Kurt Eisner
Kurt Eisner (* 14. Mai 1867 in Berlin; † 21. Februar 1919 in München, ermordet) war ein sozialistischer deutscher Politiker und Schriftsteller.
Historische Bedeutung erlangte er vor allem als Anführer der Novemberrevolution von 1918 in Bayern, wo sie wenige Wochen nach seiner Ermordung durch einen rechtsextremen Attentäter in die kurzlebige Münchner Räterepublik mündete. Er war nach dem 1. Weltkrieg der erste Ministerpräsident des von ihm ausgerufenen „Freistaates“, der bayerischen Republik.
Leben
Eisner wurde als Sohn eines jüdischen Fabrikanten geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Berlin. Hier besuchte er das Askanische Gymnasium. Nach dem Abitur studierte er in Berlin Philosophie und Germanistik. 1892 heiratete er Elisabeth Hendrich. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor. In den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts arbeitete er an einer Reihe von Zeitungen und Zeitschriften als Journalist mit, unter anderem für die Frankfurter Zeitung. Aufsehen erregten seine geschliffenen Nietzsche-Kritiken. In einem Majestätsbeleidigungsprozess wurde er wegen kritischer Betrachtungen in einer Berliner Zeitschrift zu neun Monaten Gefängnis verurteilt. Nach seiner Entlassung warb die SPD um ihn. Er wurde Redakteur ihres Zentralorgans Vorwärts und trat 1898 der SPD bei. Eisner arbeitete danach an mehreren weiteren Zeitungen der Partei mit, zeitweise als verantwortlicher Redakteur und Herausgeber.
Ab 1910 lebte Kurt Eisner in München als Schriftsteller, Journalist, Theaterrezensent und politischer Mitarbeiter der SPD.
Als Pazifist war er von Anfang an ein erklärter Gegner der deutschen Kriegspolitik während des 1. Weltkriegs, womit er sich auch gegen die Haltung der Mehrheit der SPD-Fraktion im Reichstag und im bayrischen Landtag stellte (vgl. Burgfrieden). Er gehörte zu den Begründern und Führern der USPD in München. Seit 1917 war er der Vorsitzende der USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands) in München. Die USPD hatte sich im Zuge des Widerstands gegen die Burgfriedenspolitik der SPD, zunehmend auch von einigen ihrer Mandatsträger, von der Mutterpartei abgespalten.
Nachdem er den Januarstreik der Münchner Munitionsarbeiter organisiert hatte, wurde Eisner verhaftet und Ende Januar 1918 zu neun Monaten Gefängnis verurteilt.
Im Verlauf der vom Kieler Matrosenaufstand ausgehenden reichsweiten Novemberrevolution zum Ende des ersten Weltkriegs war Eisner der führende Kopf der revolutionären Umwälzungen in Bayern, die München noch vor der Reichshauptstadt Berlin erreichten. Eisner führte im Anschluss an eine Massenkundgebung auf der Theresienwiese am 7. November 1918 einen stetig größer werdenden Demonstrationszug zuerst zu den Garnisonen Münchens und dann ins Stadtzentrum an, ohne auf nennenswerten Widerstand zu treffen. In der Nacht zum 8. November 1918 rief er in der ersten Sitzung der Arbeiter- und Soldatenräte die Republik Bayern als Freistaat aus (sinngemäß "frei von Monarchie") und erklärte das Haus Wittelsbach für abgesetzt. Eisner wurde vom Münchner Arbeiter- und Sodatenrat zum ersten Ministerpräsidenten der neuen bayerischen Republik gewählt und bildete kurz darauf ein Regierungskabinett aus Mitgliedern der SPD und der USPD. Der entthronte König Ludwig III. floh zuerst an den Chiemsee und dann nach Österreich.
In Eisners etwa 100-tägiger Amtszeit blieben grundsätzliche revolutionäre Veränderungen aus, da die Regierung nur ein Provisorium bis zur angesetzten Landtagswahl darstellte und in ihr verschiedene Vorstellungen über die genauen Strukturen des kommenden Staates vertreten wurden. Ein wesentlicher Streitpunkt dabei war die Auseinandersetzung um die Frage der Einführung einer parlamentarischen- oder einer Rätedemokratie.
So blieben die Banken als auch die großen Industrie- und Witschaftsunternehmen unangetastet. Deren geplante Sozialisierung wurde aufgeschoben. Die monarchistischen Beamten in der Justiz und staatlichen Verwaltung behielten im Wesentlichen ihre Stellungen und verhielten sich abwartend. Lediglich einige soziale und gesellschaftliche Veränderungen zugunsten der bis dahin eher benachteiligten Bevölkerungsschichten, vor allem der Arbeiter, wurden umgesetzt: So zum Beispiel die Einführung des Achtstundentags, des Frauenwahlrechts, oder die Abschaffung der kirchlichen Schulaufsicht. Gleichwohl verprellte Eisner damit die vorherrschende katholische Kirche und das konservative Bürgertum. Kardinal Faulhaber prangerte seine Regierung als die „von Jehovas Zorn“ an.
Außenpolitisch konnte Eisner seine Vorstellungen einer Donauföderation zwischen Österreich, Bayern und der neu ausgerufenen tschechoslowakischen Republik ebensowenig durchsetzen wie die Forderung, dass die Weimarer Verfassung erst nach Zustimmung der Länder gültig werden sollte. Beides scheiterte am Widerstand der Reichsregierung.
Um die Kriegsschuld Deutschlands zu beweisen, und dadurch bessere Friedensbedingungen für Bayern zu erreichen, gab er die Gesandtschaftsberichte der bayerischen Regierung frei. Damit machte sich Eisner die führenden Militärs, die ihm sowieso argwöhnisch bis ablehnend gegenüber standen, endgültig zum Feind. Auch von vielen patriotisch und nationalistisch gesinnten Bürgern wurde er deswegen als Verräter angesehen.
Nach der schweren Niederlage der USPD bei den Landtagswahlen am 12. Januar 1919, die von der neu gegründeten KPD und von damals in München einflussreichen revolutionären anarchistischen Kreisen boykottiert worden war, entschloss sich Eisner zum Rücktritt.
Am 21. Februar 1919 wurde er vom völkisch-nationalistischen Studenten und zu dieser Zeit beurlaubten Leutnant Anton Graf von Arco auf Valley auf dem Weg zum Landtag, wo er seinen Rücktritt anbieten wollte, erschossen. Graf Arco benannte später politische Gründe als Motivation für sein Attentat, denen zusätzlich eine antisemitische Haltung zugrunde lag. Direkt nach dem Mord wurde der Attentäter durch mehrere Schüsse schwer verletzt. Der Metztger Alois Lindner, ein Mitglied des revolutionären Arbeiterrats, erschoss 2 Stunden nach dem Attentat gegen Eisner in einem spontanen Akt der Rache von der Zuschauertribüne des Landtags aus zwei konservative Abgeordnete (darunter Heinrich Osel, BVP). Der SPD-Abgeordnete Erhard Auer wurde angeschossen. Die konstituierende Landtagssitzung wurde nach diesen tumultartigen und unter den Anwesenden Panik auslösenden Ereignissen vertagt. Auer überlebte seine Verletzungen nach einer Notoperation ebenso wie Graf Arco, der Mörder Eisners.
In Folge von Eisners Tod und aus der Befürchtung heraus, rechtsextreme Kreise könnten einen Putschversuch wagen, wurde von der USPD in München der Generalstreik ausgerufen. Die Regierungsgewalt übernahm vorübergehend der Zentralrat der bayerischen Republik unter Ernst Niekisch (SPD, später USPD)
Am Tatort des Eisner-Attentats, der heute in der umbenannten Kardinal-Faulhaber-Straße liegt, erinnert eine in den Gehsteig eingelassene Reliefplatte an den Mord, dessen genaue Hintergründe nie aufgedeckt wurden.
Graf Arco wurde des Mordes angeklagt. Der Richter Georg Neithardt führte die Verhandlung auffallend oberflächlich. Hinweisen auf Verbindungen zu führenden Militärs und zum völkisch-rechtsextremen Geheimbund der Thule-Gesellschaft wurde nicht weiter nachgegangen. Graf Arco wurde letztlich als Einzeltäter verurteilt. In der Urteilsbegründung hieß es, dass die Tat nicht niederer Gesinnung entsprungen sei, sondern „aus glühender Liebe zum Vaterland“. Nach der Rücknahme eines zuvor ausgesprochenen Todesurteils schickte er Graf Arco in die „Ehrenhaft“ nach Landsberg am Lech (wo wenige Jahre später auch Adolf Hitler für kurze Zeit einsitzen sollte), von wo er nach vier Jahren Festungshaft entlassen wurde.
Kurt Eisner wurde unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Münchner Ostfriedhof beigesetzt. Seine Urne wurde 1933 durch Anordnung der Nationalsozialisten auf den Neuen jüdischen Friedhof, Garchinger Straße 37, verbracht.
Nachgeschichte
Nach der Ermordung Eisners verschärften sich die Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern einer pluralistischen Demokratie und denen einer sozialistischen Räterepublik in Bayern. Die SPD-geführte Regierung des Freistaats unter Johannes Hoffmann geriet in die Defensive und musste nach Bamberg ausweichen. In der Landeshauptstadt wurde am 7. April 1919 die Münchner Räterepublik ausgerufen, zunächst dominiert von anarchistischen und pazifistischen Intelektuellen, danach von Mitgliedern der KPD. Auch andere bayerische Städte schlossen sich der Räterepublik an. Nach wenigen Wochen wurde sie von rechtsnationalistischen Freikorps- und Reichswehrverbänden im Dienst der SPD-geführten "Bamberger Landesregierung" und der ebenfalls SPD-geführten Reichsregierung Anfang Mai 1919 blutig niedergeschlagen.
Nach dem Ende dieser relativ kurzen sozialistischen Periode in der bayerischen Geschichte, die mit Eisners Ministerpräsidentschaft begonnen hatte, entwickelte sich Bayern zu einer konservativ-reaktionären „Ordnungszelle“ innerhalb des deutschen Reichs während der Weimarer Republik. In München begann in den 1920er Jahren, begünstigt durch eine nach der Revolution verbreitete antikommunistische und antisemitische Stimmungslage in der Öffentlichkeit, auch der politische Aufstieg Adolf Hitlers und seiner NSDAP.
Zitat
- "In den Klüften zwischen den Hilfsverben Wollen, Sollen, Können liegt die Kammer des Schreckens."
Werke
- Der Geheimbund des Zaren. - Berlin : Buchhandlung "Vorwärts, 1904
- Wilhelm Liebknecht : sein Leben und Wirken. - Berlin : Buchhandlung "Vorwärts", 1900
- Sozialismus als Aktion : Ausgewählte Aufsätze und Reden. - Frankfurt a.M. : Suhrkamp, 1975.
- Der Sultan des Weltkrieges : ein marokkanisches Sittenbild deutscher Diplomatenpolitik. - Dresden : Kaden, 1906
- Der Zukunftsstaat der Junker. - Berlin : Buchhandlung "Vorwärts", 1904
Literatur
- Bernhard Grau: Kurt Eisner : 1867-1919. Eine Biografie. München 2001. ISBN 3406471587
- Oskar Maria Graf: Wir sind Gefangene. München 2002. ISBN 3423016124
- Hans Beyer: Die Revolution in Bayern 1918/19. 1988. ISBN 3326003285
Weblinks
- Vorlage:PND
- Eisners Biografie vom Deutschen Historischen Museum
- Telepolis: Wir sind Gefangene - Zum 85. Jahrestag der Ermordung Kurt Eisners
- http://www.kurt-eisner-werke.org/
- http://www.raete.de/
Personendaten | |
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NAME | Eisner, Kurt |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker und Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 14. Mai 1867 |
GEBURTSORT | Berlin |
STERBEDATUM | 21. Februar 1919 |
STERBEORT | München |