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Beatboxing

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Beatboxing-Audiobeispiel
Biz Markie beatboxt

Beim Beatboxing werden Drumcomputer-, Schlagzeug- und Perkussionsrhythmen und zuweilen auch andere Geräusche mit dem Mund, der Nase und dem Rachen imitiert. Man spricht hierbei auch von der Human Beatbox (auch in der Schreibweise Human Beat Box verbreitet). Im Gegensatz zum allgemeineren Begriff Vocal Percussion ist Beatboxing im Hip-Hop verwurzelt.

Begriffsherleitung

Der Begriff leitet sich ab von den in den 1980er Jahren verwendeten Drumcomputern – im englischen Sprachraum umgangssprachlich beat boxes genannt − mit denen damals die instrumentale Musik vieler Hip-Hop-Stücke erstellt wurde.[1] Auch die in der Hip-Hop-Kultur damals verbreiteten Ghettoblaster wurden gelegentlich boom box oder beat box genannt.[2] Jemand der Beats und Klänge mit dem Mund erzeugt wird im Hip-Hop-Kontext dementsprechend als human beatbox – also menschlicher Drumcomputer (bzw. Ghettoblaster) – bezeichnet.[3]

Geschichte und Kultur

Hip-Hop-Wurzeln

Beatboxing entstand etwa zu Beginn der 1980er Jahre, als die junge Hip-Hop-Generation begann, zu Breakbeats – bald auch zu elektronisch erzeugten Rhythmen – zu rappen. Als kreative Alternative zu Live-Instrumenten, Drumcomputern oder Playbacks entwickelten sich neben Hip-Hop-DJs auch die Beatboxer.[4] Frühe Vertreter waren Doug E. Fresh, Ready Rock C, Darren „Buffy“ Robinson von The Fat Boys, Leonardo „Wise“ Roman von Stetsasonic[5] und K Love als erste bekannte Beatboxerin.[6] Sowohl Doug E. Fresh als auch Darren Robinson beanspruchten für sich jeweils Urheber des Beatboxing zu sein. So gab sich Darren Robinson den Titel The Human Beatbox (vgl. auch das Stück Human Beat Box auf dem 1984 veröffentlichten Album Fat Boys),[7] während Doug E. Fresh sich The Original Human Beatbox nannte (vgl. auch seine gleichnamige Maxisingle von 1984).[8] Ready Rock C nannte sich entsprechend einer damals verbreiteten Drum-Machine der Firma Linn Electronics The Human Linn Drum.[6]

Einzelne Beatboxer entwickelten zum Teil beachtliche Virtuosität und brachten individuelle Stile hervor. Beispielsweise ahmte Ready Rock C Videospielsounds nach oder erzeugte bestimmte gurgelnde „Unterwassereffekte“, während Doug E. Fresh schnelle Folgen von Klicklauten mit tiefen Bassklängen kombinierte. 1986 wurde Biz Markies EP Make The Music With Your Mouth, Biz veröffentlicht, auf der er Beatboxing, Rap und Gesang miteinander vermischte und so zu einem neuartigen, eigenwilligen Stil verband.[6][9]

Verbreitung über den Hip-Hop hinaus

Mit dem Aufkommen neuer Impulse in der Hip-Hop-Szene zu Beginn der 1990er Jahre wurde Beatboxing als Teil der sogenannten Old School zunächst unpopulärer.[6] Die Technik fand jedoch ihren Weg in andere Musikstile und wird nach wie vor in verschiedenen Ausprägungen und Mischformen in- und außerhalb des Hip-Hop praktiziert und weiterentwickelt. So arbeitete beispielsweise der Beatboxer Rahzel (ehemals Mitglied der Hip-Hop-Band The Roots) mit unterschiedlichen Künstlern wie Die Fantastischen Vier, Björk und Mike Patton zusammen,[10][11] und auch in Mainstream-Pop-Stücken wie Michael Jacksons 1991 veröffentlichtem Who Is It (in der Albumfassung) oder Justin Timberlakes 2003 veröffentlichtem Rock Your Body (in der Videofassung) tauchen Beatboxeinlagen auf.[12][13][14]

Etwa seit Beginn des neuen Jahrtausends erlebt die Beatboxkultur in mancherlei Hinsicht ein Revival und in der aktuellen A-cappella-Szene verwenden nun viele Formationen „gesungene“ Perkussion als zusätzliches Element. Viele Webseiten und etliche Nutzervideos auf Videoportalen sind heute Teil einer weltweiten Beatbox-Community und mittels verschiedender Anleitungen und Tutorials kann man Beatbox-Techniken erlernen. Seit 2002 veranstaltet der Berliner Hip-Hop-Künstler Bee Low den Beatbox Battle World Championship, bei dem Beatboxer aus der ganzen Welt im Wettbewerb gegeneinander antreten.[15] Neben Rahzel sind maßgebliche Vertreter der aktuellen Beatboxszene Killa Kela[16][17], Matisyahu[18], Kyle „Scratch“ Jones (wie Rahzel ehemals Mitglied bei The Roots)[19] und Kenny Muhammad, der wegen seiner Imitationskünste den Beinamen The Human Orchestra (engl. ‚Das menschliche Orchester‘) trägt und dessen Zusammenarbeit mit dem New York City Symphony als erster Auftritt eines Beatboxers mit einem Orchester gilt.[20][21][22]

Human Beatbox wird gelegentlich auch als die „fünfte Säule“ oder das „fünfte Element“ der Hip-Hop-Kultur bezeichnet und ist damit eines ihrer Wesensmerkmale.[23] Umgekehrt gilt das nur eingeschränkt, da sich das Erzeugen von Beats mit dem Mund generell an Turntablism und Drumcomputer anlehnt und nicht ausschließlich mit Hip-Hop in Verbindung gebracht werden kann. Das gesamte Spektrum der Mundmusiker reicht von Hip-Hop über Pop, Techno, Ragga, Drum ’n’ Bass, Jazz und World-Music bis hin zu Spoken Word oder Comedy. Die Künstler ersetzen in Bands den Drummer oder Bassisten, führen musikalische Soloprogramme auf oder erzählen Geschichten mit Geräuschuntermalung. Ein populäres Beispiel für Letzteres ist der als Officer Larvell Jones aus der Filmserie Police Academy bekannte Schauspieler und Comedian Michael Winslow, dessen mit dem Mund erzeugte Soundeffekte ein wesentlicher Bestandteil seiner Auftritte sind.[24]

Beatboxing vs. Vocal Percussion

Beatboxing hat sich mittlerweile vom Hip-Hop emanzipiert, weshalb der Begriff oft synonym mit Vocal Percussion im Allgemeinen verwendet wird und innerhalb vieler nicht-traditioneller Kontexte ist die Differenzierung beider Begriffe auch hinfällig. Letztlich ist eine pauschale Gleichsetzung jedoch falsch, da Beatboxing historisch gesehen nur eine Spielart der Vocal Percussion darstellt und neben ihr weitere, von Hip-Hop gänzlich unberührte Formen existieren, wie beispielsweise das in der traditionellen südindischen Musik verwurzelte Konnakol.[25][26]

Technik

Klangerzeugung

Beim Beatboxing geht es grundsätzlich darum mit Mund, Nase und Rachen perkussive Rhythmen zu erzeugen. Im Unterschied zu herkömmlichen Gesangstechniken, die sich verstärkt mit stimmhaften Lauten (wie Vokalen) befassen, liegt beim Beatboxing der Fokus in wesentlich stärkerem Maße auf den klanglichen Möglichkeiten stimmloser Laute (wie Konsonanten).

Basierend auf der in der Popmusik üblichen Schlagzeug- und Drumcomputer-Instrumentierung werden als Ausgangsklänge oft ein „p“-Laut zur Imitation der Snaredrum, ein „b“-Laut für die Bassdrum und ein „t“-Laut für die Hi-Hat verwendet.[27][28] Dieses Grundrepertoire lässt sich variieren und erweitern. So kann mit dem Mund, der Nase und dem Rachen – beispielsweise durch Zungenschnalzen, Schlucken, Summen, Atmung, Schnarchen, Husten, Pfeifen oder durch Lippenvibrationen (nach dem Prinzip der Polsterpfeife) − ein weites Spektrum von Klängen erzeugt werden.[29] Die Geräusche finden sowohl bei der Imitation von perkussiven Klangfarben (Becken, Tom Toms, Cowbells, Congas), Bassläufen, Melodien, Scratches, Cuts, Samples, Audioeffekten oder Alltagsgeräuschen Verwendung, als auch als eigenständige Klanggeste ohne speziellen Nachahmungsanspruch.[6]

Im zeitlichen Ablauf werden die Klänge zu Rhythmen angeordnet. Durch das kontrollierte Anspannen und Bewegen von Zunge, Wangen-, Kiefer- und Halsmuskulatur, eine ausgefeilte Stimm- und Atemkontrolle sowie ein genaues Timing können mehrere Instrumente synchron simuliert, bzw. komplexe Musikstücke durch einen einzigen Interpreten produziert werden.[30]

Mikrofon-Techniken

Bei Auftritten verwenden Beatboxer In der Regel Mikrofone um ihre Musik abzunehmen. Um unterschiedliche Klangeffekte zu erzielen haben sich hierbei spezielle Techniken etabliert. So wird beispielsweise das Mikrofon mit den Händen teilweise abgedeckt oder – statt vor den Mund, wie bei herkömmlichen Gesang üblich – an die Nase oder den Hals gehalten. Gelegentlich kommen auch mehrere Mikrofone gleichzeitig zur Anwendung.[31]

Wenn Luftströmungen auf die Membran eines Mikrofons treffen, können – in der Regel unerwünschte – Störgeräusche entstehen, weshalb die Membran oft durch einen sogenannten Pop- oder Windschutz geschützt ist. Einige Beatboxer beziehen solcherlei Störgeräusche jedoch bewusst in ihre Musik mit ein und beeinflussen damit die Lautstärke oder Klangfarbe ihrer Sounds.[32]

Beatboxing in Kombination mit anderen musikalischen Praktiken

Beatboxing wird gelegentlich auch mit unterschiedlichen Gesangstechniken, mit anderen Klanggesten und in neuerer Zeit auch mit dem Spielen von Blasinstrumenten wie Didgeridoo, Mundharmonika oder Querflöte kombiniert. Bei Letzterem kann die Human Beatbox das Repertoire bereits etablierter alternativer Spieltechniken wie Überblasen, Flatterzunge oder Multiphonics ergänzen.[33][34] Vertreter dieser Art des Spiels sind beispielsweise die Querflötisten Dirko Juchem[35][36] und Nathan „Flutebox“ Lee.[37][38]

Einige Beatboxer nutzen bei ihren Auftritten technische Hilfsmittel wie Loops um einzeln vorgetragene Passagen mittels Echtzeit-Overdubbing zur Mehrstimmigkeit zu ergänzen. Oft werden hierbei nur bestimmte Passagen gebeatboxt, während andere gesungen werden, so dass als Resultat der Eindruck eines Vokalensembles oder einer kompletten Band entstehen kann. Vertreter dieser Technik sind beispielsweise der Beatboxer Shlomo,[39][40] der Schauspieler, Synchronsprecher und Beatboxer Andrew „Kid Beyond“ Chaikin[41][42] und die französische Sängerin Camille.[43][44]

In vielen Grenzbreichen ist eine klare Unterscheidung von der Human Beatbox zu anderen Formen der Vocal Percussion, zur Body Percussion, zum Instrumentenspiel, zum A-cappella-Gesang, zur Performance oder zur Kleinkunst nicht mehr möglich.

Webseiten

Filme

Einzelnachweise

  1. Frank W. Hoffmann: Encyclopedia of recorded sound. Band 1. Routledge, New York 2005, ISBN 0-415-93835-X, S. 334. (online)
  2. Aaron Peckham: Urban dictionary: fularious street slang defined. Andrews & Mcmeel, Kansas City 2005, ISBN 0-7407-5143-3, S. 32 f. (online)
  3. Humanbeatbox.com: The Real History of Beatboxing – Part 2. S. 1, abgerufen am 22. Juni 2010.
  4. Humanbeatbox.com: The Real History of Beatboxing – Part 2. S. 2, abgerufen am 22. Juni 2010.
  5. Stetsasonic-Biografie bei laut.de, abgerufen am 21. Juni 2010.
  6. a b c d e Mickey Hess: Icons of hip hop: an encyclopedia of the movement, music, and culture. Band 1. Greenwood Press, Westport 2007, ISBN 978-0-313-33903-5, S. 52. (online)
  7. Fat Boys: Fat Boys bei Discogs, abgerufen am 20. Juni 2010.
  8. Dougy Fresh: The Original Human Beat Box bei Discogs, abgerufen am 20. Juni 2010. („Dougy Fresh“ ist eines der zahlreichen Pseudonyme des Künstlers.)
  9. Biz Markie: Make The Music With Your Mouth, Biz bei Discogs, abgerufen am 20. Juni 2010.
  10. Rahzels Biografie bei laut.de, abgerufen am 21. Juni 2010.
  11. Rahzels Diskographie bei Discogs, abgerufen am 20. Juni 2010.
  12. Michael Jackson: Dangerous bei Discogs, abgerufen am 20. Juni 2010.
  13. Justin Timberlake: Justified The Videos bei Discogs, abgerufen am 20. Juni 2010.
  14. Humanbeatbox.com: The Real History of Beatboxing – Part 3, abgerufen am 20. Juni 2010.
  15. Beatboxbattle.com: Hall of Fame, abgerufen am 21. Juni 2010.
  16. Killa Kelas Diskographie bei Discogs, abgerufen am 21. Juni 2010.
  17. Spex.de: Killa Kela – Im Mittelpunkt bleiben vom 16. Juli 2008, abgerufen am 21. Juni 2010.
  18. Matisyahus Biografie bei laut.de, abgerufen am 21. Juni 2010.
  19. Scratchs Biografie bei Allmusic, abgerufen am 21. Juni 2010.
  20. Kenny Muhammads Biografie bei Allmusic, abgerufen am 21. Juni 2010.
  21. Peace Music CommUNITY: Merge Music, abgerufen am 23. Juni 2010.
  22. David Eaton auf der Webseite des NYC Symphony, abgerufen am 23. Juni 2010.
  23. Hip-Hip bei laut.de, abgerufen am 23. Juni 2010.
  24. Humanbeatbox.com: Interviews – Michael Winslow, abgerufen am 20. Juni 2010.
  25. 6th Sound and Music Computing Conference: Accessing structure of Samba rhythms through cultural practices of vocal percussion, abgerufen am 22. Juni 2010.
  26. Konnakol.org: Konnakol - The Vocal Percussion of South India, abgerufen am 20. Juni 2010.
  27. Humanbeatbox.com: Tips and Techniques – A Beginners Guide to Beatboxing, abgerufen am 20. Juni 2010.
  28. Humanbeatbox.com: Classic Snare [ p ], abgerufen am 25. Juni 2010.
  29. Die genannten Beispiele beziehen sich auf folgende Artikel: jeweils auf Humanbeatbox.com, abgerufen am 29. Juni 2010.
  30. Humanbeatbox.com: Learn to Beatbox, abgerufen am 21. Juni 2010.
  31. Humanbeatbox.bom: Holding the Mic, abgerufen am 21. Juni 2010.
  32. Humanbeatbox.com Glossary of Microphone Terms, abgerufen am 29. Juni 2010.
  33. John McMurtery: Extended Techniques, abgerufen am 20. Juni 2010.
  34. Jazz-Flute.Com: Technique, abgerufen am 20. Juni 2010.
  35. Dirko Juchems Diskografie im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek, abgerufen am 21. Juni 2010.
  36. Dirko Juchems Profil bei MySpace, abgerufen am 21. Juni 2010.
  37. Nathan „Flutebox“ Lees Diskografie bei Discogs, abgerufen am 21. Juni 2010.
  38. Nathan „Flutebox“ Lees Profil bei MySpace, abgerufen am 21. Juni 2010.
  39. Shlomos Diskographie bei Discogs, abgerufen am 21. Juni 2010.
  40. Humanbeatbox.bom: Becks Offbeat – Shlomo and the Vocal Orchestra @ Vibe Bar, abgerufen am 21. Juni 2010.
  41. Kid Beyonds Diskografie bei Discogs, abgerufen am 25. Juni 2010.
  42. National Public Radio: ‚Amplivate‘: Taking Beat-Boxing to a New Level, abgerufen am 25. Juni 2010.
  43. Camilles Biografie bei laut.de, abgerufen am 21. Juni 2010.
  44. Spex.de: Camille – Es braut sich was zusammen vom 05. Mai 2008, abgerufen am 20. Juni 2010.