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Oldowan

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Bearbeiteter Stein (Museo Arqueológico Nacional de España)

Als Oldowan oder Oldowan-Kultur wird die archäologische Kultur mit den weltweit ältesten Steinwerkzeugen bezeichnet. Sie datiert in die Zeit von etwa 2,6 bis 1,5 Millionen Jahren vor heute. Der Name ist von Funden in der Olduvai-Schlucht, einem Teil des Rift Valley genannten Ostafrikanischen Grabenbruchs in Tansania, abgeleitet. Die ersten Steingeräte des Oldowan wurden ab 1931 von Louis Leakey und Mary Leakey entdeckt. Mary Leakey beschrieb sie 1968 in der Monographie Olduvai Gorge, a report on the evolution of the hand-axe culture in beds I–IV. Oldowan-Steinwerkzeuge sind in Afrika kennzeichnend für das Early Stone Age. Das Oldowan wird deswegen auch als „Archäolithikum“ bezeichnet, da es die älteste, nachweisbare Kultur ist, die sich gegen Ende des Pliozäns und am Beginn des Pleistozäns in Afrika etablierte.[1]

Merkmale des Oldowan

Oldowan Chopper
(1.7 Millionen Jahre alt - Melka Kunture)
Oldowan Proto-Biface

Werkzeuge und ihre Verwendung

Typisch für das Oldowan ist die Verwendung von Geröllen (engl.: Pebbles), denen mit wenigen, in der Regel einseitigen Abschlägen, eine scharfe Kante beigebracht wurde, sogenannte Geröllgeräte. Diese frühen Formen sind kaum von natürlichen Geröllen zu unterscheiden. Ein Identifizierungskriterium für Oldowan-Fundplätze wäre in diesem Zusammenhang beispielsweise das Nichtvorhandensein von auf natürliche Art und Weise transportierten oder erodierten Steinen sowie die Existenz eindeutiger, im besten Fall mehrfacher Bearbeitungsspuren.

Später, im „entwickelten Oldowan“ (engl.: „developed Oldowan“) kommen einfache Abschlagwerkzeuge hinzu und der zuvor dominierende Anteil an Choppern geht zurück. Außerdem ist ein erstes Auftreten von kleinen Kratzern sowie Proto-Zweiseitern zu beobachten, weswegen das „developed Oldowan“ teilweise auch als Vorstufe oder Teil des nachfolgenden Acheuleen gesehen wird. Auch das „developed Oldowan“ wurde anhand der Funde aus der Olduvai-Schlucht (engl.: Olduvai Gorge) definiert.[2]

Die Werkzeuge wurden verwendet, um Fleisch von Knochen zu trennen sowie zum Öffnen hartschaliger, pflanzlicher Nahrung.[3] Schlag- und Schnittspuren auf Tierknochen belegen die Verwertung von Fleisch, wenngleich bislang nicht eindeutig erwiesen ist, ob es sich um Jagdbeute oder so genanntes „Scavenging“ handelt.[4][5][6] Im Fall von „Scavenging“ – einem von Robert Blumenshine in die Debatte gebrachten Begriff – hätten sich Homo habilis bzw. Homo ergaster / Homo erectus das genommen, was von den Mahlzeiten der großen Beutegreifer, der sogenannten „Prädatoren“ übrig blieb.[7]

Als Produzenten der einfachen Steingeräte gelten die frühen Menschen Homo rudolfensis, Homo habilis sowie Homo ergaster / Homo erectus.[4] Insbesondere mit Homo habilis wird das Oldowan deswegen in Verbindung gebracht, da im Jahr 1960 in der Olduvai-Schlucht Überreste dieser frühen Menschenform in Vergesellschaftung mit einfachen Oldowan-Werkzeugen entdeckt wurden.[8] Zunehmend werden auch Australopithecinen als Hersteller in Betracht gezogen.

Das am weitesten verbreitete Werkzeug des Oldowan ist der Chopper. Dabei handelt es sich um einen auf einfache Art und Weise modifizierten Stein, dessen Bearbeitung wohl durch schlichtes Aneinanderschlagen mit einem anderen Stein entstand. Im Oldowan geschieht diese Artefaktherstellung noch in der sogenannten Hartschlagtechnik, also ohne weiteres Material, das zwischen Schlagstein und zu bearbeitenden Stein gelegt wird. Die Chopper des Oldowan werden für gewöhnlich weiter unterteilt; diese Untergliederung basiert auf der Beziehung der bearbeiteten Kante zur Originalgestalt des Steins. Diese lässt sich – aufgrund der Simplizität der Bearbeitung – in vielen Fällen rekonstruieren. Neben dem Chopper existiert noch das weiter entwickelte Chopping Tool, welches auf zwei Seiten bearbeitet ist.

Ein anderes Merkmal des Oldowan ist das Vorhandensein von sogenanntem „utilised material“, worunter man Steine versteht, die zwar nicht modifiziert, aber dennoch als Werkzeuge eingesetzt wurden; dazu gehören abgerundete Steine, die als Hammer Verwendung fanden. Im Zusammenhang mit dem „utilised material“ ist auch der Begriff der sogenannten „Manuports“ von Bedeutung: Damit sind Steine, bei denen es sich in der Regel ebenfalls um Gerölle handelt, gemeint, die vom Menschen importiert, also an einen bestimmten Platz gebracht wurden, um dort als Werkzeuge Verwendung zu finden. Wie auch beim „utilised material“ sind sie nicht oder kaum bearbeitet.[8] Vor allem die scharfkantigen Abfälle, die beim Abschlagprozess entstanden, wurden gleichfalls benützt.[9]

Lagerplätze

Eine weitere Ausprägung der Oldowan-Kultur ist das Vorhandensein erster Wohnstrukturen (Lagerplätze). Sie datieren in die Zeit von 2 bis 1, 5 Millionen Jahren vor heute; bei ihnen handelt es sich um Steinkreise, die als steinerne Basis von Hütten bzw. generell als Lager früher Hominiden (z. B. Homo habilis) gedeutet werden. Sie wurden nur eine gewisse Zeit lang bewohnt, dann aber, wahrscheinlich aufgrund der Notwendigkeit, neue Nahrungsquellen zu suchen, aufgegeben. In Olduvai entdeckte man beispielsweise im Jahre 1971 ein annähernd kreisförmiges Areal von rund 16 m² Flächeninhalt; dieses Gebiet war von einer der oben erwähnten niedrigen Steinmauern eingefasst, welche das Fundament einer Hütte darstellte: Innerhalb dieser Einfassung wurden zahlreiche zerlegte bzw. bearbeitete Knochen entdeckt, aus denen das Knochenmark entnommen worden war. Auch Chopper wurden gefunden, höchstwahrscheinlich wurde die Entnahme des Marks damit bewerkstelligt. Ein ähnlich strukturierter und ausgestatteter Siedlungsrest wurde in Melka Kunturé in Äthiopien lokalisiert; außerdem weitere Anlagen dieser Art an verschiedenen anderen Orten in Ostafrika. Generell ist zu sagen, dass sich die Reste dieser Hütten zumeist in der Nähe von Flüssen und Seen befinden.[1]

Zeitlich Einordnung

Das Oldowan wird in der neueren Forschung zunehmend in mehrere Stufen untergliedert. Veröffentlichungen hierzu stammen vor allem aus der Feder von Helene Roche:[10]

  • Early Oldowan (2,6 – 2 Millionen Jahre)
    Hierzu gehören: Kada Gona, Omo, Yiron bei Tiberias (Israel), Šandalja I. auf der istrischen Halbinsel und Chilhac III. in Frankreich (obwohl letztere nicht eindeutig zum Oldowan gezählt wird). Das Early Oldowan ist vor allem dadurch charakterisiert, dass bei der Anfertigung von Steinartefakten das Rohvolumen verfolgt wird.
  • Klassisches Oldowan (2 – 1,7 Millionen Jahre)
    Hierzu gehören: Olduvai, Koobi Fora, Ubeidya und Gesher Benot Ya'aquov in Israel, Dmanisi in Georgien und Orco bei Granada (Spanien). Diese Epoche zeichnet sich dadurch aus, dass Schlagunfälle in zunehmendem Maße vermieden und die Herstellung einfacher Steingeräte zunehmend perfektioniert wird.
  • Developed Oldowan (1,7 Millionen – 600.000 Jahre). Komplexere Geräte werden nun hergestellt; der in den vorherigen Stufen dominante Anteil an Choppern geht zurück. Die Vorläufer der Zweiseiter (Proto- Bifaces) kommen auf.
  • Das Oldowan überschneidet sich zeitlich teilweise mit dem Acheuléen (1,7 Millionen - 150.000 Jahre)

Fundregionen und wichtige Fundplätze des Oldowan

Fundplätze in Afrika

Die ältesten Fundstellen liegen in Äthiopien: Gona (2,6 Mio Jahre alt) [11] und Hadar (2,3 Mio Jahre alt). Weitere Fundplätze des Oldowan in Afrika wären beispielsweise Swartkrans und Sterkfontein in Südafrika, Koobi Fora, Omo und Gadeb in Ostafrika sowie Ain Hanech und El-Kherba in Nordwestafrika. [12]

Nach der originalen Definition des Begriffes „Oldowan“ ist diese Kultur bzw. Steinindustrie vor allem im östlichen Teil Afrikas verbreitet, obwohl ähnliche Industrien auch an anderen Orten des Kontinents nachgewiesen wurden (siehe obige Fundplatzliste).

Kada Gona (Äthiopien)

Der archäologische Fundplatz Kada Gona liegt in am Awash River in Äthiopien (Ostafrika). Die Stätte wurde unter anderem in den Jahren von 1992 bis 1994 ausgegraben und erbrachte insbesondere bezüglich der dort gefundenen Steinartefakte neue Erkenntnisse. Bei Kada GonaKada Gona handelt es sich demnach um den Fundort der ältesten Steinartefakte der Welt; diese wurden anhand der Kalium-Argon-Datierung auf ca. 2,6 Millionen Jahre datiert. Damit stellen sie definitiv die – bislang – ältesten intentionell modifizierten Werkzeuge dar. Sie wurden vom afrikanischen Archäologen und Paläoanthropologen Sileshi Semaw publiziert.

Es handelt sich um für das Oldowan charakteristische Kerngeräte; auch Abschläge wurden entdeckt. Semaw spricht in seinem Aufsatz zu den Geräten über eine durchaus feststellbare Kenntnis der Hersteller zu Schlagtechniken und Fertigungsweisen, weshalb die Artefakte technologisch eher ins developed Oldowan als in diese, durch naturwissenschaftliche Methoden ermittelte Zeit datieren. Bislang wahrscheinlichster Hersteller der Artefakte könnte der in Bouri gefundene Australopithecus garhi sein.[13]

Koobi Fora (Kenia)
Landschaft am Ufer des Turkana Sees

Koobi Fora liegt an der Ostküste des Turkana-Sees und wurde von Richard Leakey und seiner Ehefrau Meave Leakey entdeckt. Die archäologische Erschließung des Platzes erfolgte in Zusammenarbeit mit Glynn Isaac, Jakob Harris und anderen. Bei dem Fundplatz handelt es sich um eine der wichtigsten Fundstätten in Ostafrika. Gefunden wurden neben Steinartefakte aus der Zeit des Oldowan auch über 200 Überreste von Hominiden der Art Australopithecus und Homo in stratigraphischen Schichten, die zunächst verglichen wurden mit Olduvai Bett 1 und Olduvai Bett 2. Die Funde werden daher traditionell auf ein Alter von ca. 2,5 bis 1,5 Millionen Jahre geschätzt. [14] In diesen Schichten wurden auch tierische Überreste, vor allem von Flusspferden, aber auch von Elefanten und Wildschweinen gefunden. Die Knochenreste weisen mit großer Häufigkeit Schnittspuren auf.

Da viele der gefunden Knochenfragmente und Steinartefakte nur geringfügige Bearbeitungsmerkmale aufweisen, wird nicht ausgeschlossen, dass es sich um zufällige Einwirkungen auf das Material und nicht um von Urmenschen herbeigeführte Veränderungen handelt.

Heute befinden sich die zahlreichen Fundstücke aus Koobi Fora im Sibiloi-Nationalpark.

Karari (Kenia)

Karari befindet sich ebenfalls am Ufer des Turkana-Sees. Hier konnte festgestellt werden, dass die Steinwerkzeugherstellung intensiver getätigt wurde als in Koobi Fora. Die hier gefundenen Werkzeuge wurden aus den - in dieser Gegend reichlich vorhandenen - vulkanischen Gesteinen gefertigt, z.B. aus Quarzit. Ähnliches lässt sich unter anderem an Fundstücken aus der Olduvai- Schlucht nachweisen. Die meisten der Artefakte sind von einfacher Machart und von kleiner Größe. Einige weisen definitive Gebrauchsspuren auf. Allerdings fügen sich nur wenige in die klassische Typologie der Steinwerkzeuge nach Mary Leakey ein.[15] In Karari wurden auch Reste von Knochen entdeckt, die scheinbar absichtlich zerbrochen wurden – aller Wahrscheinlichkeit nach, um an das Mark zu gelangen. Andere Knochen weisen Schnittspuren auf. Die Funde wurden auf ein Alter von 1,6 bis 1,2 Millionen Jahre datiert.

Kanjera (Kenia)

Die Fundstätte Kanjera liegt auf einer Halbinsel am nordöstlichen Ufers des Victoria-Sees. Ausgrabungen fanden unter Thomas Plummer statt. [16] Mit ungefähr 4500 Steinartefakten und mehr als 3000 identifizierten Tiergattungen, deren Reste entdeckt wurden, gehört Kanjera zu den bedeutenden Funden der Oldowan-Kultur in Afrika. Er ist gleichzustetzen mit Olduvai und Sterkfontein, obwohl sich die Merkmale der dort gefundenen Artefakte sehr von den hier gefunden Objekten unterscheiden.

Olduvai (Tansania)
Olduvai-Schlucht, Februar 2006
Olduvai-Schlucht

Die Olduvai-Schlucht (englisch: Olduvai Gorge) ist ein Tal in den Serengeti-Plains im sogenannten ostafrikanischen Grabenbruch im nördlichen Tansania. Ihre Bedeutung liegt insbesondere in der forschungsgeschichtlichen Relevanz: Anhand der Funde, die hier gemacht wurden, wurde das Oldowan erst definiert. Die Stätte selbst zerfällt in zwei Bereiche: Einen nördlichen, größeren, den „Main Gorge“, und einen südlichen, kleineren, den „Side Gorge“. Die pleistozänen Ablagerungen des Ortes wurden zum ersten Mal in den Jahren 1931/32 von Louis Leakey und Hans Reck untersucht und in dem Buch Olduvai Gorge: Fauna and Background publiziert. Diesem Bericht zufolge lässt sich die Stratigraphie in fünf Einheiten unterteilen: Man spricht von den Beds I–V. Dabei sind nur die untersten Schichten, die vor allem aus vulkanischen Tuffen bestehen, für das Oldowan interessant, da die oberen bereits zu jung datieren.[17] Die Datierungen wurden mittels der in den sechziger und siebziger Jahren noch recht jungen Potassium-Argon-Methode durchgeführt. Bed I datiert demzufolge in eine Zeit von etwa 1,8–1,75 Millionen Jahren vor heute.[18]

Den ersten Fund eines menschlichen Überrestes machte Hans Reck im Jahre 1913 (OH [Olduvai Hominid] 1). Im Juni und Juli 1959 wurde im oberen Bed I schließlich Homo habilis (OH 7; „Jonnys Child“), und zusammen mit ihm Reste früher Werkzeuge entdeckt. Der am 17. Juli 1959 entdeckte und später in Paranthropus boisei umbenannte „Zinjanthropus boisei“ („Nutcracker Man“; deutsch: „Nussknacker-Mensch“ aufgrund seiner großen, zum Zerkauen pflanzlicher Nahrung geeigneter Zähne) war zwar ursprünglich als Hersteller dieser Artefakte diskutiert worden;[19] diese These erwies sich jedoch nach dem Fund einer neuen Homininenspezies als nicht haltbar. Die Typusbezeichnung „habilis“ erklärt sich deswegen auch daher, da die Ausgräber in ihm den ersten zur Werkzeugherstellung fähigen (lateinisch: habilis) frühen Menschen sahen.[20]

Die Werkzeuge, die später zur Definition des „Oldowan“ führten, wurden im oberen Bereich von Bed I gefunden („Upper Bed I“). Dort, wie auch im unteren Bed II, befinden sich frühe Lagerplätze von Homininen, in denen die Artefaktkumulationen angetroffen wurden.

Bei den Rohmaterialien, aus denen die Artefakte bestehen, handelt es sich in der Olduvai-Schlucht hauptsächlich um Vulkangesteine („non-vesicular lava“). Häufig benutzt wurde Lavagestein, das von einer mittleren bis dunkelgrauen Färbung charakterisiert und allgemein relativ feinkörnig war. Vereinzelt wurde auch grünlichgrauer Phonolith verwendet. Die Herkunft der Lava erklärt sich aus der Nachbarschaft der Fundstätte zu dem von vulkanischer Aktivität geprägten Hochland im Süden und Osten; dort befindet sich beispielsweise der Ngorongoro- oder der Sadiman-Krater.[21]

Peninj (Tansania)

Peninj ist ein Komplex von elf nahe beieinanderliegenden Fundstätten, am Natron-See in Nord-Tansania gelegen, nahe der kenianischen Grenze, wenige Kilometer von Olduvai entfernt.

Im Jahre 1964 entdeckte Richard Leakey dort den Unterkiefer eines Paranthropus robustus. Später wurde hier von einer internationalen Gruppe von Spezialisten, unter der Leitung des spanischen Teams, das schon in Atapuerca gegraben hatte, gegraben.

Die Funde bestehen aus Tierüberresten, typischen Oldowan-Werkzeugen und Hominiden-Unterkiefer.

Datiert wird der Komplex (nicht ohne Kontroverse) nach der Mikrofauna und nach der Kalium-Argon-Datierung der vulkanischen, auf 1,6 bis 1,4 Millionen Jahren geschätzten Schicht, die die Oldowan-Schicht überlagert. Diese vulkanische Schicht ist im Spanischen bekannt als „Toba 1 de Arcillas Arenosas Superiores” (wörtlich: „Tuffstein 1 aus oberem sandigem Lehm”) und gehört zur geologischen Formation „Humbu”. [22]

Die Steinwerkzeugherstellung von Peninj war sehr weit fortgeschritten, weiter fortgeschritten als z.B. in Koobi Fora. Die Tendenz zur typologischen Normierung der Werkzeuge und die Fähigkeit die Splitter mit konkreten Formen und Größen herauszuarbeiten sind einige der bemerkenswertesten Eigenschaften. Es wird sogar angenommen, dass die Hominiden dieser Fundstätten fähig gewesen sind, standardmäßig Werkzeuge zu fertigen, vergleichbar der Levallois-Technik, die aber eigentlich für das wesentlich jüngere Acheuléen als typisch gilt. [23]

Fundplätze in Europa und Asien

Einfachste Steinwerkzeugindustrien des Menschen wurden in anderen, außerhalb Afrikas gelegenen Teilen der Welt in der Vergangenheit nicht unter dem Begriff „Oldowan“ subsumiert.[24] Wann immer heutzutage von Oldowan außerhalb Afrikas gesprochen wird, datieren die Fundstücke in der Regel wesentlich jünger als die entsprechenden afrikanischen.[25]

Die asiatischen Kulturen auf diesem technologischen Level werden vielfach als „Lower Paleolithic Cultures of Asia“ bezeichnet; Fundstellen hierfür sind unter anderen Kota Tampan in den frühpleistozänen Terrassen des Perak River im nördlichen Malaya.[26] Der berühmteste Archäologe, der in diesem Gebiet forschte, war Hallam Movius jr., der seine Ergebnisse unter anderem in den Transactions of The American Philosophical society aus dem Jahr 1949 veröffentlichte. Eine Revision europäischer Fundplätze des Altpaläolithikums kam zu Beginn der 1990er Jahre zu dem Schluss, dass es im nordalpinen Europa keine plausible Geröllgerätekultur gegeben habe.[27] Alle verlässlichen Fundplätze Europas entstammen demnach dem Zeithorizont des Acheuléens. Die Sichtweise änderte sich mit den Funden der ältesten Oldowan-Werkzeuge in Eurasien, die seit Mitte der 1990er Jahre gefunden wurden und rund 1,8 Mio Jahre alt sind.

Atapuerca (Spanien)

Ebenfalls in den 1990er Jahren wurden auch in der Sierra de Atapuerca (Spanien) Steinwerkzeuge gefunden, die etwa 800.000 Jahre alt sind und einer primitiven Kultur ohne Faustkeile entstammen. Dadurch wurde bewiesen, dass frühe Werkzeugkulturen nicht ausschließlich auf Afrika beschränkt sein müssen und dass diese auch in Europa existent waren.

Dmanisi (Georgien)
Oldowan-Werkzeug aus Dmanissi (rechts), daneben zum Vergleich ein Faustkeil des Acheuléen
Ein ca. 1,8 Mio. Jahre alter Chopper aus Dmanisi

Die ältesten Werkzeuge des Oldowan in Europa stammen aus dem georgischen Dmanisi, was nach gängiger Definition zu Westasien gehört, und wurden in Zusammenhang mit den frühesten homininen Fossilien außerhalb Afrikas entdeckt (vgl. Hominine Fossilien von Dmanisi).[28]

Der Fundplatz liegt in der Vulkanregion Kveno Karti in Südostgeorgien, 65 Kilometer südwestlich von Tiflis, auf einem Hochplateau. Das Plateau wird aus Basaltströmen gebildet; diese formen einen langgestreckten, dreieckigen Felssporn, auf welchem sich das mittelalterliche Dorf Dmanisi befindet.[29] Erste archäologische Untersuchungen fanden im Jahr 1963 unter Vachtang V. Dzaparidze statt, ab 1984 wurden erste, einfach gearbeitete Steinartefakte entdeckt. Beginnend im Jahr 1991 wurde das Plateau schließlich durch das Archäologische Zentrum der georgischen Akademie der Wissenschaften und des Forschungsbereiches Altsteinzeit des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz untersucht. Im Jahr 1996 wurde der Unterkiefer D 211 gefunden, der zu einer bislang nicht endgültig geklärten Art der Gattung Homo gehört. Die Altersbestimmungen der Stratigraphie erfolgten über paläomagnetische sowie über radiometrische Datierungsmethoden und ergaben eine Datierung von 1,942 bis 1,785 Millionen Jahren vor heute.[30]

Die Schichtabfolge bildet eine durchgehende Abfolge vom Oldowan und developed Oldowan bis zum Acheuléen. Aufgrund ihres hohen Alters und aufgrund der sehr einfachen Schlagtechnik wurde geschlossen, dass die Inventare an Steinartefakten von Dmanisi zu den Kern- und Abschlagsindustrien des Oldowan-Technokomplexes gehörten. Fundplätze mit einem ähnlich hohen Alter waren bislang nur aus Afrika bekannt, weswegen Dmanisi eine herausragende Stellung in der Liste der europäischen Fundplätze des Altpaläolithikums einnimmt. Die Artefakte wurden mit direkten, harten Schlägen zugerichtet; es sind ferner Schlagsteine, Kernformen, Abschläge und die daraus hervorgehenden Abschlagsgeräte bekannt – ein Hinweis darauf, dass sich im Verlauf des Oldowan neben den klassischen Kerngeräten auch aus Abschlägen hergestellte Artefakte etablieren.[31]

Bedeutende Wissenschaftler

Im Folgenden eine kurze Auflistung der bedeutendsten Wissenschaftler, die zum Themenkomplex des Oldowan in der Forschung tätig waren (bzw. tätig sind):

Literatur

Oldowan allgemein

  • Stanley H. Ambrose: Paleolithic Technology and Human Evolution. In: Science, Band 291, S. 1748–1753, 2001.
  • John D. Clark: The Prehistory of southern Africa. Penguin Books, Harmondsworth 1959
  • Eric Delson, John G. Fleagle u. a. (Hrsg.): Out of Africa I. The first Hominin Colonization of Eurasia. Springer Science + Business Media, Dordrecht 2010, ISBN 978-90-481-9036-2
  • Fiorenzo Facchini: Die Ursprünge der Menschheit. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-8062-1991-3
  • Chester F. Gorman: Hoabinhian: A pebble-tool complex with early plant associations in Southeast Asia. In: Science, Band 163, 1969, S. 671–673
  • Lawrence H. Keeley, Nicolas Toth: Microwear polishes on early stone tools from Koobi Fora, Kenya. In: Nature, Band 293, 1981, S. 464–465, doi:10.1038/293464a0
  • Mary D. Leakey: Primitive Artefacts from Kanapoi Valley. In: Nature, Band 212, 1966, S. 579–581, doi:10.1038/212579a0
  • Hallam Movius jr.: The Lower Paleolithic cultures of Southern and Eastern Asia. In: Transactions of the American Philosophical society, Philadelphia 1949, S. 329–421.
  • Friedemann Schrenk: Die Frühzeit des Menschen. Der Weg zum Homo sapiens. München 1997
  • N. M. Whalen: Variability in developed Oldowan and Acheuleen bifaces of Saudi Arabia. In: Atlal, The Journal of Saudi Arabian Archeology, Band 13, 1990, S. 43–48

Fundstelle Olduvai

  • G. H. Curtis: Notes on some Miocene to Pleistocene potassium-argon results. In: W. W. Bishop, J. D. Clark: Background to evolution in Africa. Chicago University Press, S. 365–369
  • R. L. Hay: Stratigraphy of Bed I–IV, Olduvai Gorge, Tanganyika. In: Science, Band 139, S. 829–833
  • R. L. Hay: Revised stratigraphy of Olduvai Gorge. In: W. W. Bishop u. J. D. Clark: Background to Evolution in Africa. Chicago University Press, S. 221–228
  • Louis B. Leakey: Olduvai Gorge, Band 1: 1951–1961 Fauna and background. Cambridge University Press 1967
  • Mary D. Leakey: A Review of the Oldowan Culture from Olduvai Gorge, Tanzania. In: Nature, Band 210, 1966, S. 462–466, doi:10.1038/210462a0
  • Mary D. Leakey: Olduvai Gorge, Band 3: Excavations in Beds I and II, 1960–1963; Cambridge University Press, 1971
  • Richard Potts, Pat Shipman: Cutmarks made by stone tools on bones from Olduvai Gorge, Tansania. In: Nature, Band 291, 1981, S. 577–580, doi:10.1038/291577a0
  • Phillip V. Tobias: Olduvai Gorge, Band 2: The cranium of Australopithecus (Zinjanthropus) Boisei; Cambridge University Press 1967
  • Phillip V. Tobias: Olduvai Gorge, Band 4: The skulls, endocasts and teeth of homo habilis; Cambridge University Press 1991

Fundstelle Kada Gona

  • J. L. Aronson et al.: New Geochronologic and paleomagnetic data for the hominid-bearing Hadar Formation, Ethiopia. In: Nature, Band 267, 1977, S. 323–327
  • B. Asfaw et al.: Australopithecus garhi: a new species of early hominid from Ethiopia. In: Science, Band 285, 1999, S. 629–635
  • J. D. Clark et al.: Hominid Occupation of the East Central Highlands of Ethiopia in the Plio- Pleistoscene. In: Nature, Band 282, 1979, S. 33–39
  • J. W. K. Harris et al.: Pliocene archeology at the Gona River, Hadar. In: Nyame Akuma, Band 31, 1989, S. 19–21
  • Sileshi Semaw et al.: 2,5-million-year-old stone tools from Gona, Ethiopia. In: Nature, Band 385, 1997, S. 333–336

Fundstelle Dmanisi

  • G. Bräuer et. al.: Der hominide Unterkiefer von Dmanisi: Morphologie, Pathologie und Analysen zur Klassifikation. In: Jahrbuch des RGZM 42, Verlag des römisch-germanischen Zentralmuseums, Mainz 1996, S. 183–203
  • Eric Delson et al.: Homo at the Gates of Europe. In: Nature, Band 373, 1995, S. 472–473
  • Vachtang Dzaparidze, Gerhard Bosinski et al: Der altpaläolithische Fundplatz Dmanisis in Georgien (Kaukasus). In: Jahrbuch des RGZM 36, Verlag des römisch-germanischen Zentralmuseums, Mainz 1992, S. 67–116
  • Leo Gabunia, Olaf Jöris: Taxonomy of the Dmanisi Crania. In: Science, Band 289, 2000, S. 55–56
  • Leo Gabunia: Der menschliche Unterkiefer von Dmanisi (Georgien, Kaukasus). In: Jahrbuch des RGZM 39, Verlag des römisch-germanischen Zentralmuseums, Mainz 1995, S. 185–208
  • Antje Justus et al.: Neun Jahre Ausgrabungen in Dmanisi (Georgien, Kaukasus). In: Jahrbuch des RGZM 36, Verlag des römisch-germanischen Zentralmuseums, Mainz 1992, S. 67–116
Commons: Oldowan – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Fiorenzo Facchini: Die Ursprünge der Menschheit. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2006, S. 179
  2. Ian Tattersall, Eric Delson u. a.: Encyclopedia of human evolution and prehistory. Garland Verlag, New York, London 1988, S. 388
  3. Friedemann Schrenk: Die Frühzeit des Menschen. Der Weg zum Homo sapiens; München 1997; S. 77
  4. a b Grahame Clark: The stone age hunters. Thames and Hudson, London 1967, S. 26 f.
  5. Blumenshine, Robert J.: A landscape taphonomic model of the scale of prehistoric scavenging opportunities. Journal of Human Evolution 18, 1989, S. 345–371
  6. Blumenshine, Robert J. & Selvaggio, Marie M.: On the Marks of Marrow Bone Processing by Hammerstones and Hyenas: Their Anatomical Patterning and Archaeological Implications. in: Clark, Desmond J. (Hrsg.): Cultural Beginnings - Approaches to Understanding Early Hominid Life-Ways in the African Savanna, Bonn, 1991, S. 17–32
  7. Blumenshine, Robert J.: Carcass Consumption Sequences and the Archaeological Distinction of Scavenging and Hunting. – Journal of Human Evolution 15, 1986, S. 639–659
  8. a b M. D. Leakey: Olduvai Gorge, Band 3: Excavations in beds I and II. 1960–1963; Cambridge University Press, 1971; S. 1–8
  9. Ian Tattersall, Eric Delson u. a., 1988, S. 388
  10. Anne Delanges, Helene Roche: Late Pliocene hominid knapping skills: The case of Lokalalei 2C , West Turkana, Kenya. In: Journal of human Evolution, Band 48, 2005, S. 435-372
  11. Sileshi Semaw: The World’s Oldest Stone Artefacts from Gona, Ethiopia: Their Implications for Understanding Stone Technology and Patterns of Human Evolution Between 2·6–1·5 Million Years Ago. Journal of Archaeological Science, Band 27, 2000, S. 1197–1214, doi:10.1006/jasc.1999.0592; Volltext auch bei indiana.edu (PDF)
  12. Marta M. Lahr: Saharan Corridors and their Role in the evolutionary geography of “Ot of Africa I”; in: Eric Delson, John G. Fleagle u. a. (Hrsg.): Out of Africa I. The first Hominin Colonization of Eurasia. Springer Science+Business Media, Dordrecht 2010; S. 31
  13. Semaw 2000, S. 1197–1214
  14. Henri Lumley: Origen y evolución del Hombre, Ministerio de cultura, Dirección General de Bellas Artes, Madrid 1984, S. 87-88
  15. Für die klassische Typologie siehe insbesondere die Einleitung von Leakey 1971.
  16. Thomas Plummer: Flaked Stones and Old Bones: Biological and Cultural Evolution at the Dawn of Technology, Yearbook of Physical Anthropology, Wiley Liss Inc. 2004, (Band 47, Seite 118-164)
  17. Mary D. Leakey 1971, S. 9–10
  18. G. H. Curtis, J. F. Evernden: Age of basalt underlying Bed I at Olduvai. In: Nature, Band 194, 1962, S. 611 doi:10.1038/194611a0
  19. Vor allem von Louis Leakey.
  20. Phillip V. Tobias: Olduvai Gorge, Band 4: The skull, endocasts and teeth of Homo habilis. Cambridge University Press, 1991, S.17–21
  21. Mary D. Leakey 1971, S. 17
  22. Manuel Domínguez-Rodrigo: La cronología del grupo Peninj, al oeste del lago Natrón (Tanzania): Revisión de las discordancias bioestratigráficas, Complutum 1996, ISSN 1131-6993, (Band 7, Seite 7-15) - (Leseprobe (Spanisch))
  23. Ignacio Torre Sáinz & Rafael Mora Torcal: El olduvayense de la sección tipo de Peninj (Lago Natron, Tanzania), Centre d’Estudis Patrimonic Arqueologic, Bellaterra, Barcelona 2004, ISBN 84-609-0179-3
  24. Ian Tattersall, Eric Delson u. a., 1988, S. 387 f.
  25. John J. Shea: Stone Age visiting cards revisited: A strategic perspective on the lithic technology of early hominin dispersal, in: Eric Delson, John G. Fleagle u. a. (Hrsg.): Out of Africa I. The first Hominin Colonization of Eurasia. Springer Science+Business Media, Dordrecht 2010, S. 52
  26. Grahame Clark, 1967, S. 28
  27. W. Roebroeks, W. T. van Kolfschoten: The Earliest Occupation Of Europe. Leiden, University Press, 1995
  28. Olaf Jöris: Der altpaläolithische Fundplatz Dmanisi (Georgien. Kaukasus). Archäologische Funde und Befunde des liegenden Fundkomplexes im Kontext der frühen Menschheitsentwicklung. Verlag des römisch-germanischen Zentralmuseums, Mainz 2008
  29. Olaf Jöris 2008, S. 23
  30. Olaf Jöris 2008, S. 35
  31. Olaf Jöris 2008, S. 71–75.

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