Rainer Maria Rilke


Rainer Maria Rilke (* 4. Dezember 1875 in Prag; † 29. Dezember 1926 im Sanatorium Valmont bei Montreux, Schweiz; eigentlich René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke) war einer der bedeutendsten Lyriker deutscher Sprache. Daneben verfasste er Erzählungen, einen Roman und Aufsätze zu Kunst und Kultur sowie zahlreiche Übersetzungen von Literatur und Lyrik unter anderem aus der französischen Sprache. Sein umfangreicher Briefwechsel bildet einen wichtigen Bestandteil seines literarischen Schaffens.
Lebenslauf
1875–1896: Kindheit und Ausbildung
Rilke wurde als René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke am 4. Dezember 1875 in Prag geboren, das damals wie ganz Böhmen zu Österreich-Ungarn gehörte. Der Vater, Josef Rilke (1838–1906), war nach gescheiterter militärischer Karriere Bahnbeamter geworden. Seine Mutter, Sophie „Phia“ Entz (1851–1931), eine ebenso prätentiöse wie ehrgeizige Frau, entstammte einer wohlhabenden Prager Fabrikantenfamilie. Ihre Hoffnungen auf ein vornehmes Leben fand sie in ihrer Ehe nicht erfüllt. 1884 brach die Ehe der Eltern auseinander.
Auch das Verhältnis zwischen der Mutter und dem einzigen Sohn war belastet, weil sie den frühen Tod der älteren Tochter nicht verkraftete, die 1874 – ein Jahr nach der Eheschließung – geboren wurde und nach einer Woche starb. Aus emotionaler Hilflosigkeit heraus band sie René – französisch für „der Wiedergeborene“ – an sich und drängte ihn in die Rolle seiner verstorbenen Schwester. Bis zu seinem sechsten Lebensjahr fand sich Rilke so als Mädchen erzogen, frühe Fotografien zeigen ihn mit langem Haar, im Kleidchen.
Auf Druck der Eltern besuchte der dichterisch und zeichnerisch begabte Junge ab 1885 eine Militärrealschule in St. Pölten[1], zur Vorbereitung einer Offizierslaufbahn. Die Zumutungen militärischen Drills und die Erfahrungen einer reinen Männergesellschaft traumatisierten den zarten Knaben nachhaltig. 1891 brach er wegen Krankheit seine militärische Ausbildung ab. Daran schloss sich ein Besuch der Handelsakademie in Linz an. Doch schon im Mai 1892 musste er Linz unfreiwillig verlassen wegen einer nicht geduldeten Liebesaffäre mit einem einige Jahre älteren Kindermädchen. Damit war nach der militärischen auch eine wirtschaftliche Karriere aussichtslos geworden. Zurück in Prag konnte sich Rilke von 1892 bis 1895 in privatem Unterricht auf die Matura vorbereiten, das er 1895 bestand. Im selben Jahr begann er, Literatur, Kunstgeschichte, Philosophie in Prag zu studieren, wechselte ab 1896 zur Rechtswissenschaft und setzte seine Studien ab September in München fort.
1897–1902: Entwicklungsjahre




1897 traf Rainer Maria Rilke in München die weitgereiste Intellektuelle und Literatin Lou Andreas-Salomé und verliebte sich in sie. Auch änderte er seinen Vornamen von René in Rainer, weil Lou Andreas-Salomé den Namen für einen männlichen Schriftsteller angemessener fand. Die folgende intensive Beziehung mit der älteren und verheirateten Frau dauerte bis 1900 an. Auch nach der Trennung erwies sich Lou Andreas-Salomé bis an Rilkes Lebensende als seine wichtigste Freundin und Beraterin. Dabei werden ihre psychoanalytischen Kenntnisse und Erfahrungen, die sie sich 1912/13 bei Sigmund Freud angeeignet hatte, eine erhebliche Rolle gespielt haben. Freud berichtet, „daß sie dem großen, im Leben ziemlich hilflosen Dichter Rainer Maria Rilke zugleich Muse und sorgsame Mutter gewesen war …“ (Sigmund Freuds Gedenkworte zum Tode Lou Andreas-Salomés, 1937)
Rilke folgte Lou Andreas-Salomé im Herbst 1897 nach Berlin und bezog eine Wohnung in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft. In Berlin lernte Rilke das Geschwisterpaar Mathilde und Karl Gustav Vollmoeller anlässlich einer Lesung Stefan Georges im Hause des Künstlerehepaares Sabine und Reinhold Lepsius kennen. 1898 unternahm er eine erste mehrwöchige Reise nach Italien. In den beiden Jahren darauf besuchte er zweimal Russland: 1899 reiste er mit dem Ehepaar Andreas nach Moskau, wo er Lew Tolstoi traf. Mai bis August des Jahres 1900 folgte eine zweite Russlandreise mit Lou Andreas-Salomé allein, nach Moskau und Sankt Petersburg, aber auch quer durch das Land und die Wolga hinauf.
Im Herbst 1900, unmittelbar nachdem Lou Andreas-Salomé den Entschluss gefasst hatte, sich von ihm zu trennen, hielt sich Rilke zu einem längeren Besuch bei Heinrich Vogeler in Worpswede auf. Vogeler veranstaltete im Weißen Saal seines Barkenhoffs sonntägliche Treffen, wo neben Otto Modersohn, Paula Modersohn-Becker, Carl Hauptmann auch die Bildhauerin Clara Westhoff verkehrte. Clara Westhoff und Rainer Maria Rilke heirateten im folgenden Frühjahr. Im Dezember 1901 wurde ihre Tochter Ruth (1901–1972) geboren. Bereits im Sommer 1902 gab Rilke jedoch die gemeinsame Wohnung auf und reiste nach Paris, um dort eine Monografie über den Bildhauer Auguste Rodin zu verfassen. Die Beziehung zwischen Rilke und Clara Westhoff blieb Zeit seines Lebens bestehen, doch war er nicht der Mensch für ein bürgerliches und ortsgebundenes Familienleben. Gleichzeitig drückten ihn finanzielle Sorgen, die durch Auftragsarbeiten nur mühsam gemildert werden konnten.
1902–1910: Die mittlere Schaffensperiode
Die erste Pariser Zeit war für Rilke schwierig, da die fremde Großstadt viele Schrecken barg. Diese Erfahrungen hat Rilke später im ersten Teil seines einzigen Romans Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge gestaltet. Zugleich aber brachte die Begegnung mit der Moderne zahlreiche Anregungen: Rilke setzte sich intensiv zunächst mit den Plastiken Auguste Rodins, dann mit dem Werk des Malers Paul Cézanne auseinander. Mehr und mehr wurde in diesen Jahren Paris zum Hauptwohnsitz des Dichters. Von 1905 bis 1906 war Rilke für acht Monate als Sekretär bei Auguste Rodin angestellt, der ihm gleichzeitig eine idealisierte Vaterfigur war. Das Dienstverhältnis beendete Rodin im Mai 1906 abrupt. Kurz zuvor war Rilkes Vater gestorben. Ab 1906 intensivierte sich der Kontakt Rilkes zu Mathilde und Karl Gustav Vollmoeller. Zunächst nutzte er in Abwesenheit Mathildes deren Pariser Atelier mehrmals. Gleichzeitig versuchte Rilke anlässlich seiner Italienreise 1907 Vollmoeller in dessen Villa in Sorrent zu besuchen. Erst über Ostern 1908 kam es zum neuerlichen Treffen zwischen Rilke und Vollmoeller in Florenz. Rilke war hier für mehrere Tage Gast in Vollmoellers Florentiner Domizil, der Renaissancevilla Gilli - Pozzino. Anwesend waren auch der Schriftsteller Felix Salten sowie das Ehepaar Lepsius. In den folgenden Jahren trafen sich Rilke und Vollmoeller mehrfach in Paris. Die wichtigsten dichterischen Erträge der Pariser Zeit waren die Neuen Gedichte (1907), Der neuen Gedichte anderer Teil (1908), die beiden Requiem-Gedichte (1909) sowie der bereits 1904 begonnene und im Januar 1910 vollendete Roman Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge.
1910–1919: Innere und äußere Umwälzungen
1912 erschien eine Neuausgabe der lyrischen Erzählung Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke als Nummer 1 der Insel-Bücherei, einer neuen Reihe des Leipziger Insel Verlags, mit der sie hohe Auflagen und ungewöhnliche Popularität erlangte.
Nachdem er die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge 1910 in Leipzig vollendet hatte, begann für Rilke eine tiefe, zwölf Jahre währende Schaffenskrise. In der Folge setzte er sich, angeregt durch seinen Verleger Anton Kippenberg, erstmalig intensiver mit dem Werk Goethes und mit Shakespeare auseinander. 1912 begann er die Duineser Elegien, die er jedoch erst im Februar 1922 abschließen konnte. Dieser Gedichtzyklus verdankt seinen Namen dem Aufenthalt Rilkes auf dem Schloss Duino der Prinzessin Marie von Thurn und Taxis bei Triest in der Zeit von Oktober 1911 bis Mai 1912.
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges überraschte Rilke während eines Deutschlandaufenthaltes. Nach Paris konnte er nicht mehr zurückkehren; sein dort zurückgelassener Besitz wurde beschlagnahmt und versteigert. Den größten Teil der Kriegszeit verbrachte Rilke in München. Von 1914 bis 1916 hatte er eine stürmische Affäre mit der Malerin Lou Albert-Lasard. Die Freundschaft zwischen Rilke und Vollmoeller intensivierte sich während des Ersten Weltkriegs, als sich beide auch in Gegenwart von Lou Albert-Lasard sowohl in Berlin als in München trafen. Rilke nutzte Vollmoellers Beziehungen zum deutschen Generalstab, um ihn bei der Fahndung nach einem vermissten Vetter einzusetzen. Wie der unveröffentlichte Briefwechsel (DLA, Marbach) ausweist, war Vollmoeller erfolgreich und konnte Rilke und dessen Familie mit den gewünschten Informationen versorgen.
Anfang 1916 wurde Rilke eingezogen und musste in Wien eine militärische Grundausbildung absolvieren. Durch Fürsprache einflussreicher Freunde wurde er zur Arbeit ins Kriegsarchiv überstellt und am 9. Juni 1916 aus dem Militärdienst entlassen. Die Zeit danach verbrachte er wieder in München, unterbrochen durch einen Aufenthalt auf Hertha Koenigs Gut Böckel in Westfalen. Das traumatische Erlebnis des Kriegsdienstes – als Erneuerung der in der Militärschulzeit erfahrenen Schrecken – ließ ihn als Dichter nahezu völlig verstummen.
1919–1926: Das späte Werk


Am 11. Juni 1919 reiste Rilke von München in die Schweiz. Äußerer Anlass war eine Vortragseinladung aus Zürich, eigentlicher Grund aber der Wunsch, den Nachkriegswirren zu entkommen und die so lange unterbrochene Arbeit an den Duineser Elegien wieder aufzunehmen. Die Suche nach einem geeigneten und bezahlbaren Wohnort erwies sich als sehr schwierig. Rilke lebte unter anderem in Soglio, Locarno und Berg am Irchel. Erst im Sommer 1921 fand er im Château de Muzot, einem Schlösschen oberhalb von Sierre im Kanton Wallis, eine endgültige Wohnstätte. Im Mai 1922 erwarb Rilkes Mäzen Werner Reinhart (1884–1951) das Gebäude und überließ es dem Dichter mietfrei.
In einer intensiven Schaffenszeit vollendete Rilke hier innerhalb weniger Wochen im Februar 1922 die Duineser Elegien. In unmittelbarer zeitlicher Nähe entstanden auch die beiden Teile des Gedichtzyklus Sonette an Orpheus. Beide Dichtungen zählen zu den Höhepunkten in Rilkes Werk.
Seit 1923 musste Rilke mit großen gesundheitlichen Beeinträchtigungen kämpfen, die mehrere lange Sanatoriumsaufenthalte nötig machten. Auch der lange Paris-Aufenthalt von Januar bis August 1925 war ein Versuch, der Krankheit durch Ortswechsel und Änderung der Lebensumstände zu entkommen. Dennoch entstanden auch in den letzten Jahren zwischen 1923 und 1926 noch zahlreiche wichtige Einzelgedichte (etwa Gong und Mausoleum) und ein umfangreiches und in seiner Bedeutung noch immer nicht angemessen gewürdigtes lyrisches Werk in französischer Sprache.
Erst kurz vor Rilkes Tod wurde seine Krankheit als Leukämie diagnostiziert, und zwar in einer damals noch wenig bekannten Form. Der Dichter starb am 29. Dezember 1926 im Sanatorium Valmont sur Territet bei Montreux und wurde – seinem Wunsch entsprechend – am 2. Januar 1927 in der Nähe seines letzten Wohnorts auf dem Bergfriedhof von Raron (frz. Rarogne, Wallis) im Wallis westlich von Visp beigesetzt. Auf seinem Grabstein steht der selbst ausgewählte Spruch:
Rose, oh reiner Widerspruch, Lust,
Niemandes Schlaf zu sein unter soviel
Lidern.
Das dichterische Werk
Beeinflusst durch die Philosophen Schopenhauer und vor allem Nietzsche, deren Schriften er früh kennengelernt hatte, ist Rilkes Werk geprägt durch eine scharfe Kritik an der Jenseitsorientierung des Christentums und an einer einseitig naturwissenschaftlich-rationalen Weltdeutung.
Zu den frühen Werken Rilkes gehören die Gedichtbände Wegwarten, Traumgekrönt und Advent. Mit dem Band Mir zur Feier (1897/98) wendet er sich zum ersten Mal systematisch einer Betrachtung der menschlichen Innenwelt zu. Die unveröffentlichte Gedichtsammlung Dir zur Feier (entstanden 1897/98) ist eine einzige Liebeserklärung an die verehrte Lou Andreas-Salomé. 1899 entstand das kurze Prosawerk Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke. Das Stunden-Buch (3 Teile, entstanden 1899-1903, Erstdruck 1905), benannt nach traditionellen Gebetbüchern des Mittelalters, bildet den ersten Höhepunkt des Frühwerkes und ist Ausdruck eines pantheistischen Gottesbildes. Mit seinen kunstvoll verschlungenen Reimbändern und seinem fließenden Rhythmus ist der Gedichtzyklus eines der Hauptwerke des literarischen Jugendstils.
Nietzsches Philosophie – auch vermittelt durch beider intime Freundin Lou Andreas-Salomé – gewinnt in den Jahren um die Jahrhundertwende erheblichen Einfluss auf Rilke. Die radikale Anerkennung der Wirklichkeit ohne Jenseitsvertröstungen oder soziale Entwicklungsromantik prägt auch Rilkes Weltverständnis. Dafür stehen intensive Beobachtungen der Natur sowie des menschlichen Verhaltens und Gefühlslebens. Dies alles bildet Rilkes „Weltinnenraum“, in dem sich Außen- und Innenwelt verbinden.
Aus den Werken der mittleren Phase zwischen 1902 und 1910 sind vor allem die Neuen Gedichte und der Roman Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge wichtig. Rilke wendet sich in diesen Werken radikal der Welt menschlicher Grunderfahrungen zu, nun aber nicht mehr in reiner Beobachtung des Innen, sondern in einer das Subjekt zurückdrängenden symbolischen Spiegelung dieses Innen in erlebten Dingen. So entstehen seine „Dinggedichte“, beispielsweise Blaue Hortensie und Der Panther (s.u. ‚Textbeispiele‘), die den literarischen Symbolismus weiterentwickeln. Dieses Welterfassen bezieht ausdrücklich auch die negativen und fremden Aspekte des Lebens ein: Hässliches, Krankheit, Trieb und Tod.
Im späten Werk (1912–22) bemüht sich Rilke darum, seiner Bejahung des Lebens in den Zyklen der Duineser Elegien und Sonetten an Orpheus poetische Gestalt zu verleihen und das ganze, Leben und Tod umgreifende Dasein zu feiern. Die Gedichte der letzten Jahre zerfallen in sehr unterschiedliche Gruppen: einerseits heiter-entspannte, oft lakonisch-pointierte Natur- und Landschaftsgedichte, andererseits poetisch kühne Experimente, die rein aus der Sprache heraus gearbeitet sind.
Rezeption
Musik
Rilkes Werke sind häufig vertont oder musikalisch bearbeitet worden. Die folgende chronologisch geordnete Übersicht listet die wichtigsten Werke der ernsten Musik auf:
- Alma Mahler: Bei dir ist es traut, 1900–01, (aus Fünf Lieder, no. 4.)
- Alban Berg: Liebe, 1904
- Arnold Schönberg: Alle, welche dich suchen, op. 22 no. 2, 1914
- Paul von Klenau: Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke für Bariton, gemischten Chor und Orchester, 1915
- Franz Schreker: Und wie mag die Liebe, 1919
- Julius Weismann: So bin ich nur als Kind erwacht, op. 82,1 1921
- Willy Burkhard: Rilke Liederzyklus I und II, op. 20,1-2 Jeweils fünf Gesänge für Bass und Sopran 1927
- Ernst Toch: Der Abend, op. 41,1 1928
- Paul Hindemith: Six Chansons, 6 Gedichte für Chor a cappella nach französischen Gedichten von R.M. Rilke 1939
- Frank Martin: Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke für Alt und Kammerorchester 1942
- Karl Marx: Das ist die Sehnsucht, op. 45,1 1943
- Victor Ullmann: Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke für Sprecher und Orchester oder Klavier 1944
- Paul Hindemith: Das Marienleben. Liederzyklus für Singstimme und Klavier, 1922, revidiert 1948
- Petr Eben: Sechs Lieder nach Rainer Maria Rilke. Liederzyklus für Singstimme und Klavier, 1961
- Bertold Hummel: Herbsttag für Singstimme und Klavier 1980[2]
- Klaus Miehling: Fünf Lieder nach Rainer Maria Rilke (mittlere Stimme und Klavier), op. 67, 1996
- Harrison Birtwistle: „26 Orpheus Elegies“ für Oboe, Harfe und Countertenor 2003 04
Jenseits des engeren Bereiches der E-Musik hat sich die englische Künstlerin Anne Clark 1998 auf ihrem Album Just After Sunset musikalisch mit dem Werk Rilkes auseinandergesetzt. Ein Jahr später gab die Chicagoer Independent Gruppe Ether Frolics auf ihrer lyrischen E-Gitarrenballade "You Who Never Arrived" den Dichter als Textautor an. Seit 2004 hat das Duo Camillo ein Programm mit vertonten Rilke-Werken im Repertoire. Die US-amerikanische Popsängerin Lady Gaga ist laut eigenen Angaben ebenfalls von Rilke beeinflusst.
Populär geworden ist vor allem die musikalische Annäherung an Rilkes lyrisches Werk durch das Rilke Projekt, das im Jahr 2001 begonnen wurde. Das Projekt versucht, Rilke neuen Generationen zugänglich zu machen. In bisher drei CD-Veröffentlichungen interpretieren bekannte zeitgenössische Schauspieler und Musiker (u. a. Mario Adorf, Iris Berben, Karlheinz Böhm, Hannelore Elsner, Nina Hagen, Xavier Naidoo, Wolfgang Niedecken, Rudolph Moshammer, Jürgen Prochnow, Katja Riemann, Otto Sander, Robert Stadlober, Peter Ustinov) Texte von Rilke. Im Jahr 2004 fand eine Konzertreise mit zahlreichen Live-Auftritten statt. Noch mehr als bei den CD-Aufnahmen trifft hier die Grenzen sprengende – teilweise als Glittershow ausgestaltete – Interpretation literarischer Kunst auf stark geteiltes Echo bei der Kritik.
Rilke heute
Rilkes Werk trifft seit einigen Jahren grundsätzlich auf eine gewachsene Aufmerksamkeit auch außerhalb literarisch gebildeter Kreise. Ein materieller Grund für die breitere Darstellung von Rilkes Texten in den Medien liegt im Wegfall der Urheberrechtsbindung seines Werkes an den Insel-Verlag seit 1997, 70 Jahre nach Rilkes Tod.
Werke
Gesamt- und Werkausgaben
- Sämtliche Werke, 7 Bände, hg. vom Rilke-Archiv in Verbindung mit Ruth Sieber-Rilke, besorgt durch Ernst Zinn. Frankfurt/M.: Insel Verlag, 1955–1966 (Bd. 1-6), 1997 (Bd. 7)
- auf Basis der ersten 6 Bände der Sämtlichen Werke erschienen ab 1966 mehrere Gesamtausgaben in 6 bzw. 12 Bänden; sowie (weniger umfangreiche) Werkausgaben in 3 bzw. 6 Bänden
- Werke. Kommentierte Ausgabe, 4 Bände und ein Supplementband, hrsg. von Manfred Engel, Ulrich Fülleborn, Dorothea Lauterbach, Horst Nalewski und August Stahl. Insel, Frankfurt/M. und Leipzig 1996 (Bd. 1-4), 2003 (Supplement). ISBN 978-3-458-06697-2
- Gesammelte Werke, 5 Bände auf Basis der Kommentierten Ausgabe. Insel, Frankfurt/M. 2003. ISBN 978-3-458-17186-7
Lyrik – Gedichtbände

- Leben und Lieder. Bilder und Tagebuchblätter (1894)
- Larenopfer (1895)
- Wegwarten. Lieder dem Volke geschenkt (1896)
- Traumgekrönt. Neue Gedichte (1896)
- Advent (1897)
- Mir zur Feier (1899)
- Das Stunden-Buch (1905)
- Das Buch vom mönchischen Leben (geschrieben 1899)
- Das Buch von der Pilgerschaft (geschrieben 1901)
- Das Buch von der Armut und vom Tode (geschrieben 1903)
- Das Buch der Bilder (1902; stark überarbeitete Zweitfassung 1906)
- Neue Gedichte (1907)
- Der neuen Gedichte anderer Teil (1908)
- Requiem (1909) UB Bielefeld
- Das Marien-Leben (1912)
- Erste Gedichte (1913; enthält unveränderte Nachdrucke von Larenopfer, Traumgekrönt und Advent) UB Bielefeld
- Duineser Elegien (1923, geschrieben 1912-22) UB Bielefeld
- Die Sonette an Orpheus (1923) UB Bielefeld
- Gedichte in französischer Sprache
- Vergers (1926)
- Les Quatrains Valaisans (1926)
- Les Roses (1927)
- Les Fenêtres (1927)
Prosa – Lyrische Prosa
- Am Leben hin, Novellen und Skizzen (1899)
- Zwei Prager Geschichten (1899)
- Die Letzten (1902) UB Bielefeld
- Vom lieben Gott und Anderes (1900), ab 2. Auflage (1904): Geschichten vom lieben Gott
- Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke (1906; Neuauflage als Band 1 der Insel-Bücherei, Leipzig 1912 ff.)
- Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, Roman (1910)
Dramatische Werke
- Jetzt und in der Stunde unseres Absterbens (1896, Einakter)
- Im Frühfrost (1897, Dreiakter)
- Höhenluft (geschrieben 1897, Erstdruck 1961, Einakter)
- Ohne Gegenwart (1897, Zweiakter)
- Mütterchen (1898, Einakter)
- Die weisse Fürstin (1898 geschrieben, 1904 überarbeitet)
- Waisenkinder (1901, Szene)
- Das tägliche Leben (1901, Zweiakter)
Schriften zur Kunst und Literatur
- Moderne Lyrik (1898)
- Worpswede (1902)
- Auguste Rodin (1903)
- Briefe über Cézanne (postum 1952)
- Schriften zur Literatur und Kunst (kommentierte Auswahl der wichtigsten Schriften, hrsg. v. Torsten Hoffmann. Reclam, Stuttgart 2009)
Briefe
- Gesamtausgaben:
- Gesammelte Briefe in sechs Bänden, hrsg. von Ruth Sieber-Rilke und Carl Sieber. Leipzig 1936–1939.
- Briefe, hrsg. vom Rilke-Archiv in Weimar. 2 Bände, Wiesbaden 1950 (Neuauflage 1987 in einem Band).
- Briefe in zwei Bänden, hrsg. von Horst Nalewski. Frankfurt und Leipzig 1991.
- Einzelausgaben:
- Briefe an einen jungen Dichter (1903–1908)
- Briefwechsel mit Thankmar von Münchhausen 1913 bis 1925. Herausgegeben von Joachim W. Storck. 1. Auflage. Insel, 2004.
Zweisprachige Ausgaben
- „Larenopfer“, zweisprachige, kommentierte Ausgabe, übersetzt von Alfred de Zayas, Red Hen Press, Los Angeles, 2005
- "The Essential Rilke", ausgewählte Gedichte ins Englische übertragen von Galway Kinnell und Hannah Liebmann, The Ecco Press, Hopewell, New Jersey, 1999.
- "Rilke. Selected Poems" übersetzt von C.F. MacIntyre, University of California Press, Berkeley, 1940.
- "The Book of Images" übersetzt von Edward Snow, North Point Press, New York, 1991.
- "The Best of Rilke" übersetzt von Walter Arndt, University Press of New England, Hanover, 1984.
- "Selected Poems of Rainer Maria Rilke", übersetzt von Robert Bly, Harper & Row, New York 1981.
- „Pieseň o láske a smrti korneta Krištofa Rilkeho“, übersetzt von Milan Richter, MilaniuM 2006.
- „Dunkle Klagen“. Lyrische Werke in zwei Bänden, Verlag „Bogdan“, Ternopil/Ukraine 2007
- „Las elegías del Duino“, übersetzt von Otto Dörr, Editorial Universitaria, Santiago, Chile, 2001.
- „Sonetos a Orfeo“, übersetzt von Otto Dörr, Editorial Universitaria, Santiago, Chile, 2002.
Textbeispiele
Herbsttag (anhören) Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. (1902, aus: Das Buch der Bilder)
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Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille (1902/03, aus: Neue Gedichte) |
Die Liebenden Sieh, wie sie zu einander erwachsen: (1908, Paris) |
Und in den Nächten fällt die schwere Erde Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen (Aus: Das Buch der Bilder') |
Siehe auch
Literatur
Gesamtdarstellungen
- Jean-François Angelloz: Rainer Maria Rilke: Leben und Werk. Übertr. aus dem Franz. von Alfred Kuoni, Nymphenburger, München 1955
- Manfred Engel, Dorothea Lauterbach (Hrsg.): Rilke Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Metzler, Stuttgart/Weimar 2004, ISBN 3-476-01811-3
- Ralph Freedman: Rainer Maria Rilke. 2 Bde. Aus dem amerikanischen Englisch von Curdin Ebneter. Frankfurt/M./Leipzig 2001, 2002. ISBN 3-458-17124-X
- Käte Hamburger (Hrsg.): Rilke in neuer Sicht. Kohlhammer, Stuttgart 1971.
- Wolfgang Leppmann: Rilke. Sein Leben, seine Welt, sein Werk. München 1993. ISBN 3-492-22394-X
- Gunter Martens/Annemarie Post-Martens: Rainer Maria Rilke. Rowohlt, Reinbek 2008, ISBN 978-3-499-50698-7
- Ingeborg Schnack: Rainer Maria Rilke. Chronik seines Lebens und seines Werkes. Frankfurt/M. 1996. ISBN 3-458-16827-3
Einzelaspekte
- Dieter Bassermann: Der andere Rilke: gesammelte Schriften aus dem Nachlass. Hrsg. von Hermann Mörchen. Gentner, Bad Homburg vor der Höhe 1961
- Dieter Bassermann: Rilkes Vermächtnis für unsere Zeit. Berlin [u. a.], 1947
- Dieter Bassermann: Der späte Rilke. Leibniz, München 1947
- Manfred Engel, Dieter Lamping (Hrsg.): Rilke und die Weltliteratur. Artemis und Winkler, München 1998, ISBN 3-538-07084-9
- Ulrich Goldsmith: Rainer Maria Rilke, a verse concordance to his complete lyrical poetry. Leeds: W.S. Maney, 1980.
- Gisela Götte, Jo-Anne Birnie Danzker (Hrsg.): Rainer Maria Rilke und die bildende Kunst seiner Zeit. München 1996. ISBN 3-7913-1750-4
- Sascha Löwenstein: Poetik und dichterisches Selbstverständnis. Eine Einführung in Rainer Maria Rilkes frühe Dichtungen. Königshausen und Neumann, Würzburg 2004
- Horst Nalewski: Kennst du Rainer Maria Rilke? Der schwere Weg zum großen Dichter. Bertuch, Weimar 2005. ISBN 3-937601-25-2
- Donald A. Prater: Ein klingendes Glas. Das Leben Rainer Maria Rilkes. Carl Hanser, München/Wien 1986. ISBN 3-446-13362-3
- Rios, Rita: Das Echo der Bilder. Jugendstil, Quattrocento und ägyptischer Totenkult in Rilkes popetischer Rezeption Hofmanns, Vogelers und Modersohn-Beckers. Université de Genève 2003.
- Günther Schiwy: Rilke und die Religion. Frankfurt/M. 2006, ISBN 3-458-17331-5.
- Paris tut not – Briefwechsel Rilke – Mathilde Vollmoeller. Wallstein, Göttingen 2001
- Marek Zybura: Hundert Jahre polnische Rilke-Rezeption. In: Zybura: Querdenker, Vermittler, Grenzüberschreiter. Dresden 2007. ISBN 978-3-934038-87-5
- Rilke-Studien. Zu Werk und Wirkungsgeschichte, Red.: Edda Bauer, Aufbau-Verlag, Berlin [u. a.] 1976f
Weblinks
- Gesamtdarstellungen
- Internationale Rilke-Gesellschaft
- Rilke.de: Gesamtdarstellung, Forum in Zusammenarbeit mit der Internationalen Rilke-Gesellschaft
- Gedichte, Gesamtwerk und Biografie Rilkes
- Leben und Werk von Rilke Biographie, Interpretationen, Kurzinhalte, Bibliographie
- Textsammlungen
- Werke von Rainer Maria Rilke bei Zeno.org.
- Werke von Rainer Maria Rilke im Project Gutenberg
- Werke von Rainer Maria Rilke im Projekt Gutenberg-DE
- Gedichte von Rainer Maria Rilke bei di-lemmata.de (inkl. lemmatisierter Wortlisten)
- Gedichte und Bücher (mit Verzeichnissen, Wörterbuch, Textesuche) bei Dichterseiten.de
- Gedichte
- Deutschsprachige Sonette
- Sonett-Übertragungen
- Nachlass
- Bibliographische Nachweise
- Linksammlungen
- Audio-Darstellungen
- Audioporträt über Rainer Maria Rilke
- Werke von Rainer Maria Rilke als Hörbücher bei LibriVox
- Verschiedenes
Einzelnachweise
- ↑ Rainer Maria Rilke / Biographie auf xlibris.de
- ↑ bertoldhummel.de
Personendaten | |
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NAME | Rilke, Rainer Maria |
ALTERNATIVNAMEN | Rilke, René Karl Wilhelm Johann Josef Maria (Taufname) |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Lyriker, Erzähler, Übersetzer und Romancier |
GEBURTSDATUM | 4. Dezember 1875 |
GEBURTSORT | Prag |
STERBEDATUM | 29. Dezember 1926 |
STERBEORT | Valmont bei Montreux, Schweiz |