Arbeiterstudium

Institutionalisierte Maßnahmen werden als Arbeiterstudium bezeichnet, welche in der SBZ/DDR der Heranbildung einer Akademikerschicht aus der Arbeiterschaft dienten. Zu diesen zählten Vorstudienanstalten beziehungsweise -abteilungen und so genannte Arbeiter- und Bauernfakultäten.
Vorstudienanstalten
Zu Beginn des Jahres 1946 erließen die Ortsverbände der KPD, SPD, CDU und LDP sowie des FDGB in Leipzig einen Aufruf (Arbeiter auf die Universität), in dem eine Änderung der sozialen Zusammensetzung der deutschen Studentenschaft gefordert wurde. Der Aufruf sprach sich dafür aus, möglichst viele Arbeiterinnen und Arbeiter ohne höhere Schulbildung an ein Hochschulstudium heranzuführen. Zwei Wege gab es entsprechend diesem Aufruf, um einen Hochschulzugang zu ermöglichen:
- die Begabtenprüfung und
- die Arbeiterfakultät.
Während der Arbeiterfakultät die Vorstellung von einer zeitlich eng begrenzten Vorbereitung der Arbeiterinnen und Arbeiter auf das Hochschulstudium zugrunde lag, sollte in der Begabtenprüfung die allgemeine geistige Reife zum Besuch der Vorlesung festgestellt und damit ein direkter Übergang zur Universität erschlossen werden.
Im Laufe des Jahres 1946 richteten alle Länder der Sowjetischen Besatzungszone Lehrgänge zur Hochschulvorbereitung von Arbeiterinnen und Arbeitern ein. Diese Veranstaltungen erhielten später einheitlich die Bezeichnung Vorstudienanstalt. Sie stellten die Anfänge des so genannten Arbeiterstudiums dar.
Der erste Lehrgang zur Hochschulvorbereitung von Arbeiterinnen und Arbeitern begann im März 1946. Er war auf sieben Monate (1. März bis 30. September 1946) begrenzt.
Während der Vorbereitungszeit wurde die Berufstätigkeit der Lehrgangsteilnehmer/-innen auf maximal 30 Stunden in der Woche reduziert. Die Finanzierung des Studiums erfolgte durch eine Vergabe von Stipendien seitens staatlicher Institutionen, der Parteien und anderer Massenorganisationen.
Vorstudienabteilungen
Im Dezember 1947 beschlossen die Volksbildungsminister der Länder der Sowjetischen Besatzungszone, die Vorstudienanstalten in Vorstudienabteilungen umzuwandeln und sie den Hochschulen anzugliedern. Aus dem Umstand, dass die Vorstudienanstalten zu Vorstudienabteilungen, d.h. zu Einrichtungen der Hochschulen erklärt wurden - man gestand ihnen allerdings noch nicht den Status einer Fakultät zu - , folgerte, dass die Hörer der Vorstudienabteilungen die gleichen Rechte und Pflichten wie die immatrikulierten Studierenden genossen beziehungsweise hatten.
Arbeiter- und Bauernfakultäten
Die Vorläufige Arbeitsordnung der Universitäten und Hochschulen der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands vom 23. Mai 1949 erhob die Vorstudienabteilungen letztendlich in den Rang von Fakultäten. Das heißt, die Hörer dieser als Arbeiter- und Bauernfakultäten bezeichneten Einrichtungen wurden formalrechtlich den ordentlich immatrikulierten Studierenden der Hochschulen gleichgestellt. Selbiges traf auch für die Dozenten der Arbeiter- und Bauernfakultäten zu. Weiterhin erhielt der Direktor der Arbeiter- und Bauernfakultät - gleich den Dekanen der Fakultäten - Sitz und Stimme im Universitätssenat. Dem Leiter der Vorstudienabteilung war dieses Recht nur in Fragen des Arbeiterstudiums eingeräumt worden.
Im Wintersemester 1949/50 wurden an den Universitäten in Berlin, Greifswald, Halle-Wittenberg, Jena, Leipzig und Rostock sowie an der Technischen Hochschule Dresden, an der Bergakademie Freiberg und an der Brandenburgischen Landeshochschule Potsdam Arbeiter- und Bauernfakultäten eingerichtet.
Die Studiendauer an diesen Fakultäten, d.h. die Vorbereitungszeit auf das eigentliche Studium, betrug zwei bis drei Jahre.
Der Schriftsteller Hermann Kant gehört zu den Absolventen der Greifswalder Arbeiter- und Bauernfakultät.
Siehe auch
Literatur
- Herbert Stallmann: Hochschulzugang in der SBZ/DDR 1945-1959, Sankt Augustin 1980
- Gottfried Uhlig: Der Beginn der antifaschistisch-demokratischen Schulreform 1945-1946, Berlin (Ost) 1965