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Kapitalismuskritik

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kapitalismuskritische Wandgraffiti in einer Unterführung in Linz

Das Wort Kapitalismuskritik bezeichnet die Kritik am Kapitalismus auf kulturellen, ökonomischen, sozialen und politischen Feldern. Diese Kritik kann in der Folge alternative, nicht unumstrittene Gesellschaftsentwürfe und Utopien beinhalten, oder Vorschläge für Reformen innerhalb des Kapitalismus.

Romantik

Die kulturelle Epoche der Romantik (Malerei und Literatur) als ideelle Gegenbewegung zur aufkommenden Industrialisierung und dem begleitenden Rationalismus äußert keine dezidierte Kapitalismuskritik, demonstriert aber ein kulturelles Unbehagen an der Industrialisierung mit ihren Folgen. Betont werden häufig Naturverbundenheit, Subjektivität und Irrationalität des Menschen. Es finden sich aber auch rückwärtsgewandte Sehnsüchte nach der vorindustriellen Welt.

Maschinenstürmer

Mit der Veränderung der Arbeitswelt durch die Industrialisierung kommt es in vielen Ländern zu einer Bewegung der Maschinenstürmer, deren Ziel es in erster Linie ist, ihre eigenen Lebensgrundlagen zu erhalten. In Deutschland wendet sich diese Bewegung vor allem gegen die industriellen Arbeitsbedingungen und weniger gegen die Maschinen oder den Kapitalismus an sich.

Anarchismus

Anarchistische Kapitalismuskritik bezieht sich historisch meist auf die radikaleren britischen Maschinenstürmer und deren Kampf gegen Ausbeutung und Entfremdung (ohne notwendigerweise technikfeindlich zu sein). Dabei gibt es auch Strömungen, die sich selbst als Anarchisten bezeichnen, die aber den Kapitalismus bzw. den Markt zulassen (vgl. Anarchokapitalismus). Die meisten anarchistischen Strömungen gehen allerdings davon aus, dass mit dem Kapitalismus zumindest bisher Herrschaft von Menschen über Menschen verbunden ist, die sie grundsätzlich ablehnen (siehe auch Chef, Führungskraft, Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Pflichten des Arbeitnehmers, Pflichten des Arbeitgebers). Der Kapitalismus bedarf in ihren Augen eines Wohlstands- und Machtgefälles innerhalb der Gesellschaft, um zu funktionieren.

Sozialistische Kapitalismuskritik

Von der Entfremdung durch die industrielle Revolution ausgehend, formuliert sich die sozialistische Kapitalismuskritik. Bereits im Frühsozialismus kritisierten Theoretiker wie Charles Fourier den Kapitalismus und entwarfen utopische Gegenmodelle.

Mit ihren Schriften (Hauptwerk: Das Kapital) entwickeln Karl Marx (1818 - 1883) und Friedrich Engels (1820 - 1895) einen Ansatz zur kritischen Analyse der Machtverhältnisse. Dabei geht es um das Verhältnis zwischen den Unternehmern als Eigentümern an Produktionsmitteln und den Arbeitern, die gezwungen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Dieser Ansatz wird in der Folge wissenschaftlich weiter ausgebaut. Die sozialistische Theorie stellt damit den am besten theoretisch fundierten Ansatz der Kapitalismuskritik dar.

Eine Grundlage des Kapitalismus ist demnach die Unterscheidung zwischen Tauschwert und Gebrauchswert von Waren und das Entstehen von Mehrwert dadurch, dass der Tauschwert deutlich über den Gesamtproduktionskosten liegt. Das ist nur möglich, wenn Arbeitskraft der Arbeiter in einer Form ausgebeutet wird, in der sie für ihre Arbeit weniger Lohn verdienen als sie an Wert produzieren. Die Fixierung auf den Gewinn führt zu einer immer schnelleren Verwertung und stärkeren Ausbeutung. Aus ihr resultiert auch, dass das Kapital an sich zum Fetisch wird. Der Kapitalismus entzieht sich durch die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und der Arbeiter letztendlich die eigenen Grundlagen.

Geschichte ist nach Karl Marx als eine Folge von Klassenkämpfen zu verstehen. Dabei sind im Kapitalismus die Proletarier das revolutionäre Subjekt. Die aus den inneren Widersprüchen der kapitalistischen Produktionsweise resultierenden und zyklisch wiederkehrenden Krisenerscheinungen würden notwendigerweise zum Zusammenbruch führen. In dieser Situation würde die sozialistische Revolution zu einer Übernahme der Macht führen. Ziel ist letztendlich die Errichtung einer kommunistischen Gesellschaft, in der die Ungerechtigkeiten überwunden werden. Heutige Kommunisten gehen allerdings teilweise auch nicht mehr von einer Revolution aus, sondern sehen Möglichkeiten auch eines friedlichen und demokratischen Wandels.

Im real existierenden Sozialismus sollte mit dem Ansatz eines staatlichen Monopolkapitalismus diese Utopie umgesetzt werden, bei dem die Verfügung über die Produktionsmittel formal bei der Bevölkerung lag. In der Realität führten eine autoritäre Bürokratie, die Missachtung von Menschenrechten und der westliche Einfluss unter den Bedingungen des kalten Krieges zum wirtschaftlichen, für viele Menschen auch moralischen, Zusammenbruch des Realsozialismus im Ostblock 1989. Der Großteil der Bevölkerung stand diesem System kritisch oder ablehnend gegenüber.

Die internationale Studentenbewegung von 1968 bezog teilweise sowohl gegen Kapitalismus als auch gegen Realsozialismus Stellung (Rudi Dutschke, Prager Frühling, Mai-Unruhen), teilweise wurden aber auch der Stalinismus oder der Maoismus als Vorbilder gesehen und an einen dogmatischen Marxismus angeknüpft. In der Folge entstanden in den 70ern die Neue Linke, die K-Gruppen, und die terroristische RAF, die den Kapitalismus durch einen revolutionären Befreiungskampf, in welchem Repräsentanten des westdeutschen Systems sowie Unbeteiligte getötet wurden, zu überwinden suchte.

Einen wissenschaftlicheren theoretischen Ansatz vertrat im Westen beispielsweise die Frankfurter Schule.

Nachdem die Sozialdemokratie (z. B. SPD) sich grösstenteils von der Idee des Sozialismus lossagte, vertrat sie teilweise eine am Keynesianismus orientierte Politik, als Alternative zum Neoliberalismus. Die meisten sozialdemokratischen Parteien, wie die SPD und die britische Labour Party, vertreten heute eine eher neoliberale Wirtschaftspolitik.

Der Demokratische Sozialismus ist weiterhin in den aktuellen Programmen linksorientierter Parteien z. B. in dem der PDS in Deutschland, der kommunistischen Partei Italiens (KPI), der kommunistischen Partei Frankreichs (KPF), dem Grundsatzprogramm der SPD und anderen verankert. In Regierungsverantwortung konnten diese Parteien ihre sozialistischen Ideen jedoch kaum umsetzen.

gewerkschaftliche Kapitalismuskritik

Die gewerkschaftlichen Ansätze der Kapitalismuskritk beziehen sich in der Regel auf die sozialistische Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse. Allerdings sind die Schlussfolgerungen und Forderungen aus gewerkschaftlicher Perspektive eher auf eine reformistische Umsetzung einer gerechten Gesellschaft bedacht. Dazu gehört im Sozialstaatsmodell das Konsensprinzip, nach dem Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften als Verhandlungspartner entsprechend dem Tarifvertragsgesetz in der Aushandlung von Tarifverträgen eine Sozialpartnerschaft eingehen und damit eine Verantwortung für eine friedliche gütliche Einigung in Konfliktfällen anstreben sollen. Dieser Ansatz zielt in erster Linie auf einen pragmatischen, realistischen Ausgleich von Interessen.

Gegen dieses Modell der Sozialpartnerschaft stehen kapitalismuskritische Ansätze syndikalistischer und sozialistischer GewerkschafterInnen, die allerdings in der Praxis selten zum Tragen kommen.

Religiöse Kapitalismuskritik

In der christlichen Soziallehre finden sich beim Versuch, christliche Positionen für das Zusammenleben in einer aufgeklärten Gesellschaft zu formulieren, ebenfalls kapitalismuskritische Positionen, die sich gegen die materialistischen Grundlagen der Modernen wendet. Besonders die Verelendung der Arbeiterschaft und die zunehmende Vergötterung des Geldes. Stärker richtet sich die Soziallehre gegen die ebenfalls materialistischen und offen atheistischen sozialistischen Ideen. Sie ist selbst antirevolutionär und sucht nach einem Konsens zwischen Kapital und Arbeiterinteressen unter christlichen Vorzeichen. Dazu gehört u.a. das Einfordern christlicher Werte, das Bewahren der Schöpfung, das Einsetzen für Arme und die Forderung nach Teilhabe für alle Menschen.

Die Befreiungstheologie vertritt allerdings weitergehende Ziele. Der Vatikan distanziert sich jedoch von ihr, insbesondere Papst Benedikt XVI. und sein Vorgänger Papst Johannes Paul II. zählen zu den Gegnern der Befreiungstheologie.

Beim religiösen Sozialismus vereinigen sich Elemente religiöser und sozialistischer Kapitalismuskritik.

antifaschistische Kapitalismuskritik

Mit dem Aufkommen des Faschismus in Europa formiert sich eine besondere Form des Antikapitalismus, für die der Faschismus eine Extremform der bürgerlichen Herrschaft des Kapitals ist. Dieser in den 30er Jahren vor allem von Georgi Michajlow Dimitrow (1882 - 1949) vorgetragene Ansatz findet vor allem im kommunistischen Widerstand Zustimmung.

Als Beleg für diesen Ansatz gilt insbesondere die Förderung der NSDAP durch die Großindustrie, insbesondere der Harzburger Front. Des Weiteren wird das wirtschaftliche Engagement der IG Farben und vieler weiterer deutscher Betriebe in die Ausbeutung von Zwangsarbeitern und KZ-Insassen als Zeichen für die umfassendste und mörderischste Verwertung von Menschen im Kapitalismus gedeutet.

Nach der Befreiung Deutschlands und besonders in den 60er Jahren findet die antifaschistische Kapitalismuskritik sowohl wissenschaftlich als auch politisch einigen Zulauf. Wie Max Horkheimer formulierte: "Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen." Dabei kommt es auch zu Überdehnungen der Theorie, wie der Gleichsetzungen der US-Politik mit dem Nationalsozialismus im Antiimperialismus.

Die Kritik an diesem Ansatz bemängelt einerseits solche Überdehnungen und andererseits Verengungen der Kapitalismuskritik, in der Sexismus und Rassismus als Elemente des Faschismus unberücksichtigt bleiben. Alleine aus der kapitalistischen Verwertungslogik ist Auschwitz nicht abzuleiten.

Globalisierungskritik

Zentraler Punkt der Globalisierungskritik ist die Feststellung, dass Globalisierung keine natürliche Erscheinung ist, sondern Ergebnis einer durch politische Entscheidungen geschaffenen internationalen wirtschaftlichen und politischen globalen Neuordnung.

In den aktuellen globalisierungskritischen Strömungen kommen unterschiedliche dieser Ansätze und weitere Argumentationen zusammen, u. a.:

  • mit der Tobin-Steuer wird eine Regulation internationaler Finanzströme verlangt, zudem wird auf die Notwendigkeit internationaler Steuer- und Abgaben-Abkommen, Mindestlöhne, und anderer Wettbewerbsbedingungen (Dienstleistungsrichtlinie) aufmerksam gemacht, damit Unternehmen die unterschiedlichen Standorte nicht gegeneinander ausspielen können, die sich dann in der Herabsetzung dieser Standards gegenseitig überbieten müssen, um für Investitionen attraktiv zu bleiben;
  • häufig wird entsprechend eine stärkere Position der Politik, also des Staates, der Parteien, Verbände und nichtstaatlichen Organisationen gegenüber den Unternehmen gefordert;
  • daraus folgert teils ein Standortnationalismus, der von den Unternehmen eine Verantwortung für ihre einheimischen Produktionsstandorte einfordert, oder ein Internationalismus, der globale verbindliche Regelungen fordert;
  • ökologische Ansätze, die gegen eine Globalisierung von Umweltproblemen durch erhöhten Energieverbrauch, die Verschwendung von Ressourcen und inzwischen auch die Patentierung von Leben kämpfen;
  • Kritik an den Produktionsbedingungen im Trikont, insbesondere den sogenannten Sweatshops und der Kinderarbeit;
  • gerade in diesem Punkt entwickeln sich Ansätze internationaler Solidarität, bei der die betroffenen ArbeiterInnen im Trikont und AktivistInnen in den industrialisierten Ländern zusammenarbeiten.

freiwirtschaftliche Kapitalismuskritik

Der Theorie der Freiwirtschaft nach liegt die Ursache des Kapitalismus darin begründet, daß im Kapitalismus Geld durch seinen jeweiligen Besitzer beliebig zurückgehalten (also aus dem Umlauf genommen) werden kann, ohne daß dadurch der Geldbesitzer benachteiligt wird. Den Vorgang, daß der Geldbesitzer das Geld doch dem Umlauf wieder zuführt (z. B. indem er einen Kredit an jemanden seiner Wahl vergibt), läßt sich der Geldbesitzer bezahlen. Dieser Knappheitspreis heißt Zins. Es gibt eine Mindestrendite bzw. einen Mindestzinssatz, unter dem ein jeweiliger Geldbesitzer nicht einmal bereit ist, wenigstens sein überschüssiges Geld (was er also länger nicht braucht) weiter zu verleihen. Kommt der Marktzinssatz in die Nähe des Mindestzinssatzes, so wird ein großer Teil der Geldmenge zurückgehalten. Auf dem Markt entsteht ein scheinbarer Geldmangel mit dazugehöriger Arbeitslosigkeit, bei größerem Geldmangel sogar Deflation. Versuche, dies symptomatisch zu bekämpfen, enden

Das Problem ist lösbar, indem ein Geld ("Freigeld") geschaffen wird, welches konstruktionsbedingt die Eigenschaft hat, die Zurückhaltung dieses Geldes zu benachteiligen (Umlaufsicherung). Damit sinkt der Mindestzins bzw. die Mindestrendite auf 0 und Probleme, die erst durch Zins entstehen, werden so vermieden. (Zu solchen durch den Zins generierten und daher lösbaren Problemen zählen die Freiwirtschaftler den größten Teil der Arbeitslosigkeit, die meisten Pleitewellen, Deflation, Inflation, Kluft zwischen Arm und Reich, dauerhaftes Ungleichgewicht zwischen Anbieter und Nachfrager zuungunsten des Anbieters, zwanghaftes Wirtschaftswachstum, die meiste Umweltzerstörung, fehlende Nachhaltigkeit, teilweise Krieg, Staatsverschuldung, leere Sozialkassen, Abbau öffentlicher Leistungen "aus Kostengründen", mittelbar auch institutionelle Familienfeindlichkeit und Menschenfeindlichkeit. Für dementsprechend wichtig halten sie ihr Anliegen.) Da ähnliche Mechanismen für Grund und Boden (dort ist das Analogon zum Zins die "Bodenrente") greifen, sollte dazu eine analoge Änderung für Grund und Boden erreicht werden ("Freiland"). Dies sei aber verhältnismäßig einfach durch eine Modifikation der Grundsteuer erreichbar.

Was nach einer solchen Änderung einer bestehenden Marktwirtschaft mit Kapitalismus übrig bleibt, heiße dann, so viele Freiwirtschaftler, "Marktwirtschaft ohne Kapitalismus". Ob diese Marktwirtschaft dann eine freie Marktwirtschaft oder eine Soziale Marktwirtschaft sei, ist den meisten Freiwirtschaftlern primär egal. Die meisten tendieren jedoch, der Philosophie (nicht unbedingt der Theorie) der Freiwirtschaft eines menschenwürdigen Lebens folgend, zu einer sozialen Marktwirtschaft, zumal für diese nach den freiwirtschaftlichen Reformen genügend viel Geld zur Verfügung stehen würde.

Freiwirtschaftler halten die Theorie der Freiwirtschaft für widerspruchsfrei und in bestehende volkswirtschaftliche Theorien (insbesondere der Makroökonomik) integrierbar.

Freiwirtschaftler halten weder Unternehmer noch Unternehmen noch Geschäftsbanken für "böse" und bekämpfenswert. Selbst denjenigen Personen, die Geld in großen Mengen besitzen und es nicht verleihen, mithin am Problem einen Teil maßgeblich ändern könnten, stehen sie nicht negativ gegenüber. Vielmehr halten sie das Problem für einen Fehler im Geldsystem selbst ("Systemfehler"), welches auch dort und nicht woanders gelöst werden sollte. Einer Neid-Debatte erteilen sie eine Absage. Es sei kein Problem, wenn es Leute gebe, die reich sind. Es sei allerdings ein Problem, wenn es viele Leute gebe, die ohne Notwendigkeit arm sind.

personalisierende und antisemitische Ansätze

Nicht als Kapitalismuskritik zu bezeichnen sind Ansätze, die einzelne Kapitalisten wie z. B. Axel Springer, Josef Ackermann oder Bill Gates kritisieren, sich aber nicht gegen die ökonomischen Verhältnisse an sich wenden. Begründet wird diese Ansicht damit, dass die betreffenden Personen - nicht anders als jeder Andere an ihrer Stelle - nur nach der Logik des Kapitalismus handeln, und dabei besonders erfolgreich sind. Man könne ihnen ihren Erfolg nicht zum Vorwurf machen, und von ihnen ein anderes moralisches Verhalten einfordern, als vom Rest der Bevölkerung. Sie seien quasi nur Symptom. Zu kritisieren seien vielmehr die wirtschaftlichen und politischen Strukturen.

Eine Sonderform hiervon ist der antisemitische Ansatz. Mit dem Aufkommen der antisemitischen Bewegung im späten 19. Jahrhundert, welche nicht mehr mittelalterlich-religiös sondern rassistisch motiviert war, kommen solche personalisierenden Argumentationen in Mode. Dieses trifft in besonderem Maße auf Deutschland zu. Formal sind die Bewegungen als "antimodern" zu bezeichnen, weil sich in ihnen der Wunsch nach einer vormodernen ständischen Gesellschaftsordnung ausdrückt. Der Hass gegen die Moderne richte sich besonders gegen die Juden, da diese nach der Aufklärung eine weitgehende rechtliche Gleichstellung erreichten, und speziell gegen einzelne Juden, die im Kapitalismus erfolgreich waren, oder deren Vorfahren z.B. als Hofjuden Reichtum erworben hatten. Diese wurden als Prototypen des bösen Kapitalisten auserkoren, und angegriffen. Ihnen wurde, paradoxerweise wie den Kommunisten, ein sog. jüdisches Denken unterstellt, das sich von einem deutschen Denken unterscheide, welches sozialer und nicht auf Eigennutz bedacht sei. Der Wiener Sozialist Ferdinand Kronawetter, und zuvor angeblich auch August Bebel, bezeichneten diesen Antisemitismus als Sozialismus des dummen Kerls. So standen sich zu Ende der Weimarer Republik entsprechend Nationalsozialisten und Kommunisten unversöhnlich gegenüber.

Diese antisemitischen Argumente vertreten in der Folge auch faschistische Ideologen wie z. B. Otto Strasser oder Ernst Röhm. Sie propagieren einen Unterschied zwischen einem schaffenden Kapital, das in ihren Rassephantasien deutsch sei und einem raffenden (Börsen-)Kapital - entsprechend als jüdisch bezeichnet. Das schaffende Kapital diente dabei angeblich Volk und Vaterland, während das raffende Kapital rein egoistische Ziele verfolgte. So diffamieren Faschisten dann Juden als Spekulanten und machen sie besonders für die Weltwirtschaftskrise 1929 - 1933 verantwortlich. In der Propaganda wendet Goebbels diese Argumentation besonders gegen die ökonomische Vormachtstellung der USA (siehe auch Artikel Antiamerikanismus) und ein konstruiertes "Weltjudentum", das sich gegen Deutschland verschworen habe. Auch Adolf Hitlers Buch Mein Kampf proklamierte solche Thesen. Aktuell finden sich solche Argumentationsmuster immer noch in der [Rechtsradikalismus|extremen Rechten]] in Deutschland.

Postmoderne

Nach den Erfahrungen mit dem Realsozialismus, und durch die Dekonstruktion z. B. des Werks von Marx entstanden in Folge der 68er-Bewegung Strömungen einer postmodernen Philosophie, die sich sowohl mit den klassischen, sozialistischen und kommunistischen Ansätzen, als auch (weiterhin) mit dem Kapitalismus kritisch auseinandersetzten. Philosophen wie Gilles Deleuze (Tausend Plateaus - Kapitalismus und Schizophrenie), Jacques Derrida, Jean Baudrillard oder Michel Foucault (Biopolitik) äusserten sich immer wieder kritisch gegenüber z. B. als neoliberal bezeichneten Ideen, dem zugehörigen Menschenbild und bezogen auch Stellung in der Debatte um die Globalisierung. Derrida etwa untersucht 1995 in seinem Buch Marx‘ Gespenster – Der verschuldete Staat, die Trauerarbeit und die neue Internationale die Folgen des Zusammenbruchs des Realsozialismus von 1989 und Implikationen, die sich daraus für eine kritische Haltung gegenüber dem Kapitalismus, aber auch dem Marxismus ergeben. Bisher werden die Ansätze allerdings nur innerhalb einer akademischen Minderheit diskutiert, teils wegen ihrer philosophischen Komplexität, teils wegen ihres offenen Bruchs mit herkömmlichen Ansätzen der Kapitalismuskritik.

Weitere neuere Ansätze finden sich bei Antonio Negri und Michael Hardt (Multitude, Empire - die neue Weltordnung).

Siehe auch

Sozialismus, Marxismus, politische Ökonomie, Anarchismus, Gesellschaftskritik, Senke, Neoliberalismus, Schwarzbuch Kapitalismus

Literatur