Desire path

Der Begriff Wunschpfad (englisch desire path), auch bekannt als Wunschlinie (desire line)[1], stammt aus der Landschaftsarchitektur und beschreibt inoffizielle Pfade, die entstehen, wenn Menschen angelegte Wege umgehen, um effizientere oder bevorzugte Routen zu nutzen. Diese Trampelpfade bilden sich oft durch wiederholtes Begehen von Grasflächen[2] oder unbefestigten Flächen und führen mit der Zeit zu sichtbaren Erosionsspuren.[3]
Der Schriftsteller J. M. Barrie beschrieb diese Pfade als „Wege, die sich selbst erschaffen“.[4][5]
Entstehung und Beobachtung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wunschpfade entstehen durch die spontanen Entscheidungen von Individuen oder Gruppen, die von anderen nachgeahmt und weiter genutzt werden.[6]
Die Entstehung von Wunschpfaden ist vor allem in weniger dicht bebauten Gebieten wie Universitätsgeländen oder Parks deutlich sichtbar. In stark urbanisierten Innenstadtbereichen hingegen sind sie aufgrund der starken Versiegelung und vorgegebener Wegeführung schwerer zu erkennen.[7]
Einige dieser Pfade sind so stark ausgeprägt, dass sie sogar auf Satellitenbildern wie Google Maps erkennbar sind.[4]

Planerischer Umgang
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einige Landschaftsarchitekten und Stadtplaner betrachten Wunschpfade als wertvolles Feedback, um Designs und Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Sie nutzen diese informellen Wege, um zukünftige Planungen anzupassen oder bestehende Räume zu optimieren. Ein bekanntes Beispiel sind die fahrradfreundlichen Umgestaltungen in Kopenhagen, die sich an den tatsächlichen Bewegungsmustern der Menschen orientieren.[3] Zur Analyse und Bewertung solcher Optimierungen werden unter anderem Methoden wie die agentenbasierte Modellierung, die Untersuchung von Flüssen und Schnitten in Netzwerken sowie die Maximum-Entropie-Methode eingesetzt.[7]

Ein Beispiel für die Integration von Wunschpfaden in die Infrastruktur findet sich beim National Institutes of Health in den USA, wo zwischen den 1960er und 1980er Jahren entstandene Wunschpfade asphaltiert und in das offizielle Wegenetz aufgenommen wurden.[4] Ein deutsches Beispiel ist die Kunsthochschule Kassel, an der der Künstler David Harding Wunschpfade durch das Verlegen von Platten befestigte und so in die Gestaltung des Geländes integrierte.[8]
Andere Planer sehen Wunschpfade jedoch als unerwünscht an und versuchen aktiv, ihre Entstehung zu verhindern. Dies geschieht beispielsweise durch den Einsatz von Barrieren, Bepflanzungen oder gezielter Lenkung der Nutzer.[3]
Konklusion
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Fußgänger, die diese Pfade nutzen, wählen den Weg des geringsten Widerstands.[7] Diese Pfade zeigen damit, dass die vorhandenen Routen die Bedürfnisse der Nutzer nicht ausreichend erfüllen, und weisen auf Möglichkeiten hin, die offiziellen Wege zu optimieren.[3][7]
Laut Kulturgeographen können Wunschpfade auch als eine Form des sozialen Protests verstanden werden, um sich gegen dominierende urbane Designs zu widersetzen.[9] Sie dienen als Ausdruck des Wunsches, gehört zu werden und Einfluss auf die Gestaltung des öffentlichen Raums zu nehmen.[4]
In Gegenden mit geringer oder schlecht ausgeprägter Infrastruktur, die aufgrund mangelnder Fußgängerfreundlichkeit als gesundheitsschädlich angesehen wird, kann die Entstehung von Wunschpfaden dazu beitragen, die Situation zu verbessern und die Gesundheit der Einwohner zu fördern.[9]
Beispiele für Wunschpfade
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Diana Koroleva, Nazir Jogezai: The desire path: unleashing expectations, discussing apprehensions, and proposing a way forward for GAI use in higher education. In: Information and Learning Sciences. Band 126, Nr. 1/2, 6. Februar 2025, ISSN 2398-5348, S. 110–131, doi:10.1108/ILS-10-2023-0137 (englisch, emerald.com [abgerufen am 14. März 2025]).
- ↑ Definition of DESIRE LINE. Abgerufen am 14. März 2025 (englisch).
- ↑ a b c d Laura Nichols: Social Desire Paths: An Applied Sociology of Interests. In: Social Currents. Band 1, Nr. 2, 1. Juni 2014, ISSN 2329-4965, S. 166–172, doi:10.1177/2329496514524926 (englisch, sagepub.com [abgerufen am 14. März 2025]).
- ↑ a b c d Ellie Violet Bramley: Desire paths: the illicit trails that defy the urban planners. In: The Guardian. 5. Oktober 2018, ISSN 0261-3077 (englisch, theguardian.com [abgerufen am 14. März 2025]).
- ↑ J. M. Barrie: Delphi Complete Works of J. M. Barrie (Illustrated). Delphi Classics, 2013, ISBN 978-1-909496-10-1 (englisch, google.co.uk [abgerufen am 14. März 2025]).
- ↑ Laura Nichols: Addressing Exclusion in Organizations: Social Desire Paths and Undocumented Students Attending College. In: Social Problems. Band 67, Nr. 3, 1. August 2020, ISSN 0037-7791, S. 471–487, doi:10.1093/socpro/spz021 (englisch, oup.com [abgerufen am 14. März 2025]).
- ↑ a b c d Lei Ma, Sven Anders Brandt, Stefan Seipel, Ding Ma: Evaluating neighbourhood roads through agent-based modelling: A step towards the optimal pedestrian desire path system. In: Expert Systems with Applications. Band 266, März 2025, ISSN 0957-4174, doi:10.1016/j.eswa.2024.125782 (englisch, sciencedirect.com [abgerufen am 14. März 2025]).
- ↑ Desire Lines. In: Kassel. Abgerufen am 14. März 2025 (deutsch).
- ↑ a b Michael Shuey: CLASSIFYING DESIRE PATHS UTILIZING A CAMPUS MASTER PLAN STUDY: A METHOD FOR RECOGNIZING URBAN DESIGN FLAWS. In: Landscape Architecture Masters & Design Theses. 7. Mai 2021 (englisch, uta.edu [abgerufen am 14. März 2025]).