Murano



(grün: frühere Kirchen)
Murano, venetisch Muran, oft als Insel bezeichnet, ist eine Inselgruppe nordöstlich der Altstadt von Venedig in der Lagune
Geographie
Murano liegt 1,1 km nördlich von Cannaregio (Teil der Altstadt von Venedig) sowie 230 Meter nördlich der „Friedhofsinsel“ San Michele. Die Gesamtfläche beträgt 1,17 km² (genauer 1.171.625 m²[1]), mit 4.683 Einwohnern (Stand 19. August 2009). Die Inselgruppe erreicht nur eine Höhe von einem Meter.
Die Gruppe besteht aus sieben Einzelinseln, die durch acht Kanäle voneinander getrennt und durch elf Brücken miteineinander verbunden sind.
Zu den Einzelinseln gehören auch die beiden künstlichen Insel Sacca Serenella im Westen und Sacca San Mattia im Norden. Alle Inseln außer der letztgenannten sind dicht bebaut.
Durch den breiteren Canal Grande die Murano (der sich von West nach Ost untergliedert in Canale degli Agneli, Canale Ponte Lungo und Canale San Giovanni) ist Murano in zwei Teilgruppen gegliedert: Im Norden liegen die Hauptinsel San Donato, die Inseln San Giuseppe und San Matteo, sowie die künstliche Insel Sacca Mattia mit dem Stadion Campo Sportivo Murano (Heimat des AC Muranese). Im Süden liegen die künstliche Insel Sacca Serenella sowie die Inseln San Pietro Martire und San Stefano.
- Südliche Gruppe:
- Sacca Serenella (künstliche Insel)
- San Pietro Martire (mit dem Palazzo da Mula)
- San Stefano (mit Leuchtturm)
- Nördliche Gruppe:
- Sacca Mattia (künstliche Insel, noch wenig bebaut)
- San Donato (Hauptinsel)
- San Giuseppe
- San Matteo
Die Wasserwege von Murano:
- Grand Canal di Murano
- Canale degli Angeli
- Canale Ponte Longo (oder Lungo)
- Canale San Giovanni
- Canale di San Donato
- Canale di San Mattia
- Canale Serenella
- Sacca Serenella (Stichkanal)
- Rio dei Vetrai
- Canale (oder rio) di San Matteo
- Canale di Santa Maria (im Norden von Murano)
- Canale Ondello (im Osten von Murano)
- Canale delle Navi (oder dei Marani)
- Canale Bisatto
- Canale Zenobio
- canale di Tessera
Die Brücken von Murano (jeweils mit überbrücktem Wasserweg):
- Ponte Ballarin o de Mezo, rio dei Vetrai
- Ponte delle Terese, Canale San Donato
- Ponte San Donato, Canale San Donato
- Ponte San Martino, Rio San Matteo
- Ponte San Pietro Martire, rio dei Vetrai
- Ponte Santa Chiara, rio dei Vetrai
- Ponte Longo o Vivarini, Canal Grande (Canale Ponte Longo)
- Ponte del Campo Sportivo, canale di San Mattia.
Weltberühmt wurde Murano durch die Glasbläserei. Murano ist von Venedig aus gut mit dem Vaporetto zu erreichen.
Geschichte der Glasherstellung
Die antike Glasherstellung im Römischen Reich fand durch die Völkerwanderung eine Unterbrechung. Mutmaßlich über den Handel mit Byzanz, wo das Know-how nicht verloren gegangen war, kam die Technik über Venedig nach Mitteleuropa zurück. Somit kann Venedig als Wiege der mitteleuropäischen Glasherstellung angesehen werden.
Nicht nur aus Brandschutzgründen wurden im 13. Jahrhundert alle Glasöfen von Venedig auf diese Insel verlagert. Vor allem diente diese Maßnahme dazu, das streng gehütete Geheimnis der Glasherstellung zu bewahren. Den gut bezahlten Glasbläsern war es unter Androhung der Todesstrafe verboten, ihr Wissen weiterzugeben. Sie lebten wie Gefangene auf der Insel.
In der Renaissance entwickelten sich die kunstvollen Glasprodukte des farblosen venezianischen cristallo zur Haupteinnahmequelle der Bevölkerung von Murano. Erhalten ist nur noch wenig; die Vielzahl der Formen und Dekore erschließt sich vor allem aus den Darstellungen auf Stillleben. Trotz aller Versuche der Republik Venedig, die Technik der Glasherstellung und Glasveredelung geheim zu halten, gelang es Ende des 16. sowie im 17. Jahrhundert dennoch einigen Glasbläsern, in die Länder nördlich der Alpen zu emigrieren und dort Glashütten zu gründen. Entscheidend waren vor allem die Abwerbeversuche von Ludwig XIV., der sich so seinen Traum vom Spiegelsaal erfüllen konnte. Als Glas à la façon de Venise lebte der venezianische Stil in Deutschland, in den Niederlanden und in Flandern weiter, wo weitere reichhaltige Sammlungen erhalten sind.
Die venezianische Vormachtstellung in der Glasherstellung wurde erst im 18. Jahrhundert durch den Erfolg barocken Schnittglases gebrochen, denn diese vornehmlich in Böhmen und Schlesien, zunehmend jedoch auch andernorts in Deutschland beheimatete Technik beherrschten die Venezianer nicht.
Erst mit dem beginnenden Tourismus am Anfang des 19. Jahrhunderts erlebte Murano ein erneutes Aufblühen. Der Historismus in Venedig, eingeleitet durch die Einrichtung einer Glasfachschule auf Murano 1860 und die Gründung der Firma Società Salviati & Co. durch Antonio Salviati 1866, knüpfte bewusst an die Glaskunst der Renaissance mit ihren dünnwandigen Flügelgläsern, Faden- und Netzgläsern (reticella) wieder an. Für den Jugendstil in Millefiori-Dekoren, erzielt durch eingeschmolzene Murrine, stehen die Fratelli Toso. Venezianische Glasgefäße der 50er und 60er Jahre sind von Farbe und Dekor her am Expressionismus orientiert. Knallbunte Streifen- und geometrische Op-Art-Dekore in vetro pezzato-Technik sind typisch für die Entwürfe von Paolo Venini, Fulvio Bianconi und Ercole Barovier; Ercole Baroviers Sohn Angelo bezieht sich bei einigen seiner Entwürfe ausdrücklich auf Vasarely. Auch einfarbige Gefäße mit verschiedenen Unterfängen (in vetro sommerso) von Flavio Poli gehören zum Repertoire der Venezianer des 20. Jahrhunderts.
Die tausendjährige Geschichte der Glasherstellung ist im Museo Del Vetro im Palazzo Giustinian auf Murano mit Vasen, Spiegeln und Trinkgefäßen dokumentiert. Einer der drei großen Deckenleuchter im Eingangsbereich ist ein prämiertes Werk der Fratelli Toso, das zur Eröffnung des Museums 1854 beigesteuert wurde.
Bisher ist es noch keinem anderen gelungen, diese Glaskunst zu imitieren. Die Technik, mit der das Muranoglas hergestellt wird, beherrschen nur die Glashersteller aus Murano.
Heute sind die Straßenzüge der Insel Murano durch eine Vielzahl von Glasgeschäften geprägt und Muranoglas ist zum beliebten Sammlerartikel geworden. Dabei ist indes deutlich zu unterscheiden zwischen Glas-Galerien, in denen die zeitgenössischen Arbeiten venezianischer Studio-Glaskünstler ausgestellt und erhältlich sind, und touristischen Souvenirshops, die in Serienproduktion hergestellte Glasgefäße, Figuren und Tiere vertreiben.
Basilika di Santa Maria e San Donato

Eine weit bekannte Kirche Muranos ist die Basilika di Santa Maria e San Donato aus dem 12. Jahrhundert mit ihrem farbenprächtigen Mosaikboden aus dem Jahr 1140 und dem freistehenden viereckigen Campanile. Sie war ehemals die Kathedrale der Bischöfe von Torcello und Murano.
Die eigentliche Eingangsseite der Basilika ist der Ordnung entsprechend nach Westen gerichtet. Man wollte bei dieser direkt am Meer gelegenen Kirche weniger die Einheimischen beeindrucken als die anreisenden Gäste, die natürlich von der Seeseite, vom Osten her kamen. Daher ist diese Ostseite der Kirche, also der Chorbereich, die eigentliche Schauseite. Dieser Bau mit dem Namen „SS (Santi) Maria e Donato“, also wörtlich übersetzt „Die Heiligen Maria und Donatus“, ist einer der ältesten der ganzen Lagune. Er wurde bereits im 7. Jahrhundert errichtet, später im 9. und wieder im 12. Jahrhundert umgebaut und 1140 in der heutigen Form vollendet.
Besonders der Chorbereich ist sehr repräsentativ gestaltet: Mit auffallenden weißen Säulen ist eine zweigeschossige Bogenkonstruktion errichtet worden. Im ersten Geschoss wird in der umlaufenden Galerie die Arkadengliederung des Erdgeschosses wiederholt. Sehr ähnliche Bogenformen umlaufen in mehreren Etagen die gesamte Schauseite, entweder als begehbare Galerie oder als Fensterumrahmung oder als nur aufgeblendete Arkadenfolge.
Berühmt ist der Innenraum der Basilika wegen seiner aufwändigen Fußbodenmosaike aus der Mitte des 12. Jahrhunderts. Das farbenfrohe Venedig hat auf diesem Gebiet sehr viel Sinn für feingliedrige Dekoration entwickelt. Die Halbkuppel des Apsisbereiches zeigt nach byzantinischem Vorbild genau wie in Torcello auf einem goldenen Mosaikgrund die einsame Gestalt der Maria.
Durch das Hochwasser von 1897 wurde nicht nur ein Teil des Fundaments der im römischen Stil gebauten Kirche zerstört, sondern auch das spitze Holzdach.
Sehenswürdigkeiten
Außer der Kirche Santa Maria e Donato hat Murano eine weitere sehenswerte Kirche: die 1348 als Klosterkirche der Dominikaner erbaute und nach dem Brand von 1474 renovierte, 1511 wiedereröffnete Kirche San Pietro Martire, die heute als protestantische Pfarrkirche dient. Das ehemalige Kloster Santa Maria degli angeli wurde nach der Säkularisation zu einem Krankenhaus umgebaut. Verschiedene Kunstwerke der ehemaligen Inneneinrichtung sind im Glasmuseum von Murano aufbewahrt.
Ein Denkmal erinnert an den italienischen Schriftsteller Italo Svevo (ursprünglich Hector Aron Schmitz; genannt Ettore Schmitz), der in den Jahren 1898 bis 1916 in Murano lebte, wo er die Fabrik seiner Schwiegereltern führte und Unterwasserfarben herstellte. Das Denkmal enthält ein Glasobjekt und eine Bronzetafel mit einem Zitat von Italo Svevo.
Ein weiterer touristischer Anziehungspunkt ist die alte venezianische Villa Palazzo da Mula.
Literatur
- Attila Dorigato: Glaskunst in Venedig, In: Venedig, Kunst & Architektur, Romanelli, Giandomenico (Hrsg.), Bd.2, Köln 1997, S. 790-797.
- Thorsten Droste: Venedig. Die Stadt der Lagune- Kirchen und Paläste, Gondeln und Karneval, Köln 2000.
- Norbert Huse, Wolfgang Wolters: Venedig. Die Kunst der Renaissance, Architektur, Skulptur, Malerei 1460-1590, C.H. Beck, München 1996, ISBN 3406411630
Einzelnachweise
Weblinks
Koordinaten: 45° 27′ N, 12° 21′ O