Karl Bernhard Ritter

Karl Bernhard Ritter (* 17. März 1890 in Hessisch Lichtenau; † 15. August 1968 in Königstein im Taunus) war ein deutscher evangelischer Theologe und Politiker (DNVP, KVP). Er gehörte zu den Gründern der Berneuchener Bewegung und verfasste zahlreiche Schriften zu einer gestalteten, kirchlich verankerten Spiritualität.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ritter wurde am 17. März 1890 in Hessisch Lichtenau als Sohn des reformierten Pfarrers Gottfried Theodor Ritter und dessen Frau geboren. Er war ein Bruder des Historikers Gerhard Ritter (1888–1967), des Orientalisten Hellmut Ritter (1892–1971) und des Chemikers und Industriellen Friedbert Ritter (1900–1981). Einen Teil seiner Schulzeit verbrachte er am Evangelisch Stiftischen Gymnasium Gütersloh, das von der lutherischen Erweckung in Minden-Ravensberg geprägt war. Nach dem Schulbesuch nahm er 1909 ein Studium der Evangelischen Theologie und der Philosophie an den Universitäten in Heidelberg, Halle und Erlangen auf. Während seines Studiums wurde er Mitglied des Hallenser und Heidelberger Wingolf, später auch des Marburger Wingolf. Er beendete 1912 sein Studium mit der Promotion zum Dr. phil. Anschließend arbeitete er als Lehrer an einer Kadettenanstalt. Am Beginn des Ersten Weltkrieges heiratete er die Pfarrerstochter Margarete Hachtmann.[1] Das Ehepaar hatte fünf Kinder.[1] Von 1914 bis 1918 nahm er als Kriegsfreiwilliger am Ersten Weltkrieg teil. Während des Krieges wurde er als Frontsoldat eingesetzt. Im Oktober 1915 wurde er Ordonnanzoffizier der 200. Inf.-Divis.[2]
Ritter war ab 1919 als Pfarrer der reformierten Gemeinde am Deutschen Dom in Berlin tätig und im gleichen Jahr Gründungsmitglied des Jungdeutschen Bundes. Von 1919 bis 1921 war er als Abgeordneter der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) Mitglied der Verfassungsgebenden Preußischen Landesversammlung und wurde anschließend in den Preußischen Landtag gewählt, dem er bis 1924 angehörte. Als sich die DNVP unter Alfred Hugenberg zunehmend radikalisierte, verließ Ritter diese und trat 1930 in die Konservative Volkspartei (KVP) ein.
Er beteiligte sich im Mai 1922 in Angern bei Magdeburg an der Vorbereitung der Gründung der Berneuchener Bewegung, die ab 1923 jährliche Treffen bis 1927 auf dem Rittergut Berneuchen in der Neumark, im heutigen Polen, veranstaltete.[3] Die erste Einladung nach Berneuchen ging u. a. an die Pastoren Ludwig Heitmann in Hamburg, Eduard Le Seur in Berlin-Lichterfelde, Carl Gunther Schweitzer in Potsdam und Wilhelm Thomas in Augsburg.
1925 wechselte Ritter an die Universitätskirche Marburg. Hier zählte er 1931 mit Wilhelm Stählin und Carl Happich[4] zu den Gründern der Michaelsbruderschaft und wurde ihr erster Leiter (Ältester). Dem entsprechend prägte er seine eigentlich reformierte Gemeinde im Sinne eines durch die Berneuchener Bewegung geprägten Luthertums.[5] Darüber hinaus war er Mitglied der Freimaurerloge Zum flammenden Schwert in Darmstadt,[6] die der christlichen Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland angehört. Schon früh war Ritter im Kirchenkampf beteiligt und engagierte sich ab 1933 in der Jungreformatorischen Bewegung gegen die Deutschen Christen (DC). Nachdem ihm 1934 die Nationalsozialisten die Studentenseelsorge entzogen hatten, schloss er sich der Bekennenden Kirche (BK) an. Ende Mai 1934 nahm er an der Barmer Bekenntnissynode teil, bei der die Barmer Theologische Erklärung verabschiedet wurde. In der Folge nahm er an allen weiteren Bekenntnissynoden in Dahlem, Augsburg und Bad Oeynhausen teil. Dabei ordnete er sich klar dem lutherischen Teil der BK zu. Das zeigt sich auch in einem Antrag, den er gemeinsam u. a. mit Bernhard Heinrich Forck und Heinz Pflugk beim Lutherischen Tag in Hannover 1935 stellte, wonach die BK-Gemeinden verschiedener durch die DC „zerstörter“ lutherischer Kirchen und Kirchengebiete (Kurhessen-Waldeck, Mecklenburg, Lübeck, Schleswig-Holstein und Hamburg) einem lutherischen Kirchenregiment unterstellt werden sollten.[7]
Während des Zweiten Weltkriegs war er als Soldat in Wien stationiert. Zusammen mit seinem Bruder Gerhard war er beim ersten Treffen des Reichsbruderrats nach dem Ende des Krieges vom 21. bis 24. August 1945 in Frankfurt-Sachsenhausen anwesend.
Als Pfarrer der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck wurde Ritter 1946 Kirchenrat und 1952 Dekan des Kirchenkreises Marburg-Stadt. Von 1945 bis 1967 war er zudem Mitglied der Landessynode und setzte sich hier für die Einführung des Bischofsamtes und die Annahme des lutherischen Bekenntnisstandes ein. Während ersteres erfolgreich war, scheiterte er mit letzterem Unternehmen. Ritter lehnte, wie sein Mitbruder Herbert Goltzen[8], die Einführung der Frauenordination in seiner Kirche entschieden ab.[9] Er wollte auf keinen Fall aus der Hand einer Frau das Altarsakrament empfangen und wenn das bedeuten würde, dass er bis zu seinem Lebensende auf das heilige Abendmahl verzichten müsste. In der Forderung der Frauenordination sah er den „Gleichheitswahn der französischen Revolution, der in bedenklicher Weise auch in kirchlichen Gehirnen spuke“.[10] Allerdings konnte Ritter die Einführung im Jahr 1962 nicht verhindern. 2007 wurde in Kassel-Bad Wilhelmshöhe die Stiftung zur Förderung des Gottesdienstes – Karl-Bernhard-Ritter-Stiftung gegründet, die jährlich den Gottesdienstpreis verleiht.[11]
Ehrungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Eisernes Kreuz 2. und 1. Klasse[2]
- Militärverdienstkreuz (Österreich) 3. Klasse mit Kriegsdekoration[2]
- Hanseatenkreuz (Hamburg)[2]
- Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Philipps-Universität Marburg
Veröffentlichungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Über den Ursprung einer kritischen Religionsphilosophie in Kants ‘Kritik der reinen Vernunft’. Gütersloh 1913
- Volkstum und deutsche Zukunft. Berlin 1920
- Vom deutschen Staat. Hamburg 1922
- Die Gemeinschaft der Heiligen. Hamburg 1924
- Das Spiel vom großen Abendmahl. Frankfurt/M. 1924
- Das Brandenburger Domspiel vom Menschensohn. Frankfurt/M. 1925
- Das Vaterunser. Hamburg 1925
- Reich Gottes und Staatsgedanke. Wolfratshausen 1926
- Vom christlichen Stande der Ehelosigkeit. Berlin-Dahlem 1926
- Von dem, der da kommt. Schwerin 1926
- Das Gebet der Tageszeiten. Kassel 3/1929
- Das Gebet. Schwerin 1930
- Der Altar. Schwerin 1930
- Gottesdienst und Predigt. Schwerin 1930
- Sakrament und Gottesdienst. Schwerin 1930
- Freizeitgestaltung und Kirche. Schwerin 1930
- Gottesdienst zur 30jährigen Wiederkehr des Todestages König Gustav Adolfs am 16. September 1932. Göttingen 1932
- Silvester-Andacht. Göttingen 1932
- Litanei und Lobgesang. Kassel 1934
- Pfarrgebete. Kassel 3/1936
- Kirchengebete in Kriegszeiten. Kassel 1939
- Verwandlung des Lebens. Kassel 1940
- Wir haben eine Hoffnung. Kassel 1940
- Betbüchlein für Konfirmanden. Kassel 1940
- Fahrt zum Bosporus. Leipzig 1941
- Einige dringliche Fragen und Anliegen zur gegenwärtigen Lage und Aufgabe der evangelischen Kirche. Marburg 1945
- Rede zum Johannistag 1945. (o.A.) 1945
- Die Liturgie als Lebensform der Kirche. Kassel 1946
- Um die Zukunft der Kirche. Kassel 1947
- Über die Meditation als Mittel der Menschenbildung. Kassel 1947
- Die Zukunft des Herrn. Kassel 1947
- Entfallet nicht aus eurer Festung! Hamburg 1947
- Im Namen Jesu. Kassel 1947
- Gottes- und Marien-Sohn. Kassel 1948
- Gebete für das Jahr der Kirche. Agende für alle Sonntage und Feiertage des Kirchenjahres. Kassel ²1948
- Andreas. Die Geschichte einer Wandlung. Gütersloh 1949
- Von der Zukunft der Christenheit. Kassel 1949
- Heilige Feier. Kassel 1950
- Das Jahr der Kirche. Kassel 2/1951
- Das tägliche Gebet. Kassel 2/1957
- Die Vorhalle. Kassel 1959
- Die eucharistische Feier. Kassel 1961
- Die Konfirmandenstunde. Kassel 1961
- mit Walter Lotz: An jedem Tag. Kassel 1963
- Kirche und Wirklichkeit. Gesammelte Aufsätze. Kassel 1971
Ritter verfasste zahlreiche Beiträge für die Zeitschrift Quatember.[12]
Nachlass
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein Teil des Nachlasses von Karl Bernhard Ritter wird als Depositum im Hessischen Staatsarchiv Marburg (Bestand 340 Ritter b) aufbewahrt.[13]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Michael Matthiesen: Karl Bernhard Ritter, in: RGG, 4. Auflage, Bd. 7, Tübingen: Mohr Siebeck 2004, Sp. 540
- Wolfgang Fenske: Innerung und Ahmung. Meditation und Liturgie in der hermetischen Theologie Karl Bernhard Ritters, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-86921-009-4
- Michael Hederich: Karl Bernhard Ritter. Reformer – Kämpfer – Seelsorger. Ein Lebensbild. Kassel 2010, ISBN 978-3-89477-876-7[14]
- Frank Lilie, Herbert Naglatzki, Jürgen Renner (Hrsg.): „Wir müssen die Not der Menschen sehen“ – Kurt Reuber und Karl Bernhard Ritter – Briefe aus dem Krieg, Hannover 2015.
- Stephan Goldschmidt: Der junge Karl Bernhard Ritter, Vortrag beim Symposium zum 50. Todestag von Karl Bernhard Ritter, Sulz am Neckar 2018.
- Herbert Naglatzki: Karl Bernhard Ritters Bedeutung für die Berneuchener und für die Evangelische Michaelsbruderschaft, in: Quatember 88 (2024), S. 101ff.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Karl Bernhard Ritter im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und über Karl Bernhard Ritter in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Seite der Universitätskirche Marburg zu Karl Bernhard Ritter
- Ritter, Karl Bernhard. Hessische Biografie. (Stand: 10. Februar 2025). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Stephan Goldschmidt: Der junge Karl Bernhard Ritter. Marburg 2018. (Downloadhinweis auf der Website der Stiftung zur Förderung des Gottesdienstes – Karl Bernhard Ritter Stiftung)
- ↑ a b c d Philisterausschuss des Heidelberger Wingolfs (Hrsg.): Der Heidelberger Wingolf im Krieg. Robert Müllerleile, Lahr 1921, S. 52.
- ↑ Karl Bernhard Ritter: Die Tagung von Angern. In: Quatember. Vierteljahreshefte für Erneuerung und Einheit der Kirche. Hrsg.: Evangelische Michaelsbruderschaft und Berneuchener Dienst, 1953, S. 28–30; DNB 011289627
- ↑ Paragrana. Internationale Zeitschrift für Historische Anthropologie herausgegeben vom interdisziplinären Zentrum für Historische Anthropologie. Freie Universität Berlin. Band 22. 2013. Heft 2. Herausgeber Almut-Barbara Renger und Christoph Wulf. Akademie Verlag. S. 59.
- ↑ Michael Stahl: Vom Nationalsozialismus in die Demokratie: Die Evangelische Landeskirche von Kurhessen-Waldeck während der Amtszeit von Bischof Adolf Wüstemann (1945-1963). Kohlhammer Verlag, 2012, ISBN 978-3-17-023702-5, S. 185 ff. (google.de [abgerufen am 4. September 2025]).
- ↑ Zur Loge Zum flammenden Schwert
- ↑ Thomas Martin Schneider: Gegen den Zeitgeist. Der Weg zur VELKD als lutherischer Bekenntniskirche. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, S. 115.
- ↑ Herbert Goltzen – Frauen im geistlichen Amt der Kirche. Abgerufen am 18. August 2024.
- ↑ Karl Bernhard Ritter: Frauenordination. In: Quatember. 1963, abgerufen am 22. Januar 2018.
- ↑ 100 Jahre Dietgard Meyer und 60 Jahre Pfarrerinnen in Kurhessen-Waldeck | AUGIAS.Net. Abgerufen am 21. Mai 2025.
- ↑ Karl-Bernhard-Ritter-Stiftung
- ↑ Online verfügbare Aufsätze Ritters in Quatember
- ↑ Übersicht über den Bestand „Familienarchiv Ritter; 1834–1967“ (HStAM Bestand 340 Ritter b). In: Archivinformationssystem Hessen (Arcinsys Hessen), Stand: 2003, abgerufen am 3. Juli 2011.
- ↑ Umschlag mit Porträtfoto Ritters
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Ritter, Karl Bernhard | 
| KURZBESCHREIBUNG | deutscher evangelischer Theologe und Politiker (DNVP) | 
| GEBURTSDATUM | 17. März 1890 | 
| GEBURTSORT | Hessisch Lichtenau | 
| STERBEDATUM | 15. August 1968 | 
| STERBEORT | Königstein im Taunus | 
- DNVP-Mitglied
- Mitglied des Preußischen Landtags (Freistaat Preußen)
- Evangelischer Geistlicher (20. Jahrhundert)
- Evangelischer Studentenpfarrer
- Evangelischer Theologe (20. Jahrhundert)
- Person der Bekennenden Kirche
- Sachbuchautor (Theologie)
- Sachliteratur (Theologie)
- Korporierter im Wingolf
- Freimaurer (Deutschland)
- Freimaurer (20. Jahrhundert)
- Ehrendoktor der Philipps-Universität Marburg
- Deutscher
- Geboren 1890
- Gestorben 1968
- Mann
- Person (Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck)
- Person (Hessisch Lichtenau)
- Träger des Hanseatenkreuzes (Hamburg)
- Träger des Österreichischen Militärverdienstkreuzes III. Klasse
 
	