktion
des Polynoms
![{\displaystyle f=X^{q}-X=\prod _{a\in \mathbb {F} _{q}}(X-a)\in \mathbb {F} _{q}[X]}](/media/api/rest_v1/media/math/render/svg/7ff8ee354623f60e3e38b78e0755b48c03a4aa73)
die Nullfunktion, obwohl
nicht das Nullpolynom ist.
Ist
eine Primzahl, dann entspricht dies genau dem kleinen fermatschen Satz.
Ist
oder
ein vom Nullpolynom verschiedenes Polynom, so ist die Anzahl der Nullstellen von
endlich. Bei Polynomen mit mehreren Unbestimmten kann die Nullstellenmenge ebenfalls endlich sein:
- Das Polynom
hat die Nullstellen
und
in
.
Es kann aber ebenso unendliche Nullstellenmengen geben:
- Das Polynom
besitzt als Nullstellenmenge die Einheitskreislinie
, welche eine kompakte Teilmenge von
ist. Das Polynom
besitzt ebenfalls eine unendliche Nullstellenmenge, nämlich den Funktionsgraphen der Normalparabel, welcher nicht kompakt ist.
Das Studium von Nullstellenmengen polynomialer Gleichungen mit mehreren Unbestimmten führte zur Entwicklung des mathematischen Teilgebiets der algebraischen Geometrie.
Jedes komplexe Polynom
vom Grad
hat genau
Nullstellen in
, wenn man jede Nullstelle gemäß ihrer Vielfachheit zählt. Dabei heißt eine Nullstelle
-fach, falls
ein Teiler von
ist,
dagegen nicht mehr.
Insbesondere gilt dieser Fundamentalsatz der Algebra auch für reelle Polynome
, wenn man diese als Polynome in
auffasst. Zum Beispiel hat das Polynom
die Nullstellen
und
, da
und ebenso
, also gilt
.