Linux-Einsatzbereiche
Linux wurde ursprünglich als Terminal-Emulator für Computer mit einem X86-Prozessor geschrieben. Mit dem wachsendem Erfolg des Programms wurden die Einsatzmöglichkeiten von Linux immer mehr erweitert: neue Programme und Funktionen wurden hinzugefügt, der Kernel wurde auf andere Mikroprozessoren portiert.
Dieser Artikel gibt einen detaillierten Überblick über die heutigen Einsatzmöglichkeiten und -bereiche von Linux. Schwerpunkt dabei bildet der Einsatz von Linux auf dem Desktop, es werden aber auch andere Bereiche angesprochen. Ein allgemeiner Überblick über die Thematik Linux selbst findet sich im Hauptartikel Linux.

Linux am Desktop
Die wohl anspruchsvollste Computerinstallation ist der PC als Schreibtischgerät. Der Benutzer soll mit ihm arbeiten können, ohne sich dem technischen Hintergrund des Systems bewusst sein zu müssen. GNU/Linux orientiert sich hauptsächlich in Richtung des Desktop-Einsatzes, da PCs üblicherweise über eine hohe Rechenleistung und großzügigen Arbeitsspeicher verfügen und dadurch den Entwicklern viele Freiheiten ermöglicht werden. Selbst der Linux-Begründer Linus Torvalds sieht Linux vorwiegend als Grundlage für Desktop-PCs.
Eine typische Installation einer Linux-Distribution enthält einen X11-Grafikserver sowie eine Desktopumgebung und wichtige Anwenderprogramme. Dazu gehören ebenso Office Programme wie Office, wie auch Programme zu Bildbearbeitung (häufig Gimp), Browser und E-Mail-Programme. Bei Installationen für Firmen und Büros kommen noch andere Programme wie zum Beispiel zur Unternehmensplanung hinzu, für Entwickler gibt es Entwicklerwerkzeuge wie Eclipse oder KDevelop.

In der Praxis wird Linux eher zögerlich im Desktop-Bereich eingesetzt. Heutzutage sind zwar viele übliche Funktionen des Systems über intuitive Benutzeroberflächen administrierbar, die meisten Funktionen zur Feinabstimmung sind jedoch teilweise umständlich für den durchschnittlichen Endanwender zu handhaben, was diesen oftmals vor der Verwendung dieses Systems abschreckt. Da aber auch dieses Problem bekannt ist, wird bei der Programmierung der direkten Schnittstelle mit dem Nutzer, der Desktopumgebung, immer mehr Wert darauf gelegt, ob sie Benutzer- und Einsteigerfreundlich gestaltet ist. Die beiden größten Desktopumgebungen und Linux, GNOME und KDE, haben sich dafür extra eigene Richtlinien gegeben, die von jedem beigesteuerten Programm und jeder Funktion eingehalten werden muss, um dem Benutzer ein einheitliches Look&Feel zu bieten.
Beim Einsatz in größeren Netzwerken kann ein GNU/Linux-System unter anderem dadurch sehr gut punkten, dass sämtliche Administrationstätigkeiten – für den Benutzer völlig unbemerkt – von Netzwerkadministratoren durchgeführt werden können. Nur für Administratoren sind diese Funktionen sichtbar und können daher keinen Benutzer ablenken oder überfordern.
Zur Zeit wird der Marktanteil von Linux auf normalen Desktops im unteren einstelligen Prozentbereich geschätzt. Da Linux aber frei kopiert und verteilt werden kann und auch neben bereits bestehenden Betriebssystemen installiert werden kann, ist es nahezu unmöglich, genauer abzuschätzen, wie viele Computer tatsächlich unter Linux betrieben werden. Um die Entwicklung und auch die Verbreitung von Linux auf dem Desktop voran zu bringen, hat sich am OSDL die The Desktop Linux Working Group gebildet, die alle Kräfte bündeln und koordinieren soll, die sich mit der Thematik beschäftigen.
Multimedia
Die Multimediaunterstützung von Linux ist zur Zeit noch sehr verschieden, und hängt stark vom Auge des Betrachters ab. So ist die Unterstützung von aktuellen, auf Desktop-Computern verbreiteten Techniken noch lückenhaft, da es keine offizielle und überall legale Unterstützung von verschlüsselten DVDs gibt. Ebenso gibt es auch keine Version der beiden weit verbreiteten Multimediaprogramme QuickTime Player und Microsoft Windows Media Player. Auf der anderen Seite gibt es von ebenfalls weit verbreiteten Programmen wie dem RealPlayer und dem VideoLAN-Player Linux-Versionen. Hinzu kommen einige vor allen Dingen für Linux programmierte und erfolgreiche Projekte, die diese Lücke teilweise schließen. Zu nennen sind hier neben vielen anderen vor allen Dingen MPlayer und Xine. Auch das Problem mit verschlüsselten DVDs kann mit Hilfe von DeCSS leicht umgangen werden, dies ist aber in einigen Staaten wie zum Beispiel Deutschland verboten.
Deutlich anders sieht die Situation aus, wenn man die Situation aus dem Blickwinkel professioneller Multimedia-Bearbeitung betrachtet. Die Software-basierte Telefonanlage Asterisk wird in vielen Firmen und Unternehmen genutzt, um interne Telefongespräche zu vermitteln, mit dem JACK Audio Connection Kit steht unter Linux eine spezielle Sound-Architektur zur Verfügung, die besonders niedrige Latenzzeiten bietet. In der Filmbranche erfreut sich Linux besondere Beliebtheit: die Spezialeffekte vieler Filme wurden mit Hilfe von Linux-Farmen gerendert, das häufig unter Linux eingesetzte Programm CinePaint hat bei der Erstellung von Filmen wie Harry Potter geholfen.
Zwischen diesen beiden Bereichen ist der Übergang fließend. So gibt es im Bereich des Videoschnitts sowohl proprietäre Lösungen wie die von MainActor der Firma MainConcept als auch Lösungen der Freie Software-Bewegung wie z.B. die Software Kino.
PC-Spiele
Auch der Spielemarkt ist an Linux nicht völlig vorübergegangen. Klassische Spiele wie Quake III Arena oder Unreal Tournament sind nur der Beginn des Umdenkens der Spielehersteller. Brandneue Spiele wie DOOM³ und andere gibt es von Anfang an auch als Linux-Version, ebenso das Werbespiel America's Army der US-Armee. Ankündigungen diverser Hersteller lassen auf viele weitere Portierungen hoffen. Einige Entwickler der Linux-Distribution Gentoo haben sich besonders auf den Spielesektor spezialisiert und ein Unternehmen gegründet, das die Portierung von PC-Spielen anbietet. OpenGL-basierende Spiele, wie z.B. Half-Life, sind mithilfe vom Windows-Emulator WINE meist direkt unter Linux lauffähig. Spiele, die auf den aktuellen DirectX-Versionen basieren, laufen naturgemäß oft nicht, weil die Entwicklung von WINE immer hinterherhinkt, deswegen hat sich ein Unternehmen namens Transgaming dem Problem angenommen und mit seinem WINE-fork Cedega (ehemals WineX), das Ziel gesetzt, weitestgehende Kompatibilität auch zu der jeweils neuesten DirectX-Version herzustellen, womit sich schon heute sehr viele neue Spiele unter Linux spielen lassen. Ein großer Nachteil ist, dass das Programm nicht vollständig Open Source ist, die CVS-Version ist immer deutlich älter als die Closed Source-Variante und enthält keine Unterstützung für den Kopierschutz der Spieleinstaller sowie kein Point2Play. Arcade-Spiele, wie Barbarian, SuperTux etc., sind unter Linux sehr populär.
Desktop-Migration
Viele Verwaltungen und Unternehmen erwägen in Zukunft eine Umstellung ihrer Arbeitsplatzrechner von verschiedenen Plattformen zu Linux-Desktops oder tun dies bereits. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Stadtverwaltung Wien, die viele ihrer Computer auf die dafür angepasste Distribution Wienux umgestellt haben, oder es in nächster Zeit tun. Schwierigkeiten entstehen meist dadurch, dass im Unix-Bereich ein völlig anderer Softwaremarkt herrscht. Bekannte Programme gibt es für diese Plattform oft nicht bzw. werden von anderen, bislang unbekannten Herstellern unter unbekannten Namen herausgegeben und sind oftmals nicht mit der bestehenden Lösung kompatibel. So kann die technische Umstellung der Zusatzsoftware teuer werden, andererseits müssen sich viele Benutzer auch erst an die neue Desktopumgebung gewöhnen, was zu einer zeitraubenden Angelegenheit werden kann. Ein lohnender Zeitpunkt für eine Umstellung der Firmendesktops ist daher, wenn ohnehin auf ein neues Betriebssystem mit all seinen Neuerungen in der Ablauflogik umgestellt werden muss, da der Hersteller seine alte Version oder den Support dafür aufgekündigt hat. Die Umgewöhnung eines Sachbearbeiters von Windows NT 4.0 auf Windows XP etwa ist vergleichbar mit der Umgewöhnung von Windows NT 4.0 auf den KDE-Desktop unter Linux. Da eine Umrüstung auf eine aktuelle Windows-Version auch den Kauf neuer Hardware erfordert, setzen viele Institutionen verstärkt auf eine Thin Client-Lösung mit Linux, bei der die rechenintensiven Aufgaben nicht mehr von den Arbeitsplätzen, sondern von zentralen Servern erledigt wird. Auf diese Weise erspart man sich große Teile eines sonst fälligen Hardware-Updates.
Unterstützung von Windows-Anwendungen
Da sich Linux in der Betriebssystemarchitektur stark von Microsoft Windows unterscheidet, ist es nicht direkt möglich, Windows-Programme unter Linux zu betreiben. Für viele scheitert eine Umstellung oft an diesem Punkt, es gibt aber Möglichkeiten, auch dieses Problem zu lösen.
- Bestehende Windows-Programme können auf die Linux-Plattform portiert werden, d.h. für die Zielplattform kompiliert und angepasst werden. Dies ist üblicherweise nur ein geringer Programmieraufwand, da lediglich Eigenheiten des Betriebssystems angepasst werden müssen. Trotzdem ist diese Lösung oft sehr teuer und die Möglichkeit einer Portierung hängt auch von der Firmenpolitik des jeweiligen Softwareherstellers ab. Eine Portierung macht insbesondere dann Sinn, wenn es sich um speziell für den Unternehmens- oder Verwaltungszweck entwickelte Software handelt, oder wenn es auch andere Firmen gibt, die an einer Portierung interessiert sind. Mittlerweile gibt es auch schon Werkzeuge vom WINE-Projekt, die eine automatisierte Softwareportierung ohne großen Programmieraufwand ermöglicht, wodurch man auch in den Genuss einer nativen Lösung für Linux kommt.
- WINE stellt eine auf Linux übersetzte Variante der Windows-API zur Verfügung. Damit können einige Programme direkt unter Linux laufen. Obwohl diese Varianten kein gesamtes Windows-System emulieren, ist diese Lösung langsamer und weniger Erfolg versprechend als eine Portiertung. Mit kommerziellen Softwarepaketen, die auf Wine aufbauen, lassen sich aus der Windows-Welt bekannte Programme fast problemlos nutzen. Dabei bietet CrossOver Office Unterstützung für zahlreiche Bürosoftware wie Microsoft Office und Adobe Photoshop an, während sich Cedega auf Windows-Spiele spezialisiert hat.
- Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz einer virtuellen Maschine wie VMware, Bochs oder QEMU, die einen gesamten PC emuliert und es möglich macht, Microsoft Windows darin komplett zu installieren. Dabei leidet allerdings die Geschwindigkeit deutlich.
- Es besteht ebenfalls die Möglichkeit, Windows-Programme auf einem Windows-Server zu starten und deren grafische Ausgabe dann mit Hilfe von Remote-Desktop-Software wie z.B. NX auf Linux Clients ausgeben zu lassen. Dieses Verfahren erfordert eine ständig bestehende Netzwerkverbindung zwischen beiden Rechnern, ermöglicht aber auch die Weiternutzung betagter Hardware als Thin Clients.
- Programme, die mit Microsofts neuester Programmplattform .NET entwickelt wurden, sind ohne Portierarbeit direkt unter Linux lauffähig. Dies wird ermöglicht durch die .NET-Implementierung Mono.
- Bauen die Programme noch auf der DOS-Ebene auf, so lassen sich viele mit dem Programm Dosemu betreiben. Für DOS-Spiele bietet sich dabei auch Dosbox an. Auch für andere Spielkonsolen und Betriebssysteme gibt es unter Linux Emulatoren.
- Für viele Funktionen gibt es unter Linux eigene Programme. Wenn also ein Programm nicht unter Linux verfügbar ist, so ist meist aber die Funktion in einem anderen Programm verfügbar. Beispiele dafür sind Programme wie KMail, Novell Evolution und Konqueror.
- Zumindest theoretisch besteht die Möglichkeit, selbst als Programmierer ein Programm zu schreiben, das die benötigten Funktionen enthält. Da viele freie Oberflächenbibliotheken zur Verfügung stehen, die ohne Lizenzgebühren zu entrichten genutzt werden können, und viele Programmierwerkzeuge bei einer Linux-Distribution meist dabei liegen, bietet sich einem Programmierer eine programmierfreundliche Umgebung.
Unterstützung von Menschen mit Behinderungen
Um unter Linux eine möglichst gute Barrierefreiheit zu gewähren, arbeiten bei Linux mehrere Projekte an der Thematik. Während die beiden großen Desktops, Gnome und KDE, jeweils eigene Projektgruppen haben, die sich mit der Thematik beschäftigen, gibt es auch Arbeitsgruppen innerhalb der Distributoren oder Gruppen, die Projekt- und Firmenübergreifend an der Thematik arbeiten. Am bekanntesten ist hierbei die FSG Accessibility Workgroup.
Die Arbeit dieser Projekte ermöglicht es unter anderem, unter Linux verschiedene Braillezeile zu nutzen, sich aus vielen wichtigen Programmen Dokumente und geschriebenes vorlesen zu lassen oder auf dem Bildschirm nur mit Maus oder nur mit speziellen Tasten zu navigieren.
Linux als Server

Bevor GNU/Linux im Desktop-Bereich interessant wurde, hat es sich am Servermarkt durchgesetzt. Weil Linux und häufig benötigte Serversoftware wie Webserver, Datenbankserver und Groupware kostenlos und weitgehend uneingeschränkt zur Verfügung stehen, ist der Marktanteil der freien Software gewachsen.
Server-Betriebssysteme sollten möglichst schnell und stabil sein sowie einfach zu verwalten. Außerdem sollten sie nicht regelmäßig neu gestartet werden müssen, um Frost (das plötzliche, unerklärliche und wiederholte Einfrieren nach einigen Tagen oder Wochen Betrieb) zu vermeiden. All diese Bedingungen erfüllt Linux.
Zudem können durch den modularen Aufbau des GNU/Linux-Systems kompakte, dedizierte Server betrieben werden. Linux hat sich auch hier als stabile Lösung erwiesen, die eine breite Anzahl von Serverarchitekturen unterstützt.
Hardware
Die Hardware hängt vom Einsatz des Servers ab. So werden Linux-Server auf handelsüblichen PCs betrieben, wie auch auf klassischen Serverarchitekturen, wie Alphas oder SPARC. Linux unterstützt nahezu jede Netzwerkhardware und Systeme bis zu 32 Prozessoren mit bis zu 64 GB Arbeitsspeicher.
Embedded Linux
Der Begriff Embedded Linux (d.h. Linux für „Kleingeräte“) bezieht sich auf den Einsatz von Linux in mobilen Endgeräten für den Massenmarkt. Zu den vielen Geräten, auf denen es zum Einsatz kommt, gehören beispielsweise Mobiltelefone wie Motorolas E680, A780, A760, A768, A910,E895, A728, aber auch PDAs (z.B. Sharp Zaurus). Im Bereich SOHO wird es auf Routern z.B. von Linksys oder auf WLAN-Geräten wie dem 4G Access Cube eingesetzt. Als Benutzeroberfläche kommen dabei Benutzerumgebungen wie OPIE zum Einsatz, die extra auf die Einsatzbereiche der Mobilsysteme angepasst sind.
Technisch gesehen werden diese Geräte meist mit spezialisierten stromsparenden Prozessoren und einem Flash-Speicher ausgestattet. Dort wird dann ein angepasstest und kompaktes Linux betrieben.
Linux in der Elektronik
Neben der Nutzung von Linux in verbreiteten Kommunikationsgeräten wird es auch in diversen elektronischen Steuerungen und Geräten der Mess- und Regelungstechnik und im Bereich der µC (Microcontroller) eingesetzt.
Der Unterschied zum Embedded Linux ist hier, dass das System hier mehr für technische Spezialanwendungen eingesetzt wird. Damit entfällt auf der einen Seite der Massenmarkt, auf der anderen Seite besteht zum Beispiel aber auch weniger Bedarf an einer benutzerfreundlichen und einfach gehaltenen Oberfläche.
Da Linux mittlerweile auch in vielen Festplattenrekordern, in Satelitenreceivern und in DVD-Abspielgeräten eingesetzt wird, ist der Übergang zwischen beiden Bereichen fließend.
Literatur
Bücher
- Wikibook-Projekt Das Linux-Kompendium im Wikibook-Projekt
- Kofler, Michael: Linux. Installation, Konfiguration, Anwendung. Addison-Wesley, 7. Auflage, 2004. ISBN 3-8273-2158-1
- Welsh, Matt; Kaufman, Lar: Linux - Wegweiser zur Installation & Konfiguration O´Reilly Verlag, 2003. ISBN 3-89721-353-2
- Siever, Ellen: Linux in a nutshell. Deutsche Ausgabe O´Reilly Verlag, 2001. ISBN 3-89721-195-5
- Flickenger, Rob: Linux Server Hacks O´Reilly Verlag, 1. Auflage, 2003. ISBN 3-89721-361-3
Weblinks
- Linkkatalog zum Thema Linux bei odp.org (ehemals DMOZ)
- Desktop-Gruppe des OSDL
- Das deutsche Linux-Wiki