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Französischer Humanismus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Guillaume Budé, porträtiert von Jean Clouet

Französischer Humanismus ist die Bezeichnung für den Renaissance-Humanismus in Frankreich. Er entstand unter dem Einfluss des italienischen Humanismus und in Auseinandersetzung mit traditionellen französischen Elementen. Wie überall in Europa waren auch in Frankreich die Humanisten Vorkämpfer einer literarischen Bildungsbewegung, die eine Orientierung an „klassischen“ antiken Vorbildern forderte und das Bildungswesen vom dominierenden Einfluss der spätmittelalterlichen Scholastik befreien wollte.

Francesco Petrarca (1304–1374), die Leitfigur des frühen italienischen Humanismus, verbrachte einen großen Teil seines Lebens in Frankreich. Er polemisierte gegen die französische Kultur, die er für minderwertig hielt. Nach seiner Ansicht gab es damals in Frankreich keine Redner und Dichter, also keine Bildung im humanistischen Sinne. Petrarcas Kritik rief heftige Reaktionen französischer Gelehrter hervor. Schon in dieser Kontroverse zeigte sich ein nationalistischer Zug im französischen Humanismus und ein Spannungsverhältnis zwischen französischen und italienischen Gelehrten.

Obwohl die Kulturgeschichte Frankreichs (und bereits des Fränkischen Reichs auf später französischem Gebiet) schon im Mittelalter Phasen einer intensiven Hinwendung zu antiken Vorbildern aufwies, die mitunter irreführend als „Renaissancen“ bezeichnet werden („Karolingische Renaissance“, „Renaissance des 12. Jahrhunderts“), konnte der Renaissance-Humanismus in Frankreich erst ab dem späten 14. Jahrhundert Fuß fassen. Seine ersten bedeutenden Vertreter waren der berühmte Gelehrte und Prediger Nikolaus von Clamanges († 1437), der ab 1381 am Collège de Navarre Rhetorik unterrichtete, und der Kanzlist Jean de Montreuil. Sie bewunderten Cicero und ahmten seine Beredsamkeit nach.

Als hemmende Faktoren machten sich im kulturellen Leben die Wirren des Hundertjährigen Krieges stark bemerkbar. Erst nach dem Ende der Kämpfe blühte der Humanismus ab der Mitte des 15. Jahrhunderts auf. Bahnbrechend waren die Leistungen des Rhetoriklehrers Guillaume Fichet, der in Paris die erste Druckerei einrichtete und 1471 ein Rhetoriklehrbuch veröffentlichte, und seines Schülers Robert Gaguin († 1501), der an der Pariser Universität Rhetorikprofessor war und sich nachdrücklich für die Ersetzung mittelalterlicher Bildungsinhalte durch humanistische einsetzte. Gaguin verfasste die erste Darstellung der französischen Geschichte aus humanistischer Sicht. Wesentliche Impulse kamen von den zahlreichen italienischen Humanisten, die sich zeitweilig oder dauerhaft in Paris aufhielten, darunter Publio Fausto Andrelini († 1518), der an der Sorbonne Rhetorik unterrichtete und Hofdichter König Karls VIII. wurde, dessen Italienfeldzug er verherrlichte. Der griechische Humanist Janos Laskaris († 1534), der sich schon in Italien als Herausgeber klassischer griechischer Literatur hervorgetan hatte, übersiedelte 1496 für einige Jahre nach Paris, wo er die neuplatonisch orientierte Strömung des italienischen Humanismus einführte.

Große Verdienste um die Altertumswissenschaft in Frankreich erwarb sich Jacques Lefèvre d’Étaples († 1536), insbesondere durch seine Tätigkeit als Herausgeber, Übersetzer und Kommentator der Werke des Aristoteles. Außerdem gehörte er zu den führenden Fachleuten auf dem Gebiet der humanistischen Bibelforschung (Bibelhumanismus). Zu den bedeutendsten humanistischen Altertumswissenschaftlern zählte Guillaume Budé (1468–1540), der bei Laskaris studiert hatte. Er erforschte die Überlieferung des römischen Rechts mit philologischen Mitteln und schrieb eine wegweisende Untersuchung über das römische Münzwesen. Außerdem trat er als Gräzist und als Organisator des französischen Humanismus hervor. Auf seine Initiative ging die Gründung des Collège Royal (des späteren Collège de France) zurück, das zu einem bedeutenden Zentrum des Humanismus wurde. Das Collège Royal bildete einen Gegenpol zur antihumanistischen Strömung an der Pariser Universität, deren Vertreter konservative Theologen waren. Budé war wie viele französische Humanisten ein eifriger Nationalist und Verkünder der Größe Frankreichs. Politisch und kulturell nationalistisch gesinnt war auch der bedeutende humanistische Dichter und Schriftsteller Jean Lemaire de Belges. Er trat in der Schrift „La concorde des deux langages“ (1511) für die Gleichwertigkeit des Französischen und des Italienischen ein, was nach humanistischen Maßstäben eine Aufwertung des Französischen bedeutete.

König Franz I., der von 1515 bis 1547 regierte, galt zu seiner Zeit als der bedeutendste Förderer des französischen Humanismus. Er verhalf 1539 der französischen Sprache gegenüber der lateinischen mit dem Edikt von Villers-Cotterêts zum Durchbruch als Urkunden- und Verwaltungssprache in Frankreich. Obwohl das klassische Latein Ansehen genossen hatte, gewann das Französisch an Bedeutung und setzte sich auch in technischen Beschreibungen durch. 1549 wurde dies durch Joachim du Bellay in Deffence, et illustration de la langue francoise verdeutlicht.[1]

In der bildnerischen Kunst versuchten die Künstler mehr Eleganz durch Verzierungen mit aufwändigen, komplizierten Details zu erreichen. Wie in Italien wurden Architektur und Kunst von den klassischen griechischen und römischen Motiven und Themen stark beeinflusst. Eine symbolische Bildsprache nahm Anleihen aus der Mythologie, aus der klassischen Literatur und aus dem Christentum. Techniken wie Sfumato und Chiaroscuro wurden verwendet, um den Werken Räumlichkeit und Tiefe zu verleihen.[2]

  • Konrad Burdach: Reformation, Renaissance, Humanismus. Zwei Abhandlungen über die Grundlage moderner Bildung und Sprachkunst, G. Paetel, Berlin 1918, S. 15ff.[3]
  • Philippe Desan (Hrsg.): Humanism in Crisis. The Decline of the French Renaissance. The University of Michigan Press, Ann Arbor 1991, ISBN 0-472-10239-7.
  • Sem Dresden: The Profile of the Reception of the Italian Renaissance in France. In: Heiko A. Oberman (Hrsg.): Itinerarium Italicum. The Profile of the Italian Renaissance in the Mirror of Its European Transformations. Brill, Leiden 1975, ISBN 90-04-04259-8, S. 119–189.
  • Werner L. Gundersheimer (Hrsg.): French Humanism 1470–1600. Macmillan, London 1969.
  • Henrik Karge: Jacob Burckhardt und die französische Interpretation der »Renaissance«: Wandlungen des Begriffs von den frühen Tessin-Studien bis zum Cicerone, Zeitschrift für Kunstgeschichte, 16. Juni 2022, doi:10.1515/ZKG-2022-2004.
  • Philippe de Lajarte: L’humanisme en France au XVIe siècle. Champion, Paris 2009, ISBN 978-2-7453-1855-8.
  • Anthony H. T. Levi (Hrsg.): Humanism in France at the end of the Middle Ages and in the early Renaissance. Manchester University Press, Manchester 1970.
  • Jean-François Maillard u. a.: La France des humanistes. Brepols, Turnhout 1999 ff.
  • Jules Michelet: Histoire de France, Jusqu’à la mort de Charles V., Paris 1837 und 1867.
  • Renaissance, Villes d’Art & d’Histoire, 2013.
  • Alexander Peter Saccaro: Französischer Humanismus des 14. und 15. Jahrhunderts. Fink, München 1975, ISBN 3-7705-0821-1.
  • Christine Tauber: Eine »Cultur der Renaissance in Frankreich«? Jacob Burckhardt vor dem manieristischen Abgrund, in: Martin Baumeister, Moritz Föllmer, Philipp Müller (Hg.): Die Kunst der Geschichte: Historiographie, Ästhetik, Erzählung, Vandenhoeck, Göttingen 2009, S. 75–97.[4]
  • Christine Tauber: Die „Renaissance française“ zwischen Bürgerkultur und Modernekritik, in: Andreas Beyer, Susanna Burghartz und Lucas Burkart: Burckhardt. Renaissance, Wallstein Verlag, Göttingen 2021, S. 128–143.

Einzelnachweise

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  1. Renaissance. Die französische Sprache in der Renaissance, Website litteraturefrancaise.net (abgerufen am 7. Oktober 2025)
  2. Die Eleganz der Kunst der französischen Renaissance, Website galerie-martynoff.com (2021, aktualisiert am 9. April 2025, abgerufen am 8. Oktober 2025)
  3. https://archive.org/details/reformationrenai00burduoft/page/14/mode/2up
  4. https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/5286/1/Tauber_Eine_Cultur_der_Renaissance_in_Frankreich_2009.pdf