Caldococcus
| „Caldococcus“ | ||||||||||||
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| Systematik | ||||||||||||
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| Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
| „Caldococcus“ | ||||||||||||
| Svetlichny et al. 1987 (LPSN)[1] Aoshima et al. 1996 (NCBI)[2] |
„Caldococcus“ ist eine Gattung von Archaeen in der Ordnung Desulfurococcales der Klasse Thermoprotei. Es gibt derzeit (Oktober 2025) keine Zuordnung zu einer bestimmten Familie.[2][1]
Beschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Mitglieder der Gattung „Caldococcus“ in der Archaeen-Klasse Desulfurococcales sind streng anaerobe, hyperthermophile Kokken, die Sulfid reduzieren und Schwefel oxidieren. Sie kommen in hyperthermalen Quellen und Schloten und heißen Quellen wie der Noboribetsu Hot Spring auf Hokkaido (Japan), und am Hot Beach[3] auf der nahegelegenen Kurilen-Insel Kunaschir(i) vor; „Caldococcus“-ähnliche Gensequenzen wurden auch im Yellowstone-Nationalpark (USA) gefunden.[4][5]
„Caldococcus noboribetus“
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]„Caldococcus noboribetus“ wurde aus der Noboribetsu Hot Spring auf der Insel Hokkaido, Japan, isoliert und das Genom des Stamms JCM 13516 sequenziert. Es hat eine Länge von 1.517.127 bp (Basenpaaren). Es enthält ein Gen für das Protein Isocitratdehydrogenase (ICDH), das sequenziert wurde. Die durch dieses Gen kodierte Aminosäuresequenz zeigt Ähnlichkeiten mit bakteriellen ICDHs auf, die sowohl in Vibrio-Arten als auch in Escherichia coli gefunden wurden. Die Sequenzen aus letzteren wiesen eine etwa 50-prozentige Identität mit dem Archaeen-ICDH auf. Das Archaeen-Gen wurde in E. coli exprimiert, nachdem es an einen [Escherichia-Phage T7|T7]]-Promotor ligiert wurde. Das resultierende Molekulargewicht des Genprodukts betrug etwa 48.000 Dalton. Diese Schätzung stimmte mit einer Schätzung aus der abgeleiteten Aminosäuresequenz überein. Das Genprodukt zeigte auch eine NADP-Abhängigkeit, damit es bei 80 °C funktioniert.[6] Diese Informationen ließen vermuten, dass „C. noboribetus“ Informationen über einen hyperthermophilen Vorfahren liefern könnte, was zur Erstellung eines vollständigen phylogenetischen Stammbaumshyperthermophiler Archaeen beitragen könnte.[7]
Um die Eigenschaften der evolutionären Vorgänger von „C. noboribetus“ zu verstehen, wurde die Gensequenz dieser Spezies künstlich verändert (mutiert), so dass die mutierten Isocitratdehydrogenase-Gene abgeleitete Sequenzen der mutmaßlichen Vorfahren enthielten, nämlich wie sie in Zellen von E. coli exprimiert werden. Die Expression dieser Gene führte zu Proteinen mit Aminosäuresequenzen der mutmaßlichen Vorfahren, was Hinweise auf Verwandtschaftsbeziehungen zu einem gemeinsamen Vorfahren hyperthermophiler Archaeen lieferte. Die Thermostabilität der gereinigten Enzyme war höher als die der Wildtyp-ICDH. Dies stützt die Annahme, dass der letzte gemeinsame Vorfahr thermophil oder gar hyperthermophil war. Diese Erkenntnis hat Auswirkungen auf das Verständnis der Evolutionsgeschichte anderer Proteine sowie auf die Entwicklung der Thermostabilität von Proteinen für experimentelle oder industrielle Zwecke.[7]
„Caldococcus litoralis“
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die zuerst entdeckte Spezies „Caldococcus litoralis“ wurde 1987 als Vertreter einer neuen Gattung beschrieben. Dies begründete sich auf einem signifikanten Unterschied von 14 % im GC-Gehalt gegenüber Thermococcus celer, dem einzigen zu dieser Zeit bekannten Vertreter der Gattung Thermococcus. Die Zellen von „C. litoralis“ sind unregelmäßig geformte Kokken mit einer Größe von 0,7 bis 2,1 μm. Die Art wurde aus heißen vulkanischen Quellen am Hot Beach (russisch Горячий Пляж Goryachiy Plyazh, ainu-japanisch 瀬石 ‚heißer Stein‘),[3][8][9] auf der Kurilen-Insel Kunaschir(i) nordöstlich vor Hokkaido isoliert. Es handelt sich um ein marines und extrem thermophiles Archaeon, das bei 55–100 °C wachsen kann, wobei die optimale Temperatur bei 88 °C liegt. Es kann bei pH-Werten zwischen 5,9 und 7,0 wachsen, wobei das Optimum bei 6,4 liegt. Unter den optimalen Bedingungen mit 6 g/ℓ Pepton und elementarem Schwefel sowie einem Elektronenakzeptor beträgt die Generationszeit 44 Minuten.[10]
C. litoralis besitzt monopolare (an einer einzigen Stelle entspringende) filamentöse Bündel (vgl. Archaellen) und ist strikt anaerob. Die Spezies nutzt Peptide als Kohlenstoff- und Energiequelle und wächst in Gegenwart von elementarem Schwefel, den es zu Schwefelwasserstoff (H2S) reduziert.[10]
C- litoralis ist resistent gegen Vancomycin, Chloramphenicol, Benzylpenicillin, Streptomycin und Rifampicin. Seine RNA-Polymerase reagiert nicht mit Antikörpern gegen Desulfurococcus-RNA-Polymerase. Es hat einen GC-Gehalt von 41,0 ± 0,2 mol%. Aufgrund seines GC-Gehalts und seiner morphologischen und physiologischen Eigenschaften wurde das Isolat 1987 der neuen Gattung „Caldococcus“ mit Typusart „C. litoralis“ zugeordnet; Referenzstamm ist Z-1301.[10]
In den 1990er Jahren wurde vorgeschlagen, „C. litoralis“ (mit diesem Referenzstamm Z-1301) als Thermococcus litoralis Z-1301 neu zu klassifizieren. T. litoralis ist eine 2001 veröffentlichte Art (mit Referenzstamm NS-C alias DSM 5473), die zum Zeitpunkt der ursprünglichen Studie von 1987 noch nicht bekannt war.[11][12] Dieser Vorschlag wird durch Immunoblotting-Analysen gestützt. Diese deuten darauf hin, dass es sich bei den Stämmen Z-1301 und NS-C um dieselbe Art handelt. Weitere Belege sind eine 96-prozentige Homologie zwischen den beiden Stämmen (gemäß DNA-DNA-Hybridisierung).[13] Während die Taxonomie des U.S. National Center for Biotechnology Information (NCBI) diesem Vorschlag gefolgt ist (mit der inzwischen entdeckten Art „C. noboribetus“ als neuer Typusart der Gattung „Caldococcus“), behielt die List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN) die ursprüngliche Klassifizierung in der Gattung „Caldococcus“ jedoch bei (Stand 4. November 2025).[1]
Artenliste
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Artenliste (Stand 4. November 2025):
Gattung „Caldococcus“ Svetlichny et al. 1987(L)[10] bzw. Aoshima et al. 1996(N)>
- Spezies „Caldococcus litoralis“ Svetlichny et al. 1987(L)[10] [Thermococcus litoralis Neuner et al. 2001(N)[13]] (Typusart nach der LPSN(L))
- Spezies „Caldococcus noboribetus“ Aoshima et al. 1996(L,N)[6] [Hyperthermophilic archaebacterium NC12(N)] (monotypisch nach der NCBI-Taxonomie(N))
- Stamm JCM 13516(N)
– Fundort: Noboribetsu Hot Spring, Hokkaido, Japan, 2005[14] (Referenzstamm[15]) - Stamm NC12(N)[16]
– Fundort: Noboribetsu Hot Spring, Hokkaido, Japan(N)
- Stamm JCM 13516(N)
- (L) – List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN)[1]
- (N) – Taxonomie des U. S. National Center for Biotechnology Information (NCBI)[2]
Etymologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Gattungsname Caldococcus ist neulateinisch und setzt sich zusammen aus lateinisch caldus ‚Hitze‘ und altgriechisch κόκκος kokkos, deutsch ‚Beere‘, ‚Kugel‘; verweist somit auf heiße Kügelchen.[1]
- Das Art-Epitheton litoralis ist ein lateinisches Adjektiv mit der Bedeutung ‚zur Küste gehörend‘, bezieht sich damit auf den supralitoralen Lebensraum, aus dem der Typusstamm isoliert wurde.[1]
- Das Art-Epitheton noboribetus ist neulateinisch und verweist auf die Thermalquelle Noboribetsu Hot Spring auf Hokkaido, Japan.[1]
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c d e f g LPSN: Genus "Caldococcus" Svetlichny et al. 1987.
- ↑ a b c NCBI Taxonomy Browser: Caldococcus. Details: "Caldococcus" Aoshima et al. 1996. Rank: genus. Graphisch: Caldococcus, auf: Lifemap.
- ↑ a b c Goryachiy Plyazh. Auf: GeoNames.
- ↑ William P. Inskeep, Timothy R. McDermott: Geomicrobiology of Acid-Sulfate-Chloride Springs in Yellowstone National Park. In: Geothermal Biology and Geochemistry in YNP [TBI Text!], 2005. Abstract ( Montana State University (MSU, montana.edu). Dazu:
- ↑ Michael T. Madigan, John M. Martinko, Jack Parker: Brock Biology of Microorganisms. 10. Auflage, Prentice Hall, Upper Saddle River, NJ, 2003. 467 Seiten, ISBN 10: 0130491470, ISBN 13: 9780130491473, ZVAB (englisch).
- ↑ a b Miho Aoshima, Akihiko Yamagishi, Tairo Oshima: Eubacteria-Type Isocitrate Dehydrogenase from an Archaeon: Cloning, Sequencing, and Expression of a Gene Encoding Isocitrate Dehydrogenase from a Hyperthermophilic Archaebacterium,Caldococcus noboribetus. In: Archives of Biochemistry and Biophysics, Band 336, Nr. 1, 1. Dezember 1996, S. 77-85; doi:10.1006/abbi.1996.0534, PMID 8951037, ResearchGate:14256478, Epub Januar 1997 (englisch).
- ↑ a b Hisako Iwabata, Keiko Watanabe, Takatoshi Ohkuri, Shin-Ichi Yokobori, Akihiko Yamagishi: Thermostability of ancestral mutants of Caldococcus noboribetus isocitrate dehydrogenase. In: FEMS Microbiology Letters, Band 243, Nr. 2, 1. Februar 2005, S. 393–398; doi:10.1016/j.femsle.2004.12.030, PMID 15686840, ResearchGate:8045357 (englisch).
- ↑
Кунаширский портал (Kunashir Portal): Топонимический словарь (Toponymisches Wörterbuch, Memento] im Webarchiv vom 13. Dezember 2012, russisch). Quellen:
- Ф. И. Пыжьянов (F. I. Pyzhanov): Остров Кунашир и Малые Курилы. Топонимический словарь (Die Insel Kunashir und die Kleinen Kurilen), 1994.
- К. М. Браславец (K.M. Braslavets): История в названиях на карте Сахалинской области (Geschichte in den Namen auf der Karte der Region Sachalin). Южно-Сахалинск (Juschno-Sakhalinsk), 1983.
- ↑ И. А. Самарин (I. A. Samarin): Об истории переименования населённых пунктов Южного Сахалина и Курильских островов в 1946—1947 годах (Über die Geschichte der Umbenennung von Ortschaften auf Süd-Sachalin und den Kurilen-Inseln in den Jahren 1946–1947), S. 221. [=https://web.archive.org/web/20180619191330/http://sakhalinmuseum.ru/ufile/1037_196.pdf Memento} im Webarchiv vom 19. Juni 2018 (PDF, sakhalinmuseum.ru, russisch).
- ↑ a b c d e f Vitaly A. Svetlichny, Alexei I. Slesarev, T. P. Svetlichnaya, G. A. Zavarzin: Caldococcus litoralis gen. nov., sp. nov. - a new marine, extremely thermophilic sulfur-reducing archaebacterium. In: Mikrobiologia, Band 56, Nr- 5, 1987, S. 831-838; Biological Abstracts 1969, Epub 23. November 2013.
- ↑ Annemarie Neuner, Holger W. Jannasch, Shimshon Belkin, Karl O. Stetter: Thermococcus litoralis sp. nov.: A New Species of Extremely Thermophilic Marine Archaebacteria. In: Archives of Microbiology, Band 153, Januar 1990, S. 205-207; doi:10.1007/BF00247822, Academia:24123132 (englisch).
- ↑ a b NCBI Taxonomy Browser: Thermococcus litoralis Neuner et al. 2001; includes: 'Caldococcus litoralis' Z-1301, Caldococcus litoralis Z-1301.
- ↑ a b c Alla S. Kostyukova, Georgi M. Gongadze, Yaroslava Y. Polosina, Elizaveta A. Bonch–Osmolovskaya, M. L. Miroshnichenko, Nikolai Alexeevitch Chernyh, Maria Obraztsova, Vitaly A. Svetlichny, Paul Messner, Uve B. Sleytr, Stephane L'Haridon, Christian Jeanthon, Daniel Prieur: Investigation of structure and antigenic capacities of Thermococcales cell envelopes and reclassification of "Caldococcus litoralis" Z-1301 as Thermococcus litoralis Z-1301. In: Extremophiles, Band 3, Nr. 4, Novembar 1999, S. 239–246; doi:10.1007/s007920050122, PMID 10591013, ResearchGate:12710362 (englisch)
- ↑ BacDive: Caldococcus noboribetus JCM 13516 is a hyperthermophilic archaeon that was isolated from Noboribetsu hot spring.
- ↑ "Caldococcus noboribetus" 13516ᵀ. JCM Catalogue. Dazu: Genomic DNA of "Caldococcus noboribetus".
- ↑ Miho Aoshima, Yoshihisa Nishibe, Masami Hasegawa, Akihiko Yamagishi, Tairo Oshima: Cloning and sequencing of a gene encoding 16S ribosomal RNA from a novel hyperthermophilic archaebacterium NC12. In: Gene. 180. Jahrgang, Nr. 1–2, 21. November 1996, S. 183–187, doi:10.1016/S0378-1119(96)00451-9, PMID 8973365 (englisch).
Weiterführende Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Journalartikel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- S. Burggraf, H. Huber, Karl O. Stetter: Reclassification of the crenarchael orders and families in accordance with 16S rRNA sequence data. In: International Journal of Systematic Bacteriolofgy. 47. Jahrgang, Nr. 3, 1. Juli 1997, S. 657–660, doi:10.1099/00207713-47-3-657, PMID 9226896 (englisch).
Bücher
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- H. Huber, Karl O. Stetter: Bergey's Manual of Systematic Bacteriology Volume 1: The Archaea and the deeply branching and phototrophic Bacteria. Hrsg.: D. R Boone, R. W. Castenholz. 2. Auflage. Springer Verlag, New York 2001, ISBN 978-0-387-98771-2, Order II. Desulfurococcales ord. nov. (englisch, archive.org).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Taxon: Genus Caldococcus (prokaryote). The Taxonomicon. Universal Taxonomic Services, Zwaag, Niederlande, Stand: 21. September 2025.