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Prager-Haus Apolda

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Logo des Hauses: Eine Taube mit Ölzweig fliegt aus dem Haus

Das Prager-Haus, auch Bernhard-Prager-Haus, in der gleichnamigen Gasse im thüringischen Apolda ist das ehemalige Wohnhaus der jüdischen Familie Prager. Ein im Januar 2007 gegründeter Verein verfolgt den Zweck, das Haus als Gedenk- und Erinnerungsort an die jüdischen Einwohner der Stadt zu erhalten. Er widmet sich der Aufklärung über die Wurzeln und das Auftreten des Antisemitismus in der Region und dokumentiert die Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung während der Zeit des Nationalsozialismus. Darüber hinaus fördert er die Erforschung und Verbreitung der Kultur- und Sozialgeschichte des Alltags in der Region Weimar-Apolda, insbesondere die Geschichte sozialer, religiöser und politischer Minderheiten. Das Prager-Haus in Apolda soll Anlauf- und Begegnungsort werden.

Die Familie Prager und die Geschichte der Juden in Apolda

Der spätere Hausbesitzer, der jüdische Fellhändler Bernhard Prager, wurde am 29. Juni 1888 geboren und wurde am 26. September 1944 im KZ Theresienstadt ermordet. Er und seine Familie bewohnten das Haus bis zu ihrer Deportierung. Die gesamte Familie Prager wurde Opfer der Shoa. Die „Arisierung“ des gesamten Eigentums der Familie wird minutiös dokumentiert in einem Quellenband der Thüringer Landeszentrale für politische Bildung.[1]

Der Verein und das Gedenkstätten-Projekt

Straßenansicht im Jahre 1995

Der Verein Prager-Haus e.V. Apolda wurde im Januar 2007 gegründet. Dieser Gründung ging eine zwanzigjährige Forschungsarbeit voraus, bei der geschichtsinteressierte Personen sich mit dem Schicksal der verfolgten und vertriebenen und zu einem großen Teil ermordeten jüdischen Einwohner der Stadt Apolda befassten. Gegenständliche Zeugnisse aus dieser Zeit (Artefakte) wurden zusammengetragen, mündliche Zeitzeugenberichte schriftlich festgehalten, Kontakte mit Entkommenen und deren Nachkommen in verschiedenen Ländern hergestellt.

Einige Monate vor dem 50. Jahrestag der Pogromnacht wurde am 29. Juni 1988, dem 100. Geburtstag Bernhard Pragers, an dessen Wohnhaus eine Gedenktafel zur Erinnerung an diese Familie angebracht. Im Jahre 1991 lag als erstes Ergebnis der Forschungen ein Buch vor, das einen Überblick über jüdisches Leben in Apolda beschreibt.

Die 1999 gegründete Geschichtswerkstatt Weimar-Apolda e.V., die in dem Prager-Haus-Verein aufging, veröffentlichte weitere Arbeiten zu jüdischem Leben, Verfolgung in den ersten Thüringer KZ Nohra und Bad Sulza sowie zur alltäglichen Herrschaft des Nationalsozialismus in der Region Apolda.

Seit seiner Gründung haben sich namhafte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens der Stadt und ihres Umlandes für den Verein und seine Ziele engagiert, darunter der Bürgermeister von Apolda Rüdiger Eisenbrand und Wolfgang Peller, ein im Nationalsozialismus verfolgter Jude aus Apolda, der später stellvertretender Justizminister der DDR war und in Berlin lebt.

Bald nach der Vereinsgründung wurde der Hauskauf als Voraussetzung für die Ausführung des Vereinszieles in die Wege geleitet. Im Jahre 2008 haben die Vereinsmitglieder mit der Herausgabe einer eigenen Schriftenreihe begonnen, mit der Schicksale betroffener Familien, Widerstandstätigkeit gegen den Nationalsozialismus und das Leben von Minderheiten der Stadt beschrieben werden.

Im Mai 2008 wurden durch den Kölner Aktionskünstler Gunter Demnig die drei ersten Stolpersteine vor dem Prager-Haus verlegt, im Oktober folgte die Verlegung weiterer neun Steine. Im August 2009 wurden unter der Anwesenheit einiger Nachkommen von NS-Opfern weitere 15 Steine verlegt, darunter auch zum Gedenken an Wehrmachtsdeserteure, Widerständler aus der Arbeiterbewegung sowie an sowjetische Zwangsarbeiter. 2010 kamen weitere sieben Steine hinzu, darunter für eine russische Mutter und ihre vier Kinder, die Opfer der menschenverachtenden Zwangsarbeit wurden. Damit befinden sich 34 Stolpersteine auf dem Stadtgebiet.

Bei zahlreichen Stadtfesten und gesellschaftlichen Ereignissen tritt der Verein durch Infostände mit dem Angebot von Informationen und Souvenirs zur Finanzierung des Projektes in Erscheinung.

Am 16. September 2010 wurde die Schändung des Gedenkorts durch die Ablegung eines Schweinekopfes bekannt. Die Polizei nahm eine Anzeige auf, und der Staatsschutz ermittelt seither gegen Unbekannt.[2]

Einzelnachweise

  1. "Arisierung" in Thüringen II. Entrechtung, Enteignung und Vernichtung der jüdischen Bürger Thüringens 1933-1945, Hg. Monika Gibas, S. 215ff., ISBN 3-937967-06-0.
  2. Thüringer Allgemeine vom 17. September 2010

Veröffentlichungen des Prager-Haus-Vereins und der Geschichtswerkstatt Weimar-Apolda

Schriftenreihe "gesucht"

  • "gesucht 1" Udo Wohlfeld: "... und unweigerlich führt der Weg nach Buchenwald. Der Geist von Weimar hinter Gittern. Eine Dokumentation über die Ursachen, die Weimar zu einer exponierten Stadt im nazistischen Deutschland machten, und die Folgen für Hunderttausende Menschen Europas, Weimar 1999
  • "gesucht 2" Falk Burkhardt, Udo Wohlfeld: das netz. Die Konzentrationslager in Thüringen 1933-1937. Eine Dokumentation zu den Lagern Nohra, Bad Sulza und Buchenwald, und dem Beitrag National-konservative Kräfte und das Konzentrationslager Bad Sulza. Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten, Weimar 2000, ISBN 3-935275-01-3
  • "gesucht 3" Peter Franz, Udo Wohlfeld: gefangen im netz. Die Konzentrationslager in Thüringen 1933-1945. Darin Udo Wohlfeld, Der Fall Worch - eine Familie wird vernichtet. Mutter und Tochter als Geiseln im KZ Bad Sulza, mit einer Studie von Susanne Böhm; Peter Franz, Die Stadt Apolda und die umliegenden Konzentrationslager, Weimar 2000, ISBN 3-935275-02-1
  • "gesucht 4" Peter Franz: Der gewöhnliche Faschismus. Über die alltägliche Herrschaft der "Nationalsozialisten" am Beispiel einer Mittelstadt des Deutschen Reiches (Apolda). Eine Chronologie in Jahresscheiben, Teil 1, Weimar 2001, ISBN 3-935275-00-5
  • "gesucht 5" Harry Stein, Udo Wohlfeld: Sozialdemokraten gegen Hitler. Die Widerstandsgruppe Nehrling-Eberling in Weimar. Berichte und Dokumente, Weimar 2003, ISBN 3-935275-03-X
  • "gesucht 6" Peter Franz, Udo Wohlfeld: Jüdische Familien in Apolda. Diffamierung, Ausgrenzung, Entrechtung, Vertreibung, Deportation, Vernichtung, Ungehorsam. Die Apoldaer Judenheit während des Faschismus, Weimar 2008², ISBN 3-935275-05-6
  • "gesucht 7" Heinz Koch, Udo Wohlfeld: Das deutsche Buchenwaldkomitee. Die Periode von 1945 bis 1958, Weimar 2010, ISBN 3-935275-14-5

Schriftenreihe "gefunden"

  • "gefunden 1" Peter Franz, Tina Unglaube, Udo Wohlfeld: Die Pragers. Eine jüdische Familie in Apolda. Geschichtswerkstatt Weimar-Apolda e.V., Apolda 2008, ISBN 3-935275-07-2
  • "gefunden 2"' Karl Berger, Peter Franz, Udo Wohlfeld: August Berger. Sozialdemokrat in Apolda. Geschichtswerkstatt Weimar-Apolda e.V., Apolda 2008, ISBN 3-935275-08-0
  • "gefunden 3" Wolfgang Peller, Peter Franz, Udo Wohlfeld: Die Pellers. Eine jüdische Familie in Apolda. Geschichtswerkstatt Weimar-Apolda e.V., Apolda 2008, ISBN 3-935275-10-2
  • "gefunden 4" Peter Franz, Udo Wohlfeld: Tödlicher Widerstand. Apoldaer Arbeiter 1933-1945, Apolda 2009, ISBN 3-935275-10-2
  • "gefunden 5" Peter Franz, Udo Wohlfeld: Die Fleischmanns. Eine jüdische Familie in Apolda, Apolda 2009, ISBN 3-935275-11-0
  • "gefunden 6" Ruth-Barbara Schlenker, Udo Wohlfeld: Nationalsozialistische Lager in Bad Sulza. Ein Stadtrundgang, Apolda 2009, ISBN 3-935275-12-9
  • "gefunden extra 1" Udo Wohlfeld: Das Leben und Sterben der Familie Schtscholkin, Apolda 2010, ISBN 3-935275-15-3

Literatur

  • Peter Franz: Das Prager-Haus. Wie man in Apolda an jene erinnert, welche der Faschismus zu „Untermenschen“ erklärte. In: RotFuchs, Nr. 143 vom Dezember 2009, RF-Extra S. III

Koordinaten: 51° 1′ 30″ N, 11° 30′ 49″ O