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K'ahk' Ti' Ch'ich'

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K'ahk' Ti' Ch'ich' (auch Aj Saakil) war ein Maya-König aus der Kaan-Dynastie, der von 550 bis mindestens 568 von Dzibanché aus herrschte. Unter seiner Herrschaft expandierte Dzibanché nach Süden und besiegte 562 die mächtige Stadt Tikal.

K'ahk' Ti' Ch'ich' ist nur aus wenigen teils schlecht erhaltenen Texten in der Maya-Schrift bekannt. Die frühesten Texte sind 554 in Dzibanché aufgestellte Stürze, auf denen sein Name allerdings nicht erhalten ist. Weitere relativ frühe Texte befinden sich auf einer 564 errichteten Stele in El Perú und auf einem Fries in Chochkitam, das wahrscheinlich 568 entstand. Etwas spätere Erwähnungen aus dem späten 6. oder frühen 7. Jahrhundert finden sich auf einem Keramikgefäß aus Uaxactun, auf einem in Calakmul gefundenen Knochen und auf einer Stele in Naranjo. Darüber hinaus wird K'ahk' Ti' Ch'ich' eventuell auch auf dem 633 errichteten Altar 21 von Caracol erwähnt. Aus dem späten 7. Jahrhundert liegen zudem Königslisten der Kaan-Dynastie auf Vasen im Codex-Stil vor, in denen auch K'ahk' Ti' Ch'ich' aufgeführt wird.[1][2]

K'ahk' Ti' Ch'ich' wurde erst 2017 von Simon Martin und Dmitri Beliaev als Herrscher von Dzibanché identifiziert.

Namen und Titel

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Der Name von K'ahk' Ti' Ch'ich' wird in den Inschriften mit den Logogrammen K'AHK' „Feuer“, TI' „Mund“ und CH'ICH' „Blut“ geschrieben. Unklarheiten bestehen bei der genauen Lesung des Namens. David Stuart, Marcello Canuto, Tomás Barrientos und Alejandro González nehmen an, dass Ti' ein Possessivpronomen u- vorausging. Demnach wäre der Name des Herrscher eigentlich K'ahk' Uti' Ch'ich' gewesen.[3] Darüber hinaus ist unsicher, ob das Logogramm CH'ICH' im 6. Jahrhundert schon ch'ich' oder möglicherweise noch k'ik' gelesen wurde, da die Palatalisierung von /k/ zu /ch/ im Klassischen Maya möglicherweise erst relativ spät erfolgte.[4]

Ein alternativer Name des Herrscher, mit dem dieser auf Stele 47 von Naranjo benannt wird, ist Aj Saakil. Dieser Name wird mit dem Logogramm AJ, dem Logogramm SAAK und dem Silbenzeichen li geschrieben.[5]

K'ahk' Ti' Ch'ich' führt in den Inschriften die Emblemhieroglyphe der Kaan-Dynastie und den Kaloomte'-Titel. Die Emblemhieroglyphe ist das charakteristische Zeichen seiner Dynastie und wurde wahrscheinlich k'uhul kaanu'l ajaw „göttlicher König von Kaanu'l [Dzibanché]“ gelesen. Kaloomte' ist ein seltenerer Titel, den nur die Herrscher weniger Dynastien im Maya-Tiefland tragen. Bei K'ahk' Ti' Ch'ich' wird dieser Titel durch die Himmelsrichtung Osten (elk'in) näher bestimmt.[6]

Frühe Regierungszeit (550–562)

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Türsturz in Dzibanché, der eine Inthronisation als Kaloomte' erwähnt

Über K'ahk' Ti' Ch'ich's frühes Leben ist nichts bekannt. Ein Sturz in Dzibanché aus dem Jahr 554 berichtet von einer Inthronisation als Kaloomte', die am 19. April 550 stattfand. Der Name des inthronisierten Herrschers ist in den Inschriften von Dzibanché nicht erhalten, aber Texte auf Keramiken aus dem späten 7. Jahrhundert legen nahe, dass es sich um K'ahk' Ti' Ch'ich' handelte.[7]

Dzibanché verfolgte in der Mitte des 6. Jahrhunderts eine expansive Politik, die offenbar vor allem nach Süden orientiert war. Bereits unter K'ahk' Ti' Ch'ich's Vorgänger Tuun K'ab Hix war Dzibanché 520 eine Heiratsallianz mit La Corona eingegangen und hatte einer Deutung von Tomás Barrientos, Marcello Canuto und David Stuart zufolge um 544 auch La Coronas größere Nachbarstadt El Perú unter seine Kontrolle gebracht.[8] Spätestens ab 546 hatte Dzibanché darüber hinaus die Stadt Naranjo kontrolliert, deren Herrscher Ajnumsaaj Chan K'inich in diesem Jahr unter Tuun K'ab Hixs Aufsicht inthronisiert worden war.[9] Diese Hegemonie über Naranjo und El Perú wurde auch unter K'ahk' Ti' Ch'ich' fortgeführt. Ajnumsaaj Chan K'inich von Naranjo beschreibt sich in seinen Inschriften als treuen Vasall mehrerer aufeinanderfolgender Herrscher aus der Kaan-Dynastie, zu denen auch K'ahk' Ti' Ch'ich' gehörte.[10] Ebenso bezeichnet sich Wa'om Uch'ab Ahk, der ab 556 König von El Perú war, auf einer 564 errichteten Stele als Vasall von K'ahk' Ti' Ch'ich'.[11]

Spätestens ab 561 gab es parallel zu K'ahk' Ti' Ch'ich' einen weiteren Herrscher aus Dzibanché, der in der Forschung gewöhnlich mit dem Spitznamen „Sky Witness“ bezeichnet wird. Das Verhältnis zwischen beiden Herrschern ist noch wenig verstanden. Nach Simon Martin war in der Kaan-Dynastie möglicherweise ein Doppelkönigtum üblich, wobei ein Herrscher den höhergestellten Kaloomte'-Rang innehatte, der andere Herrscher hingegen ein einfacher König war. Demnach wäre K'ahk' Ti' Ch'ich' in den 560er Jahren der höhergestellte Kaloomte' und „Sky Witness“ der weniger hochgestellte König gewesen.[12]

Mutmaßlich in Abstimmung miteinander kontrollierten und erweiterten K'ahk' Ti' Ch'ich' und „Sky Witness“ das Einflussgebiet von Dzibanché. 561 setzte „Sky Witness“ in Los Alacranes einen neuen Herrscher ein. In dem gleichen Jahr wurde die Hegemonie von Dzibanché auch auf die Stadt Caracol im Südosten von Naranjo ausgeweitet.[13]

Krieg mit Tikal und späte Regierungszeit (562–568>)

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Name des Siegers über Tikal auf Altar 21 von Caracol. Der Name ist kaum erhalten, scheint aber das Logogramm K'AHK' zu enthalten

Wie Altar 21 von Caracol berichtet, besiegte Dzibanché 562 in einem „Sternenkrieg“ Tikal, die zuvor wahrscheinlich mächtigste Stadt des Maya-Tieflands. Der Name des Siegers ist in der Inschrift nur schlecht erhalten. Vor der Identifizierung von K'ahk' Ti' Ch'ich' wurde „Sky Witness“ für den Sieger gehalten.[14] Die jüngere Forschung geht dagegen davon aus, dass K'ahk' Ti' Ch'ich' für den Sieg über Tikal verantwortlich war.[15][16] Nach der Niederlage gegen Dzibanché verlor Tikal für etwa 100 Jahre an Einfluss und die Kaan-Dynastie errichtete eine Hegemonie über große Teile des Maya-Tieflands.[17]

Eine Vase aus Uaxactun nennt einen König von Tikal als Vasallen von K'ahk' Ti' Ch'ich', der nicht aus den Inschriften von Tikal bekannt ist. Es ist unklar, in welchen Jahren dieser König über Tikal herrschte und in welchem Verhältnis er zu den bekannten Königen stand. Möglicherweise wurde er nach Dzibanchés Sieg über Tikal 562 als König von Tikal eingesetzt. Eine andere Möglichkeit ist, dass er ein Thronanwärter war, den K'ahk' Ti' Ch'ich' unterstützte, um die Dynastie von Tikal zu spalten.[18]

568 beaufsichtigte K'ahk' Ti' Ch'ich' ein unbekanntes Ereignis in Chochkitam nördlich von Tikal, das sich infolgedessen spätestens zu diesem Zeitpunkt ebenfalls unter der Kontrolle von Dzibanché befand.[19] Nach Francisco Estrada-Belli und Alexandre Tokovinine war Chochkitam für K'ahk' Ti' Ch'ich' möglicherweise eine wichtige Zwischenstation für Angriffe auf Tikal.[20]

Einzelnachweise

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  1. Simon Martin: In search of the serpent kings: From Dzibanche to Calakmul. In: Ancient Mesoamerica. 2024, S. 828–830, doi:10.1017/S095653612200030X.
  2. Francisco Estrada-Belli, Alexandre Tokovinine: Chochkitam: A New Classic Maya Dynasty and the Rise of the Kaanu'l (Snake) Kingsdom. In: Latin American Antiquity. 2022, S. 720.
  3. David Stuart, Marcello Canuto, Tomás Barrientos, Alejandro González: A Preliminary Analysis of Altar 5 from La Corona. In: The PARI Journal. 2018, S. 12.
  4. Simon Martin, Dmitri Beliaev: K’ahk’ Ti’ Ch’ich’: A New Snake King from the Early Classic Period. In: The PARI Journal. 2017, S. 2.
  5. Simon Martin, Dmitri Beliaev: K’ahk’ Ti’ Ch’ich’: A New Snake King from the Early Classic Period. In: The PARI Journal. 2017, S. 5.
  6. Francisco Estrada-Belli, Alexandre Tokovinine: Chochkitam: A New Classic Maya Dynasty and the Rise of the Kaanu'l (Snake) Kingsdom. In: Latin American Antiquity. 2022, S. 720–721.
  7. Simon Martin: In search of the serpent kings: From Dzibanche to Calakmul. In: Ancient Mesoamerica. 2024, S. 828–829, doi:10.1017/S095653612200030X.
  8. Tomás Barrientos Q., Marcello A. Canuto, David Stuart: The rise, expansion, and endurance of Kaanul: The view from northwestern Peten. In: Ancient Mesoamerica. 2024, S. 9.
  9. Simon Martin, Nikolai Grube: Chronicle of the Maya Kings and Queens. Deciphering the dynasties of the ancient Maya. Thames and Hudson, London 2008, S. 104.
  10. Simon Martin, Dmitri Beliaev: K’ahk’ Ti’ Ch’ich’: A New Snake King from the Early Classic Period. In: The PARI Journal. 2017, S. 4–5.
  11. Simon Martin, Dmitri Beliaev: K’ahk’ Ti’ Ch’ich’: A New Snake King from the Early Classic Period. In: The PARI Journal. 2017, S. 3.
  12. Simon Martin: In search of the serpent kings: From Dzibanche to Calakmul. In: Ancient Mesoamerica. 2024, S. 831, doi:10.1017/S095653612200030X.
  13. Francisco Estrada-Belli, Alexandre Tokovinine: Chochkitam: A New Classic Maya Dynasty and the Rise of the Kaanu'l (Snake) Kingsdom. In: Latin American Antiquity. 2022, S. 727.
  14. Simon Martin: Caracol Altar 21 Revisited: More Data on Double Bird and Tikal's Wars of the Mid-Sixth Century. In: The PARI Journal. 2005, S. 4–6.
  15. Simon Martin, Dmitri Beliaev: K’ahk’ Ti’ Ch’ich’: A New Snake King from the Early Classic Period. In: The PARI Journal. 2017, S. 5.
  16. Francisco Estrada-Belli, Alexandre Tokovinine: Chochkitam: A New Classic Maya Dynasty and the Rise of the Kaanu'l (Snake) Kingsdom. In: Latin American Antiquity. 2022, S. 728–729.
  17. Simon Martin, Nikolai Grube: Chronicle of the Maya Kings and Queens. Deciphering the dynasties of the ancient Maya. Thames and Hudson, London 2008, S. 104.
  18. Simon Martin, Dmitri Beliaev: K’ahk’ Ti’ Ch’ich’: A New Snake King from the Early Classic Period. In: The PARI Journal. 2017, S. 4.
  19. Francisco Estrada-Belli, Alexandre Tokovinine: Chochkitam: A New Classic Maya Dynasty and the Rise of the Kaanu'l (Snake) Kingsdom. In: Latin American Antiquity. 2022, S. 722.
  20. Francisco Estrada-Belli, Alexandre Tokovinine: Chochkitam: A New Classic Maya Dynasty and the Rise of the Kaanu'l (Snake) Kingsdom. In: Latin American Antiquity. 2022, S. 729.
VorgängerAmtNachfolger
Tuun K'ab HixGottkönig der Kaan-Dynastie
550–568>
„Sky Witness“