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Achilleus

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Thetis gibt ihrem Sohn Achill seine neuen, von Hephaistos geschmiedeten Waffen. Ausschnitt einer Schwarzfigurenmalerei auf einer attischen Hydria 575–550 vor Chr, Louvre

Achilleus (dt. Achill oder latinisiert Achilles, altgriechisch-gelehrt Vorlage:Polytonisch, heutiges Griechisch-volkssprachlich Αχιλλέας) ist in der griechischen Mythologie ein beinahe unverwundbarer Heros der Griechen (Achäer) vor Troja. Er ist der Sohn des Peleus, dem König von Phthia in Thessalien, und der Meernymphe Thetis. Über seinen Vater Peleus ist er ein Urenkel des Zeus.[1]

Oftmals wird er auch mit den Attributen „Pelide“ oder „Peleiade“ (Sohn des Peleus) bezeichnet oder „Aiakide“ (Abkömmling des Aiakos), die an seine Vorfahren erinnern.

Seine Mutter tauchte ihn in den Unterweltsfluss Styx, der unverwundbar macht. Seine Ferse aber, an welcher ihn Thetis dabei festhielt, wurde nicht eingetaucht und blieb daher verwundbar. Er wurde vom Zentauren Cheiron aufgezogen, der ihn in der Kriegskunst, in der Musik und in Medizin unterwies. Schon als Jüngling zog er ein kurzes, aber ruhmreiches Leben einem langen, aber glanzlosem Leben vor. Von seiner Mutter, die seine Teilnahme am Trojanischen Krieg verhindern wollte, am Königshof des Lykomedes versteckt, wurde er von Odysseus entdeckt und nahm mit seinem Vetter Patroklos am Kriegszug der Griechen teil. Im zehnten Jahr des Krieges führte ein Streit mit Agamemnon dazu, dass er der Schlacht fernblieb: Diese Begebenheit wird als „Zorn des Achill“ in der Ilias besungen. Der Tod des Patroklos trieb ihn dazu, wieder zu den Waffen zu greifen, um ihn an Hektor, dem größten Helden der Troer, zu rächen. Kurz nachdem er Hektor getötet hatte, fand Achill den Tod, getroffen an seinem verwundbaren Knöchel von einem Pfeil des Paris, den der Gott Apoll dorthin gelenkt hatte.

Achill wurde in der griechischen Welt als gottgleicher Heros verehrt. Als schöner und mutiger Vertreter eines hochmütigen Ehrenkodex’ verkörpert er „die ideale Moral eines vollendeten homerischen Edlen.“[2]

Mythos

Unverwundbarkeit und Achillesferse

Einer der bedeutendsten Aspekte der Erzählungen um Achill, die sprichwörtlich gewordende Achillesferse, hängt mit dem Wunsch seiner Mutter Thetis zusammen, ihn von der Sterblickeit seines Vaters zu reinigen und ihm Unverwundbarkeit zu verleihen. Ihre Versuche, dies herbeizuführen, sind in unterschiedlichen Fassungen überliefert:

Einer Version zufolge setzte Thetis alle ihre Kinder in einen Kessel mit kochendem Wasser oder direkt in das Feuer, um sie unsterblich zu machen.[3] In einem anderen Überlieferungsstrang salbte sie ihre Kinder tagsüber mit dem göttlichen Nektar Ambrosia und setzte sie nachts ins Feuer, damit es den sterblichen Teil der Kinder verzehre.[4] Peleus unterbrach sie, ehe sie Achill dasselbe Schicksal bereiten konnte, und rettet ihm damit das Leben. Ähnliche Legenden sind mit Demophon von Eleusis[5] und mit Isis in der ägyptischen Mythologie verbunden. Das Feuer hat aber bereits den Knöchel Achills zerstört. Sein Vater heilt ihn, indem er die entsprechenden Knochen dem Skelett des Damysos, dem schnellfüßigsten Giganten, entnimmt.[6]

Das Motiv der Ferse als einzige verwundbare Stelle an Achills Körper begegnet zuerst im ersten Jahrhundert n. Chr. bei Statius auf.[7] Ihm zufolge tauchte Thetis Achill in die Wasser des Styx, den Fluss der Unterwelt, wobei sie ihn an der Ferse festhielt.[8] Auf diese Weise wurde er unverwundbar, außer an der Ferse, an der seine Mutter ihn hielt. Daher stammt der noch heute übliche Ausdruck „Achillesferse“, der eine „verwundbare Stelle“, einen „sensiblen Punkt“ bezeichnet. Wenig später erwähnt Hyginus ausdrücklich den Knöchel, den Apollon mit seinem Pfeil durchbohrt, als einzige verwundbare Stelle.[9] Allerdings stellen bereits vier Vasen aus der Archaik und vom Beginn der Klassischen Epoche dar, wie Paris einen Pfeil in Richtung des Unterleibs des Achill abschießt oder zeigen sogar den toten Achill mit einem Pfeil in seinem Fuß.[10] Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Überlieferung der „Achillesferse“ bereits in der griechischen Antike bekannt war. Schließlich sprechen alle Autoren – mit Ausnahme des Mythographus Vaticanus, der von der planta, der Fußsohle, spricht – vom Knöchel (lateinisch talus, altgriechisch σφυρόν (sphyrón)), aber das Wort talus ändert seine Bedeutung über das französische talon (Ferse).[11]

Trotz der Variantenvielfalt erwähnt die Ilias bei der Geburt des Achill keine davon,[12] und es gibt im Homer-Epos keinen Hinweis darauf, dass Achill körperlich unempfindlich wäre. In der Posthomerika des Quintus von Smyrna wird er vom äthiopischen Prinzen Memnon verwundet.[13] Im Übrigen ist Achill nicht der einzige berühmte – fast – unverwundbare griechische Held: Die spätere Überlieferung spricht diesen Vorzug auch Ajax dem Großen zu.[14]

Erziehung bei Cheiron

Peleus vertraut Achilles dem Cheiron an, Lekythos mit weißem Grund, etwa 500 v. Chr., Archäologisches Nationalmuseum Athen

Die Hauptüberlieferung will, dass Achill, so wie andere Heroen wie Jason und Aktaion, von seinem Vater dem Kentauren Cheiron anvertraut wird, der auf dem Berg Pelion in Thessalien lebt.[15] Bei ihm lernt er, die Waffen zu führen, die Kunst, ein Pferd zu besteigen und zu jagen, und die Musik.[16] Die Literatur berichtet von seinen außergewöhnlichen Leistungen bei der Jagd, aber von keiner eigenständigen Heldentat des Jünglings.[17]

Die Ilias behandelt Cheiron weniger ausführlich und führt vielmehr die Figur des Phoinix ein, bei dem Achill ebenfalls als junger Knabe die Redekunst und den Umgang mit den Waffen lernt.[18]

Skyrosepisode

Achilles bei Lykomedes, Flachrelief eines athenischen Sarkophags, etwa 240 n. Chr., Louvre

Weder Achills Jugend noch seine Unverwundbarkeit sind Bestandteil der Epen Homers. Ereignisse des Trojanischen Kriegs, die denen der Ilias vorangehen, sind zum Teil widersprüchlich überliefert. Insbesondere ist nicht klar, warum Achill am Trojanischen Krieg teilnehmen musste. Das griechische Heer rekrutierte sich aus den Freiern der von Paris geraubten Helena, die einander vor Helenas Wahl geschworen hatten, ihren Ehemann zu unterstützen, sollte Helena entführt werden. Achill kann aber nicht zu diesen Freiern gezählt haben: Auf der Hochzeit seiner Eltern Thetis und Peleus entstand der durch die nicht eingeladene Göttin der Zwietracht Eris ausgelöste Streit der drei Göttinnen Hera, Pallas Athene und Aphrodite, welche von ihnen die Schönste sei. Zur Entscheidung riefen sie Paris auf, der sich für Aphrodite entschied und anschließend Helena aus Sparta raubte, wo diese schon an die zehn Jahre verheiratet war. Wenn Achilleus nach der Hochzeit seiner Eltern geboren worden wäre, wäre er bei dem Treffen der vielen Fürsten, die in Sparta um Helenas Hand warben, noch nicht geboren gewesen. Es bestand für ihn also auch keinerlei Verpflichtung aus dem von Odysseus formulierten und von allen Freiern ratifizierten Schutzbündnis, nach Troja zu ziehen.[19]

Die Art und Weise, wie sich Achill der Expedition der Griechen anschließt, ist Gegenstand einer noch späteren Variante, die sich schließlich durchgesetzt hat: Ein Orakel hat die Achäer belehrt, dass sie Achill brauchen, um Troja einzunehmen.[20] Thetis oder Peleus, die um sein Leben fürchten, verkleiden ihn als Frau und verstecken ihn unter den Töchtern des Lykomedes, um ihn dem Drängen der Krieger zu entziehen.[21] Bei Lykomedes, der eingeweiht ist, trägt Achill den Namen Pyrrha, „die Rothaarige“.[22]

Diomedes und Odysseus, die von der List Wind bekommen haben, kommen schließlich in Skyros an, und identifizieren Achill, der mit ihnen zum Heer der Griechen zurückkehrt. Diese Handlung ist Gegenstand der Tragödie des Euripides Die Leute von Skyros. Ovid erzählt, wie die beiden Heroen es dort anstellen: als Kaufmann verkleidet, bietet Odysseus den Töchtern des Lykomedes kostbare Gewänder und Waffen an; Achilles verrät sich, als er als einziger Schild und Schwert ergreift.[23] In der Bibliotheke des Apollodor ist es der Klang einer Trompete, die das Heldentum des Jünglings erweckt, womit er sich verrät.[24] Statius kombiniert diese beiden Varianten. Bei Hyginus erscheint Achill etwas weniger naiv: Als er die Trompete hört, glaubt Achill, die Stadt würde angegriffen, und ergreift die Waffen zur Verteidigung.[25]

Die Ilias kennt diese Episode nicht. Dort wird Achill zusammen mit Patroklos und den Myrmidonen direkt von Peleus entsandt,[26] sobald sich die griechischen Anführer in Aulis sammeln.

Achill und Telephos

Die Kypria, ein Epos im Epischen Zyklus, berichten, wie die Flotte anschließend nach einem Sturm fälschlicherweise in Mysien landet. Im Irrglauben, Troja erreicht zu haben, gehen die Achäer zum Angriff über und stoßen mit dem dortigen König, Telephos, dem Sohn des Herakles, zusammen. Achill trifft auf diesen und verwundet ihn. Die Expedition der Griechen fährt wieder zurück, aber ein Sturm trägt sie bis zur Insel Skyros, wo Achill die Deidameia heiratet, die Tochter des Königs Lykomedes.[27] Die Kypria erzählen, wie sich der noch immer verwundete Telephos nach Argos begibt, um von Achill im Austausch gegen Informationen über die Route nach Troja geheilt zu werden. [28] Die Ilias erwähnt diese Ereignisse weder, noch widerspricht sie ihnen. Im fünften Jahrhundert v. Chr. ist die Geschichte von Telephos und Achill durch die Pindar-Rezeption bekannt, der in seinen Isthmischen Siegesgesängen darauf anspielt,[29] und auch durch Aischylos, Sophokles und Euripides: Aischylos und Sophokles weihten ihm jeder eine (heute verlorene) Tragödie, die wahrscheinlich den Bericht von der Ankunft in Mysien bis zur Genesung in Argos umfasste. Das ebenfalls verschollene Telephos-Drama des Euripides ist durch die zahlreichen Andeutungen des Aristophanes bekannt: es konzentriert sich auf Telephos’ Ankunft und seine Genesung in Argos. Spätere Quellen präzisieren, dass Telephos flieht, als er Achill begegnet. Von Dionysos durch eine Weinranke zum Stolpern gebracht und halb auf den Boden gestürzt, wird er von Achills Lanze verwundet. Nur ebendiese Lanze ist es – gemäß einem häufigen magischen Schema –, die ihn heilen kann.

Die Fahrt nach Troja

Als die griechische Armee aufbrechen will, hält die Göttin Artemis, die über Agamemnon, den Heerführer der Griechen, wütend ist, die Flotte in Aulis auf. Ein Orakel offenbart, dass Iphigenie, die Tochter Agamemnons, geopfert werden muss. Um sie nach Aulis zu locken, versprechen ihr die Heerführer die Heirat mit Achill.[30] Nachdem Iphigenie geopfert ist, legt die Flotte ab und nimmt Kurs auf die Insel Tenedos, wo ein Festgelage abgehalten wird. Achill gerät in Wut, weil er erst später eingeladen wird.[31] Wir kennen eine andere Gelegenheit, aufgrund derer Achill anlässlich eines Abendessens wütend wird: In der Odyssee bietet der Aöde Demodokos am Hof des Alkinoos an, vom Streit zwischen Achill und Odysseus zu singen: von diesem Streit war vom Orakel von Delphi vorhergesagt worden, dass er das Vorzeichen für den Fall Trojas sein werde.[32] Eine Andeutung Plutarchs zu einem verlorengegangenen Stück von Sophokles berichtet ebenfalls, dass Odysseus sich während eines Banketts über den Zorn des Achill lustig gemacht habe: Odysseus wirft ihm vor, im Angesicht Trojas und Hektors Angst bekommen zu haben, und einen Vorwand gesucht zu haben, sich vor der Schlacht zu drücken.[33] Es ist nicht leicht herauszufinden, ob es sich hier um ein und dieselbe Begebenheit handelt oder um zwei verschiedene Wutausbrüche Achills.[34].

Ein zweiter Vorfall ereignet sich in Tenedos: Die Insel wird von Tenes regiert, einem Sohn des Apollon. Dieser weist die Achäer ab. Achill tötet ihn,[35] obwohl seine Mutter – aus Sorge, Achill würde selbst von der Hand des Apollon den Tod finden – ihn gewarnt hatte, Tenes zu töten.[36] Plutarch seinerseits erzählt, dass Thetis einen Diener zu Achill entsandte, um ihn an ihre Warnung zu gemahnen; Achill hielt sich daran, bis er der Tochter des Tenes begegnet, die ihn mit ihrer Schönheit beeindruckte. Tenes tritt zwischen die beiden, um seine Tochter zu beschützen, woraufhin Achill die Warnung vergisst und ihn tötet.[37]

Erste Kriegsjahre

Achill verbindet Patroklos, von Sosias rotfigurig bemalte etrurische Kylix ca. 500 v. Chr., Staatliche Museen zu Berlin

Bevor die griechische Flotte vor Troja anlegt, wird Achill von seiner Mutter davor gewarnt, als erster das Land zu betreten, weil er sonst auch als erster der Griechen sterben würde. Achill befolgt ihren Rat und so trifft Protesilaos dieses Schicksal.[38] Achill trifft auf Kyknos, einen Sohn des Meeresgottes Poseidon und König von Kolonos. Dieser will verhindern, dass die Griechen landen können.[39] Kyknos ist unverwundbar: [40] Keine Waffe kann ihn verletzen.[41] Achill schafft es schließlich doch ihn zu töten, indem er ihn mit dem Kinnriemen seines Helms erwürgt,[42] beziehungsweise indem er ihn, einer anderen Version zufolge, mit einem Steinwurf tötet.[43].

Die Griechen schlagen ihr Lager am Strand vor Troja auf. Eine Gesandtschaft der Achäer, die Helena zurückfordert, wird abgewiesen. Achill verspürt Verlangen danach, sie zu sehen. Die Kypria berichten nur davon, dass ein Treffen von Aphrodite und Thetis arrangiert wird, ohne näher ins Detail zu gehen.[44] Allerdings erzählt eine hellenistische Variante von einer Wahrsagung Kassandras, nach der Helena fünf Ehemänner haben würde — Theseus, Menelaos, Paris, Deiphobos und Achill.[45] Es handelt sich dabei offensichtlich nicht um eine Anspielung auf die Herrschaft Achills nach seinem Tod im Elysium, denn die gleiche Quelle macht Medea zu seiner Gattin post mortem. Vielmehr lässt sich aus dem Wahrspruch der Kassandra der Schluss ziehen, dass die Begegnung Achills und Helenas mit der Vereinigung der beiden geendet hat.[46]

Einmal, als sich die Trojaner hinter ihre Stadtmauern zurückziehen, benutzt Achill die Gelegenheit, ihnen die Versorgung abzuschneiden. Vom Bug seiner Schiffe aus greift er elf kleinasiatische Bürger an, die Troja tributpflichtig sind. Dies geschieht in Lyrnessos, die Stadt, bei deren Eroberung Achill im zehnten Jahr der Belagerung die Briseis als Ehrenanteil an der Beute erhält,[47] wohingegen Agamemnon die Chryseis zugesprochen wird.

Achills Zorn

An dieser Stelle setzt der Bericht der Ilias ein. Eine Pest befällt das Lager der Griechen,[48] und der von Achill ermutigte Kalchas offenbart, die Pest sei eine Strafe Apollons: Der Gott bestrafe Agamemnon dafür, dass dieser seinem Priester Chryses die Tochter Chryseis nicht zurückgegeben hat.[49] Zum Nachgeben gezwungen, beansprucht Agamemnon ergrimmt einen anderen Teil der Beute für sich. Achill protestiert und Agamemnon beschließt, ihm die ihm zugesprochene Briseis wegzunehmen.[50] Im Zorn beschließt Achill, sich in sein Zelt zurückzuziehen und schwört bei Zeus, unter Agamemnon nicht mehr in die Schlacht zurückzukehren.[51] Er fleht seine Mutter an, bei Zeus für die Trojaner um Gunst zu bitten, solange Achill selbst dem Schlachtfeld fern bleibt.[52] Zeus stimmt dem zu. Diese Begebenheit wird im ersten Vers der Ilias wiedergegeben:[53].

„Singe den Zorn, o Göttin, des Peleiaden Achilleus,
Ihn, der entbrannt den Achaiern unnennbaren Jammer erregte,
Und viel tapfere Seelen der Heldensöhne zum Aïs
Sendete, aber sie selbst zum Raub darstellte den Hunden,
Und dem Gevögel umher. So ward Zeus Wille vollendet“

Ohne Achills Hilfe stecken die Griechen Niederlage um Niederlage ein. Als die Griechen so sehr bedrängt sind, dass die Trojaner drohen, ihre Schiffe in Brand zu setzen, kommen der alte Weise Nestor, sowie Phoinix und Odysseus zu Achill und treten als Gesandte für die Sache der Achäer ein.[54] Achill bleibt stur, aber sein Freund Patroklos, der vom Unheil seiner Kameraden ergriffen ist, erwirkt die Erlaubnis von Achill, die Griechen zu unterstützen und dabei die Rüstung Achills zu tragen.[55] Dies zeigt Erfolg, aber Patroklos schlägt die Trojaner nicht nur zurück, sondern macht sich auch an ihre Verfolgung, obwohl er Achill Gegenteiliges versprochen hatte.[56] Dabei wird er von Hektor getötet, der Achills Rüstung als Beute nimmt.[57] Wütend und gedemütigt — von Patroklos getäuscht, der nun tot ist und von Hektor symbolisch überwunden — entscheidet sich Achill, sich zu rächen. Dabei missachtet er die Warnungen seiner Mutter: Würde er Hektor angreifen, so stürbe er wenige Zeit später.[58] Hephaistos schmiedet ihm neue Waffen, in denen er den Kampf mit Hektor sucht.[59]

Achill schleift Hektors Leiche am seinem Streitwagen, in Oria gefundener Kamm, zweite Hälfte des ersten Jahrhunderts n. Chr., Archäologisches Nationalmuseum Tarent

Nachdem er seine göttliche Rüstung erhalten hat, zieht er aufs Neue in die Schlacht und metzelt eine so große Zahl von Trojanern nieder,[60] dass die Wasser des Skamander von Leichen beschmutzt sind.[61] Weil der Flussgott beleidigt ist,[62] will er Achill ertränken,[63] Achill wird aber durch das Eingreifen des Hephaistos gerettet.[64] Achill trifft schließlich auf Hektor, fordert ihn heraus und tötet ihn mit Athenes Hilfe.[65] Er schleift den Leichnam mit seinem Streitwagen dreimal um die Stadt,[66] bevor er ihn in das Lager der Achäer bringt. In sein Zelt zurückgekehrt, weint der Held um seinen toten Freund Patroklos.[67] Als er dessen Leichnam verbrennt, schneidet er sein Haar zum Zeichen der Trauer[68] und opfert vier Pferde, neun Hunde und zwölf trojanische Jungfrauen, deren Körper auf den Scheiterhaufen geworfen werden.[69] Am nächsten Tag schleift er aufs Neue Hektors Körper hinter seinem Streitwagen her, diesmal um das Grabmal des Patroklos herum.[70]

Dennoch zeigt Achill Menschlichkeit, als er den König Priamos, den Vater Hektors, in sein Zelt kommen lässt, der ihn um den Körper seines Sohns anfleht, um ihm ein würdevolles Begräbnis zu bereiten.[71] Er hört dabei auf seine Mutter:[72] Thetis wurde von den Göttern geschickt, die mit der Misshandlung der Leiche nicht einverstanden sind.[73]

Memnon und Penthesilea

Der Kampf zwischen Achill und Penthesilea, gläserne Trinkschale aus Basilikata, Ende des fünften Jahrhunderts n.Chr., Archäologisches Nationalmuseum Madrid

Die Aithiopis, eines der Epen des Trojanischen Zyklus, nimmt den Bericht des Trojanischen Kriegs an der Stelle auf, an der die Ilias endet. Sie erzählt, wie in Priamos’ Stadt nach dem Tode Hektors neue Helden ankommen. Das ist zunächst die Amazone Penthesilea, Tochter des Kriegsgotts Ares. Achill duelliert sich mit ihr, tötet sie und verliebt sich in die Sterbende oder Tote,[74] was den Spott des Thersites erregt. Achill regt sich darüber auf, tötet ihn[75] und muss sich anschließend auf der Insel Lesbos von dieser Mordtat durch Odysseus entsühnen lassen.[76]

Wenig später trifft Memnon ein, der Sohn der Morgenröte Eos und des Tithon und Prinz von Äthiopien. Auch er begegnet Achill im Zweikampf und wird von ihm getötet.

Tod

Die Tage Achills sind von nun an gezählt. Xanthos, ein unsterbliches Pferd Achills, hat es dem Helden vorhergesagt, wobei es seinen Tod als „mächtige[n] Gott“[77] bezeichnet hat.

Ebenso hat Thetis ihn mehrmals gewarnt,[78] dass er jung sterben würde, genauer gesagt: „an der Mauer der erzumpanzerten Troer / Sei [er] zu sterben bestimmt durch Apollons schnelle Geschosse.“[79] Schließlich hat auch der sterbende Hektor den Tod seines Gegners durch Paris und Apollon nahe beim Skäischen Tor geweissagt.[80]

Thetis und die Nereiden beweinen den Tod des Achilles, schwarzfigurige korinthische Hydria 560-550 v.Chr., Louvre

Es existieren mehrere Versionen von Achills Tod. Die Aithiopis beschreibt, dass er von der Hand des Paris und des Apollons stirbt, als er die Trojaner bis in ihre Stadtmauern verfolgt.[81] Pindar lässt hören, dass der Gott die Gestalt des Priamossohns annahm und Achill tötete, um die Eroberung der Stadt Troja hinauszuschieben,[82] wie er es schon in der Ilias mit Patroklos getan hat, um dessen Sturmangriff aufzuhalten.[83] Die Aeneis ist die erste Quelle, die explizit davon spricht, dass Paris den tödlichen, von Apollon gelenkten Pfeil abgeschossen habe.[84].

Eine andere Überlieferung bringt Achills Tod mit seiner Liebe zu Polyxena, einer Tochter des Priamos, in Verbindung: Der Heros wird getötet, als er im Tempel des thymbrischen Apollon bei Priamos um die Hand seiner Tochter anhält.[85]. In einer anderen Version verliebt sich Achill in Polyxena, als sie ihren Vater zu Achill begleitet, um Hektors Leiche zu fordern. Priamos verspricht ihm dabei ihre Hand unter der Bedingung, dass er den Krieg beendet — dabei handelt es sich in Wirklichkeit um einen Hinterhalt:[86] Paris erwartet ihn, hinter einer Säule des Tempels versteckt, mit dem Bogen in der Hand.[87].

Sein Begräbnis wird im vierzehnten Gesang der Odyssee vom Geist Agamemnons erzählt, und auch im dritten Buch der Posthomerika des Quintus von Smyrna. Seine Asche wurde mit der des Patroklos und des Antilochos in einer goldenen Urne vermengt. Er wurde unter Klagen und Weinen in den Fluten des Hellespont bestattet und konnte den Sieg der Griechen nicht erleben.

Nach seinem Tod

Ajax trägt den Körper des Achill, schwarzfiguriger attischer Lekythos va. 510 v. Chr., Staatliche Antikensammlungen zu München

Homer stellt Achill in der Odyssee als enttäuschten König über den Asphodeliengrund im Hades dar. Dem Odysseus, der ihn zu seiner Herrschaft über die Toten beglückwünscht, antwortet er:[88]

„Preise mir jetzt nicht tröstend den Tod, ruhmvoller Odysseus.
Lieber möcht' ich fürwahr dem unbegüterten Meier,
Der nur kümmerlich lebt, als Tagelöhner das Feld baun,
Als die ganze Schar vermoderter Toten beherrschen.“

In der Aithiopis stellt Thetis ihn dar, als lebte er das ideale Leben eines Kriegers auf der Insel Leuke, in zahllosen Schlachten und ewigen Festen. Er ist mit Medea, Helena, Iphigenie oder auch mit Polyxena verheiratet. Pindar spricht in den Nemeischen Siegesgesängen[89] von einer glänzenden Insel, die im Pontos Euxeinos liegt. Euripides übernimmt diese Version in seiner Andromache.[90]

Interpretation

Obwohl Achill ein Abkömmling des Peleus und der Thetis ist, ist er sterblich. Allerdings bezeichnet Homer seinen Zorn als Ausfluss des Göttlichen. Er habe nichts mit der Wut und dem Groll gewöhnlicher Menschen gemein, sondern ist ein heiliger Zorn, eine göttliche Passion. Auch die anderen Helden der Ilias sind von der Mania besessen, von kriegerischem Wahn, der sie blendet – mit Ausnahme von Odysseus.

Als Agamemnon ihm die Briseis entreißt, ist er zutiefst gekränkt. Er fühlt sich, als hätte er seine Heldenehre verloren, dank derer Zeus ihn zu seinen Lieblingen zählt. Infolgedessen beeindrucken ihn die Sühnegeschenke wenig, die ihm Agamemnon anbietet. Schlimmer noch, es heizt seinen Zorn nur weiter an, dass Agamemnon glaubt, seine heilige Raserei mit einfachen Geschenken ruhig stellen zu können. Denn obzwar sie sehr kostbar sind, sind sie doch bloß menschlich und daher wertlos im Angesicht dessen, was Achills Göttlichkeit ausmacht.

Achill ist daher eine zwiespältige Persönlichkeit, denn es steht ihm frei, die Riten der Helden und die Sitten der Menschen zu respektieren. Dies zwingt ihn dazu, keiner Gruppe anzugehören, was ihm einen abseitigen Platz im Werk Homers verschafft.[91]

Diese Zwiespältigkeit Achills scheint besonders stark zur Identifikation einzuladen.[92][93] Er ist friedliebend und hasst den Krieg, aber wenn er kämpft, dann unwiderstehlich und brutal; er erscheint den einen Autoren heterosexuell (Deidameia, Briseis, Polyxena), anderen eher homosexuell (Patroklos)[94]; er schwankt zwischen Unterordnung unter ein gemeinsames Ziel und völliger Eigenwilligkeit; er ist jung, schön und schnell – und dennoch verletzlich; er ist ein gefürchteter Kämpfer – und flieht in der Not in die Arme seiner Mutter. Bereits bei Homer sind alle diese Widersprüche in seiner Person vereinigt, und doch vermittelt er nie den Eindruck eines poetischen Konstrukts. In dieser Fülle der Eigenschaften, der Widersprüche liegt seine besondere Lebenskraft: Weil sein Stolz gekränkt ist, tritt er in Kriegsstreik. Aus einem privaten Motiv kehrt er auf den Kriegsschauplatz zurück: er will seinen Freund rächen. Die eigentlichen Kriegsziele, Troia und Helena, sind ihm anscheinend völlig gleichgültig. Alle anderen Kriegsteilnehmer stehen im Dienst der Kriegsziele, der Kämpfer Achilleus aber verwirklicht sich selbst. Für Hegel verkörpert Achilleus das Ideal des epischen Helden: „Bei Achill kann man sagen: Das ist ein Mensch! – Die Vielseitigkeit der edlen menschlichen Natur entwickelt ihren ganzen Reichtum an diesem einen Individuum.“[95]

Kultus

Johann Heinrich Füssli, Thetis beweint den Tod des Achill, 1780, Art Institute of Chicago

Achill ist in vielen mediterranen Regionen Gegenstand eines Heroenkults geworden. Es ist unklar, wie der Kultus seinen Aufschwung genommen hat, denn in der Regel konzentrieren sich die Heroenkulte auf das Grab des Helden. Im Fall Achills würde man erwarten, seine Überreste unweit von Troja im Hellespont zu finden: In der Ilias (XXIII) wird Patroklos dort beerdigt und dessen Geist bittet Achill darum, dass ihre sterblichen Hüllen am gleichen Ort begraben werden sollen. Die Odyssee beschreibt genauer, dass ein großer Tumulus, ein vom Meer aus sichtbarer Grabhügel von den Achäern errichtet worden ist.[96] Dort ist die Verehrung des Heros im fünften Jahrhundert vor Christus belegt[97] und eine nach ihm benannte Stadt, Achilleion, ist an dieser Stelle gegründet worden.[98] Die Thessalier führten dorthin eine jährliche Pilgerfahrt durch,[99], und die Quellen erwähnen, dass auch die persische Armee während der Perserkriege dorthin kam und Achill ebenso verehrte [100] wie nach ihnen Alexander der Große[101] und auch Caracalla[102].

Der Achillkult beschränkt sich aber nicht nur auf seine Grabstätte: Er wird ebenso im kleinasiatischen Eritrea, in Kroton, in Sparta und in Elis verehrt, und selbst auf Astypalea, einer kykladischen Insel.[103] Der Kult, von dem wir die größte Zahl an Spuren haben, ist der Kult aus der Region Olbia am Schwarzen Meer, der vom sechsten Jahrhundert vor Christus bis zur Zeit des Römischen Reichs belegt ist. Eine Reihe von Grabstelen aus dem zweiten und dritten Jahrhundert nach Christus beweisen, dass Achill dort unter dem Beinamen „Pontarch“ (altgriechisch für Herrscher der Pontos) verehrt wurde. Er ist auch in römischer Zeit eine der Hauptgottheiten dieser Region.[104] Ein Fragment des Alkaios von Lesbos, das die Wortverbindung dieser Grabinschriften wieder aufnimmt, spricht davon, dass Achiill über die Skythen herrscht.[105] Im gleichen Gebiet wird die Halbinsel Tendra als „Rennbahn des Achilleus[106] bezeichnet. Der Name leitet sich möglicherweise von den athletischen Spielen ab, die dort zur Ehre des Heros veranstaltet wurden und für die es Zeugnisse aus dem ersten Jahrhundert gibt.[107] Schließlich ist Leuke (heute die Schlangeninsel, wörtlich: „Die Weiße“) im Nordwesten des Schwarzen Meers die Kultstätte des Achill, die in der Antike am bekanntesten war. Sie beherbergt einen Tempel und eine Statue.[108] Dem Heros wird zugeschrieben, dort zu wohnen: Er erscheint den Seefahrern, die sich der Insel nähern, als Vision.[109].

Die Achill-Verehrung ist oftmals mit dem Meer verbunden, eine Verbindung, die sich nicht aus den Elementen seines Mythos erklären lässt, sondern nur aus der Tatsache, dass er der Sohn einer Nereide, einer Meergottheit, ist. Er wird auch gemeinsam mit Thetis im kleinasiatischen Eritrea verehrt.[110] Er ist besonders bei Seefahrern beliebt, die ihm die meisten der Opfergaben geweiht haben, die man im Schwarzen Meer gefunden hat.[111]

Achill als Vorbild

Tiepolo, Achills Zorn, 1757, Fresko der Villa Valmarana (Vicenza). Athene hält Achill davon ab, Agamemnon zu töten

.

Unabhängig von seiner Verehrung als Gottheit drängt sich Achill den Griechen als exemplarische Heldenpersönlichkeit auf. Auch Alexander der Große vergleicht sich mit ihm – er bedauert, keinen Homer gefunden zu haben, der seine eigenen Taten besingen könnte. In Begleitung seines Freundes Hephaestion opferte der Eroberer ihm auf dem Grabhügel von Achill und Patroklos.

Man findet Achill in den Künsten, aber auch in der Philosophie wieder. So befasst sich beispielsweise Sokrates damit, seine moralische Geradlinigkeit in Frage zu stellen. Mithilfe eines Vergleichs zwischen Odysseus und Achill zeigt Sokrates, dass Achill nicht weniger als Odysseus ein Betrüger, sondern nur ein Betrüger mit geringerer Begabung gewesen sei: Nur mangels ausreichender intellektueller Größe sei Achill nicht dazu in der Lage gewesen, andere hinters Licht zu führen. Im Gegensatz dazu rühmt Pindar seine Gerechtigkeit in einer seiner Nemeika. Ein Paradoxon des Zenon von Elea spricht vom Wettlauf einer Schildkröte gegen Achill.

Rezeption in der modernen Literatur

Achills Zorn, François-Léon Benouville (1821–1859) (Musée Fabre)

Shakespeare

In seinem Stück Troilus und Cressida hält Shakespeare sich, Achilleus betreffend, an das homerische Motiv der Streitverweigerung, zeichnet ihn zugleich jedoch mit den Mitteln der Heldensatire als eitel und feige; Odysseus beschreibt ihn mit den Worten

Der Held Achilles, den die Meinung krönt
Als Nerv und rechte Hand des ganzen Heers –
Das Ohr gefüllt mit seinem luft'gen Ruhm,
Wird frech und launenhaft und ruht im Zelt,
Verspottend unser Tun. Mit ihm Patroklus,
Auf einem Lotterbett, treibt freche Possen
Den lieben langen Tag…

Goethe

Als Goethe an dem Epos in Hexametern Hermann und Dorothea arbeitete, studierte er Homer in der Übersetzung von Johann Heinrich Voß. Dabei kam er darauf, dass zwischen dem Ende der Ilias und dem Anfang der Äneis noch ein episches Gedicht inneliegt. Er hat eine Achilleis in 8 Gesängen zu schreiben begonnen, hat das Projekt jedoch bereits nach der Fertigstellung des ersten Gesanges aufgegeben, entweder weil die Verwicklungen um Achilleus' Tod insbesondere hinsichtlich der Polyxena-Episode eine zu weitgehende Umdeutung der Überlieferung nahelegten oder weil der Widerspruch zwischen dramatischem Stoff und epischer Form ihm zu groß erschien. Goethe zeichnet Achilleus als „tief bewegt und sanft“, zugleich aber als seines bevorstehenden Todes gewiss (er lässt bereits selbst seinen Grabhügel aufschaufeln) und als fatalistisch-unerschrockenen Kämpfer:

…Der Glücklichste denke zum Streite
Immer gerüstet zu sein, und jeder gleiche dem Krieger,
Der von Helios' Blick immer zu scheiden bereit ist.

Schiller

Schiller macht in seinem Gedicht Nänie Achilleus zum Inbegriff des sterblich Schönen:

Nicht errettet den göttlichen Held die unsterbliche Mutter,
Wann er, am skäischen Tor fallend, sein Schicksal erfüllt.
Aber sie steigt aus dem Meer mit allen Töchtern des Nereus,
Und die Klage hebt an um den verherrlichten Sohn.
Siehe! Da weinen die Götter, es weinen die Göttinnen alle,
Dass das Schöne vergeht, dass das Vollkommene stirbt.
Auch ein Klaglied zu sein im Mund der Geliebten ist herrlich,
Denn das Gemeine geht klaglos zum Orkus hinab.

Hölderlin

Hölderlin vergleicht sich in seiner kurzen Elegie Achill selbst mit Achilleus, nachdem diesem Briseis von Agamemnon geraubt worden war:

Herrlicher Göttersohn! da du die Geliebte verloren,
Gingst du ans Meergestad, weintest hinaus in die Flut …

Im Gegensatz zu Achilleus, der sein Leid der Mutter klagen konnte und von ihr getröstet wurde, kann Hölderlin seinen Liebeskummer – von Susette Gontard, der Frankfurter Bankiersgattin, getrennt zu sein – mit niemandem teilen:

Göttersohn! o wär ich wie du, so könnt ich vertraulich
Einem der Himmlischen klagen mein heimliches Leid.

Heinrich von Kleist

Achilles Tod wird in Heinrich von Kleists Drama Penthesilea anders dargestellt als in der antiken Tradition: Achill will der geliebten Frau nur scheinbar im Kampf erliegen und zieht ihr waffenlos entgegen; sie verkennt seine Absicht und tötet ihn; Meroe, Penthesileas Waffengefährtin, berichtet:

Sie schlägt, die Rüstung ihm vom Leibe reißend,
Den Zahn schlägt sie in seine weiße Brust …
… als ich erschien
Troff Blut von Mund und Händen ihr herab.

Entsetzt über ihre eigene Tat wählt Penthesilea ebenfalls den Tod. Auf makabre Art und Weise nimmt dieser Schluss den Doppelselbstmord des Dichters zusammen mit einer Freundin vorweg.

Heinrich Heine

Die Begegnung zwischen Odysseus und Achill in der Unterwelt wird von Heine aufgegriffen in dem Gedicht Epilog:

Unser Grab erwärmt der Ruhm.
Torenworte! Narrentum!
Eine beßre Wärme gibt
Eine Kuhmagd, die verliebt
Uns mit dicken Lippen küßt
Und beträchtlich riecht nach Mist.
Gleichfalls eine beßre Wärme
Wärmt dem Menschen die Gedärme,
Wenn er Glühwein trinkt und Punsch
Oder Grog nach Herzenswunsch
In den niedrigsten Spelunken,
Unter Dieben und Halunken,
Die dem Galgen sind entlaufen,
Aber leben, atmen, schnaufen,
Und beneidenswerter sind,
Als der Thetis großes Kind
Der Pelide sprach mit Recht:
Leben wie der ärmste Knecht
In der Oberwelt ist besser,
Als am stygischen Gewässer
Schattenführer sein, ein Heros,
Den besungen selbst Homeros.

Christa Wolf

Eine andere Sichtweise auf die literarische Figur Achilleus liefert Christa Wolf in Kassandra. In der Erzählung der Seherin Kassandra, die von Apollon dazu verdammt wurde, dass ihr keiner ihre Weissagungen glaubt, taucht Achilleus als mordgierige Verkörperung allen Zerstörungsdranges auf und wird nur „Achill das Vieh“ genannt. Dass es sich hierbei um eine Reduktion seines Charakters handelte, muss der Autorin bewusst gewesen sein. Sie hat den Mann, der sich in Frauenkleidern der Kriegsteilnahme zu entziehen versuchte, der wegen einer Frau den Krieg bestreikte, der mit Priamos über die Sinnlosigkeit des Krieges weinte, der sich in die sterbende Penthesilea verliebte und der durch ein Ehebündnis mit Polyxena den Krieg fast zum Erliegen brachte, aus Gründen des Effekts ausgeblendet.

Marion Zimmer Bradley

In ihrem Roman Die Feuer von Troja beschreibt Marion Zimmer Bradley Achilleus als ein Monster, welches sowohl Hektors Leichnam schändete und auch Penthesileas Leiche nach der Tötung vergewaltigte. Gleichzeitig tötete nicht Paris ihn mit dem Bogen, sondern Kassandra in der Gestalt von Apollon.

Etymologie

Achill und Ajax spielen, attische schwarzfigurige Amphore ca. 510 v. Chr., Villa Getty (86.AE.81)

Achill wird häufig „Pelide“, „Aiakide“ oder auch „Pyruus“ genannt, Beinamen, die an seine Ahnen erinnern. Die Etymologie seines eigentlichen Namens ist unbekannt.[112] Die Frage nach der Herkunft seines Namens wurde schon inder Antike gestellt:

Der Pseudo-Apollodor erklärt, dass sein Name soviel bedeutet wie „der keine Lippen hat“ – als Zusammensetzung aus dem altgriechischen Negationspräfix α- (a-) und Vorlage:Polytonisch (kheĩlos) „Lippe“, weil seine Lippen niemals an einer Mutterbrust gesaugt hätten,[113]. Lykophron führt den Namen auf die gleiche Wurzel zurück, allerdings mit der Begründung, dass Achill nach seiner Geburt durch Feuer eine Lippe verloren habe[114]

Eine andere antike Hypothese gibt dem Namen den Sinn von „derjenige, dessen Heer betrübt ist“, von altgriechisch Vorlage:Polytonisch (áchos) „Kummer, Leid“ und Vorlage:Polytonisch (laós) „Heer, die Menge der Krieger“.[115] Tatsächlich ist die Figur Achills mit Kummer verknüpft: die Achäer empfinden ihn, als er sich aus der Schlacht zurückzieht, und wenn er stirbt. Eine auf der gleichen Wurzel Vorlage:Polytonisch (áchos) beruhende Deutung interpretiert den Namen als „derjenige, der den Trojanern (also den Illiern) Leid zugefügt hat“.[116]

Moderne Überlegungen deuten die Wurzel αχελ (achel) als Hinweis auf eine Wassergottheit – mit etymologischen Parallelen zu den Flussgottheiten Acheron und Acheloos –, wofür auch seine Abstammung von der Meergottheit Thetis und der Kampf mit dem Skamander spricht. Andere führen den Namen auf Αχιλόγονος (Achilógonos) „Schlangensohn“ zurück, da seine Mutter sich vorzugsweise in eine Schlange verwandelte.[117]

Literatur

Primärliteratur

Sekundärliteratur

  • Anthony Edwards:
    • Achilles in the Odyssey: Ideologies of Heroism in the Homeric Epic In: Beiträge zur klassischen Philologie Bd. 171, Meisenheim, 1985.
    • Achilles in the Underworld: Iliad, Odyssey, and Æthiopis. In: Greek, Roman, and Byzantine Studies. Bd. 26 (1985), S. 215-227.
  • Timothy Gantz: Early Greek Myth. Johns Hopkins University Press. 1993
  • Guy Hedreen: The Cult of Achilles in the Euxine. In: Hesperia. Bd. 60, Nr.3 (Juli-September 1991), S. 313-330.
  • Katherine Callen King: Achilles: Paradigms of the War Hero from Homer to the Middle Ages. University of California Press, Berkeley, 1987.
  • C. J. Mackie :
    • Achilles in Fire: Classical Quarterly, Bd.48, Nr.2 (1998), S.329-338,
    • Achilles' Teachers: Chiron and Phoenix in the 'Iliad', Greece & Rome, Bd.44, Nr.1 (April 1997), S. 1-10.
  • Pantelis Michelakis: Achilles in Greek Tragedy. Cambridge University Press. Cambridge, 2002.
  • Gregory Nagy:
    • Le Meilleur des Achéens. La fabrique du héros dans la poésie grecque archaïque, Seuil, coll. Des travaux, Paris, 1999,
    • The Name of Achilles: Questions of Etymology and 'Folk Etymology'. In: Illinois Classical Studies, 19, 1994.
  • Robert Schmiel: Achilles in Hades. In: Classical Philology, Bd. 82, Nr. 1 (Januar 1987), S. 35-37.

Einzelnachweise

  1. Hans von Geisau: Achilleus 1). In: Der Kleine Pauly (KlP). Band 1, Stuttgart 1964, Sp. 47–50 (Sp. 47).
  2. Henri-Irénée Marrou: Histoire de l'éducation dans l'Antiquité. Bd. I: Le monde grec. Seuil, collection « Points », Paris 1981, S. 35: « l'idéal moral du parfait chevalier homérique »
  3. Hesiod, Fragment 300 MW erwähnt Wasser; Lykophron, Alexandra 177–179 berichtet von Feuer und präzisiert, dass sechs Kinder auf diese Weise gestorben seien.
  4. Apollonios von Rhodos, Argonautika 4, 869-879.
  5. Homerische Hymnen: An Demeter 233-242
  6. Apollonios von Rhodos, Argonautika 4, 869 ff.; Bibliotheke des Apollodor 3, 13, 6, zit. nach: Achilleus. In: Hans-K. und Susann Lücke: Helden und Gottheiten der Antike. Rowohlt Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg 2002, S. 15–16.
  7. Statius, Achilleis 1, 133-134; siehe auch Gantz, S. 625.
  8. Statius, Achilleis 1, 133–134.
  9. Hyginus, Fabulae 107.
  10. Eine protokorinthische Lekythos aus Athen, eine pontische Amphore (Kopenhagen 14066), eine chalkidikische Amphore (früher in der Sammlung Pembroke-Hope, heute verschollen) und eine attische Pelike des Malers Niobides (Bochum s1060). Gantz, S. 626
  11. Über die Doublette *talo, onis. Frédéric Martin: talus. In: Les Mots latins. Hachette 1976.
  12. In Homers Ilias (18, 436–438) ist Achill ein Einzelkind.
  13. Quintus von Smyrna, Posthomerika 1, 564−567.
  14. Quintus von Smyrna, Posthomerika 1, 564–567.
  15. Hesiod, Katalog der Frauen, Fragment 204 MW. Siehe auch Pindar: Oden (Pythische Oden 6, 21, 3; Nemeische Oden 3, 43–58. Die Erziehung des Achill durch Cheiron ist Gegenstand eines verlorengegangenen Gedichts von Hesiod: Die Regeln des Chiron; vgl. Gantz, S. 231 und Mackie (1997), S. 1.
  16. Mackie (1997), S. 2.
  17. Gantz, S. 231.
  18. Homer, Ilias 9, 438-442.
  19. Karl Kerényi: Die Mythologie der Griechen. Bd. 2, München 1966, S. 209.
  20. Scholien zu Homer, Ilias 19, welche sich auf den Epischen Zyklus beziehen. Gantz, S. 581.
  21. Einem Scholion der Ilias (Σb 19, 326) zufolge, aber entgegen der Zusammenfassung des Proklos, taucht dieses Element des Mythos in den Kypria (Fragment 19 Bernabé) auf. Es wird zum ersten Mal auf einem Bild des Polygnotos in den Propyläen in Athen bezeugt, vergleiche Pausanias 1, 22, 6. Gantz, S. 581 und S. 837, Nr. 23.
  22. Hyginus, Fabulae 96]. Er zeugt mit [Deidameia]], der Tochter des Lykomedes, einen Sohn, der nach Achills Tod ebenfalls in den Trojanischen Krieg zieht. Lykomedes gibt seinem Enkel den Namen Pyrrhus, Phœnix gibt ihm den Namen Neoptolemos, Kypria, Fragment 21 PEG.
  23. Ovid, Metamorphosen 13, 162–170.
  24. Bibliotheke des Apollodor 3, 13, 8.
  25. Hyginus, Fabulae 96.
  26. Homer, Ilias 9, 439.
  27. Siehe auch die Kleine Ilias, ein anderes Epos des Zyklus, Fragment 24 PEG, und auch Homer, Ilias 9, 666-668, welche von der Einnahme von Skyros durch Achilles spricht.
  28. Nach der Zusammenfassung, die der Grammatiker Proklos im fünften Jahrhundert gegeben hat. Gantz, S. 576–577.
  29. Pindar, Isthmika, 8, 48–51.
  30. Kypria in der Zusammenfassung des Proklos; Sophokles, Iphigenie Fragment 305 R; Euripides, Iphigenie in Tauris 24–25.
  31. Die Zusammenfasung der Kypria von Proklos erwähnt die Wut infolge der verspäteten Einladung nicht; Aristoteles, Rhetorik 2, 24 ist detaillierter und spricht von einem Abendessen von Tenedos.
  32. Homer, Odyssee 8, 75–82.
  33. Plutarch, Moralia 74a.
  34. Gantz, S. 588–589.
  35. Diodor von Sizilien: Bibliotheke historike 5, 83, 4–5.
  36. Bibliotheke des Apollodor, Eptiome 3, 26.
  37. Plutarch, Moralia 297 d–f.
  38. Bibliotheke des Apollodor Epitome 3, 29–30.
  39. Kypria; Pindar: Oden (Olympische Oden 2, 82; Isthmika 5, 39); Aristoteles, Rhetorik 2, 24.
  40. Scholion des Hellanikos von Lesbos, Fragmente der griechischen Historiker 4 F 148.
  41. Sophokles, Poimenes Fragment 500 R.
  42. Ovid, Metamorphosen 12, 72-144.
  43. Bibliotheke des Apollodor Epitome 3, 31.
  44. Gantz, S. 596.
  45. Lykophron 139–174.
  46. Gantz S. 596.
  47. Homer, Ilias 2, 688–691.
  48. Homer, Ilias 1, 43–54.
  49. Homer, Ilias 1, 92–100.
  50. Homer, Ilias 1, 130–139.
  51. Homer, Ilias 1, 223–246.
  52. Homer, Ilias 1, 350–412.
  53. Homer, Ilias 1, 1–5. Auszug aus der Übersetzung von Johann Heinrich Voß
  54. Homer, Ilias 9, 92–100.
  55. Homer, Ilias 16, 173–657.
  56. Homer, Ilias 16, 684–691.
  57. Homer, Ilias 16, 817–862 und 17, 125.
  58. Homer, Ilias 18, 94–96.
  59. Homer, Ilias 19, 349–424.
  60. Homer, Ilias 20, 353–503.
  61. Homer, Ilias 21, 7–21.
  62. Homer, Ilias 21, 211–221.
  63. Homer, Ilias 21, 234–327.
  64. Homer, Ilias 21, 328–382.
  65. Homer, Ilias 22, 306–364.
  66. Homer, Ilias 22, 395–404.
  67. Homer, Ilias 23, 1–110.
  68. Homer, Ilias 23, 140–151.
  69. Homer, Ilias 23, 171–177.
  70. Homer, Ilias 24, 14–18.
  71. Homer, Ilias 24, 440–670.
  72. Homer, Ilias 24, 133–140.
  73. Homer, Ilias 24, 23–76.
  74. Servius, Kommentar zu Vergil, Aeneis I, 491.
  75. Bibliotheke des Apollodor: Epitome (V, 1).
  76. z. B. Quintus von Smyrna, Posthomerika (I, 18f.; I, 227ff.; I, 538ff.)
  77. Ilias (XIX, 410) in der Übersetzung von Johann Heinrich Voß
  78. Ilias (I, 417 ; IX, 410-416 ; XVIII, 95-96).
  79. Ilias (XXI, 277-278). in der Übersetzung von Johann Heinrich Voß
  80. Ilias (XXII, 358-360).
  81. Gantz, S. 625.
  82. Pindar: Paian (VI, 77-86). Der Papyrus ist an dieser Stelle dreigeteilt
  83. Ilias (XVI, 698-701)
  84. Vergil: Aeneis (VI, 56-58). Dann wiederaufgenommen Ovid: Metamorphosen (XII, 598-606), Vgl. auch Gantz, S. 625
  85. Euripides: Scholion der HekabeHek. 41).
  86. Servius: Kommentar zur AeneisÆn. III, 322).
  87. Die ausführlichere Variante wurde von Lactantius im Kommentar zur Statius’ Achilleis hinzugefügt (Σ Ach. I, 134)
  88. Homer: Odyssee (XI, 488-491). Auszug aus der Übersetzung von Johann Heinrich Voß
  89. Pindar: Oden (Nemeische Siegesgesänge, IV, 49-50).
  90. Euripides: Andromache (ca. 1259-1262)
  91. Dieser Abschnitt basiert auf Pietro Citati: La Pensée chatoyante, Kapitel I, „Achille“.
  92. Gregory Nagy: Le Meilleur des Achéens. La fabrique du héros dans la poésie grecque archaïque. coll. «Des travaux». Seuil, Paris 1999, ISBN 2-02-012823-3.
  93. Hélène Monsacré: Les larmes d'Achille. Le héros, la femme et la souffrance dans la poésie d'Homère, Albin Michel, Paris 1984, ISBN 2-226-02163-9.
  94. William Armstrong Percy: Reconsiderations about Greek Homosexualities. In: Same–Sex Desire and Love in Greco-Roman Antiquity and in the Classical Tradition of the West. Binghamton, 2005, S. 19.
  95. Georg Friedrich Wilhelm Hegel: Vorlesungen über die Ästhetik. Band I, Frankfurt a.M. 1983, S. 308.
  96. Odyssee (XXIV, 80-84)
  97. Hedreen, S.313
  98. Plinius der Ältere: Naturalis historia (V, 15); Strabon: Geôgraphiká (XIII, 1, 32); Diogenes Laertios: Über Leben und Lehren berühmter Philosophen (I, 74). Achilleion wird in den Historien des Herodot (V, 94) erwähnt
  99. Flavius Philostratos, Über Heroen (53, 8-18).
  100. Herodot (VII, 43)
  101. Diodor von Sizilien: Bibliothéke historiké(XVII, 17, 3) ; Arrian, Anabásis Aléxandrou (I, 12, 1) ; Cicero, Pro Archia (24) ; Plutarch: Bíoi parálleloi (Alexander, 72).
  102. Cassius Dio (77, 7).
  103. Hedreen, S.314
  104. Hedreen, S.323
  105. „Ἀχιλλεύς ὀ τὰς Σκυθίκας μέδεις“ Akhilleús o tàs skythíkas médeis (frag. 354 LP)
  106. Ἀχιλλέως δρόμος (Akhilléus drómos) Herodot (IV, 55) und Strabo (VII, 3, 19)
  107. Hedreen, S.318
  108. Pausanias (III, 19, 11)
  109. Arrian, Rundfahrt durch das Schwarze Meer (23) ; Flavius Philostratos, Über Heroen (55, 2-3), (56, 2-4) und (56, 6-9); Maximos von Tyros (6-7)
  110. Hedreen, S.122.
  111. Hedreen, S.122.
  112. Pierre Chantraine: Vorlage:Polytonisch. In: Dictionnaire étymologique de la langue grecque:, Klincksieck, Paris, 1999
  113. Bibliotheke des Apollodor (III, 13, 6)
  114. Achilleus. In: Hubert Cancik, Helmut Schneider (Hg.): Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Stuttgart und Weimar: Metzler 1996. Bd. 1, S.76
  115. Leonard R. Palmer: The Interpretation of Mycenaean Greek Texts, Clarendon Press, 1963, S.79
  116. Achilleus. In: Hubert Cancik, Helmut Schneider (Hg.): Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Stuttgart und Weimar: Metzler 1996. Bd. 1, S.76
  117. Hans von Geisau: Achilleus 1. In: Der Kleine Pauly (KlP). Band 1, Stuttgart 1964, Sp. 46.
Commons: Achilleus – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Achilleus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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