Nazarener (Kunst)


Als Nazarenische Kunst wird eine romantisch-religiöse Kunstrichtung bezeichnet, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts deutsche Künstler in Wien und Rom gründeten und die sich zum Ziel gesetzt hatte, die Kunst im Geist des Christentums aus der Wiederentdeckung alter italienischer und deutscher Kunst heraus zu erneuern. Die Vertreter dieser Stilrichtung, die man als Nazarener bezeichnete, standen überwiegend dem Katholizismus nahe. Sie beeinflussten die Kunst der gesamten Romantik.
Die Bezeichnung Nazarener
Die Bezeichnung Nazarener ist zunächst biblischen Ursprungs. Mit diesem Begriff wurden die Anhänger Jesus nach dessen Kreuzestod bezeichnet. Im 17. Jahrhundert kannte man in Rom alla nazarena als Bezeichnung einer Haartracht, bei der das Haar lang und in der Mitte gescheitelt getragen wurde. Sowohl Raffael als auch Albrecht Dürer haben solche Frisuren getragen und die in Rom lebenden Künstler, die man später als Nazarener bezeichnete, haben zumindestens eine Zeitlang ihr Haar ebenfalls so getragen haben. Eine Theorie besagt, dass die Bezeichnung Nazarener für die Anhänger dieser Kunstrichtung auf die spottlustigen Römer zurück zu führen sei. Belegt ist, dass Goethe diesen Begriff in seinem Briefwechel mit Heinrich Meyer verwendete. Er taucht auch in den Briefen des Kunstagenten und Bildhauers Joseph Martin Wagners auf.
Der Name Nazarener im stilkundlichen Sinn wurde wahrscheinlich erst im Nachhinein geprägt. Zum ersten Mal in schriftlicher Form findet er sich in diesem Sinne 1891 in den Jugenderinnerungen des Malers Wilhelm von Schadow. Die Gründungsmitglieder des Lukasbundes, der Keimzelle dieser Kunstrichtung, haben sich selbst so nicht bezeichnet. Kunsthistorisch hat es sich eingebürgert, den Begriff Nazarener auf solche Maler des 19. und frühen 20. Jahrhunderts anzuwenden, die religiöse Inhalte in Altarbildern und Kirchenfresken behandelt haben und dabei der Kunstauffasung der ursprünglichen Lukasbrüder nahestanden.
Geschichte
Die Wiener Kunstakademie

Die Kunstrichtung wurde von Studenten, die seit 1804 an der kaiserlichen Wiener Kunstakademie studierten, ins Leben gerufen. Die Kunstakademie in Wien besaß zu dieser Zeit in ganz Europa einen hervorragenden Ruf. Das war der Grund, warum sowohl der Lübecker Patriziersohn Friedrich Overbeck als auch Franz Pforr, Sohn eines Frankfurter Malers dort ihre Ausbildung beganngen.
Die Ausbildung an der von Friedrich Heinrich Füger geprägten Akademie folgte einem strengen Lehrplan. Die technischen Aspekte der künstlerischen Fertigkeit hatten Vorrang vor dem künstlerischen Ausdruck. Hauptaufenthaltsort der Studenten war der Antikensaal mit Abgüssen antiker Statuen und Reliefen, nach denen die Schüler zu zeichnen hatten. Bei den Themen in den weiterführenden Malklassen orientierte man sich, der damaligen klassizistischen Auffassung folgend, streng an antiken Vorbildern. Maler wie Albrecht Dürer, Hans Holbein oder Hans Baldung Grien wurden vom Klassizismus als Primitive gewertet.
Die Gründung des Lukasbundes
Einige Akademiestudenten vermissten bei dieser Ausbildung etwas ihrer Ansicht nach Wesentliches:
- Man lernt einen vortrefflichen Faltenwurf malen, eine richtige Figur zeichnen, lernt Perspektive, Architektur, kurz alles - und doch kommt kein richtiger Maler heraus. Eins fehlt ... Herz, Seele und Empfindung,
schrieb der 19-jährige Friedrich Overbeck am 27. April 1808 in einem Brief an seinen Vater. Pforr, der in besonderer Weise von den altdeutschen Malern begeistert war und in ihnen jenen emotionalen Ausdruck sah, den er bei seiner Ausbildung vermisste, war zu dieser Zeit mit Overbeck bereits befreundet. Beide teilten ihre kritische Auffassung über die Ausbildung an der Wiener Kunstakademie. Im Laufe des Sommers 1808 erweiterte sich der Freundeskreis um Josef Sutter, Josef Wintergerst, Josef Hottinger und Ludwig Vogel. Ab Juli 1808 trafen sich die sechs Künstler regelmäßig, um jeweils über ein künstlerisches Thema zu sprechen. Ein Jahr später, als die Freunde das einjährige Jubiläum ihres Treffens feierten, beschlossen sie den Orden des Lukasbundes zu konstituieren. Sie wählten den Name Lukasbund, weil der Evangelist Lukas als Schutzpatron der Maler gilt.
Obwohl in technischer Hinsicht von der Akademieausbildung geprägt, entfernten sich diese Künstler inhaltlich rasch von den durch die Akademie vorgegebenen Themen. Im Einklang mit den romantischen und pietistischen Idealen jener Zeit fanden sie den von ihnen angestrebten Ausdruck in romantischen und sehr ausgeprägt in religiösen Themen. Ihr religiös motiviertes Erneuerungsideal für Kunst und Gesellschaft entnahmen sie den Kunsttheorien der deutschen Romantiker Wilhelm Heinrich Wackenroders, Friedrich Schlegel, Novalis und Ludwig Tieck.
Aus Sicht Schlegels war es die ursprüngliche Bestimmung der Kunst, die Religion zu verherrlichen und die Geheimnisse derselben noch schöner und deutlicher zu machen. Neben der Religion waren aus seiner Sicht nur die Stoffe von Dichtern wie Shakespeare und Dante als Bildinhalt geeignet. Tieck beeinflusste die Lukasbrüder durch seinen im Jahre 1789 erschienen Roman Franz Sternbalds Wanderungen. Tieck schildert in seiner Hauptfigur Franz einen Künstler, der sein Leben allein der religiösen Kunst weiht und bescheiden, treu und aufrichtig sein Handwerk ausführt. So wie dieser wollten die Lukasbrüder sich vorrangig der religiösen Kunst widmen. Ihre Vorbilder suchten sie im Spätmittelalter, beispielsweise in Albrecht Dürer und in italienischen Malern aus der Zeit vor Raffael wie Fra Angelico und Giotto.
Der künstlerische Gegensatz zur Akademieausbildung führte schließlich zum offenen Konflikt. 1809, im Jahr der Gründung des Lukasbundes, wurden die vier Lukasbrüder förmlich von der Akademie ausgeschlossen.
Die Künstlerkolonie in Rom
Kloster Sant'Isidoro


1810 verließen Franz Pforr, Friedrich Overbeck, Ludwig Vogel und Josef Hottinger Wien, um nach Rom zu ziehen und dort ihre italienischen Vorbilder studieren zu können. Sie bezogen Quartier im leer stehenden Franziskanerkloster Sant'Isidoro und führten ein künstlerisches Außenseiterleben.
Rom hatte seit mehr als einem halben Jahrhundert Künstler und Kunsttheoretiker wie Johann Joachim Winckelmann, Raphael Mengs, Jacques-Louis David, Carstens, Antonio Canova und Bertel Thorvaldsen angezogen, die das Schönheitsideal der Antike wiederbeleben wollte. In Rom herrschte zu dieser Zeit künstlerische Stagnation. Es fehlte sowohl an einer liberalen Mittelklasse wie einer fortschrittlich eingestellten Oberschicht, die neue Kunstrichtungen hätten anregen können. Nachdem 1814 die französische Besetzung von Rom endete, war die Stadt vor allem vom Vatikan politisch und künstlerisch dominiert. Die Angehörigen des Lukasbunds verstanden sich vor diesem Hintergrund bald als die wahren Erbe von Roms spirituellem und künstlerischem Erbe und waren davon überzeugt, dass die Vereinigung klassischer Schönheit, deutscher Innigkeit und eines wahren Christentum zu einer neuen Renaissance führen würde. In Overbecks Gemälde Italia und Germania, in der zwei Frauenfiguren die Kunst ihres jeweiligen Landes symbolisieren, spiegelt sich diese Auffassung wieder. Es wird daher gelegentlich als Programmbild der Lukasbrüder bezeichnet: Die blondhaarige Germania, hinter der eine deutsche Stadt zu erkennen, beugt sich zu Italia vor und unterweist die geduldig zuhörende. Im Hintergrund der Italia ist eine römische Basilika zu sehen.
Die Gruppe bekam Zulauf. In den Jahren 1811 - 1816 stießen Ludwig Schnorr von Carolsfeld, Philipp Veit, Peter von Cornelius, Franz Ludwig Catel, Joseph Anton Koch, Wilhelm von Schadow, Rudolf von Schadow, Christian Xeller und Carl Philipp Fohr zu ihr. Ein Teil dieser Männer zog jedoch eine lockere künstlerische Verbundenheit dem klösterlichen Leben in Sant'Isidoro vor. Ihre Themen fanden die Maler in Porträtkunst, in religiösen Szenen und in der Landschaftsmalerei. In letzterer taten sich vor allem Schnorr von Carolsfeld und Carl Philipp Fohr hervor.
Nahezu jeder der Künstler, die dem Lukasbund nahestanden, konvertierte zum Katholizismus. Overbeck und mit ihm Wilhelm und Rudolf von Schadow sowie Christian Xeller konvertierten unter dem Eindruck von Franz Pforrs Tod, der im Mai 1812 verstarb.
Die neue Kunstrichtung errang ihren Durchbruch und öffentliche Anerkennung durch zwei Großaufträge: Der Freskenzyklus für die Casa Bartholdy und der Freskenzyklus für die Casa Massimo. Diese zwei Großaufträge sind die wichtigsten Arbeiten, die die Nazarener als Gruppe während ihrer frühen Jahre in Rom ausführten.
Die Fresken für die Casa Bartholdy

Der Freskenzyklen der Casa Bartholdy entstand 1815 bis 1817 im Auftrag des preußischen Generalkonsuls Jakob Salomon Bartholdy. Bartholdy lebte zu dieser Zeit in einer Wohnung im Palazzo Zuccari und die Fresken waren für den Empfangsraum dieser Wohnung bestimmt. Der Palazzo Zuccari wurde später in Casa Bartholdy umbenannt und ist heute die Biblioteca Hertziana. Kunstgeschichtlich werden diese Gemälde daher als „Fresken der Casa Bartholdy“ bezeichnet.
1886 - 1887 wurden die Fresken aus der Casa Bartholdy entfernt und in die Sammlung der Nationalgalerie in Berlin aufgenommen, wo sie sich heute ebenso wie die Aquarellkopie befinden.
Die Fresken zeigen Szenen aus der alttestamentarischen Geschichte von Joseph. An der Ausführung waren Friedrich Overbeck, Philipp Veit, Wilhelm von Schadow und Peter von Cornelius beteiligt. Cornelius hatte zugunsten dieses ersten Großauftrags sogar die Arbeit an seinem Gemälde Die klugen und die törichten Jungfrauen aufgegeben, an dem er seit 1813 arbeitete und dass er bereits 1814 als sein bis dahin bestes Gemälde bezeichnet.
Hinsichtlich ihres Stils und ihrer Qualität sind die Fresken der vier Künstler sehr uneinheitlich. Kunsthistoriker werten heute die Arbeiten von Cornelius und Overbeck als die künstlerisch interessantesten unter den fünf ausgeführten Fresken an. In Joseph interpretiert die Träume des Pharaos kontrastiert Cornelius die ruhige Figur des Joseph mit einer Gruppe von Höflingen, die Zweifel, Neid, Verblüffung und Bewunderung ausdrücken. Die im Hintergrund befindliche Landschaft erinnert an frühe Renaissance-Gemälde. Overbecks Lunette Die sieben mageren Jahre dagegen zeigt ein bedrückendes Bild von Hunger und Not. Die verzweifelte Mutter, die er malte, erinnert an Michelangelos Sibylle. Die Arbeiten von Veit, der neben der Lunette Die sieben fetten Jahre das Fresko Joseph und das Weib Potiphars malte und Schadows Fresko Der blutige Rock reichen nicht an diese Qualität heran.
Die Fresken für die Casa Massimo

Trotz der unterschiedlichen Qualität erregten die Fresken sehr viel Aufmerksamkeit. Der Generalkonsuls Bartholdy sendete Kopien der Arbeiten sogar an den preussischen Kanzler Prinz Karl August von Hardenberg. Bei den Kopien handelte es sich um Aquarelle, die jeder der einzelnen Künstler anfertigte, nachdem er sein Fresko für die Casa Bartholdy beendet hatte. Alle fünf Aquarelle wurden anschließend auf eine gemeinsame Leinwand aufgezogen und durch gemalte Architekturmotive miteinander verbunden. Das erste Mal öffentlich gezeigt wurde diese Arbeit auf der Herbstausstellung der Berliner Kunstakademie im Jahre 1818. Ziel sowohl von Bartholdy als auch den Künstlern war es, damit für die Arbeiten der Künstler in Rom zu werben und mit ähnlichen Großaufträgen auch in Deutschland beauftragt zu werden. Der nächste große Folgeauftrag für die Künstler des Lukasbundes kam jedoch erneut aus Rom.
1818 beauftragte der Marchese Massimo, ein Mitglied des römischen Hochadels, Mitglieder des Lukasbunds damit, in seiner nahe dem Lateran gelegenen Casa Massimo drei Räume nach den Erzählungen von Dante, Torquato Tasso und Ludovico Ariosto zu gestalten. Cornelius jedoch brach seine Arbeiten an seinen Dante-Fresken ab, nachdem er 1819 vom Kronprinzen Ludwig von Bayern nach München berufen wurde. Auch Overbeck vollendete seine Arbeit an den Tasso-Fresken nicht, da er sich entschloss, nur noch religiöse Motive zu malen. Philipp Veit und Joseph Anton Koch führten diese Arbeiten aus. Nur Julius Schnorr von Carolsfeld vollendete seinen Ariosto-Zyklus wie vorgesehen.
Weitere Entwicklung in Wien
In Wien, ihrem Ausgangspunkt, hatte die neue künstlerische Bewegung es schwerer, sich durchzusetzen. 1812 zog der Lukasbruder Joseph Anton Koch von Rom nach Wien um. Er fand Aufnahme in einen Zirkel romantisch gesinnter Bürger und Künstler, unter ihnen Wilhelm von Humboldt und seine Frau Karoline, Joseph von Eichendorff, Clemens und Bettina Brentano, und einen Kreis junger Maler, die sich im Hause der Brüder August Wilhelm und Friedrich Schlegel trafen. Gestützt durch Aufträge aus diesem Umfeld, entstanden eine ganze Reihe von Landschaftsbildern mit religiösen Themen, insbesondere durch Ferdinand Olivier und Julius Schnorr von Carolsfeld.

Trotz der Unterstützung durch das romantisch gesinnte Bürgertum traf die Bewegung im offiziellen, staatlich dominierten Kunstbetrieb auf scharfe Ablehnung. 1812 wurde Fürst Metternich zum Kurator der Wiener Akademie ernannt. Diese sah sich weiterhin den Idealen der klassizistischen Kunst verpflichtet, und der in allen Dingen politisch denkende Metternich sah in der Kunst eine Domäne des Staates und jeglicher Abweichung von der offiziellen Linie bereits Ansätze von Geheimbündelei.
Bereits 1815 begannen sich die Wiener Lukasbrüder wieder zu zerstreuen. Ferdinand Olivier scheiterte 1816 mit einer Ausstellung an der beißenden Kritik seitens der Akademie: man nannte seine Kunstauffassung rücksichtslos, ihn selbst einen Sonderling, einen Don Quichote, einen Manieristen, der von der Natur abweiche. Ludwig Schnorr von Carolsfeld bewarb sich 1818, nach Friedrich Heinrich Fügers Tod, auf die Direktorenstelle an der Akademie und fiel mit dieser Bewerbung durch.
Erst ab 1830, als sich der romantische Nationalismus als politische Einstellung im gesamten deutschen Sprachraum durchsetzte, konnte die nazarenische Kunst, von Bayern und Preußen ausgehend, auch an ihrem Entstehungsort Wien wieder Fuß fassen.
Durchbruch in Deutschland
Der Durchbruch der Nazarener zu öffentlicher Anerkennung in Deutschland begann 1818 mit einem Besuch des bayrischen Kronprinzen Ludwig in Rom. Der Kronprinz trat mit den Nazarenern in Verbindung und war besonders von Peter von Cornelius beeindruckt. 1819 berief er diesen auf eine Lehrstelle an der königlichen Akademie in München.
Wenige Jahre später waren die Direktorenstellen an den Akademien in Düsseldorf, in Berlin und in Frankfurt am Main mit Nazarenern besetzt. Diese zogen ihrerseits einen großen Kreis von Schülern heran. Die große internationale Reputation, die die Kunstakademie Düsseldorf in den 1830er Jahren besaß, war beispielsweise vor allem Schadows Hinwendung zum Realismus zu verdanken. Und die umfangreiche Sammlung an mittelalterlicher Kunst, die das Städel heute besitzt, ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass der den Nazarenern angehörende Johann David Passavant für dieses Museum als Inspektor tätig war.
Ihren Höhepunkt fand die nazarenische Kunstrichtung in den1830er Jahren. Um diese Zeit herum hatte sich der Lukasbund schon fast aufgelöst: Während Friedrich Overbeck in Rom blieb wurden nahezu alle führenden Mitglieder des Lukasbundsauf Stellen nach Deutschland berufen. Damit ging die Keimzelle in Rom und damit der enge Zusammenhalt der Gruppe verloren.
In Deutschland erhielten die Mitglieder des Lukasbunds zahlreiche öffentliche Aufträge. Philipp Veit schuf für das Städel Fresken und arbeitete später an denen für den Mainzer Dom. Von ihnen sind heute nur noch die neutestamentarischen Bibelszenen in den Wandbögen des Mittelschiffs erhalten. Eduard von Steinle schuf Fresken für den Kölner Dom, die Ägidienkirche in Münster, den Kaisersaal und den Kaiserdom in Frankfurt am Main und die Marienkirche in Aachen. Peter von Cornelius malte im Auftrag des Bayrischen Königs die von Friedrich von Gärtner entworfene Ludwigskirche aus und sollte in Berlin für den in der Nähe des Berliner Doms geplante Campo Santo, das in der Nähe der wieder errichteten Berliner Doms ebenfalls Fresken malen. In der Folge der Revolution von 1848 gab Friedrich Wilhelm IV. allerdings die Pläne für den Bau des Campo Santo wieder auf. Cornelius, der seit 1843 an den Vorstudien arbeitete, setzte allerdings seine Arbeit daran bis zu seinem Tod fast zwanzig Jahre später fort. Dabei war ihm bewußt war, dass sie wahrscheinlich nie zur Ausführung kommen würden, da aufgrund ihrer Ausmaße kein anderer Ort als der geplante Campo Santo denkbar war. Die Kohlezeichnungen, die Cornelius als seine wichtigsten künstlerischen Arbeiten betrachteten, werden heute in den Lagerräumen der Nationalgalerie in Berlin aufbewahrt. Besonders beeindruckend unter Ihnen ist die 472 Zentimeter hohe und 588 Zentimeter breite Kohlezeichnung Die Apokalyptischen Reiter.
Der Niedergang

Der anschließende Niedergang wurde durch innere und äußere Gründe verursacht. Zum einen verengte sich der künstlerische Horizont bei vielen Nazarenern auf ausschließlich religiöse Themen, während zuvor historische Themen, Landschaften und Porträts einen wichtigen Anteil am Gesamtwerk hatten. Die thematische Behandlung geriet immer häufiger süßlich-penetrant. Ein äußerer Grund für dieses Abgleiten ins rein Religiöse waren die Revolutionen von 1830 und 1848 und die damit verbundene Polarisierung innerhalb der Romantik zwischen Religiosität und politischem Sturm und Drang. Ein weiterer Grund war die preußische politische Dominanz ab 1848, verbunden mit einer aggressiven Kulturpolitik Preußens: Der preußische Kulturkampf richtete sich gegen alle Strömungen, die mit römisch-katholischen Geisteshaltungen verbunden waren, und drängte die Nazarener aus den öffentlichen Einrichtungen wieder heraus.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Nazarener vom Impressionismus mit seinen revolutionären neuen Auffassungen überstrahlt. Das Kunstideal der Nazarener hatte sich inhaltlich verbraucht und war zur Schablone herab gekommen. Die gesamte Kunstrichtung wurde gering geschätzt und geriet in Vergessenheit. Dazu trugen wesentlich die Fülle an süßlichen, qualitativ schwacher und frömmelnder Bilder, die in billigen Drucken ihren Abklatsch fanden und im späten 19. Jahrhundert Pfarrhäuser und Wohnungen füllten. Diese Trivialkunst wurde industriell hergestellt und auf Jahrmärkten vertrieben. Aucvh bei den Reproduktionen von Werken der Hauptvertreter des Nazarener wie beispielsweise Overbeck und Steinle kam es im Prozess der Herstellung der Druckgraphiken zu einer sentimentale Vereinfachung der Originale. Dies verstärkte sich noch, als der Farbdruck aufkam. Dies hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Kunst der Nazarener lange Zeit als eine nur religiös motivierte eingeordnet wurde, die künstlerisch ohne Kraft war. Davon waren auch ihre frühen Protagonisten betroffen, die hervorragende Maler und zu ihrer Zeit mutige Neuerer waren. Erst spät im 20. Jahrhundert, ab den 1970er Jahren, kam es zu einer Neubewertung des künstlerischen Historismus des 19. Jahrhunderts und in diesem Zusammenhang zu einem erneuten Interesse an nazarenischer Kunst. Beigetragen haben dazu große Ausstellungen im Frankfurter Städel sowie die Retrospektive deutscher Kunst im Metropolitan Museum of Art Anfang der 1980er Jahre.
Merkmale nazarenischer Kunst

In einer Hinsicht gleicht die nazarenische Kunst der klassizistischen Schule, aus der sie sich entwickelt hat: Die klare, konturierte Form hat Vorrang vor der Farbe, das Zeichnerische hat Vorrang vor dem Malerischen. Vorherrschendes Kompositionselement ist die menschliche Figur.
Die Farben haben vor allem die Funktion, die Szene zu verinnerlichen und zu vergeistigen. In warmem, pastelligem Schmelz werden Figuren und Landschaft miteinander verbunden. Besonderen Wert wird auf die Lichtführung gelegt, die zu den zentralen Figuren hinleitet. In vielen nazarenischen Bildern ist sie das einzige dramatische Element in einer Bildkomposition, die im übrigen von tiefer Ruhe, Innerlichkeit und Ernst bestimmt ist. Diese Feierlichkeit entrückt Szenen, die thematisch sehr alltäglich scheinen, ins Überirdische. Die luftigen, durchsichtigen Blautöne des Barock-Klassizismus, welche die Szene in allegorische Ferne entrücken, sind tabu. Die geringe räumliche Tiefenwirkung und das Vermeiden greller Farbkontraste unterstützen die Feierlichkeit. Sie sind äußere Merkmale, die die Nazarener mit ihren mittelalterlichen Vorbildern verbinden.
Der Gesichtsausdruck der dargestellten Figuren ist ernst und verinnerlicht; man sieht kein einziges heiteres oder gar lachendes Gesicht. Auffällig sind die weichen, glatt rasierten Gesichtszüge der Männer. Auch in dieser Hinsicht ist die nazarenische Kunst mittelalterlichen Vorbildern ähnlich. Dies gilt auch für die nazarenische Porträtkunst. Mit ernsten, großen Augen schaut in den Porträts, die Friedrich Overbeck 1810 von seinem Freund Franz Pforr gemalt hat, der Porträtierte den Betrachter an. Pforr trägt „altdeutsche“ Kleidung und lehnt sich über die Brüstung eines von Wein umrankten Fensters. Hinter ihm ist seine imaginäre zukünftige Ehefrau zu sehen, die strickt und gleichzeitig in einem religiösen Buch liest. Eine Madonnenlilie, ein altes marianische Symbol, setzt sie einer Madonna gleich. Das gegenüberliegende Fenster gibt den Blick auf eine mittelalterliche, nordeuropäische Straße frei in deren Hintergrund jedoch eine italienische Küstenlandschaft zu erkennen ist.
Die Erotik wird als Thema in der nazarenischen Malerei fast völlig ausgeklammert. Die Menschen auf nazarenischen Bildern sind meist völlig bekleidet, auffällig oft in wallende Gewänder mit starkem Faltenwurf und klassizistischer Anmutung. Darstellungen fast nackter Körper, wie in Friedrich Overbecks 1920 vollendetem römischen Monumentalfresko Olindo und Sophronia auf dem Scheiterhaufen, sowie die Aktbilder von Julius Schnorr von Carolsfeld, sind absolute Ausnahmen.
Einfluss der Nazarenischen Kunst auf andere Stilrichtungen
Der künstlerische Einfluss der Nazarener war weitreichend und langanhaltend. Ihre Nachfolger in Italien waren die Kunstrichtung der Puristen, in Frankreich führte ihr Einfluss zu einer Erneuerung der religiösen Kunst in der Schule von Lyon und beeinflussten den Maler Maurice Denise. In Großbritannien übten vor allem Julius Schnorr von Carolsfelds 240 Bibelillustrationen, die 1860 veröffentlicht wurden, großen Einfluss aus. Bereits die Präraffaeliten, eine von von den Malern Dante Gabriel Rossetti und Everett Millais 1848 gegründete englische Künstlervereinigung hatten Ideen der Nazarener aufgegriffen. Auch die Präraffaelitten strebten nach einer religiös-seelischen Vertiefung der Kunst und betrachteten die italienische Kunst der Frührenaissance als Vorbild. In Deutschland war es vor allem die Schule von Beuron, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Gedankengut der Nazarener aufgriffen. Die Beuroner Richtung war von dem Baumeister, Bildhauer und Maler Peter Lenz sowie Jakob Wüger und Friedolin Steiner im Benediktinerkloster Beuron begründet wurden mit dem Ziel, eine neue religiöse Kunst wiederzubeleben.
Nazarenische Künstler

- Franz Ludwig Catel
- Peter von Cornelius
- Ernst Deger (1809-1885), aus Hildesheim
- Johann Jakob Fink
- Gebhard Flatz
- Carl Philipp Fohr
- Joseph Führich
- Konrad Hottinger
- Franz Ittenbach (1813-1879), aus Königswinter
- Joseph Anton Koch
- Leopold Kupelwieser
- Andreas Müller (1811-1890), aus Ahrweiler
- Karl Müller (1818-1893), aus Ahrweiler
- Ferdinand Olivier
- Friedrich Olivier
- Johann Friedrich Overbeck
- Franz Pforr
- Wilhelm von Schadow
- Johann Evangelist Scheffer
- Julius Schnorr von Carolsfeld
- Ludwig Schnorr von Carolsfeld
- Eduard Steinle
- Josef Sutter
- Philipp Veit
- Ludwig Vogel
- Josef Wintergerst
Nazarenische Kunstausstellungen
Eines der Zentren der Kunst der Nazarener ist heute das Behnhaus des Museums für Kunst und Kulturgeschichte in Lübeck, Overbecks Heimatstadt.
Aktuell, ab dem Frühsommer 2005, zeigt die Schirn Kunsthalle Frankfurt/Main eine Ausstellung über die Nazarener.
Literatur
- Rudolf Bachleitner; Die Nazarener, ISBN 3-453-41182-X
- Ausstellungskatalog Die Nazarener, Städel'sches Kunstinstitut und Städtische Galerie, Frankfurt am Main 1977
- Ausstellungskatalog Die Nazarener in Rom. München 1981
- Bradfort D. Kelleher (Hrsg); German Masters of the Nineteenth Century, Ausstellungskatalog des The Metropolitan Museum of Art, New York, 1981, ISBN 0-87099-263-5
- Herbert Schindler; Nazarener - Romantischer Geist und christliche Kunst im 19. Jahrhundert, Verlag Friedrich Pustet Regensburg, 1982, ISBN 3-7917-0745-0