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Blumepeter

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Blumepeter-Denkmal auf den Kapuzinerplanken in Mannheim

Der Blumepeter (auch Blumenpeter, eigentlich Peter Schäfer; * 5. April 1875 in Plankstadt; † 15. Juni 1940 in Wiesloch) ist eine Mannheimer Lokallegende. Er war ein stadtbekannter, kleinwüchsiger, geistig und körperlich behinderter Blumenverkäufer, der durch die Mannheimer Lokale zog. Peter Schäfer, als Blumepeter bekannt, wurde ab 1930 als Witzfigur verwendet, dann nach seinem Tod zur humoristischen Person bis hin zur witzig-cleveren Symbolfigur der Stadt Mannheim und ihrer Einwohnerschaft verklärt. In letzter Zeit wird differenzierter an sein Schicksal erinnert.

Er wurde als Johann Peter Berlinghof, Sohn der ledigen Barbara Berlinghof, in Plankstadt im Waldpfad 67 geboren.[1] 1891 zog die Familie nach Mannheim. Sein leiblicher Vater, Joseph Schäfer, der die Mutter zwischenzeitlich geheiratet hatte, erkannte Peter als gemeinsamen Sohn an, so dass dieser seitdem den Familiennamen Schäfer trug.[1] Infolge einer Unterfunktion der Schilddrüse blieb er zeit seines Lebens kleinwüchsig, verwachsen und wies eine verminderte Intelligenz auf (Kretinismus). Zudem litt er an Anomalien am Knochensystem und an schwerem Asthma. Er besuchte nie eine Schule und konnte auch später keinen Beruf erlernen. Von seiner Tante wurde er als Blumenverkäufer auf die Straße und in umliegende Lokale geschickt, damit er seinen Lebensunterhalt wenigstens zum Teil mitfinanzieren konnte. Bekannt sind die häufig wiederholten Sätze „Schääne Blume, die Herrschafte!“ („Schöne Blumen, die Herrschaften!“) und „Kaaf mer ebbes ab!“ („Kaufe mir etwas ab!“). So wurde er zu einer Art Maskottchen, Witzfigur, aber auch Opfer von Späßen. Die Zeitspanne, in der Peter Schäfer Blumen verkaufte, dürfte zwischen 1898 und 1904 anzusiedeln sein. Er wohnte damals in Q3, 15.[1][2] Peters Schäfers Mutter Barbara Schäfer starb am 16. Oktober 1917 im Alter von 62 Jahren.[1] Über seinen Vater ist ab 1925 in Mannheimer Unterlagen nichts mehr belegt. Zuletzt wohnte der Blumepeter im Quadrat S 6, 8 im Hinterhaus bei seinem Schwager Heinrich Glatz.[1] Zudem kümmerten sich zwei Mannheimer Kabarettisten, die Gebrüder Christian und Karl Buck, um ihn. Sie verkauften aber auch Postkarten vom Blumepeter mit diversen Motiven. Zudem stellten sie ihn auch bei anderen Anlässen, zum Beispiel im Karneval und im Varieté zur Schau.[1][3] Durch diese Maßnahmen verdienten sie wohl auch Geld mit ihm. Der Sohn von Karl Buck berichtete, dass Peter Schäfer „ziemlich frech und sehr jähzornig sein konnte“.[1] Auch andere Zeitzeugenberichte lassen schließen, dass Peter Schäfer zu Lebzeiten nicht „witzig“ war, jedoch möglicherweise eher „Bauernschläue“ aufweisen konnte.[1]

Bei fortschreitendem geistigem Verfall zeigte er sich zunehmend verhaltensauffällig, auch aggressiv bis handgreiflich und soll als Exhibitionist aufgetreten sein. Ende 1919 wurde er in die Kreispflegeanstalt Weinheim eingewiesen,[4] dann im November 1929 im Alter von 54 Jahren[1] in die Heil – und Pflegeanstalt Wiesloch 1929 in die „Heil – und Pflegeanstalt Wiesloch“ verlegt (heute: „Psychiatrisches Zentrum Nordbaden“),[4] „wo er am 15. Juni 1940 an Herzversagen – wohl infolge von Unterernährung – starb. Die systematische Unterversorgung der Heiminsassen muss als Vorstufe der in jenem Jahr einsetzenden Euthanasieaktionen des NS-Regimes begriffen werden.“[4] Ab 1933 hatte auch in Wiesloch die NS-Psychiatrie Einzug gehalten, der Anstaltsleiter Dr. Wilhelm Möckel wird als „linientreu“ charakterisiert,[1] nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wirkte er dort ab Oktober 1933.[5] „Während des Zweiten Weltkriegs wurden über 2000 Patienten aus der Wieslocher Anstalt in spezielle Tötungsanstalten (insbesondere Grafeneck und Hadamar)“[5] überführt und systematisch ermordet,[5] das entspricht mehr als der Hälfte aller Insassen, ûnd zu diesen heute zahlenmäßig belegten Krankenmorden in den Tötungsanstalten mit Gaskammern komnmt noch die sogenannte „regionalisierte Euthanasie“ dazu, die durch die „Aktion Brandt“ oder den Hungerkost-Erlaß weitergeführt wurde und dezentral in den einzelnen Heil- und Pflegeanstalten mittels Überdosierung von Medikamenten (Luminalschema) oder systematischem Verhungernlassen durchgeführt wurde. Zudem sind aus der „Forschungsabteilung“ der Heil- und Pflegeanstalt Wiesloch medizinische Experimente des Leiters des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP und T4-Gutachters Prof. Carl Schneider bekannt.[1] Einen Monat vor und fünf Tage nach Peter Schäfers Tod ist je ein Transport aus Wiesloch im Rahmen der sogenannten „Aktion T4“-„Euthanasie“-Krankenmorde in der Zeit des Nationalsozialismus in die Gaskammer der Tötungsanstalt Grafeneck verzeichnet; aus dem ersten Halbjahr 1940 ist in der Krankenakte von Peter Schäfer bereits von einer zunehmenden Verschlechterung seines Allgemeinzustandes die Rede, sodass Peter Schäfer mutmaßlich „für einen der großen Transporte bereits zu hinfällig“ gewesen war.[1] Blumepeters Grab befindet sich auf dem Anstaltsfriedhof in Wiesloch, wo er am 18. Juni 1940 beigesetzt wurde, nachdem seinem Leichnam noch am Todesnachmittag das Gehirn zur Präparation entnommen worden war.[1] Bereits die damaligen regionalen Nachrufe stellen Peter Schäfer „mehr verklärend als authentisch“ als „humoristische Persönlichkeit“ dar.[1]

Grab des Blumepeters (Friedhof des Psychiatrischen Zentrums Nordbaden)

„Blumepeterwitze“, „Blumepeterfest“ und „Bloomaulorden“

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Der Blumepeter gehört heute zum Mannheimer Lokalkolorit. Prägend für die Erinnerung an ihn sind zahlreiche, ihm zugeschriebene Witze sowie das jährliche „Blumepeterfest“ am Wasserturm, eine Benefizveranstaltung des Karnevalvereins Feuerio. Der mittlerweile renommierte „Bloomaulorden“ wird an Persönlichkeiten verliehen, die Mannheim auf typische Art und Weise und deswegen unverwechselbar vertreten.

Blumepeterwitze

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Die ersten „Blumepeterwitze“ wurden bereits im Jahr 1930 publiziert.[4] Bis heute werden Witze mit ihm in der Hauptrolle erzählt. Doch die „zahllosen Witze, die angeblich vom Peter stammen oder über ihn im Umlauf waren und sind, entstammen wohl in vielen Fällen der Phantasie der ersten Erzähler.“[6] Als Beispiel dafür nennt seine Geburtsgemeinde Plankstadt, im „Großen Blumenpeterbuch“ würden über 29 Seiten hinweg Witze vom „Peter als Schulbu“ erzählt, „obwohl Peter Schäfer nie eine Schule besucht haben konnte, da es zu dieser Zeit noch keine Sonderschulen gab“.[6]

„Blumepeterfest“ vor dem Mannheimer Wasserturm, 2017

Seit 1967 veranstaltet die Karnevalsgesellschaft „Feuerio“ in der Regel jährlich das „Blumepeterfest“[4], bei dem eine Tombola und ein Essensverkauf zu karitativen Zwecken stattfindet. In den Wochen vor dem Blumepeterfest wird durch die Lokalzeitung regelmäßig eine Spendenkampagne unter Mannheimer Firmen organisiert, da sämtliche bei dem Fest verkaufte Artikel gespendet werden.

Der „Bloomaulorden“ wird seit 1970 an prominente Vertreter der Mannheimer Lebensart verliehen.[4] Der Orden hat seinen Namen daher, dass dem Blumepeter postum der Spitzname „Bloomaul“ zugedacht wurde. Dieser Spitzname bezeichnet liebevolles Angeben bzw. augenzwinkernde Übertreibung einer Behauptung oder Erzählung und wurde von dem Wort „blooe“ (vom mittelhochdeutschen Wort „bliuwen“, das „schlagen“ bedeutet) abgeleitet.[7] Im Volksmund wird „Bloomaul“ gern als Beiname für den „typischen“ Mannheimer verwendet, dem man entsprechende Eigenschaften zurechnet. Demnach werden ihm Witz und Schlagfertigkeit unterstellt und – entgegen Peter Schäfers tatsächlichen Leben – behauptet, er sei stets zu Streichen aufgelegt gewesen. Der Bloomaulorden gilt mittlerweile als die höchste bürgerschaftliche Auszeichnung Mannheims und wird immer an Fastnacht im Rahmen einer Aufführung im Nationaltheater verliehen. Er ist nach einem verworfenen Entwurf für das Denkmal einer Stiftung durch den Mannheimer Morgen im Jahr 1966 in Gestalt eines Brunnens mit Bronzedenkmal gehalten, wobei der Entwurf für das Denkmal als für den öffentlichen Raum unzumutbar abgelehnt, doch für den Orden als passend gefunden wurde. Das Symbol des Blumepeter, der hierbei nach unten gebeugt durch seine gespreizten Beine nach hinten schaut, soll im Rahmen des Bloomaulordens „der Kurpfälzer Lebensart, der teils etwas aufmüpfigen Lebensphilosophie, der Schlagfertigkeit, dem manchmal urwüchsigderben Mutterwitz der Mannheimer an sich ein Denkmal“ setzen.[8]

Weitere Reminiszenzen

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Anlässlich des zwanzigjährigen Bestehens der regionalen Tageszeitung Mannheimer Morgen im Jahr 1966 stifteten die Herausgeber zu Ehren des Blumepeters einen Brunnen mit Bronzedenkmal,[9] das der Bildhauer Gerd Dehof schuf. Das Werk wurde am 5. Juli 1967 zunächst in der Kunststraße am Kapuzinerplatz (Quadrat N 4) aufgestellt,[10] 1989 aber schräg gegenüber nach O 5 in die Fußgängerzone der Kapuzinerplanken versetzt, wo es eher randständig wirkt und mitunter auch zugestellt wird.[11]

Am 23. Oktober 2021 fand im Kulturzentrum Capitol die Premiere zur Eigenproduktion Blume Peter statt. Das von Georg Veit inszenierte Musiktheater zeigt Peter Schäfer laut eigenen Angaben als einen Menschen, der „zur Witzfigur wurde“ und „von anderen mehr benutzt als gesehen wurde“.[12]

Am 17. Juni 2024 wurde in seinem Geburtsort Plankstadt ebenfalls ein Denkmal eingeweiht, das an ihn erinnert.[13] Es wurde nach langandauernder Initiative des Gemeindearchivars Ulrich Kobelke vom Gemeinderat im Jahr 2024 beschlossen und steht in Sichtweite seines Geburtshauses an der Ecke Schwetzinger Straße/Waldpfad. Geschaffen wurde es von dem Bildhauer- und Steinmetzmeister Ralph Eschelbach und seinem Steinmetz Daniel Karrer.[14]

Mannheimer Kultfigur im Deutungswandel

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Der Blumepeter gilt als Mannheimer Original[4]. Zunächst wurde er als Witzfigur verwendet und als „dummer August“ bei der Fastnacht oder öffentlichen Veranstaltungen vorgeführt.[14] Im weiteren Verlauf wurde er „nach seinem Tod zur witzig-cleveren Symbolfigur der Stadt Mannheim und ihrer Einwohnerschaft verklärt“.[15][11] Lange war ein Bestreben erkennbar, seinen Tod im Jahr 1940 auf keinen Fall in den Kontext der NS-Krankenmorde zu stellen oder dies als rein spekulativ zu betonen bis hin zur Argumentation mit der eingetragenen Todesursache durch die NS-Psychiatrie. 150 Jahre nach Peter Schäfers Geburt, im Jahr 2025, wurde die Erinnerung an ihn weg vom reinen Klamauk differenzierter und nachdenklicher gestaltet. Das Mannheimer Haus der Stadtgeschichte und Erinnerung (Marchivum) resümiert, dass „zu Zeiten, in denen für Inklusion von Menschen mit Handicap geworben“ werde „und Minderheiten um ihre Rechte kämpfen“, „die Erinnerung an Peter Schäfer wichtiger denn je geworden zu sein“ scheine.[11] Anlässlich des 150sten Geburtstags der „Kultfigur“ und „Symbolfigur kurpfälzischer Lebensart“ Peter Schäfer erläuterte der Physiotherapeut und Träger des Bloomaulordens Christian Ziegler in einer Feier der Bloomaulordensträger an den Kapuzinerplanken: „Wir wollen mit dem Fest nicht nur erinnern und feiern, sondern auch an diejenigen denken, die – wie einst Peter Schäfer – nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.“[16]

  • Eberhard Reuß: Kaaf mer ebbes ab. Vaihingen/Enz: IPa-Buch 1998, 1. Aufl.
  • Eberhard Reuß: Erinnerungen an den „Blumepeter“. Ein Mannheimer Schicksal. Wunderhorn, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-88423-276-7.
  • Der „Blumepeter“. Auf Spurensuche einer Mannheimer Symbolfigur. Marchivum (Hrsg.), Mannheim 2022, ohne ISBN
  • Der Mannheimer Blumepeter, SWR, Eberhard Reuß, 2020[17]

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g h i j k l m n Webseite Plankstadt, Der Blumenpeter - Das Mannheimer Original – ein gebürtiger Plänkschter
  2. Dies und die folgenden Sätze dieses Absatzes beruhen auf: Ulrich Kobelke: Der Blumenpeter - Das Mannheimer Original – ein gebürtiger Plänkschter auf der Website der Gemeinde Plankstadt; dort wird auf die Forschungen von Eberhard Reuß aufgebaut
  3. Deutsche Digitale Bibliothek, bereitgestellt vom Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, R 4/011 S004086/401, Vom Außenseiter zur Legende - Wie die Mannheimer auf ihren Blumepeter kamen, vom 20. Januar 2021, abgerufen am 21. Oktober 2025.
  4. a b c d e f g Marchivum, Mannheims Archiv, Haus der Stadtgeschichte und Erinnerung, „Blumepeter“ Peter Schäfer, vom 23. März 2020, abgerufen am 21. Oktober 2025.
  5. a b c [1], Findbuch 463 Wiesloch, Psychiatrisches Landeskrankenhaus Wiesloch: Generalia, Generallandesarchiv Karlsruhe
  6. a b zitiert nach: Ulrich Kobelke: Der Blumenpeter - Das Mannheimer Original – ein gebürtiger Plänkschter. Gemeinde Plankstadt, 27. September 2015, abgerufen am 27. September 2018.
  7. Woher kommt „Bloomaul“? In: Mannheimer Morgen. 17. März 2012, abgerufen am 27. September 2018.
  8. Ehre mit Augenzwinkern, Mannheimer Morgen, Die große Jubiläums-Zeitung, 60 Jahre, 6. Juli 2006, Seite 22.
  9. Chronikstar. MARCHIVUM, 6. Juli 1966, abgerufen am 27. September 2018.
  10. Chronikstar. MARCHIVUM, 5. Juli 1967, abgerufen am 27. September 2018.
  11. a b c "Kaaf mer ebbes ab!" - Erinnerungen zum 150. Geburtstag von Peter Schäfer, dem "Mannemer Blumepeter". MARCHIVUM, abgerufen am 21. Oktober 2025.
  12. Blume Peter | Capitol Mannheim. Abgerufen am 29. Dezember 2022.
  13. Ulrich Kobelke: Der Blumepeter aus Plankstadt wird 149 Jahre alt. Schwetzinger Zeitung, 5. April 2024, abgerufen am 9. April 2024.
  14. a b Der Blumepeter wird 150 Jahre alt Gemeinde Plankstadt, 3. März 2025, abgerufen am 22. Oktober 2025.
  15. Der „Blumepeter“. Auf Spurensuche einer Mannheimer Symbolfigur. MARCHIVUM, abgerufen am 21. Oktober 2025.
  16. Musik, Blumen und eine neuen Eissorte. 150 Jahre Blumepeter: Mannheim feiert seine Kultfigur. Wochenblatt Mannheim, abgerufen am 22. Oktober 2025.
  17. Eberhard Reuß: Der Mannheimer Blumepeter. In: SWR2. 29. Juni 2020, abgerufen am 26. Dezember 2022.