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Faschismus

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Datei:Parade Berlin.jpg
Militärparade in Berlin

Der Begriff Faschismus entstand als Name die Bewegung Benito Mussolinis in Italien. Beginnend mit Stalin wurde er von der kommunistischen Propaganda weitgehend dem Antikommunismus gleichgesetzt. Eine neuere Interpretation des Begriffes durch Ernst Noltes (seit etwa 1970) beschränkt die Verwendung des Begriffes auf antiliberale, antidemokratische und antikommunistische Ideologien und schließt damit auch den (deutschen) Nationalsozialismus ein.

Abgeleitet ist der Begriff Faschismus vom italienischen fascio bzw. lateinischem fascis für Bund, Bündel. Er geht zurück auf die Fasces, Rutenbündel, welche die antiken Liktoren als Zeichen des Zusammenhalts trugen. Ein Beil im Bündel symbolisierte ihre Macht, insbesondere der Gerichtsbarkeit.

Faschismus im engeren Sinn

Zunächst war Faschismus nur ein positiv besetzter Begriff für Mussolinis "Fasci Italiano" (s.u.), da Mussolinis Propaganda sich wesentlich auf die Symbolik der fasces stützte.

Wesentliche Elemente des Faschismus

  • Ein korporatives Wirtschaftsmodell mit ständischer Organisation, mit einem Ständeparlament (Großfaschistischer Rat) an der Spitze
  • Der Vorrang der Ästhetik vor der Ökonomie, wie sie u.a. in den spät-futuristischen Kunsttheorien deutlich wurde
  • Die ideologische Verherrlichung von Gewalt in der Tradition von Georges Sorel
  • Antiliberalistische Parteienkritik, wie sie insbesondere der faschistische Soziologe Robert Michels betrieb
  • Ein an der Antike ausgerichteter Traditionalismus, wie er besonders durch den Literaten und Kulturphilosophen Julius Evola beschrieben wird.

Zwischen dem modernistischen und dem traditionalistischen Flügel kam es immer wieder zu Spannungen. Mussolini wechselte zwischen den Positionen und hatte Mühe, diese zentrifugalen Kräfte zusammenzuhalten.

Geschichte des eigentlichen Faschismus

Der Gründer des Faschismus, Benito Mussolini, kommt aus der Sozialistischen Partei Italiens, in der er den syndikalistischen Flügel vertrat. Mussolini war u. a. Chefredakteur der Parteizeitung Avanti. Gestalt gewann der Faschismus in Italien 1919 unter Benito Mussolini, der die "fasci Italiani di combattimento" (Italienische Kampfbünde) gründete. Im selben Jahr schafft der Schriftsteller Gabriele D'Annunzio mit seiner Eroberung von Fiume ein erstes faschistisches System. Die "fasci" wachsen rasch und Mussolini wird, als er 1922 mit einem Putsch droht, Ministerpräsident. 1925 verbietet er die sozialistische Partei und antifaschistische Organisationen und schafft mit seinem Führerkult - dem "mussolinismo" - das Modell für andere faschistische Diktaturen. Der "Duce" präsentiert sich als Mann des Volkes: Arbeiter, Vater, Sportler, mit Uniform und martialischem Auftreten. Der Großmachtanspruch des antiken römischen Weltreiches blieb leitende Idee des italienischen Faschismus. 1943 wird Mussolini vom Großfaschistischen Rat, dem faschistischen Ständeparlament, abgesetzt. Diese Absetzung erfolgte systemkonform, da der Großfaschistische Rat die höchste Instanz des faschistischen Staates war. Mussolini wird inhaftiert. Der deutsche Flieger Otto Skorzeny befreit Mussolini in einer abenteuerlichen Aktion aus seinem Gefängnis auf Gran Sasso. Unter deutscher Vormacht gründet Mussolini in Norditalien die Republicca Sociale Italiano, in der allerdings deutlich nationalsozialistische Übernahmen erfolgen, so insbesondere ein radikaler Antisemitismus.

Unterschiede zum Nationalsozialismus

Im Gegensatz zum Nationalsozialismus war der Faschismus nicht antisemitisch. Antisemitische Elemente nahm er erst auf, als Mussolini die Achse mit dem Deutschen Reich unter Adolf Hitler schloss; der Antisemitismus wurde verstärkt, als Mussolini nach seinem Sturz seine unter deutscher Vorherrschaft stehende "Republicca Sociale Italiano" (RSI) gründete.

Auch das für den Nationalsozialismus typische Führerprinzip gab es im Faschismus nicht. Die Bezeichnung duce war funktional, aber nicht ideologisch überhöht.

Ein weiterer wichtiger Unterschied ist der faschistische Etatismus, der sich deutlich vom völkischen Nationalsozialismus abhob. Wesentlich wurde dieser Unterschied in Südtirol, wo Mussolini eine harte Italianisierungspolitik betrieb. In einer Vereinbarung zwischen Hitler und Mussolini wurde daraufhin geregelt, dass die deutschen Südtiroler ihre Heimat zu verlassen und in das Deutsche Reich auszureisen hatten, während Südtirol bei Italien blieb. Die "Optanten" waren die deutschen Südtiroler, die entgegen der Absicht der beiden Diktatoren für den Verbleib in ihrer Heimat "optierten".

Dementsprechend gab es auch keine Rassenideologie des Faschismus. Die Abstammung der Menschen war Mussolini egal. Wo das Wort Rasse überhaupt benutzt wurde, hatte es ausdrücklich keine biologische Bedeutung, sondern wurde in dem auch in Deutschland früher gebräuchliochen Sinn von rassig als edel benutzt, ohne auf Abstammung abzuheben.

Der modernistische Flügel des Faschismus unterstützte eine Kunstrichtugng, die in Deutschland als entartete Kunst galt. Der Verfasser des futuristischen Manifests, Filippo Tommaso Marinetti, der später praktisch der faschistische Staatskünstler wurde, kann als prominentestes Beispiel hierfür genannt werden.

Faschistische Theoretiker

  • Benito Mussolini ist der Begründer des Faschismus. Mussolini kommt aus dem syndikalistischen Flügel der Sozialistischen Partei Italiens und ist stark von Georges Sorel beeinflusst.
  • Robert Michels ist deutscher Soziologe. Michels kommt aus der SPD und wird als Parteiensoziologe bedeutend. Er wechselt nach Italien, wendet sich dem Syndikalismus und später dem Faschismus zu. 1928 errichtet ihm Mussolini einen Lehrstuhl in Perugia, um die Theorie des Faschismus weiterzuentwickeln.
  • Julius Evola ist Kulturphilosoph und entstammt einer katholisch-traditionellen Familie in Rom. Später entwickelt er den an der Antike ausgerichteten (heidnischen) Traditionalismus. Evola repräsentiert den traditionalistischen Teil des Faschismus, der immer wieder in Gegensatz zum modernistischen Flügel gerät, welchen Evola als Entartung des Faschismus kritisierte.

Faschismus im weiteren Sinn

Später wurde der Begriff so verallgemeinert, dass der italienische Faschismus als Prototyp eines gesamteuropäischen Phänomens gilt. Dieser vom linken Spektrum verwendete Faschismustheorie steht die bürgerliche Totalitarismustheorie entgegen, die davon ausgeht, dass rechts und linksextreme Kräfte sich parallel entwickeln und zu einem links- oder rechtstotalitaristischen Regime hochschaukeln, wie dies in der Weimararrepublik geschehen ist.

Als erster nutzte Stalin einen verallgemeinerten Begriff des Faschismus. Darunter fielen alle Antikommunisten, gleich welcher politischer Richtung. Die Bezeichnung der SPD als sozialfaschistisch verstärkte die Kluft zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten am Ende der Weimarer Republik. Der Antifaschismus, der als Kampagne in kommunistischen Ländern aus der Stalin-Ära stammte, benutzte diese Interpretation auch nach dem Tod Stalins weiter.

Eine neue Interpratation erreichte der Faschismus-Begriff, als der Historiker Ernst Nolte mit seinem Werk Der Faschismus in seiner Epoche den Faschismus als antiliberal, antidemokratisch und antikommunistisch definierte. Mit dem Nolte-Begriff, der sich in Westdeutschland durchsetzte, galten die demokratischen Parteien wie SPD oder CDU nicht mehr als faschistisch, aber es wurde alles unter Faschismus rubriziert, was eine nicht-kommunistische Diktatur im Europa des 20. Jahrhunderts anstrebte oder realisierte. Insbesondere wurde damit der Nationalsozialismus als faschistisch bezeichnet.

Denn im 20. Jahrhundert beschreibt der Faschismus nun eine Reihe politischer Strömungen und Systeme autoritär-korporativer Herrschaft. Die Definitionen dafür sind wechselnd:

Elemente des Faschismus im weiteren Sinn

das Führerprinzip
Nach diesem Prinzip wird eine einzige Ideologie als verbindlich erklärt, die das gesellschaftliche Leben in allen Bereichen durchdringen soll. Sowohl Staat wie Verwaltung wurden weltanschaulich und dem Führerprinzip gemäß organisiert. Ebenso gestaltete man in den Betrieben die Beziehung Arbeitgeber - Arbeiter um, in das Verhältnis Betriebsführer - Gefolgschaft.
Nationalismus
Bereits das 19. Jahrhundert war von einer globalen Renaissance des Nationalen durchdrungen, die im 20. Jahrhundert in vielfältigen und extremen Nationalismen gipfelte.
Antikommunismus
Besonders die Revolution in Russland und die Furcht vor ihrer weiteren Ausbreitung nach Europa machten sich faschistische Führer zu Nutze, um mit Liberalen und Konservativen Bündnisse zu schließen.
Demokratiefeindlichkeit
Im Gedanken der Demokratie, Freiheit und Pluralismus und der Trennung zwischen Staat, Ökonomie und Privatem sah der Faschismus seine Hauptbedrohung.
gewaltsames Machtstreben
Häufige, oftmals misslungene, Putsche faschistischer Militärs kennzeichnen den jeweiligen Weg zur Macht.
Militarismus
Das Erscheinungsbild des Faschismus wurde durch militärische Massenaufmärsche und Großkundgebungen bestimmt.
eine ideologisch geprägte Weltanschauung
Faschismus tritt mit seinen Blut- und Weiheritualen, seiner mystisch-irrationalen Weltanschauung als antiaufklärerisches Programm auf.
das Verständnis des Volkes als Masse
Seit Mussolinis Konzept des "stato totalitario" durchdringt der faschistische Anspruch alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens bis ins Privatleben. So wurde die Familie als Kameradschaftsverband aufgefasst, die mit Kindern zum Wachstum der Volksgemeinschaft beizutragen hatte.
Antisemitismus und Rassismus
Dabei trat der Terror des deutschen Nationalsozialismus gegen ganze Teile der Bevölkerung deutlicher als in anderen Ländern hervor.

Diese Charakteristika werden verkürzt im Drei-Säulen-Modell zusammengefasst, in dem Faschismus als Nationalismus - Militarismus - Chauvinismus definiert wird.

Geschichte des Faschismus im weiteren Sinn

Deutschland

In Deutschland tritt der Nationalsozialismus zunächst als eine Spielart des italienischen Faschismus in Erscheinung: Angefangen von den ähnlich uniformierten Kampfverbänden der Sturmabteilung (SA) über die Straßenschlachten bis in das nationalistische Sprachgut der Führer. Hitlers Putsch 1923 misslingt. Antisemitismus, Rassismus und Blut- und Boden Mythologie werden im Nationalsozialismus Grundlage der Ausrottung und des Feldzuges gegen ideologisch als minderwertig eingestufte Menschen und Menschengruppen.

Spanien

In Spanien übernahm 1936 General Franco nach dem Bürgerkrieg die Macht mit einem Programm nach italienischem Vorbild. Die katholische Kirche behielt starken Einfluss und baute ihn durch die fundamentalistische Laienbruderschaft Opus Dei weiter aus. Franco war im 2. Weltkrieg mit Deutschland verbündet (schickte zur Unterstützung Hitlers an der Ostfront 45.000 Soldaten nach Stalingrad, Pawlowsk und Nikolskoje). Die faschistische Diktatur blieb bis zu Francos Tod 1975 bestehen.

Portugal

In Portugal kam 1926 eine Militärjunta unter General Carmona durch einen Putsch an die Macht. Mehr als Spanien bemühte sich auch Portugal besonders ab 1932 unter Carmonas Nachfolger António de Oliveira Salazar um eine Distanzierung vom italienischen Faschismus und vom deutschen Nationalsozialismus. 1933 baute Salazar seine Macht durch eine neue Verfassung und die Abschaffung des Parlamentarismus aus. Portugal verbündete sich im 2. Weltkrieg mit Spanien zum Bloco Ibérico. Die Junta wurde am 25. April 1974 durch die Nelkenrevolution gestürzt (drei Tote). Im November 1975 wurde der kommunistisch orientierte Revolutionsrat der MFA zugunsten eines demokratischen Systems abgesetzt. Die portugiesische Dekolonialisierungspolitik der Kommunisten wurde weiter vorangetrieben.

Österreich

In Österreich gab es nach dem 1. Weltkrieg eine Reihe faschistischer Gruppierungen z. B. die "Heimwehr", eine bewaffnete paramilitärische Einheit der "Vaterländischen Front", deren Führer Dollfuß war. Dieser errichtete einen faschistischen Ständestaat. Die österreichischen Nationalsozialisten, die den Anschluss an das Deutsche Reich wollten, ermordeten Dollfuß. (siehe auch Austrofaschismus)

Ungarn

In Ungarn existierten Gruppierungen wie in Österreich, die sich am Vorbild der SA und SS orientierten, z.B. die Pfeilkreuzler. Ihr Führer Ferenc Szalasi war Katholik und glaubte an ein "Karpato-danubisches" Vaterland. Auch hier war der Antisemitismus verbreitet.

Rumänien

In Rumänien kommt nach dem 1. Weltkrieg mit der "Legion Erzengel Michael" ("Eiserne Garde") unter Corneliu Zelea Codreanu in den 30er Jahren eine faschistische Bewegung auf, die sich als weltanschauliche Bewegung, religiöse Kampfgemeinschaft, mit starken Elementen des Führerkultes, Militarismus und Antisemitismus herausbildet.

Frankreich

In Frankreich treten faschistisch orientierte Gruppen auf; die bedeutendste war die "Action francaise" Charles Maurras. Mit der Besetzung Frankreichs durch das nationalsozialistische Deutschland scheiterte die faschistische Bewegung an eigenen Widersprüchen.

Großbritannien

In Großbritannien gründete Oswald Mosley 1932 die "British Union of Fascists" (BUF), die das Übermenschentum und die Weltbedeutung Großbritanniens hervorhob, welche aber mit dem Weltkrieg endete.

Griechenland

In Griechenland herrschte 1936-1941 die vom italienischen Faschismus und vom deutschen Nationalsozialismus beeinflusste Metaxas - Diktatur.

Skandinavien

In den skandinavischen Ländern Dänemark, Schweden und Norwegen kamen mit der Schwedischen Nationalsozialistischen Partei, der Dänischen Nationalsozialistischen Arbeiterpartei und der norwegischen Nationalen Sammlung faschistische Bewegungen auf, welche die nordische Herrenmenschenideologie zum Programm machten. Mit der deutschen Besetzung gewannen die Faschisten in Dänemark und Norwegen Einfluss. Das NS-Regime rekrutierte aus diesen Bewegungen bereitwillige Partner. Zum Synonym der willfährigen Nazi-Marionette wurde dabei die Gestalt des norwegischen Führers Vidkun Quisling.

Nach 1945

Griechenland

Nach 1945 kam ein faschistisches Regime durch einen Putsch der Obristen 1967 wiederum in Griechenland mit einer bis 1974 währenden Junta an die Macht.

Chile

In Chile stürzte 1973 General Augusto Pinochet ebenfalls durch einen faschistischen Putsch die Regierung Salvador Allendes.

Rechtsradikalismus in Europa nach 1945

Österreich

Das offene Überleben des rechtsradikalen Nationalismus in Österreich wurde dadurch begünstigt, daß die Alliierten im Rahmen der These, Österreich sei das erste Opfer Hitlers gewesen, auf eine Entnazifizierung verzichteten. So setzten sich in der Folgezeit ehemalige Nationalsozialisten in allen drei österreichischen Volksparteien fest, wobei die FPÖ traditionell einen Kurs rechts von den beiden anderen Parteien fuhr, sich hinter die ehemaligen SS-Angehörigen stellte und gegen Einwanderung polemisierte. Auch Ressentiments gegen Fremde konnten in Österreich lange Zeit offener zur Schau getragen werden als in anderen westeuropäischen Ländern. Aber erst mit dem heutigen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider an der Spitze konnte die Partei Ergebnisse von über 20% erreichen. Heute ist jeder in der FPÖ, der eine leitende Stellung innehat, in dieser Stellung von Haiders Gnaden. Der Parteivorsitzende, dem auf Grund zahlreicher Skandale selbst nicht der Regierung angehören darf – was die ÖVP immerhin von dem Koalitionspartner einforderte – konnte seine Kandidatin Susanne Rieß-Passer als Vizekanzlerin durchdrücken, wenn auch zwei andere FPÖ-Politiker wegen vergangener Äußerungen auf einen Ministerposten verzichten mußten. Auch in der Regierung bleibt die Partei von Skandalen nicht verschont: so äußerte sich Haider sinngemäß über den Vorsitzenden der wiener Jüdischen Gemeinde, er verstehe nicht, wie einer, der so viel Dreck am Stecken habe, Ariel heißen könne. Zudem erging von ebenjener wiener Jüdischen Gemeinde an die FPÖ-Verkehrsministerin Forstinger die Aufforderung, einen ihrer hohen Beamten zu entlassen, der die Zahlungen an NS-Opfer als „dubiose Entschädigungsansprüche" bezeichnet hatte. Seit der Regierungsbeteiligung befindet sich die FPÖ bei fast allen Wahlen auf dem absteigenden Ast.

Neben der politischen Rechten existiert auch in Österreich eine aktionistische Rechte, die lange Zeit für die von einem rechtsradikalen Einzeltäter begangenen verheerenden Sprengstoffanschläge, zunächst mit Briefbomben gegen politische Sympathisanten der Randgruppen, dann mit Rohrbomben und Sprengfallen gegen diese selbst, verantwortlich gemacht wurden. Im Laufe der Untersuchungen wurden mehrere Waffen- und Sprengstofflager neonazistischer Gruppen ausgehoben. Die Einzeltätertheorie, die wohl schon früh bestand, fand in der Politik keinen Anklang, da damals ÖVP und SPÖ zum harten Vorgehen gegen die österreichischen Rechtsradikalen übergehen wollten. Neben den organisierten, bewaffneten Neonazigruppierungen gibt es in Österreich, wie in fast allen der nachfolgend behandelten Länder, auch die Übergriffe von Einzeltätern und Kleingruppen, die ihre Opfer etwa Zusammenschlagen oder aus den Zügen werfen.

Schweiz

Auch in der Schweiz, die für das Dritte Reich als Umschlagplatz für gestohlene Kunstgegenstände und Devisen eine ungemein wichtige Rolle spielte (und sich auch noch selbst an den Opfern der Konzentrationslager bereicherte), konnten sich durch den verharmlosenden Umgang mit diesen Jahren offene rechtsradikale Strukturen erhalten und ihren Einfluss ausweiten. Der politische Rechtsradikalismus in der Schweiz wird durch die Schweizer Volkspartei Christoph Blochers vertreten. Diese kämpft gegen eine Eingliederung in die Europäische Union, das Frauenwahlrecht (diese Position ist vor allem bei älteren Vertretern des Rechtsaußen-Flügels vorzufinden), die liberale schweizer Drogenpolitik und die „Überfremdung der Schweiz“, außerdem für eine Dominanz der Deutschschweizer. Ebenso wie diese haben auch die italienische und französische Bevölkerungsgruppe ihre separatistischen Gruppierungen, die allerdings allesamt nicht den Erfolg der SVP erreichen können. Blochers SVP wird gegen die schweizerische Tradition die Teilnahme an der Allparteienregierung verwehrt. Neben den politischen Organisationen gibt es vor allem in der französischen Westschweiz eine traditionell starke rechte Szene, die immer wieder Konzerte veranstaltet. Ein geplantes Konzert der „Blood and Honor“-Bewegung Ende 1998, zu dem mehr als 1500 Teilnehmer an den Genfer See kommen sollten, wurde von der Regierung des Kantons verboten, da man Verstöße gegen das schweizer Antirassismusgesetz festgestellt habe. Zuvor konnte noch im März ein von Hammerskins organisiertes Konzert mit über 800 Teilnehmern unter Berufung der Kantonsregierung auf die traditionell hocheingeschätzte Versammlungsfreiheit unbehelligt stattfinden. Zu den schweizer Konzerten reisen Neonazis aus allen Nachbarländern ein, vorwiegend aber aus Deutschland. Die Aktivitäten der Neonazis zielen auch hier auf Ausländer, politisch Andersdenkende, Homosexuelle und sogenannte „Asoziale“, also Obdachlose und Drogenkonsumenten, neuerdings auch auf die Skaterszene, die mit ihrer zwar unpolitischen, aber doch internationalistischen Ausrichtung immer mehr in das Blickfeld der Neonazis aller Länder gerät.

Luxemburg

Luxemburg, in dem drei Amtssprachen gesprochen werden (deutsch, französisch, letzebuergisch) und das Angehörige fast aller europäischer Nationen besiedeln, besitzt meines Wissens keinerlei rechtsradikale Parteien oder Gruppierungen und ist damit wiedermal Vorbild für Europa.

Schweden

Schon im Zweiten Weltkrieg war Schweden nicht so neutral, wie es den Anschein haben könnte. Lebenswichtige Erzlieferungen für die Wehrmacht kamen via Schweden ins Reich, schwedische Nationalsozialisten hatten bereits Listen für den Fall einer Machtergreifung bereit. Das dies nicht geschah, war Glück im Unglück für die zahlreichen politischen Gegner und Juden, die im Vertrauen auf Schwedens Neutralität hier Zuflucht gesucht haben. Der Umgang mit Neonazis ist teilweise halbherzig bis fahrlässig gewesen, erst seit kurzem nimmt man die Szene wirklich ernst. Wie die Gesetze der meisten skandinavischen Länder gewährt auch das schwedische Strafrecht eine sehr weitreichende Meinungsfreiheit. Leider bietet jedoch gerade diese Toleranz einen Nährboden für intolerantes Verhalten und macht die skandinavischen Länder zu einem Brückenkopf des Vertriebes von Propagandamaterial sowie zum Aufmarschgebiet der Neonazis zu ihren traditionellen Gedenktagen. So wird das Delikt der Volksverhetzung in Schweden durchschnittlich mit drei Monaten auf Bewährung bestraft, Gefängnisstrafen oder Strafen von bis zu einem Jahr wie in der deutschen Justiz gängige Eingangsforderung werden kaum verhängt. Das resultiert auch aus einer langen Tradition der Verniedlichung rechter Gewalt in Schweden: so wurden z.B. 30 besonders aggressive Skinheads als Resozialisierungsmaßnahme für einige Wochen in eine Eliteeinheit des schwedischen Militärs geschickt. Um sich auszutoben, so der Hintergedanke. In Wahrheit erhielten die Kriminellen eine kostenlose Waffenübung. Einer der Führer der Neonaziszene, der Endvierziger Erik Blücher, bekam wegen des Verkaufs rassistischer Tonträger eine Gefängnisstrafe von drei Monaten, die aber zur Bewährung ausgesetzt wurde. Begründung: es wäre von einem einmaligen Vergehen seitens des Angeklagten auszugehen. Sein Partner, der Deutsche Marcel Schilf, leitet den Vertrieb der „Blood and Honor-“ alias „NS-Records“. Von Helsingborg aus organisieren diese beiden Schwedens Neonaziszene. Diese besteht laut Schätzungen im Kern aus höchstens 600 Personen, eine kleine, aber aktive Szene, die fast ausschließlich der in Deutschland verbotenen „Blood and Honor“-Bewegung zuzuordnen sind, der auch mit Aussteigerprogrammen schwer beizukommen ist. Die schwedische Rechte genießt mit ihrer effektiven, weil weitgehend ungestörten Propagandaproduktion (diverse CD’s, Bücher wie die „Auschwitzlüge“ des erst kürzlich in Dänemark verstorbenen Mitbegründers der deutschen Neonaziszene Thies Christophersen und diverse andere weitverbreitete Devotionalien werden von Blücher und Schilf europaweit vertrieben) und ihren brutalen Morden und Mordanschlägen (allein 1999 drei Tote; bei einem Briefbombenanschlag wurden zwei Journalisten und ein Kind verletzt) europaweiten Respekt. Angeblich sollen führende deutsche Neonazis bereits angefangen haben, schwedisch zu lernen. So rücken mittlerweile neben Ausländern, Homosexuellen und Antifaschisten auch und zunehmend staatstragende Persönlichkeiten in das Visier der Neonaziszene: 1998 erhielt Schwedens Justizministerin eine Briefbombe, die jedoch nicht explodierte.

Dänemark

Auch in Dänemark wird durch die liberale Gesetzgebung rechtsradikale Betätigung befördert. So fanden in den letzten Jahren größere Kundgebungen der europäischen Rechten, wie z.B. die Rudolf-Heß-Gedenkmärsche, in Dänemark statt. Die DNSB (Dänemarks Nationalsozialistische Bewegung) unter ihrem Führer Jonni Hansen ist legal, es gibt einen rechtsradikalen Radiosender und Personen wie Thies Christophersen fanden und finden immer wieder Unterschlupf und verbreiten ihre Propaganda von Dänemark aus. Die dänische NS-Bewegung wird von ihren Gegnern als „Nullität“ verspottet, die Aktivisten geben als Hauptziel die ausländischen Propagandisten an. Die „Blood and Honor“-Bewegung ist auch hier am stärksten vertreten.


Norwegen

In Norwegen ist die Rechte mit der schwedischen vergleichbar, was die Gewalttätigkeit angeht. Ein dunkelhäutiger Jugendlicher wurde vor kurzem von Rechtsradikalen erschlagen. Leider sind die Informationsquellen nicht sehr gut.

Finnland

Zu Finnland liegen uns keine näheren Informationen vor, es ist aber davon auszugehen, daß eine Bewegung in der Tradition des mit dem Deutschen Reich verbündeten Regimes gibt. Auch die üblichen Neonazigruppierungen werden hier vertreten sein, wenn auch nicht so stark wie in den anderen skandinavischen Ländern.

Niederlande

Die Niederlande sind, ähnlich wie Frankreich, ein stark multikulturell geprägtes Land. Allerdings geht die Integration hier mit weniger Problemen vonstatten als in Frankreich, was an der liberalen calvinistischen Tradition der Niederlande und dem begrenzten Raum, der Separation fast unmöglich macht, zusammenhängen mag. Allerdings gibt es auch hier vereinzelt Übergriffe und Schmierereien, in den letzten Jahren häufiger, da der Abschluß einiger Migrantengruppen (namentlich vor allem der Molukken) gegen die Normen der westlichen Gesellschaft sie in den Augen einiger Bevölkerungsgruppen in die asoziale Ecke bringt. Gerade bei Kindern gutsituierter Eltern ist diese Einstellung verbreitet. Weiterhin gibt es Nationalisten im Süden, die mit dem belgischen „Vlaams Block“ den (Wieder-)Anschluß des niederländischsprachigen Teils Belgiens an die Niederlande fordert, während im Norden nationalfriesische Separatismusträume geträumt werden.

Belgien

Im französisch-niederländischsprachigen Belgien sind uns nur die Aktivitäten des für den Anschluß an die Niederlande wirkenden „Vlaams Block“ bekannt, der in den letzten Wahlen immer Zugewinne für sich verzeichnen konnte. Diese Partei wirkt, wie erwähnt, für einen Anschluß an die Niederlande, zuvorderstes Ziel aber ist zunächst die Dominanz der niederländischen Flamen über die französischstämmigen Wallonen. Dazu gibt es vor allem im französischsprachigen Teil Neonazigruppierungen in der Tradition Leon Degrelles, die gegen die Überfremdung ankämpfen.

Frankreich

Mit der ultrarechten französischen „Front National“ geht es, wie auch mit ihrem Führer Le Pen, der wegen zahlreicher Skandale in der eigenen Partei zwischenzeitlich nicht unumstritten war, auf Grund des Zerfalls der neogaullistischen Parteien weiter aufwärts. Landesweit kann die FN auf 15% hoffen und erreicht damit dieselbe Größenordnung wie die RPR des Staatschefs Jacques Chirac, dem sowohl der zurückgetretene RPR-Chef Séguin als auch der zur FN übergetretene Generals-Enkel Charles de Gaulle „Unterwerfung“ Frankreichs unter die USA und die EU vorwerfen. In mehreren Großstädten des Südens wie z.B. Toulon stellt die FN bereits den Bürgermeister, die vorwiegend nordafrikanischen Emigranten fühlen sich bedroht. Wie die Politik der FN funktioniert, zeigt sich z.B. daran, das FN-Plakatkleber vor der letzten Parlamentswahl wiederholt mit Plakatklebern der Sozialisten und der FKP aneinandergerieten. Auch Parteichef Le Pen steht für brutales Vorgehen, so wurde er verurteilt, weil er eine Journalistin geschlagen hatte. Freundschaften werden zu Dr. Gerhard Frey und Wladimir Schirinowski gepflegt, dessen erster Gratulant Le Pen 1993 nach Schirinowskis Achtungserfolg war. Die Drahtzieher der „Charlemagne Hammer Skin“-Gruppierung stammten ebenfalls aus dem französischen Süden.

Spanien

Spanien als einer der beiden von den Allierten unbehelligt belassenen faschistischen Staaten übte schon zu Francos Zeiten eine besondere Anziehungskraft auf flüchtige Nazis und später Neonazis aus. Rassistische und antisemitische Hetze fielen hier auch nach Francos Tod unter die Meinungs-freiheit, vor allem über den Verleger Pedro Varela konnten mehrere Neonazis, darunter der Autor der „Auschwitzlüge“, Christophersen, und die Österreicher Gerd Hosnik und Walter Ochsenberger, ihre Zeitschriften in Europa anbieten; zu Varelas Freundeskreis zählen unter anderem der deutsche Rechtsterrorist Manfred Roeder und Meinolf Schönborn. Varela, der gute Kontakte zur lanteinamerikanischen Szene pflegt, wurde als erster hochrangiger Nazi in Spanien Anfang 1999 wegen Aufstachelung zum Rassenhaß zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Hosnik und Ochsenberger, die in Österreich gesucht werden, brauchen im Falle einer Festnahme aber nicht mit einer Auslieferung zu rechnen. Der in Deutschland zu 22 Monaten Haft verurteilte ehemalige Waffen-SS Offizier Otto Remen konnte seine Auslieferung wiederholt vor Gericht verhindern, was auf den immer noch starken Einfluss der Franquisten und Neofalangisten zurückzuführen ist. So organisierten diese eine Demonstration gegen die Enteignung des Besitzes der untergetauchten Mitglieder der Neonazi-Gruppe „International Third Position“, die in dem Dorf Los Pedriches nahe Valencia drei Gebäude besitzt und eines zur Miete nutzte. Die Regierung des Konservativen Ministerpräsidenten Aznar zählte zu den ersten Gratulanten Berlusconis, noch bevor dessen Mehrheit vollkommen gesichert war.

Portugal

Über Portugal konnten wir leider keine Informationen finden, allerdings darf vermutet werden, daß eine traditionalistische Rechte aus der faschistischen Diktatur hervorgegangen ist, die wie im Falle Spaniens von den Alliierten nicht angetastet wurde.

Italien

In der Heimat des ersten faschistischen Diktators in Europa stellt die äußerste Rechte seit kurzem wieder den Ministerpräsidenten; zum zweiten Mal ist es Medienzar Berlusconi gelungen, seine logistische Überlegenheit in politische Macht umzumünzen. Trotz des unrühmlichen vorzeitigen Endes seiner ersten Amtszeit (nach einer Korruptionsaffäre) gelang es seinem Bündnis „Pol der Freiheiten“, zu dem auch die rechtsradikale „Alleanza Nationale“ von Gianfranco Fini gehört, stärkste Partei im italienischen Parlament zu werden. Zusammen mit der separatistischen „Lega Nord“, die sich für eine Abspaltung des reichen Nordens einsetzt, verfügt er somit über die Mehrheit. Die „Lega Nord“ Umberto Bossis war lange Zeit der Gegenpol der Reichen im Norden zu den Kommunisten, die ihre Stimmen vorwiegend von den Armen im Mezzogiorno bekommen. Allerdings gelang es bereits 1993 Mussolini-Enkelin Alessandra, 44% der neapolitanischen Wähler mit einem an ihren Großvater angelehnten Politikkonzept für sich zu gewinnen, Berlusconi schaffte es offenbar, mit seiner „Forza Italia“ sowohl der „Lega Nord“ als auch den Parteien der Olivenbaumkoalition Wähler abspenstig zu machen und die früheren Wähler der Christdemokraten zu gewinnen. Damit steht er auch innerhalb des Bündnisses als starker Mann da. Im Wahlkampf wurde eine geschönte Berlusconi-Biographie herausgegeben, in der er nach Kim Il Sung-Manier abgefeiert wird. Berlusconi steht für eine gebremste Europapolitik und die Abschottung der italienischen Grenzen gegen Asylsuchende aus Osteuropa und Nordafrika. Andererseits steht er für die absolute Kontrolle von Funk und Fernsehen und die Möglichkeit, die Meinung der Andersdenkenden mit halbwegs legalen Mitteln zu unterdrücken, eine Möglichkeit, die an osteuropäische Verhältnisse (z.B. Weißrussland) erinnern. Daneben existieren natürlich auch hier zahlreiche Neonazigruppen mit traditionell guten Verbindungen zu Deutschland, vor allem in Südtirol ist eine starke Szene ansässig. Die Neonazis organisieren Anschläge auf Asylsuchende und politische Gegner.

Griechenland

Auch über Griechenland ließen sich kaum Informationen finden, außer daß es in Griechenland Anhänger der „Charlemagne Hammer Skin“-Bewegung gibt, die vor einigen Jahren in Frankreich ausgehoben wurde (unter tätiger Mithilfe von Scotland Yard) und deren Mitglieder unter anderem die französische Ex-Ministerin Simone Veil mit dem Tode bedroht haben sollen. Ansonsten gibt es eine nationalistische Richtung, die antitürkisch ausgerichtet ist und die Zypern- und Makedonienfrage forciert, welche die Nationalisten für sich beanspruchen.

Großbritannien

Großbritannien besitzt zwar keine starken Altnazis, kann aber ohne Übertreibung als Mutterland der heute vorherrschenden rechtsradikalen Strukturen bezeichnet werden. Hier entstand, gespeist von der starken Hooligan- und Skinheadszene, Ende der 80er / Anfang der 90er Jahre, die „Blood and Honor“-Bewegung, die sich um die rassistische Band „Skrewdriver“ versammelte. Dem 1993 verstorbenen „Skrewdriver“-Sänger Ian Stuart wird auf den Konzerten der Bewegung regelmäßig gehuldigt. Neuerdings sponsort die Bewegung die Anti-Euro-Kampagne der rechtsradikalen British National Party. Diese zahlenmäßig stärkste Rechtsradikalenorganisation hat ihre Hochburgen traditionell in den Innenstädten, konnte aber durch die Unterstützung von „Blood and Honor“ ihr Agitationsfeld auf die Farmer und Vorstädter ausweiten, deren Ängste vor Preisverfall und Immigration sie zu bedienen sucht. Den Kampf um die Innenstädte vor allem derjenigen Städte mit einem hohen Migrantenanteil wird hingegen von der zahlenmäßig schwächeren National Front geführt.

Offen terroristisch geht „Combat 18“ (die Zahlen stehen für die Buchstaben im Alphabet; übersetzt „Kampfgruppe Adolf Hitler“) gegen Migranten in England, Schottland und Wales vor. Die Türen der Betroffenen werden mit Farbe markiert, die Häuser mit Brandsätzen angegriffen. Auch Sprengstoff-anschläge werden „Combat 18“ angerechnet. Die „Combat 18“ ist stärkste Neonazibewegung in Schottland, mit der dortigen Nationalpartei sympathisiert sie dennoch nicht, denn Anhänger der rechten Szene in Schottland und Nordirland sind Protestanten, die eine starke Verwurzelung mit England vorgeben. Diese werden als „Unionisten“ bezeichnet und begehen zwar vorwiegend religiös motivierte Straftaten, sympathisieren aber oft mit der Nationalsozialistischen Ideologie und „Blood and Honor“. Auf der britischen Insel sind Fußballspiele immer wieder der Rahmen für rassistische oder religiös motivierte Übergriffe mit einer jährlich zweistelligen Zahl von Opfern. In Schottland wurden zuweilen schon Jugendspieler der Vereine Opfer der Gewalt. Eine Reihe von Sprengstoff-anschlägen auf Londoner Schwulenbars wird der Gruppe „International Third Position“ zugerechnet, deren Unterschlupf in Spanien im November 1999 nur noch verlassen aufgefunden werden konnte. Mutmaßliche rassistische Übergriffe von englischen Polizeibeamten lösten in den Städten Oldham und Leeds in den letzten Wochen schwere Krawalle vorwiegend den Minderheiten angehöriger Jugendlicher aus. Einige Sprecher widersprachen aber, daß es sich um Rassenunruhen handele, vielmehr gehe es um einen Konflikt zwischen Jugendlichen und der Polizei. Ähnliche Übergriffe von Polizeibeamten soll es bereits wiederholt gegeben haben. Dies ermöglichte es Vertretern der rechten Parteien, in einer dieser Städte gleich zwei Sitze zu erlangen.

Irland

Ebenso wie in Schottland und Wales gibt es vor allem in Irland und Nordirland einen sehr ambivalenten Nationalismus, der sich von Links nach Rechts durch das Parteienspektrum und die politischen Kampfgruppen zieht. So lassen sich rechtsradikale Positionen sowohl bei der IRA, vor allem ihren Abspaltungen, der INLA und der Real IRA, feststellen als auch bei den unionistischen Parteien und Kampfgruppen, vor allem der UVF und der LVF. Dieser Rechtsradikalismus richtet sich vor allem gegen die andere Konfessionsgruppe, ist also religiös motiviert. Der Ausländeranteil auf der grünen Insel scheint traditionell nicht besonders hoch, womit diese Gruppe zumeist als Feind-bild ausfällt; in Dublin scheint ein Ableger der „Combat 18“ zu bestehen.


Tschechien und Slowakei

Tschechien ist neben Ungarn das Land mit der stärksten Neonaziszene Osteuropas mit den typisch guten Verbindungen zur westeuropäischen Szene, vor allem über die europaweit agierende „Blood and Honor“-Bewegung, die hier einen ihrer Agitationsschwerpunkte besitzt. Typisch für die osteuropäischen Grenzländer zur EU ist Tschechien Umschlagplatz für illegales Propaganda-material und militärische Ausrüstung sowie beliebter Austragungsort von Konzerten und Treffen. Die tschechische Szene ist, anders als in vielen osteuropäischen Ländern politisch nicht besonders stark verwurzelt, was vielleicht an der für Tschechien günstigen Teilung der Tschechoslowakei und dem von Europa stark unterstützten demokratischen Präsidenten Havel gelegen hat. Die Regierung Vaclav Klaus hingegen hat die rechte Szene eher gestärkt. Die tschechische Szene fällt immer wieder durch Übergriffe auf Sinti und Roma und die wenigen farbigen Asylanten auf. In der Slowakei hingegen ist die rechtsradikale Bewegung traditionalistisch ausgerichtet, man verehrt den Prälaten Josef Tiso, der Präsident des von Hitler nach dem Überfall auf die Tschechoslowakei errichteten slowakischen Satellitenstaates war und 1947 hingerichtet wurde. Wie schon damals versucht man, die ungarische Minderheit in ihren kulturellen Rechten einzuschränken und zu Unterdrücken.

Ungarn

Ungarn, daß nach dem ersten Weltkrieg 71% seines Territoriums und 64% seiner Bevölkerung verlor, ist vielleicht die Hochburg rechtsradikalen Wirkens in Osteuropa. Hier befindet sich eine Hauptdrehscheibe für Waffen und illegales Propagandamaterial, werden Neonazikonzerte, Hundekämpfe und Wehrsportcamps abgehalten. Ein Drittel der heute ca. 15 Millionen Ungarn in Europa lebt außerhalb der Landesgrenzen, vorwiegend in Rumänien und der Slowakei, andere in Jugoslawien und Österreich. In Ungarn setzte sofort nach dem Ende des Sozialismus ein Rechtsruck ein, unter dem bürgerlichen Präsidenten Antall (verstorben Dezember 1993) wurden Funk und Fernsehen radikal von allen Gesinnungsfeinden gereinigt. Sein Nachfolger, Peter Boross, gibt als Vorbild Ferenc Keresztes-Fischer an, der Innenminister des mit Hitler verbündeten Horthy-Regimes war und wohl der Endlösung freundliche Unterstützung entgegengebracht hat.

Polen

In den Umbruchzeiten der frühen 90er Jahre kam auch in Polen der radikale Nationalismus wieder auf, gepaart mit katholischem Antisemitismus. So beschwor Expräsident Lech Walesa (bei der letzten Präsidentschaftswahl konnte dieser ehemals exponierte Vertreter der polnischen Solidarnosc nicht einmal mehr 1% der Stimmen erreichen) den Volkshelden Feldmarschall Pilsudski, der die Russen bis nach Vilna zurückwarf und Polen zum Militärstaat ausbaute. Die katholische Kirche in Polen fördert den Rechtsradikalismus mit ihrem ambivalenten Verhalten zu den Massenmorden an Juden in Polen: einerseits entschuldigte sie sich erst kürzlich für die Greuel, andererseits sind die starken antisemitischen Vorbehalte noch immer zu spüren. So sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche in Polen, Jozef Glemp, kurz vor der mit einem Gottesdienst feierlich begangenen Entschuldigung: „Ich überlege mir, ob die Juden nicht anerkennen sollten, daß sie gegenüber den Polen schuldig sind, insbesondere was die Zusammenarbeit mit den Bolschewisten und die Mittäterschaft bei den Deportationen nach Sibirien.“ In diesem Klima entwickelte sich eine Neonaziszene, die sich der Deutschen stark anlehnt und teilweise mit dieser gemeinsame Aktionen veranstaltet, so geschehen bei einer Jagd auf deutsche und polnische Punks in Frankfurt/Oder. Auch Übergriffe auf Konzentrationslager und jüdische Friedhöfe sind keine Seltenheit. Neben Ausländern und „Asozialen“ hat die polnische Szene, wie ihre deutschen Kameraden, die Skaterszene als potentielles Opfer für sich entdeckt. Polen ist, wie die meisten osteuropäischen Staaten, Umschlagplatz für Devotionalien und Waffen aller Art. Auch hier veranstaltet die starke „Blood and Honor“-Bewegung oft und gerne Skinheadkonzerte.

Russland

Nachdem der 1993er Achtungserfolg des russischen Ultrarechten Schirinowski, der den Litauern mit dem Verbrennen von Atommüll an der Grenze, Deutschland mit der Atombombe drohte und Europa mit Wien als Hauptstadt unter sich einen wollte, mit etwa 12 Millionen russischen Wählerstimmen kurzzeitig in einigen Medien (z.B. Spiegel Nr.1/1.3.1994) die Befürchtung eines nahenden Faschismus von Osten aufkommen ließ, konnte dieser sich an Saddam Hussein und Slobodan Milosevic anlehnende Freund von DVU-Chef Gerhard Frey und dem Franzosen Le Pen keine größeren Erfolge mehr erzielen, die SA-ähnlich organisierte Gefolgschaft des mit deutschen Neonazikreisen befreundeten Alexander Barkaschow schoß zuletzt beim Oktoberputsch gegen Gorbatschow. Parteipolitisch sind nur die Nationalbolschewisten in einigen größeren Städten präsent, Neonazigruppen veranstalten Konzerte, jagen Schwarzafrikaner, die nicht nach Europa einreisen durften und mittlerweile zahlreicher in Russland stranden, und organisieren Soldaten für Großserbien und Iraks Saddam Hussein. Im weiteren dürften sie sich im lukrativen Mafiageschäft, vor allem dem Waffen- und Drogenhandel, engagieren. Rassistische Gewalttaten sind verstärkt auch innerhalb der russischen Polizei gang und gäbe, die auch mit Minderjährigen, Prostituierten und Homosexuellen nicht zimperlich umgeht und allgemein ein schlechtes Image besitzt. Das rechtsradikale Milieu speist sich aus den Unzufriedenen und Kleinkriminellen, die Unterstützer sehen das stolze Russland erniedrigt, wollen einen starken Mann, der ihnen die Machtposition zurückgibt.

Ukraine

Die ukrainischen Rechtsradikalen kämpfen zuvorderst gegen die Ansprüche russischer und rumänischer Nationalisten auf ukrainisches Territorium, unterstützen dazu auch Moldawien und Georgien mit Freiwilligen. Die politisch sehr aktive „Union ukrainischer Offiziere“ zählt ca. 50.000 Mitglieder strebt einen „Slawischen Staatenbund“, natürlich ohne Russland, mit Kiew als Hauptstadt an. Der Zorn der Rechtsradikalen richtet sich vor allem gegen die russischstämmige und die jüdische Bevölkerung, ehemalige SS-Angehörige treten wieder offen auf und tragen stolz Uniformen und Abzeichen, die eine vor allem bei Jugendlichen begehrte Handelsware darstellen. Ebenso wie z.B. in Polen werden hier nicht nur Originale verkauft, sondern die Rechten betreiben ihre eigene Produktion. Militärgüter aller Art werden auch von hier an die westeuropäischen Gesinnungsgenossen geliefert, auch mit den deutschen Genossen bestehen freundschaftliche Verbindungen. Auch Flüchtlinge und Angehörige anderer Minderheiten werden Opfer von Angriffen jugendlicher Neonazis.

Baltenstaaten

Auch die baltischen Rechtsradikalen sehen zuvorderst in den russischen Revistionisten ihren Feind, auch hier wird die Kollaborationszeit wieder beschworen, sieht man die Männer in den SS-Uniformen. Juden und Russen werden auch hier hauptsächlich Opfer von Übergriffen, Flüchtlinge vor allem in den Städten. In Litauen schaut man argwöhnisch auf die ansässigen Polen und die polnischen Nationalisten auf der anderen Seite der Grenze, eine neofaschistische Partei in Lettland unter dem Deutschbalten Joachim Siegerist kam bei den lettischen Parlamentswahlen auf den zweiten Platz. Die „Blood and Honor“-Szene veranstaltet gemeinsame Konzerte deutscher, baltischer und auch polnischer und russischer Naziskinheads, vorwiegend in Litauen. Russisch-stämmige Neofaschisten fordern die Rückkehr der Baltenstaaten zu Russland, Schirinowski befand, den 900.000 Esten müsse ein Stadtstaat Tallinn nach Vorbild Monacos eigentlich genügen.

Rumänien

Anhänger eines Großrumäniens, das zusätzlich zum Staatsgebiet Moldawien und die zur Ukraine gehörende Nordbukowina und Süd-Bessarabien umfassen soll, bilden die überwiegende Mehrheit der rumänischen Rechtsradikalen. Die ihnen günstige Stimmung im Lande drückte sich bereits darin aus, das eine Regierung bereits den Nazi-Bündnispartner und Judenverfolger Marschall Ion Antonescu mit einem Denkmal geehrt hat. Über Kontakte zwischen der deutschen und rumänischen Rechten ist uns weiter nichts bekannt.


Bulgarien

In Bulgarien gibt es, wie in fast allen Balkanstaaten, eine traditionalistische Rechtsradikale Bewegung, die an die faschistischen Unterstützer Hitlers anknüpft. Über Größe und Stärke dieser Bewegung ist uns leider ebensowenig bekannt wie über eventuelle Zielsetzungen. Schirinowski, der dem Land den Exilbulgaren Swetoslaw Stoilow als besseren Präsidenten „anbot“, wurde von der Presse als „politischer Kretin“ beschimpft und von der Regierung des Landes verwiesen.

Albanien

Wie die meisten der Balkanvölker wünschen auch die Albaner einen großalbanischen Staat, der sämtliche Volksgruppenzugehörigen umfassen soll. Das bedeutet, man möchte das Kosovo sowie Teile Makedoniens und Griechenlands an Albanien anschließen. Dieser Wunsch scheint im albanischen Volk recht stark vertreten, mit einer nationalkommunistischen und einer ultranationalistischen Spielart, und wird vor allem von der Militärorganisation UCK nach vorne getrieben, aber auch die gemäßigten Kräfte wirken zumindest auf die Vereinigung mit dem Kosovo hin.

Republiken des ehemaligen Jugoslawien

Allgemein ist die Lage der Völker des ehemaligen Jugoslawien von Revanchismus und nationalistischen Einigungsgedanken geprägt. Sowohl die großen Bevölkerungsgruppen der orthodox slawischen Serben, Makedonier und Slowenen, der katholischen Kroaten und bosnischen und montenegrinischen Muslime als auch die albanischen und ungarischen Minderheiten verfügen über starke nationalistische Gruppierungen und z.T. Paramilitärs sowie eine latent nationalistisch gesinnte Bevölkerung. So wurden die Regierungen Tudjman in Kroatien und Milosevic in Serbien von Dissidenten als erste faschistische Regime bezeichnet, die das postkommunistische Osteuropa hervorgebracht habe. So ehren kroatische Rechtsradikale die Mitglieder der faschistischen Ustascha-Bewegung, die an der Seite Hitlers grausam gegen die Serben vorgingen, und pflegen gerade seit der Anerkennung Kroatiens durch Deutschland wieder engste Kontakte zur rechtsradikalen Szene, einige ehemalige Bundeswehrangehörige kämpften als Söldner für Tudjman in Bosnien. Opfer von Rechtsradikalen werden oft die kleinen Minderheiten der Türken und der Sinti und Roma, die zwischen den Fronten oft die am leichtesten greifbaren sind und als rassisch minderwertig angesehen werden. Auch unter den neuen, in Richtung Europa ausgerichteten Regierungen in Kroatien und Serbien sind die nationalistischen Töne keinesfalls passé. In Serbien, so sagen einige, gebe es keine Partei, die nicht auf nationalistisches Gedankengut bauen würde – ein Grund, warum Präsident Kostunica Milosevic nicht an den internationalen Gerichtshof in Den Haag ausliefern konnte oder wollte.

Amerika

Sowohl Nord- als auch Südamerika haben nach dem Weltkrieg eine wichtige Rolle für das weiterbestehen nazistischer und neonazistischer Strukturen gespielt. Während der Süden, vor allem Argentinien und Brasilien, den flüchtigen Nazischergen kurz- oder längerfristig Unterschlupf boten, von dem aus diese ihre Gesinnungsgenossen instruierten und z.T. zum Aufbau neuer Strukturen zurückkehrten. Die USA und Kanada bieten mit ihrer Hochverehrung der Meinungsfreiheit auch NSDAP-Nachfolgeorganisationen wie der NSDAP/AO des in Deutschland verurteilten Gary Lauck eine legale Plattform und schaffen somit unangreifbare Strukturen für die Propaganda in Europa.


Siehe auch: Historikerstreit

Literatur

  • Reich, Wilhelm: Massenpsychologie des Faschismus
  • Weil, Bernd A.: Faschismustheorien, Frankfurt am Main 1984