Syrien
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| Amtssprache | Arabisch | ||||
| Hauptstadt | Damaskus | ||||
| Staatsform | Präsidiale Volksrepublik | ||||
| Staatsoberhaupt | Präsident Baschar al-Assad | ||||
| Regierungschef | Muhammad Nadschi al-Utri | ||||
| Fläche | 185.180 km² | ||||
| Einwohnerzahl | 20.102.361 (Juli 2006) | ||||
| Bevölkerungsdichte | 108,6 Einwohner pro km² | ||||
| Bruttoinlandsprodukt nominal (2007)[1] | 37.760 Mio. US$ (74.) | ||||
| Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner | 2.757 US$ (112.) | ||||
| Index der menschlichen Entwicklung (HDI) | 0,726 (108.) | ||||
| Währung | Syrische Lira | ||||
| Unabhängigkeit | von Frankreich am 17. April 1946 | ||||
| Nationalhymne | Humat ad-Diyar | ||||
| Zeitzone | UTC+2 | ||||
| Kfz-Kennzeichen | SYR | ||||
| Internet-TLD | .sy | ||||
| Telefonvorwahl | +963 | ||||
| Alle Angaben schließen die von Israel besetzten Golanhöhen mit ein. | |||||
Syrien (amtlich Arabische Republik Syrien, arabisch الجمهورية العربية السورية al-Dschumhūriyya al-ʿarabiyya as-sūriyya) ist ein Staat in Vorderasien und Teil des Maschrek. Syrien grenzt im Süden an Israel und Jordanien, im Westen an den Libanon und das Mittelmeer, im Norden an die Türkei und im Osten an den Irak. Die politisch geteilte Insel Zypern mit der zur EU gehörenden Republik Zypern und der international nicht anerkannten Türkischen Republik Nordzypern befindet sich ebenfalls nicht weit von der syrischen Küste entfernt. Mit rund 185.000 Quadratkilometern ist Syrien ungefähr halb so groß wie Deutschland.
Der Name Syrien kommt aus dem Griechischen, das den alten Namen Assur übernommen hat (siehe dazu auch die antiken Provinzen Koile-Syrien, Syria und Syria Palaestina). Die traditionelle arabische Bezeichnung des Gebietes war bis in die Neuzeit bilad asch-scham und nicht Syrien. Herleitungen von arabischen Wurzeln entspringen dem neuerlich stark gewachsenen Bedürfnis nach arabischer „Authentizität“ und entbehren der wissenschaftlichen Grundlage.
Geographie
Landschaften
Syrien erreicht auf etwa 193 Kilometer die Ostküste des Mittelmeeres, direkt nördlich des Staates Libanon. Entlang dieser Küste erstreckt sich eine schmale Ebene. Parallel zu ihr verläuft – in etwa 20 km Abstand zur Küste – das Alawitengebirge, dessen Ostabhang steil zur fruchtbaren Orontes-Ebene abfällt. An dessen Ostseite erhebt sich das nordsyrische Kalksteinmassiv, das geologisch den aufgebogenen Westrand der zentralsyrischen Ebene darstellt und in östlicher Richtung sanft abfällt. Diese Ebene wird weiter südlich vom Antilibanon-Gebirge mit dem 2.814 Meter hohen schneebedeckten Gipfel des Hermon (arab.: جبل الشيخ, Dschabal asch-Schaich) gegen Westen abgeschirmt. Hier entspringen kleinere Flüsse, die das ganze Jahr über Wasser führen und Oasenbildung ermöglichen; darunter die beiden Flüsse Barada und Aaouaj, welche die Damaskus umgebende Oase Ghuta bewässern.
Auf der Hochebene im Osten und Südosten Syriens dehnt sich die Syrische Wüste, die in ihrem Zentrum von kleineren Hügelketten unterbrochen wird und allmählich gegen die Euphratsenke abfällt. Im Nordosten Syriens durchschneidet der Euphrat die Ausläufer der Wüste, an sie schließt sich nach Norden eine fruchtbare Ebene, die Dschazira, an. Im Südwesten liegt das Hauran-Gebiet mit dem vulkanischen Massiv des Dschebel ad-Duruz als östlicher Begrenzung zur Wüstensteppe. Die bedeutendsten Flüsse Syriens sind der Euphrat (676 Kilometer) und der Orontes (325 Kilometer).
Syrien besitzt nur eine Insel im Mittelmeer, Aruad.
Klima
Das Klima ist trocken und relativ heiß, Temperaturen unter dem Gefrierpunkt sind aber nicht selten. Im Osten herrscht sommerheißes, trockenes kontinentales Steppen- und Wüstenklima mit einem durchschnittlichen Jahresniederschlag unter 11 Millimeter. Im Westen an der Küste herrscht Mittelmeerklima mit einem durchschnittlichen Jahresniederschlag von etwa 500 Millimeter. Die Gebirgsregionen sind kälter und vor allem regenreicher.
Tier- und Pflanzenwelt
Die Tier- und Pflanzenwelt Syriens ist durch die jahrtausendelange Besiedelung des Landes stark verarmt. Außer Nutztieren gibt es keine größeren Säugetiere mehr. Selbst Dromedare findet man heute kaum noch. Lediglich die Vogelwelt ist noch vielfältig. 354 Vogelarten wurden in Syrien dokumentiert. Syrien ist ein wichtiges Durchzugsland für Zugvögel. Bemerkenswert sind erst im Jahre 2002 in Syrien wiederentdeckte Waldrappen, die zu den gefährdetsten Vogelarten überhaupt zählen. Die natürliche Pflanzenwelt ist durch Abholzung und Überweidung schon seit dem Altertum stark degradiert. Wald findet man kaum noch im Lande. Die Aleppo-Kiefer und die Libanonzeder kommen noch in Restbeständen vor. Dagegen sind Öl- und Feigenbäume häufig angepflanzt zu finden. In der Hochebene von Aleppo findet man auch das natürliche Verbreitungsgebiet der Goldhamster.
In Syrien kommen 23 Fledermaus-Arten vor.[2]
Bevölkerung
Syrien ist nach den Palästinensischen Autonomiegebieten, Israel und Libanon das am dichtesten besiedelte Land im Nahen Osten. Innerhalb Syriens gibt es beträchtliche regionale Schwankungen. Zu den Gebieten mit der höchsten Bevölkerungsdichte gehören die Ghuta-Oase und die gesamte Region um Damaskus, Aleppo und das Bergland nördlich und westlich bis zum Afrin. Von dort setzt sich das fruchtbare Altsiedelland über Idlib in südwestlicher Richtung am Nordrand des Dschebel Ansariye vorbei bis nach Latakia an der Küste fort. Eine hohe Bevölkerungsdichte weist ferner der diesem Bergland vorgelagerte Küstenstreifen auf, der Anfang des 20. Jahrhunderts noch dünn besiedelt war, die Ebene von Akkar südlich und das Orontes-Becken östlich davon.
Der breite Streifen des syrischen Altsiedellandes war bereits vor 1860 besiedelt. Für ihn werden heute Bevölkerungszahlen in mittlerer Höhe angegeben. Er verläuft vom südwestlichen Hauran nach Norden bis zur türkischen Grenze und schließt nach Osten an ein Gebiet zwischen der türkischen Grenze im Norden, dem Euphrat im Süden und dem Belich im Osten an, das überwiegend zwischen 1860 und 1930 besiedelt wurde. Eine uralte Tradition hat der Bewässerungsfeldbau entlang des Euphrat und des Chabur. Seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wächst die Bevölkerung durch Umsiedlungen und Bewässerungsprojekte in der nordöstlichen Region al-Dschazira. In der syrische Wüste leben Menschen ganzjährig nur in einigen Oasen mit oberflächennahem Grundwasser.[3] Die Urbanisierung nimmt allgemein stark zu.
Die Bevölkerung Syriens ist im Lauf des 20. Jahrhunderts stark gewachsen. Nach dem Ersten Weltkrieg betrug die Bevölkerungszahl etwas über 1,5 Millionen. Die Volkszählung 1938 ergab in den neun Provinzen (einschließlich Latakia und Dschebel ad-Duruz) 2.487.027 Einwohner.[4] 1970 war die Bevölkerungszahl auf 6.299.000 angewachsen. Diese Zahl enthält nicht 340.000 Beduinen und etwa 240.000 palästinensische Flüchtlinge.[5] Für 2010 wurden 20.960.588 Einwohner berechnet.[6] Auslandssyrer leben vor allem in Südamerika (Argentinien, Venezuela und Brasilien), den Golfstaaten und Europa.
Ethnien
Die einzelnen Bevölkerungsgruppen definieren ihre ethnische Zugehörigkeit über ihre Muttersprache und Religionszugehörigkeit, wobei innerhalb der gemeinsamen Sprache religiöse Unterschiede eine quasi-ethnische Abgrenzung bewirken können. Um über das bestehende Zugehörigkeitsgefühl zu ethnischen Gruppen und Familienclans hinausgehend ein syrisches Nationalbewusstsein zu entwickeln, werden bei Volkszählungen zwar die Religionszugehörigkeit, aber nicht die Ethnien zahlenmäßig erfasst. Zu einer kulturellen und sozialen Gleichstellung der Kurden im Alltag hat dies nicht geführt. (Siehe auch: Kurden in Syrien)
Die Mehrheitsbevölkerung in Syrien bilden die Araber, die sich mit der arabischsprachigen Bevölkerung der Nachbarländer kulturell als Gemeinschaft fühlen. Sie sind überwiegend Sunniten, in ihrer Minderheit Muslime anderer islamischer Glaubensrichtungen oder Christen.
Die zweitgrößte Volksgruppe mit eigener Sprache sind die Kurden. 1979 wurde ihr Anteil auf etwa neun Prozent der Gesamtbevölkerung geschätzt. Viele Kurden kamen zwischen 1924 und 1938 aus der Türkei ins Land, als es dort zu mehreren Aufständen der Kurden gegen ihre politische und wirtschaftliche Diskriminierung kam, die vom türkischen Militär niedergeschlagen wurden. Ein kurdischer Siedlungsschwerpunkt liegt entlang der türkischen Grenze. Knapp die Hälfte der syrischen Kurden lebt in der Region Kurd Dagh nordwestlich von Aleppo. Sie stellen dort und in der nordöstlichen Provinz al-Hasaka die Mehrheit. Aufgrund hoher Arbeitslosigkeit in den ländlichen Bergregionen siedelten sich viele Kurden in den Großstädten Aleppo und Damaskus an. 10 bis 15 Prozent der Kurden leben in Hayy al-Akrad, einem Stadtteil von Damaskus am Fuß des Dschabal Qāsiyūn.[7] Den Kurden werden meist die Jesiden zugerechnet. Diese religiöse Minderheit aus einigen Tausend Mitgliedern lebt in den Bergen zwischen Aleppo und Afrin und in Dörfern um Amude und Qamishli im äußersten Nordosten.
Die meisten Armenier kamen als Flüchtlinge zwischen 1925 und 1945 aus der Türkei nach Syrien. Sie bilden etwa zwei bis drei Prozent der Bevölkerung und leben zu etwa Dreiviertel in Aleppo und zu knapp 20 Prozent in Damaskus. Die Übrigen verteilen sich auf die größeren Städte, besonders in der Dschazira-Region. Armenier gehören überwiegend der Armenischen Apostolischen Kirche an, andere sind armenisch-katholisch. Die meisten sind in Handel, Kleinindustrie und Handwerk wirtschaftlich erfolgreich.
Die sunnitischen Turkmenen haben sich weitgehend in der arabischen Gesellschaft assimiliert. Sie waren traditionell halbnomadische Viehzüchter in der Dschazira und am unteren Euphrat sowie Ackerbauern um Aleppo.
Tscherkessen, ebenfalls Sunniten, wurden Ende des 19. Jahrhunderts aus dem Kaukasus vertrieben und siedelten sich in der Hauran-Region, besonders um Qunaitra an, wo sie sich auf den Anbau von Getreide und daneben Viehzucht spezialisiert haben. Für 1979 wurde ihre Zahl auf 55.000 geschätzt. Da viele von ihnen während der französischen Kolonialzeit in der französischen Armee gedient hatten, wurden sie lange Zeit von den Arabern argwöhnisch beobachtet.[8]
Aramäer gehören einer der christlichen Religionsgemeinschaften an, die unter der Eigenbezeichnung Suryoye zusammengefasst werden, mehrheitlich der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien. Sie leben vor allem in der Provinz al-Hasaka. Assyrer sind nestorianische Christen, deren Muttersprache Syrisch ist. Sie flohen 1933 bis 1936 vor der Verfolgung aus dem Irak und wurden von den Franzosen und mit Unterstützung des Völkerbundes in Tall Tamir (am Chabur, nordwestlich von al-Hasaka) angesiedelt. Bis in die 1970er Jahre hatten sie auf bewässertem Land in der Umgebung etwa 20 Dörfer gegründet. Wegen der wirtschaftlich schwierigen Lage sind viele emigriert. Aramäer und Assyrer bezeichnen sich häufig selbst als Assyrer-Aramäer.
Daneben gibt es etwa 476.000 (2002) palästinensische Flüchtlinge und seit dem Irakkrieg 200.000 (2009) Flüchtlinge aus dem Irak. Unter den Irakern sind viele Assyrer, von denen sich wiederum eine größere Zahl in Dscharamana niedergelassen hat.
Sprachen
Die Amtssprache des Landes ist Hocharabisch, welches auch von einer großen Mehrheit der einheimischen Bevölkerung im Land gesprochen wird. Gesprochen wird jedoch als Umgangssprache ein regionaler Dialekt der arabischen Sprache, das Syrische Arabisch. Es unterscheidet sich im Vokabular, in der Grammatik und besonders in der Aussprache von der Standardvarietät des Arabischen. Syrisch-Arabisch ist eng mit dem Libanesischen Arabischen, dem Jordanisch-Arabischen und dem Palästinensischen Arabischen verwandt. Letzteres wird vor allem von vielen palästinensischen Flüchtlingen im Land gesprochen. Auch Sprecher des Irakischen Arabischen sind in letzter Zeit vermehrt anzufinden, wodurch es allerdings zur Vermischung verschiedener Dialekte kommen kann und sich am Ende die Hochsprache durchsetzt.
Die Französische Sprache hatte (und hat) aufgrund der Mandatszeit eine besondere Stellung, früher hatte sie im Bildungswesen und in der Verwaltung eine große Bedeutung gehabt. In letzter Zeit hat die Französische Sprache mit einem großen Bedeutungsverlust zu kämpfen. Mittlerweile hat die Englische Sprache die dominante Rolle als Fremdsprache inne. Nur noch 8 % der Sekundarschüler lernen Französisch als Fremdsprache, hingegen lernen 92 % der Schüler Englisch. Die Deutsche Sprache dagegen wird im Sekundarschulbereich bisher nicht als Fremdsprache angeboten, es soll jedoch Pläne zur Einführung von Deutsch als dritter Fremdsprache in den Sekundarschulen geben. Deutsche Schulen gibt es in Syrien bislang nicht. Es existieren jedoch französische Privatschulen, in denen die Deutsche Sprache unterrichtet wird.[9]
Ferner werden von der einheimischen Bevölkerung die Sprachen der jeweiligen nationalen Minderheiten gesprochen, deren Gebrauch in der Öffentlichkeit und im Bildungswesen jedoch aufgrund der nationalistisch-panarabischen politischen Ideologie des Staates stark eingeschränkt ist: Syrisch (von den Aramäern), Westarmenisch (von den immigrierten Armeniern), Kurdische Dialekte, Turkomanisch sowie vereinzelt Tscherkessisch. In der Kleinstadt Maalula und zwei weiteren Orten am Osthang des Qalamun-Gebirges wird ein Dialekt der neuwestaramäischen Sprache gesprochen.
Religion
Etwa 75 Prozent der Bevölkerung sind sunnitische Muslime, deren Glaubensverständnis regional unterschiedlich ist. Die Einwohner von Hama, Palmyra und einigen kleineren Städten wie Dschisr asch-Schugur gelten als besonders konservativ, die westlich orientierte Hafenstadt Latakia zeigt sich relativ liberal. In abgelegenen Regionen der westlichen Bergländer werden von einigen Sunniten volksislamische Bräuche gepflegt, bei denen lokale Heilige verehrt werden. Teilweise werden diese Pilgerstätten gleichermaßen von Christen aufgesucht. Insgesamt jedoch erhalten seit einiger Zeit die islamorientierten Stimmen immer mehr an Gewicht.[10]

Sechs Prozent sind Nusairier (Alawiten). Viele Militäroffiziere und ein großer Teil der herrschenden politischen Elite entstammen dieser Religionsgemeinschaft, der auch die Familie Assad angehört. Alawiten leben vermutlich seit vorchristlicher Zeit in der Region. Nach der Einführung des Christentums ab dem 4. Jahrhundert zogen sie sich in ihrer traditionellen Religion zurück und überdauerten als abgeschlossene Gemeinschaften in den Bergregionen des Dschebel Ansariye das islamische Mittelalter. Von den Osmanen wurden sie als Ungläubige verfolgt und mit hohen Steuern belegt. Alawiten lebten bis Mitte des 20. Jahrhunderts als Kleinbauern zurückgezogen in Bergdörfern, die teilweise miteinander verfeindet waren.
Schiiten sind in Syrien eine kleine, wenig einflussreiche Minderheit. Ihr wichtigster Verehrungsplatz ist die Sayyida Zainab-Moschee in Damaskus. Die schiitische Abspaltung der Ismailiten (etwa ein Prozent) flüchtete nach dem Mongoleneinfall im 13. Jahrhundert in Rückzugsgebiete auf dem Dschebel Ansariye, von wo sie erst Ende des 19. Jahrhunderts in ihr ursprüngliches Zentrum Salamiyya am Rand der syrischen Wüste zurückkehren durften.

Drusen machen etwa zwei Prozent der syrischen Bevölkerung aus. Ihr Hauptsiedlungsgebiet ist die gleichnamige Bergregion, der Dschebel ad-Duruz.
Etwa 15 Prozent sind Christen verschiedener Konfessionen. Diese leben im Raum Damaskus, Homs und Aleppo traditionell in ihren Dörfern. Die Melkitischen Kirchen bilden eine der größten christlichen Gemeinschaften, die hauptsächlich im Landesinneren leben. Der Patriarch, Ignatios Hazim, residiert in Damaskus. Andere bekennen sich zur Armenischen Apostolischen Kirche und der mit Rom unierten Syrisch-Katholischen und Griechisch-Katholischen Kirche. Große syrisch-orthodoxe Gemeinden trifft man im Nordosten Syriens. Gläubige der Assyrischen Kirche des Ostens, auch Apostolische Kirche des Ostens genannt, zählen etwa 30.000 und leben hauptsächlich entlang des Chabur im Nordosten, wo auch die Chaldäische Kirche existiert. Das Oberhaupt der Chaldäischen Christen ist Antoine Audo, Bischof von Aleppo in Nordsyrien. Rund 14.000 bekennen sich in Syrien zu dieser Konfession. Maroniten bilden etwas über zwei Prozent, rund 424.000[11]. Viele syrische Christen wanderten nach Libanon, Schweden und in die USA aus. Daneben existieren noch verschiedene protestantische sowie römisch-katholische Gemeinden.

Die wenigen noch in Syrien verbliebenen Juden leben in Aleppo und Damaskus. 1943 wurde ihre Zahl auf 43.000 geschätzt, 1978 noch auf etwa 4.500. Die meisten sind Mitte des 20. Jahrhunderts nach Israel ausgewandert, einige über den Umweg Beirut. In der Sprache und in der Kleidung unterscheiden sie sich nicht von den syrischen Arabern.[12]
Einige führende pan-arabische Nationalisten waren christlichen Glaubens, wie etwa der Begründer der Baath-Partei Michel Aflaq. Obwohl es in der Geschichte Syriens ein paar Mal zu interkonfessionellen Auseinandersetzungen kam, wie zum Beispiel 1860 in Damaskus, ist das Zusammenleben vorwiegend friedlich geprägt. Der bedeutendste syrische Imam predigt, dass Muslime, Christen und Juden Brüder sind und man als guter Muslim Christen und Juden auch als seine Brüder behandeln solle. Staatspräsident Bachar al-Assad hat dem griechisch-orthodoxen Patriarchen von Antiochien 2006 einen Weihnachtsbesuch abgestattet. Es war der erste Weihnachtsbesuch eines syrischen Präsidenten beim Patriarchen seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1946.[13]
Geschichte
Ur- und Frühgeschichte
Vermutlich ist Syrien seit dem 8. Jahrtausend v. Chr. besiedelt. Ab Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. erfolgten die ersten Einwanderungen semitischer Völker von der Arabischen Halbinsel: Amoriter, Kanaaniter und Aramäer. Seine Lage als Verbindungsland zwischen den frühen Hochkulturen (Mesopotamien, Ägypten) bedingte immer wieder wechselnde fremde Oberherrschaft (Akkader, Mitanni, Hethiter, Ägypter, Assyrer und Perser).
Antike
Nach der Eroberung durch Alexander den Großen gehörte Syrien von 301 bis 64 v. Chr. zum Seleukidenreich. Im Römischen Reich (ab 64 v. Chr.) war Syria neben Ägypten die reichste Provinz des Imperiums. Später wurde es dem Byzantinischen Reich angegeliedert und von Konstantinopel aus verwaltet.
Mittelalter
Nach der arabisch-muslimischen Eroberung 634 gewann Syrien unter dem Statthalter und späteren Umayyaden-Kalifen Mu'awiya (661-680) eine zentrale Bedeutung. Er baute als erster eine arabische Flotte auf und verlegte 661 das Kalifat von Medina nach Damaskus, das neben Mekka und Jerusalem zur dritten Heiligen Stadt des Islam wurde. 877 geriet Syrien in Abhängigkeit von Ägypten, die mit Unterbrechungen mehr als 600 Jahre dauerte. Episode blieben die Kreuzfahrerstaaten auf syrischem Boden, die auch den Norden (Aleppo und Antiochia) umfassten. Der zweite Kreuzzug (1147 - 1149) mit der gescheiterten Belagerung von Damaskus spielte sich vorwiegend in Ägypten ab. 1260 eroberten die Mongolen das Land, erlitten aber eine Niederlage gegen die Mamluken, die Syrien mit Ägypten vereinigten.
Neuzeit
Die Herrschaft der Mamluken dauerte bis 1516. Dann wurde Syrien Teil des Osmanischen Reichs, zu dem es bis auf eine kurze ägyptische Besetzung (1831 - 1840) bis 1918 gehörte. Die erste arabisch-nationalistische Opposition gegen die osmanische Regierung nach 1840 wurde sofort unterdrückt. Nach der Revolution der Jungtürken 1908 verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Arabern und Türken weiter. Die Araber beteiligten sich im Ersten Weltkrieg auf der Seite der Entente gegen die Türkei, da ihnen die Briten alle Gebiete, die sie befreien halfen, zugesichert hatten. Die Hoffnung des Haschemiten-Prinzen Faisal, das geplante Königreich "Großsyrien" zu erhalten, scheiterte an Frankreich, das das Völkerbundmandat für Syrien und Libanon erhielt und seine Herrschaft in Syrien bis zum 17. April (Nationalfeiertag) 1946 aufrechterhalten konnte, als die Arabische Republik Syrien (arabisch الجمهورية العربية السورية al-dschumhūriyya al-ʿarabiyya as-sūriyya) ausgerufen wurde. Während des Zweiten Weltkriegs wurde Syrien von den Alliierten besetzt.
Arabische Republik Syrien
Die Geschichte Syriens nach dem Zweiten Weltkrieg standen ganz im Zeichen der arabisch-israelischen Konflikte. 1948 endete die syrische Teilnahme am Palästinakrieg mit einer schweren Niederlage in Nordpalästina. Syrien wurde für über 20 Jahre in eine innere Dauerkrise gestürzt, von der zahlreiche Staatsstreiche Zeugnis ablegen. Der Aufstieg des Panarabisten Gamal Abdel Nasser in Ägypten nährte auch in Syrien Hoffnungen auf die Schaffung eines gemeinsamen arabischen Staates. Im Vorfeld des Sueskriegs bildeten beide Länder ein gemeinsames Oberkommando. Nach schweren Spannungen zwischen der arabischen-sozialistischen Baath-Partei und der Kommunistischen Partei wurde aus Furcht vor einer kommunistischen Machtübernahme eine Delegation nach Ägypten entsandt und am 1. Februar 1958 wurde dann der Zusammenschluss Ägyptens und Syriens zur Vereinigten Arabischen Republik (VAR) bekanntgegeben.
Da von Anfang an die ägyptische Seite dominierte und die wichtigsten Politikbereiche bestimmte, wuchs die Unzufriedenheit in Syrien. Hinzu traten wirtschaftliche Probleme. Ein Putsch syrischer Offiziere im September 1961 bedeutete schließlich das Ende der Vereinigten Arabischen Republik. Nach einem weiteren Putsch im Mai 1963 erlangte die Baath-Partei zum ersten Mal die Macht in Syrien, die jedoch weiterhin zerstritten war. Nach dem Sechs-Tage-Krieg gegen Israel im Juni 1967 und dem Verlust des Golans folgt eine Phase, die von allgemeiner Niedergeschlagenheit gekennzeichnet war.

Aus den jahrelangen Machtkämpfen innerhalb der Baath-Partei trat am 16. November 1970 schließlich Hafiz al-Assad als Sieger hervor. Assad, unter Salah Dschadid noch Verteidigungsminister, ließ den Altpräsidenten und einige seiner Anhänger verhaften, nachdem er selbst einst aus politischen Gründen einige Zeit im Gefängnis verbringen musste. 1971 ließ er sich mit 99,2 % der Stimmen (ohne Gegenkandidaten) zum Staatspräsidenten wählen; im selben Jahr wurde er Generalsekretär der Baath-Partei.
1973 wurde eine neue Verfassung verabschiedet, in der die Position des Staatspräsidenten weiter aufgewertet wurde. Des Weiteren sollte die Schari'a fortan eine der Hauptgrundlagen der Gesetzgebung sein (sie wurde zuvor als einfache Quelle für die Legislative bezeichnet). Dies folgte auf den gescheiterten Versuch Assads, in Syrien eine Verfassung ohne jegliche religiöse Elemente, d.h. streng laizistisch einzuführen und den Staat in eine Volksrepublik umzubenennen, was in der Bevölkerung auf großen Widerstand stieß, da dies vor allem eine weitere Annäherung an den Ostblock und die Möglichkeit eines christlichen Präsidenten bedeutet hätte, wo doch schon dem Alawiten Assad Misstrauen entgegengebracht wurde. Im neuen Verfassungsentwurf wurde daher wieder festgelegt, dass der Staatspräsident Muslim sein muss, um die Bevölkerungsmehrheit der Sunniten zu beruhigen, denen die Alawiten, zu denen auch al-Assad gehört, zu mächtig geworden waren.
Im Jom-Kippur-Krieg von 1973 gelang es der syrischen Armee, einen kleinen Teil der von Israel besetzten Golanhöhen zurückzuerobern. Ein Kennzeichen von Assads Politik war die Unterdrückung der islamistischen Opposition. Es kam unter anderem zu Terroranschlägen, die auf das Konto der Muslimbrüder gingen. Nach einem weiteren Anschlag in der Militärakademie 1979, dem 50 alawitische Kadetten zum Opfer fielen, ging die Regierung verschärft gegen die Muslimbrüder vor.
Zu einem folgenschweren Aufstand, wiederum von Muslimbrüdern initiiert, kam es im Februar 1982 in der mittelsyrischen Stadt Hama. Die Armee griff mit Panzern und Luftwaffe ein und es kam zu heftigen Kämpfen, in deren Verlauf große Teile der Altstadt zerstört wurden. Etwa 1.000 Soldaten und zwischen 10.000 und 30.000 Zivilisten verloren ihr Leben. Der Niederschlagung des Aufstands, welcher als das Massaker von Hama bekannt wurde, folgte eine umfangreiche Verhaftungswelle, die der fundamentalistischen Opposition das Rückgrat brach. In der Folge war Assads Machtposition sehr stark und kaum gefährdet.
Während des ersten Golfkrieges (1980–1988) unterstützte Syrien den Iran gegen den ebenfalls von der Baath-Partei regierten Irak unter Saddam Hussein. Nach dem Einmarsch irakischer Truppen in Kuwait war Syrien militärisch an dessen Befreiung während des zweiten Golfkrieges beteiligt. Die Beziehungen zum östlichen Nachbarland wurden erst ab 1997 teilweise normalisiert, die 1980 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen wurden aber erst im November 2006 wieder aufgenommen. 1994 kam Assads ältester Sohn Basil al-Assad, der sein Nachfolger werden sollte, bei einem Autounfall in der Nähe des Flughafens von Damaskus ums Leben.
Nach dem Tod des syrischen Präsidenten Hafiz al-Assad am 10. Juni 2000 wurde am 10. Juli sein zweitjüngster Sohn Baschar al-Assad nach einer Verfassungsänderung bezüglich des Mindestalters eines Präsidenten mit einer Mehrheit von 97,29 % (offizielles Wahlergebnis) zum nächsten Präsidenten gewählt.
Baschār gilt als liberaler als sein Vater, da er unter anderem in London studierte und auch heiratete. Erstes Anzeichen eines neuen politischen Kurses war die Freilassung von 600 politischen Gefangenen im November 2000. Er verfolgt einen Reformkurs, an dessen Umsetzung er vom alten Kader aber gehindert wird. Allgemein erhofft sich die Bevölkerung eine weitere Öffnung des Landes, wie sie von Hafiz al-Assad in den 1990er Jahren begonnen wurde. Unter Baschar wurde unter anderem die Benutzung des Internet erlaubt.
Allerdings kam es im September 2001 erneut zu einer Inhaftierungswelle gegen bekannte Oppositionelle. Im Frühjahr 2004 wurden nach Demonstrationen und Zusammenstößen mit den Sicherheitsdiensten hunderte syrischer Kurden, darunter auch Kinder, verhaftet und getötet. Diese Demonstrationen fanden in Qamishli und Amuda statt, wo die meisten Kurden leben.
Im Februar 2005 wurde in Beirut ein Autobombenanschlag auf Rafiq Hariri verübt, den ehemaligen und langjährigen Regierungschef des Libanon. Da es Hinweise auf Geheimdienst-Aktivitäten gab, wächst in jüngster Vergangenheit der Druck auf Syrien. Insbesondere die USA machen dessen Führung für das Attentat verantwortlich. Doch auch Frankreich fordert von Syrien die volle Souveränität Libanons zurück. Im Mai 2005 gab Präsident Assad diesen Forderungen teilweise nach.
Politik
Politisches System

Syrien ist nach der Verfassung von 1973 offiziell eine sozialistische Volksrepublik mit Präsidialsystem. Es hat aber de facto auch ein Einparteiensystem, da eine Partei, die syrische Baath-Partei, das gesamte politische System des Landes dominiert.
Die Rechtsgrundlage der Verfassung ist laut Artikel 3 die Schari'a als Hauptquelle der Gesetzgebung.[14] Das anwendbare Ehe- und Familienrecht bestimmt sich in Syrien nach der Religionszugehörigkeit. Auf Moslems ist die Scharia anwendbar. Für katholische Christen ist der codex iuris canonici maßgeblich.[15]
Staatsoberhaupt, Inhaber der Exekutivgewalt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist der mit weit gehenden Vollmachten ausgestattete Präsident, welcher der Verfassung nach vom Parlament nominiert wird und auf 7 Jahre direkt gewählt wird. Er bestimmt die Richtlinien der Politik, ernennt bzw. entlässt die Regierung unter Vorsitz des Ministerpräsidenten und hat Gesetzinitiativ- sowie Vetorecht. Der Präsident muss außerdem muslimischen Glaubens sein. Das Mindestalter des Präsidenten wurde von 40 auf 34 Jahre gesenkt, damit nach dem Tod des langjährigen Präsidenten Hafiz al-Assad sein Sohn Baschar die politische Führung des Landes übernehmen konnte.
Die Legislative liegt nominell bei der Volksversammlung, dessen 250 Abgeordnete für 4 Jahre gewählt werden. Die derzeitige Einheitspartei ist die Baath-Partei. Der Generalsekretär der Baath-Partei ist zugleich der Präsident. Daneben gibt es kleinere und unbedeutendere, meist regierungstreue Parteien wie die Syrische Kommunistische Partei und die Syrische Soziale Nationalistische Partei, welche als Blockparteien mit der Baath-Partei zur Koalition Nationale Front zusammengeschlossen sind. [16] Parteien, welche eine ethnische Minderheit oder eine religiöse Gruppe repräsentieren sind verboten. So wurden zahlreiche führende Mitglieder der Demokratischen Partei Kurdistans-Syrien, welche die kurdische Minderheit repräsentiert, in den 1960er Jahren liquidiert.
Außenpolitik
Verhältnis zu Israel
In Folge des Sechstagekrieges im Jahr 1967 besetzte Israel die Golanhöhen, von wo immer wieder syrischer Beschuss erfolgt war. Seit damals herrscht zwischen den beiden Ländern lediglich ein Waffenstillstand, Syrien erkennt den israelischen Staat nicht an (zum Beispiel ist in seinen Atlanten nur von „Palästina“ die Rede). Der Abschluss eines Friedensvertrages, der eine völkerrechtliche Anerkennung beinhalten könnte, ist für die syrische Seite eng an die Rückgabe der Golanhöhen geknüpft, die wiederum für Israel von immenser strategischer Wichtigkeit sind.
Andererseits beschuldigt Israel die syrische Regierung, Terroristen Unterschlupf zu gewähren. Im Oktober 2003 flog die israelische Luftwaffe einen Angriff gegen ein vermutetes Terroristenausbildungslager südlich von Damaskus, der von vielen Staaten verurteilt wurde.
Am 6. September 2007 führten israelische Streitkräfte einen Luftangriff auf die Militäreinrichtung Al Kibar (35° 42′ 28,2″ N, 39° 49′ 59,8″ O) in Syrien durch. Bislang machte die israelische Regierung keine weiteren Angaben über den Angriff. Von der New York Times veröffentlichte Satellitenbilder ließen die Spekulation aufkommen, das Ziel sei eine im Bau befindliche Atomanlage nordkoreanischer Bauart gewesen.[17] Die US-Regierung beschuldigt Syrien, mit Nordkorea eine Atom-Kooperation zu unterhalten. Syrien bestreitet dies und beteuert, bei der Anlage habe es sich um ein leeres Militärgebäude gehandelt.[18] Im Februar 2009 veröffentlichte die Internationale Atomenergiebehörde einen Bericht, demzufolge in Proben aus der Anlage Spuren von Uran gefunden wurden.[19]
Im Mai 2008 erklärten Israel und Syrien, Friedensverhandlungen aufzunehmen. Den Gesprächen gingen indirekte Verhandlungen zwischen den Staaten voraus, die seit dem Jahr 2004 unter türkischer Vermittlung stattfanden.[20] Auch in der strittigen Frage der Rückgabe der Golanhöhen sei man sich bereits nähergekommen.
Seit dem Gaza-Konflikt Ende 2008 hat man die Gespräche mit Israel ausgesetzt. [21]
Verhältnis zum Libanon
Syrien betrachtete sich lange als Schutzmacht des kleinen Nachbarstaates Libanon, der fast die gesamte östliche Landgrenze mit Syrien gemeinsam hat. Die langjährige Besetzung größerer Teile des Libanon galt offiziell als Unterstützung gegen Israel und wurde von der pro-syrischen Regierung des Omar Karame bis zuletzt befürwortet. Die letzten Einheiten der syrischen Armee verließen den Libanon Ende April 2005, als es dort nach dem Mord an Ex-Premier Rafik Hariri (14. Februar) schwere Vorwürfe an den syrischen Geheimdienst und tagelange Massenproteste gab. Sie führten auch zum Rücktritt der Regierung Karame.
Im April 2005 beauftragten die Vereinten Nationen ihren Spitzendiplomaten Detlev Mehlis, den bis dato ungeklärten Mord in Beirut an Ex-Premier Hariri zu untersuchen. Am 20. Oktober 2005 berichtete Mehlis dem Sicherheitsrat über eine klare Mittäterschaft syrischer Geheimdienstkreise an dem Anschlag in Beirut, bei dem außer Hariri 21 Menschen umkamen. Syrien hatte eine Verwicklung stets verneint und sprach von einem Komplott des Westens – insbesondere weil die USA auch Kontakte zu den Attentätern vom 11. September vermuteten. Am 31. Oktober forderte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in einer einstimmigen UN-Resolution von Syrien volle Kooperation zur Aufklärung des Hariri-Mordes. Er verzichtete zwar auf die lange diskutierten Sanktionen, behielt sich aber weitere Schritte und eine Untersuchung durch UN-Ermittler vor. Die Hauptforderung war, es müssten alle verdächtigen Personen vernommen werden, zu denen auch Bruder und Schwager des syrischen Präsidenten Assad gehören.
Laut UN-Chefermittler Mehlis (siehe 20. Oktober) habe Syrien „bisher den Daumen auf viele wichtige Informationen gehalten“ und ihn an Befragungen gehindert. Die von den USA, Großbritannien und Frankreich eingebrachte Resolution wurde nach Abmilderung einstimmig beschlossen und verpflichtet alle Staaten, Verdächtigen die Einreise zu verweigern und ihre Bankguthaben einzufrieren. Während Syriens Außenminister al-Sharaa in New York einen Eklat verursachte und in Damaskus gegen die Resolution demonstriert wurde, stimmten ihr der Libanon und auch arabische Staaten zu.
Die Abmilderung des vom Westen eingebrachten Resolutionsentwurfs war auf Druck Russlands und Chinas erfolgt. So wurde auf die offene Androhung von Sanktionen gegen Syrien verzichtet, doch behielt sich der Sicherheitsrat „weitere Maßnahmen“ vor, falls sich Syrien nicht an die Vorgaben hält. Auch die Aufforderung an die syrische Führung, jede Unterstützung des Terrorismus zu beenden, wurde gestrichen.
Die heftige Protestwelle in Syrien gegen die UN-Beschlüsse und die USA wurde vom Westen als gesteuert angesehen. Auch die Reden des syrischen Außenministers trugen zur weiteren Isolation des Landes bei, von dem erst kurz zuvor strengere Grenzkontrollen zum Irak und gegen den Übertritt von Terroristen gefordert worden waren.
Der Nachfolger von Detlev Mehlis ist Serge Brammerz, der am 19. Januar 2006 im Libanon eingetroffen ist. Dieser soll, wie Detlev Mehlis, den Mord an Ex-Premierminister Hariri aufklären, wobei der Präsident Syriens, Baschar al Assad, zusagte, ihn bei den Ermittlungen zu unterstützen.
Verwaltungsgliederung
Syrien ist seit 1987 in 14 Gouvernements (muhafazat, singular: muhafazah) unterteilt, die nach dem jeweiligen Hauptort benannt sind:
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Anteile an der Syrischen Wüste haben die Regionen Nr. 2, 6 (jeweils Ostteil) und vor allem 13; weitere Wüstengebiete liegen in den Gouvernoraten Nr. 12 und 14.
Der Bezirk Qunaitra (Kuneitra) auf den Golanhöhen ist seit 1967 größtenteils von Israel besetzt. Die Region um Iskenderūn (Alexandrette), bis zur Eingliederung in die Türkei Sandschak Alexandrette genannt, gehört seit 1939 zur Türkei, wird allerdings ebenfalls von Syrien beansprucht.
Städte
Die größten Städte sind (amtliche Zahlen, Stand 1. Januar 2005): Damaskus 4.139.714 Einwohner, Aleppo 2.576.797 Einwohner, Homs 1.124.871 Einwohner, Latakia 431.606 Einwohner und Hama 348.862 Einwohner. Die Agglomeration um Damaskus hat etwa 6 Millionen Einwohner, die um Aleppo etwa 2,5 Millionen.
Siehe auch: Liste der Städte in Syrien
Streitkräfte
Hauptartikel: Streitkräfte Syriens
Die Streitkräfte Syriens haben eine Gesamtstärke von 420.000 Soldaten. Sie bestehen aus Heer, Marine, Luftstreitkräfte. Alle männlichen Syrer im Alter von 18 Jahren müssen einen 24-monatigen Wehrdienst leisten. Oberster Befehlshaber der Streitkräfte ist der Präsident des Landes. Das Militärbudget für das Jahr 2006 beträgt zirka 921 Millionen US-Dollar.
Syrien wird beschuldigt heimlich an einem Atomprojekt zu arbeiten. Diplomaten erklärten im November 2008, in der Anlage El Kibare entdecktes Uran sei aufbereitet gewesen, was eine Verbindung zu einem geheimen Atomprogramm Syriens nahe lege. Die US-Regierung bezichtigt Syrien einer Atom-Kooperation mit Nordkorea.[19]
Wirtschaft
Die Landwirtschaft kann unter günstigen Bedingungen bis zu einem Drittel der Wirtschaftsleistung ausmachen und ist für das Land besonders wichtig. Erdöl, Textilien und Nahrungsmittel sind Syriens Hauptexportgüter, welche Syrien eine positive Handelsbilanz bescheren.
Tourismus
Der internationale Tourismus beschränkt sich schwerpunktmäßig auf Kultur- und Sprachtouristen, während die fast 200 km Küste vornehmlich von Einheimischen genutzt werden. Touristische Schwerpunkte sind neben den Metropolen Damaskus und Aleppo die antike Oasenstadt Palmyra, die mittelalterlichen Burgen im westlichen Hügelland, in jüngerer Zeit auch das landschaftlich eindrucksvolle Hauran-Gebiet im Süden mit den Ruinen von Bosra. Die Infrastruktur ist in den touristischen Zentren gut entwickelt, jedoch deutlich geringer in anderen Zonen, etwa um das Simeonskloster nordwestlich von Aleppo oder an den antiken Ausgrabungsstätten am Euphrat.
Bodenschätze
Die syrische Wirtschaft ist stark vom Export von Erdöl abhängig. Sie machen 70 % der Exporterlöse aus und aus ihnen speist sich die Hälfte des Budgets (Syrian Petroleum Company).
Strukturwandel
Da das Erdöl in Syrien vermutlich in einigen Jahren ausgehen wird und die syrischen Machthaber eine breiter diversifizierte Wirtschaft errichten wollen, streben sie einen Strukturwandel und den Umbau zu einer funktionierenden Marktwirtschaft an. Dieser soll mit jährlichen Privatinvestitionen von bis zu fünf Milliarden US-Dollar, Zusatzeinnahmen aus dem Ölexport und Investitionen aus dem Ausland finanziert werden. Die Wirtschaftspolitiker sehen in den nächsten fünf bis zehn Jahren die beste Gelegenheit für Strukturänderungen. Zu den im neuen Fünfjahresplan festgeschriebenen weitreichenden Veränderungen gehört unter anderem eine umfassende Steuerreform, Privatisierung, der Abbau von Monopolen, Deregulierung wichtiger Sektoren und die Reduzierung des öffentlichen Sektors.
Währung
Der Internationale Währungsfonds lobte die Bemühungen der syrischen Wirtschaftspolitiker bereits, vor allem die Anpassung des syrischen Pfunds an einen realistischen Wechselkurs. Laut der Nachrichtenagentur UPI am 15. Februar 2006, wird Syrien ab sofort alle Auslandsgeschäfte in Euro, statt wie bisher in US-Dollar, abwickeln.
Staatsausgaben
Zwischen 1992 und 2000 lag der Anteil der Staatsausgaben für
- das Gesundheitswesen bei 32 %, entspricht 2,5 % vom BIP (2001)
- das Bildungswesen bei 8,6 % (2003)[22]
- das Militär bei 25 %, entspricht 5,9 % vom BIP (2005)[23]
Infrastruktur
Bahn
Netz
Damas–Hama et Prolongement
Die erste Bahn in dem Gebiet, das heute Syrien ist und damals Teil des Osmanischen Reichs war, wurde durch die Eisenbahn Damas–Hama et Prolongements (D.H.P.) angelegt. Das geschah in der aus dem algerischen Bereich und französischer Kolonialtradition kommenden seltenen Spurweite von 1050 mm, da Konzessionsnehmer eine französische Gesellschaft war.
Die Strecken der Bahn führten von Beirut am Mittelmeer über den Anti-Libanon nach Damaskus und von dort weiter nach Muzeirib. Die Überquerung des Gebirges war technisch aufwändig, so gab es zum Beispiel Spitzkehren, die zu erzielenden Geschwindigkeiten und die anhängbare Last pro Zug waren eng begrenzt und die Kapazität der Bahn gering.
Die Verbindung Damaskus – Muzeirib wurde bereits im Ersten Weltkrieg wieder abgebaut, um das Material für die südlichen Verlängerungen der Hedschasbahn in Palästina einzusetzen. Die Verbindung Beirut – Damaskus wurde während des libanesischen Bürgerkriegs zwischen 1975 und 1990 zerstört.
Hedschasbahn

Der Bau der Hedschasbahn begann im Jahr 1900. Als Spurweite wurde die der D.H.P. gewählt, weil zum einen der osmanische Staat mit der Betreibern über eine Übernahme verhandelte – was scheiterte. Zum andern konnte Rollmaterial für den Neubau der Hedschasbahn auf diesem Weg unproblematisch nach Damaskus gefahren werden – ein wegen der nicht vorhandenen Straßen nicht zu unterschätzender logistischer Vorteil.
Die Hauptstrecke wurde bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs zwischen Damaskus und Medina im heutigen Saudi-Arabien in Betrieb genommen. Eine weitere Strecke führte von der Hauptstrecke abzweigend nach Haifa.
Die Stammstrecke wird in ihrem in Syrien gelegenen Abschnitt befahren. Der historische Kopfbahnhof Damaskus-Kanawat aber wurde geschlossen. Auf seinem Gleisfeld entsteht ein Einkaufszentrum, in das auch ein unterirdischer Bahnhof integriert werden soll.[24]
Normalspurnetz
Die erste Eisenbahnstrecke in Normalspur entstand 1902 zwischen Aleppo und Midan Ekbas an der heutigen syrisch / türkischen Grenze. Eine Erweiterung folgte 1906 in Richtung Hama.
Im Übrigen ist das 2460 km lange Normalspurnetz – mit Ausnahme des kurzen Abschnitts der Bagdadbahn ganz im Osten des Landes – verhältnismäßig neu. Das Netz entstand weitestgehend erst nach 1970 und wurde zunächst mit sowjetischer Hilfe umgesetzt.
- Die 750 km lange Strecke vom Hafen Latakia über Aleppo zu den Ölfeldern bei Kamechli im Nordosten wurde in Etappen zwischen 1974 und 1978 in Betrieb genommen.
- Dem Phosphattransport – das Abbaugebiet liegt in der Wüste rund um Palmyra – nach dem Hafen Tartus dient die 1980 eröffnete Strecke über Homs.
- Durch eine Zweigstrecke wurde 1983 auch die Hauptstadt Damaskus an das Normalspurnetz angeschlossen.
- Die 80 km lange Lücke am Mittelmeer zwischen Latakia und Tartus wurde 1992 geschlossen.
- Von Deir Ezzor sollte ab 1981 eine 150 km lange Strecke nach Abou Kemal und weiter Richtung Bagdad gebaut werden. Aus politischen Gründen stellte Syrien im Folgejahr die Arbeiten wieder ein, nahm sie aber jetzt wieder auf.
Projekte
- Die 203 km lange Linie von Deir Ezzor nach Palmyra existiert momentan nur auf dem Reißbrett.
- Parallel zur Hedschasbahn sollte ab 1996 eine für 160 km/h trassierte Strecke nach Dera’a und weiter nach Jordanien entstehen. Bis heute konnte Jordanien sich aber nicht zu einer Bauzusage entschließen.
- Ebenfalls noch Zukunftsmusik ist ein neuer unterirdischer Hauptbahnhof in Damaskus. Im Vorgriff darauf wurde der Kopfbahnhof Damaskus-Kanawat geschlossen.
Betrieb
Die Eisenbahnlinien Syriens sind eingleisig und nicht elektrifiziert.
Das Regelspurnetz wird durch die CFS, die syrische Eisenbahngesellschaft (Chemins de Fer Syriens), betrieben, das Schmalspurnetz durch die Al-Hijas (Hedschas-)Bahngesellschaft. Betrieben wird vom Schmalspurnetz heute noch die Strecke Damaskus – Amman / Jordanien und von hier abzweigend die Strecke Dar’a – Muzeirib.
Iran liefert Güterwagen in großer Stückzahl.
Lokomotiven und Triebwagen
Von den vierachsigen französischen B&L-Loks der Reihe LDE 650 abgesehen, besteht der normalspurige CFS-Diesellokpark nur aus sechsachsigen dieselelektrischen Maschinen. Die Reihen LDE 1200 (Baujahr 1972) und LDE 2800 (1974 bzw. 1984) stammen aus der Sowjetunion, die Reihe LDE 1800 (1976) von General Electric und die Reihe LDE 1500 von ČKD. Ab 1999 wurde der überalterte Lokbestand durch die Lieferung von 30 französischen Alstom-Loks („Prima“) verjüngt. Nach der Jahrtausendwende begann die CFS mit einem Modernisierungsprogramm für die Reihe LDE 2800, die mit General-Electric-Motoren ausgerüstet wird.
Für den Verkehr zwischen Damaskus und Aleppo wurden 2006 fünf fünfteilige Triebwagen für eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h aus koreanischer Produktion geliefert.[25]
Personenverkehr
Infolge des starken Konkurrenzdrucks von der Straße ist das Reisezugangebot der CFS gering. Täglich verkehren zwischen 16 und 20 Reisezüge auf einem Teilnetz. Die Fahrgastzahlen tendieren aber aufwärts. Es gibt internationale Verbindungen nach Jordanien, in die Türkei und den Iran. Der zweimal wöchentliche verkehrende Reisezug Damaskus – Amman ist das einzige reguläre Angebot der beiden Bahnen im Personenverkehr, wobei der Zuglauf an der Grenze in Dar’a gebrochen wird, damit die Fahrzeuge noch am selben Tag zum Ausgangsbahnhof zurückkehren können.
Der größte Teil der Reisezugwagen stammt aus der früheren DDR, ein kleinerer aus Rumänien. Der Wagenpark wird nach und nach bei Wagon Pars im Iran modernisiert.[26]
Flugverkehr
Syrien besitzt drei internationale Flughäfen, Damascus, Aleppo und Latakia, die auch von internationalen Fluggesellschaften angeflogen werden, sowie drei weitere nationale Flughäfen, Dair az-Zaur, al-Qamischli und Palmyra. Die syrische Fluggesellschaft Syrian Arab Airlines fliegt nationale und internationale Ziele in Europa, Afrika und Asien an.
Kultur
„Von Kulturkontakten sprechen wir, seit wir menschliche Lebensformen miteinander vergleichen. In der Vormoderne hielt man sich stattdessen an die Unterscheidung von Menschen und Barbaren. Menschen waren die eigenen Leute. Und Barbaren waren alle anderen, und zwar deswegen, weil es ihnen an der Kultivierung mangelte, die man bei den eigenen Leuten beobachten konnte.“
Kulturdifferenz darf nicht verstanden werden als eine Diffe-renz, welche sich entlang oder zwischen Nationen ergibt. Es finden sich ebenso innerhalb einer Nation Differenzen, welche sich beispielsweise zwischen Schichten oder Subkulturen ergeben, zwischen Ausgegrenzten oder Marginalisierten, und so weiter. An dieser Stelle soll der Frage nachgegangen werden, wozu die Formulierung von Kulturdifferenzen dient oder genutzt wird. Dazu wird ein Rekurs auf kulturelle Identität unerlässlich. Im Anschluss daran, werde ich kulturelle Differenzen entlang der Linien Globalisierung | Modernität diskutieren. Der hier vorgestellte Horizont bezieht sich dabei auf Europa und den Vorderen Orient.
Kulturelle Identität „Die Technik des kulturellen Vergleichs ist paradox gebaut, denn sie beruht auf einer Identifizierung, die eine Differenz voraussetzt und daher das in der Identifizierung Ausgeschlossene in das Identifizierte mit einschließt.“ Insofern lässt sich Kultur vergleichen mit menschlichem Abwehrverhalten. Um eine Differenz zu begründen, benötigt es die Unterstellung einer Binarität unter Verkennung des Eigenen, welches sich in dieser verborgen hält. In binären Systemen zu denken knüpft an die aristotelische Logik des Entweder - Oder. Auf dieser Logik beruht unser Wissenschaftssystem. Die Setzung eines Entweder – Oder bezogen auf kulturelle Differenzen impliziert eine Denkweise, die einem, wie auch immer definierten, „Wir“ ein „Ihr“ gegenüber stellt und markiert damit eine Grenzziehung, einen Ausschluss. Der Umgang mit kultureller Differenz weist auf jeweils subjektive Haltungen oder kollektive Wahrnehmungsmuster wie Eurozentrismus oder Exotismus . Dem Eurozentrismus unterliegt eine Annahme, welche die Vor-stellungen und Grundlagen des europäischen Denkens und der daraus entwickelten Werte und Normen als allgemeingültig setzt. Wir finden die Umsetzung solcher Ideen heute zum Beispiel in der Vorstellung, in arabischen Ländern Demokratien nach westlichem Vorbild zu installieren, wie gerade im Irak oder in Afghanistan. Ein anderes, komplizierteres Beispiel ist der Vergleich Israel – Irak. Der blinde Fleck, der sich aus westlichem Denken dabei ergibt, gilt Israel. Ohne hier die darunter verborgenen, darin maskierten Schuldgefühle diskutieren zu wollen. Der Vergleich der Verletzung von UN-Resolutionen mag das verdeutlichen: „Wenn der Irak eine UN-Resolution nicht anwendet, wird er sofort bestraft und zerstört, doch Israel widersetzt sich allen UN-Resolutionen, die es betreffen, und bleibt straffrei, da es protegiert wird.“ Die hier vorzufindende Doppelmoral ist ein gutes Beispiel für die jeweilige Verwobenheit in kultureller Identität. Aus der europäischen Geschichte heraus entsteht die Verpflichtung den Staat Israel zu unterstützen. Aus der arabischen Wahrnehmung heraus ist und bleibt Israel ein massiver Störfaktor auf arabischem Boden. Im Exotismus wird ausdrücklich die positive Erfahrung in der Fremde gesucht. Das Fremde erfährt hier eine Verklärung, welche die eigentliche Lebensrealität der Menschen verfehlt und mehr über die eigene Person, deren Wünsche und Sehnsüchte, zum Ausdruck bringt, als über das gegenüber. Beide Bewegungen finden sich in der europäischen Wahrnehmungsweise dem Orient gegenüber. Betrachtet man die Literatur von Märchen aus 1001 Nacht über Flaubert und Goethe, zeichnet sich ein romantisches Bild des Orients. Es ist sinnlich aufgeladen und spricht mit lasziven Harmesbildern sexuelle Phantasien an. „Ob der Fremde exotisierend als göttlich oder xenophobisch als teuflisch betrachtet wird, hängt zuerst einmal von den Machtverhältnissen ab. Die exotisierende Betrachtung verweist auf die Überschätzung der eigenen Position: Weil die Azteken sich sicher glaubten, erlaubten sie sich zu denken, die Spanier seien Götter. Die Europäer hingegen hatten Angst und waren sich unsicher, ob ihr Abenteuer gut enden würde oder nicht: Ihre Xenophobie brachte ihnen allerdings den erträumten Erfolg und verankerte eine xenophobische Grundstimmung im Verhältnis der Europäer zu anderen Kulturen.“
Sowohl Edward Said, als auch Homi Bhabha teilen die Annahme, dass es die Kultur an sich nicht gibt, sondern eine Konstruktion seines Betrachters ist. So weist Said in seinem Buch „Orientalismus“ – ohne diesen Begriff zu erklären, wodurch somit ein Raum entsteht, der sich aus den von Said herangezogenen Fragmenten füllt - nach, wie der Orient als Vorstellung und Projektionsort der Kolonialmächte entstand. Dadurch wie über den Orient geredet wird, wie er in einer bestimmten Weise beschrieben wird, wird der Orient zum Orient. „Orientalism, is not an airy European fantasy about the Orient, but a created body of theory and practice in which, for many generations, there has been a considerable material investment.” Diese Betrachtung diente dazu, die eigene Identität durch diese Abgrenzung zu definieren. Said fokussiert auf oben erwähnte binäre Denkstrukturen, die in: wir – sie | Europa – Orient unterscheiden. „Orientalism eröffnet nicht nur eine neue Art der Studien über den Orient, sondern über die Andersheit, also über die Hybridität, und zeigt, wie die Repräsentation des Orients bzw. des Anderen in unterschiedlichen Diskurssystemen, z. B. im System literarischer Texte, dazu beiträgt, dass die Dichotomie zwischen den Kolonisierten und Europa – zentral bei der Bildung der europäischen Kultur und Identität sowie für die Sicherung und Ausbreitung der europäischen Hegemonie – permeabel bzw. überwundern wird.“ Wenn Kultur nicht an sich gegeben ist, sondern sich je nach Standpunkt des Betrachters anders darstellt, sagt die dabei unterstellt Konstruktion einer Kultur mehr über den Beschreibenden aus, als über die Kultur selbst. „Mit der westlichen Repräsentationsautorität, die Edward Said als einen Grundzug des Orientalismus aufgezeigt hat, konnte Europa zum Zweck der eigenen Selbstprofilierung über Jahrhunderte hinweg die Darstellungskompetenz über den Orient als Gegenwelt beanspruchen und diesem damit die Fähigkeit zu eigener Artikulation absprechen.“ Wie im vorangegangenen Kapitel ausgeführt, wendet sich der postkoloniale Diskurs gegen die Binarität der Wahrnehmung: „Der postkoloniale Diskurs entlarvt den kolonialen und dessen Wissen als brüchig und unlegitimiert, zeigt ihn als einen Diskurs über die Art der Konstruktion von Diskursen über den Anderen, wie das `Wir´ sich selbst durch die Stigmatisierung des Anderen als den irrationalen Fremden als rational definiert; der postkoloniale Diskurs bringt diese sich selbst legitimierenden und hegemonisch agierenden kolonialen Metadiskurse zu Fall.“
Arabische Identität Die kulturelle Identität der arabischen Länder ist geprägt durch die Kolonialzeit und dem frühzeitigen Ende der Nahda. Um die kulturelle Identität für die arabischen Länder etwas anschaulicher begreiflich zu machen, greife ich auf Samir Kassir zurück. Kassir war, bis er im Juni 2005 durch eine Autobombe ums Leben kam, einer der prominentesten Journalisten des Libanons. Er gehörte zu den wenigen Intellektuellen, die sich im Libanon gegen die Vorherrschaft Syriens wendeten. Das arabische Unglück ist sein letztes Buch, in dem er sich mit den Folgen, die er im Scheitern der Moderne begründet sieht, auseinander setzt. „Das existentielle Unbehagen ist die in der arabischen Welt am weitesten verbreitete Erscheinung.“ , schreibt Kassir in seinem Vorwort. Seiner Meinung nach ist die arabische Region weltweit die Region, die seiner Bevölkerung am wenigsten Entwicklungschancen biete. In seiner Zustandsbeschreibung greift er nicht auf den großen historischen Rückblick zurück. Er fokussiert auf die Frage warum die kulturelle Wiedergeburt im 19. Jahrhundert, im arabischen allgemein Nahda genannt, die, in ihrer Folge viele arabische Gesellschaften in Einklang mit der Moderne brachte, in der heutigen Stagnation endete. „Einige Zahlen würden genügen, um zu veranschaulichen, wie ausweglos die Sackgasse ist, in der die arabischen Gesellschaften blockiert sind: Analphabetenrate, Unterschiede zwischen den Reichsten, die unermesslich reich sind, und den Ärmsten, die verzweifelt arm sind, Überbevölkerung der Städte, Verödung in der Provinz…“ Doch neben diesen aufzeigbaren und zählbaren Fakten geht es Kassir vor allem um die Wahrnehmungen und Gefühle, die diesen Zustand begleiten. Nämlich das weit verbreitete und tief verwurzelte Gefühl, dass die Zukunft versperrt sei. „Man muss einmal seine Ängste den Gewissheiten des Anderen – seinen Gewissheiten über uns – gegenüberstellen, damit man beurteilen kann, wie lähmend ein solcher Blick wirkt.“ Dazu schreibt der Psychologe Peter Conzen: „Chronische Diskriminierungen auf-grund der eigenen Hautfarbe, Herkunft oder sexuellen Orientierung, Langzeitarbeitslosigkeit oder das Gefühl Weltbürger zweiter Klasse zu sein, lassen auch ausgeglichene Menschen für radikale Parolen anfällig werden.“ Nach einer kurzen und prägnanten Ist-Beschreibung der arabi-schen Staaten folgert Kassir: „Wenn das Fehlen der Demokratie kein spezifisches arabisches Übels ist, bleibt doch die arabische Welt das einzige Regionalsystem, in dem praktisch alle Länder unter diesem Mangel leiden, sodass die eigentliche Diktatur, selbst wenn sie auf zwei oder drei Länder beschränkt bleibt – gestern den Irak und noch immer Syrien und Libyen -, alles Übrige prägt, die Pseudodemokratien relativiert und die Freiheiten nach unten nivelliert. Und das gilt umso mehr, als die Staatsbürger nirgendwo eine Immunität errungen haben, die ausreicht, um einen demokratischen Wandel anzuregen. Man würde sich jedoch irren, wenn man die Krise der Zivilgesellschaft einer besonderen kulturellen Anfälligkeit zuschreibt. Stattdessen ist sie zunächst einmal die Folge einer anderen Krise, der des Staates.“ Ein weiterer wichtiger Punkt in Kassirs Argumentation der Staatskrise ist deren Souveränitätsverzicht, wenn es um die Weltordnung geht. Dadurch, dass die arabischen Staaten ihre Staatsbürger eher als Untertanen ansehen, was sich in der eingeschränkten Meinungsfreiheit äußere und darin, dass für das politische Kräftespiel wichtige Gruppierungen, die in anderen Staaten aus der Zivilgesellschaft hervorgehen, systematisch unterdrückt werden, begünstige somit die Reproduktion einer ausländischen Vorherrschaft. Denn durch das Verbot jeglicher Bürgerinitiative, verweigere der Staat seinen Bürger das nötige Gefühl jeglicher innerstaatlicher Immunität. „Diese Bedrohung, ob sie nun von Israel oder den Vereinigten Staaten ausgeht, dient als Vorwand für einen ständigen Ausnahmezustand, der sich über die geltenden Gesetze hinweg setzt, den politischen Handlungsspielraum beseitigt und dessen Regulierungsinstrumente, vor allem die Parteien und Verbände abschafft.“ Als beunruhigendes Symptom der Staatskrise benennt Kassir den Zustand, dass die staatlichen Institutionen bei der Bevölkerung wenig Ansehen genießen. Zusammen mit dem Fehl politischer Freiheit und Meinungsäußerung erklärt er so das arabische Ohnmachtsgefühl, was in seiner Argumentation das Vordringen des politischen Islam erklärt. Und zwar als Folge und Reaktion auf die Unzulänglichkeit der eigenen Staatsordnung und nicht als Kritik und Abwehrhaltung gegenüber der Kultur des Modernismus. Heißt: der Aufschwung des politische Islam ergibt sich aus dem Demokratiedefizit, ist aber nicht in der Lage etwas an dem bestehenden Ohnmachtsgefühl zu verändern. Kassir bedauert, dass aus heutiger Sicht die Zeit der Nahda in Vergessenheit zu geraten scheint. Einer Zeit, in der man ein weitgehend optimistisches Gesamtbild der arabischen Welt entwerfen konnte. Dass diese Zeit anscheinend ergebnislos verpuffe, verstärke das anhaltende Ohnmachtsgefühl. Gegenwärtig zu sein scheine es nur noch bei einer Elite, die sich dem Geist der Aufklärung verbunden fühle. Kassir gemahnt der Erinnerungsarbeit, um eventuell an der Moderne, die die arabischen Länder auch erlebt haben, wieder anknüpfen zu können. Er sieht in der Nahda, sowohl in Inhalt, als auch in Ausdrucksform eine Tochter der europäischen Fortschrittsidee und Aufklärung. Und kritisiert, dass die nationalistische Teleologie dazu führe, die vielseitigen Aspekte die mit dieser Kulturrevolution einhergingen, auf den auch in dieser Zeit entstandenen Patriotismus und Nationalismus zu beschränken. Dadurch werden die Werte der Universalität, der Freiheit und der Unantastbarkeit der Menschenwürde marginalisiert, neben dem Vermächtnis der Nationalgedanken. „Die Nahda wäre also gescheitert, weil das Erwachen der arabischen Nation folgenlos geblieben sei. Oder noch abwertender: Sie verdiene es nicht, im Gedächtnis bewahrt zu werden, weil sie nicht zu politischen Ergebnissen geführt habe. Alles, womit sie sich auseinander gesetzt hat – der Fortschritt, das Individuum und sogar die Anpassung des Islam an die Moderne --, soll zusammen mit ihr der Vergessenheit anheim fallen.“ Der von Kassir beschriebene Begriff der Nahda umfasst zeitlich das 19. und 20. Jahrhundert, vor allem bis zum 1. Weltkrieg. Seines Erachtens endete diese Periode laizistischen, kulturweltlichen Denkens im Sommer 1982. Diese Moderne umfasst ebenso die Ideen- und Kulturgeschichte, wie auch die Mentalitäten und Lebensweisen. Laut Kassir gehört zum Verständnis der arabischen Nationen unbedingt ihre Geographie. Ein wesentliches Merkmal dabei ist, dass sich die Araber immer Europa gegenüber befinden. „Man muss nur daran erinnern, dass die arabische Welt der einzige Bestandteil des Kolonialsystems ist, der schon vor dem imperialistischen Zeitalter in Auseinandersetzungen mit Europa verwickelt war und in den Konflikten lange Zeit eine dominierende Rolle spielte. Allein schon diese Tatsache erklärt, dass die Europäer den Arabern gegenüber nur selten affektfrei urteilen, und ebenso nährt sie den Groll der Araber, weil sie nicht mehr das sind, was sie einmal waren.“ Der geographische Faktor spielt eine wichtige Rolle bei der Ausweitung des europäischen Handels. Sei es die Kontrolle über das Mittelmeer, die Kontrolle des sich eröffnenden Seeweges durch den Suezkanal, damit verbunden und wichtig für den Weg nach Indien, der Zugang zum Roten Meer, später die Kontrolle des Persischen Golfes. Die Interessen der Kolonialmächte liegen klar auf der Hand. „Selbstverständlich kann man diese ganze Geschichte der Fremdherrschaft ignorieren und behaupten, dass die Araber für den Westen, der ihnen als Modernisierer entgegentrete, nur Ablehnung übrig haben, da sie unfähig seien, die sich daraus für sie ergebenden Vorteile zu erkennen. Damit würde man nicht nur die umfangreiche Akkulturation übersehen, die sich anderthalb Jahrhunderte lang vollzogen hat, vielmehr verschließt man sich mit einer solchen Annahme auch der Einsicht, welches Hemmnis es für die Araber bedeutete, dass sie sich vor den Kolonialmächten in Acht zu nehmen hatten und danach, als sich die Kolonialherrschaft durchgesetzt hatte, den Befreiungskampf gegen sie führen mussten.“ Doch damit ist es nicht zu Ende. Nach der Kolonialzeit erleben die Araber, dass in ihrer Mitte ein fremder Staat gegründet wird. Das ist für sie eine Katastrophe, nicht nur weil der arabische Charakter Palästinas damit in Frage gestellt ist und die Bevölkerung zu Flüchtlingen gemacht wird, sondern weil dadurch die menschliche, kulturelle und politische Kontinuität der Region in Frage steht. Und weil es verdeutlicht, dass die Fremdherrschaft kein Ende gefunden hat. In dieser andauernden Fremdherrschaft verdeutlich sich das Ungleichgewicht ihres Kräfteverhältnisses. „Das Ausmaß der Nakba verhindert nicht, dass es zu heftigen Gegenbewegungen kommt. Sie äußern sich zunächst in Militärputsche, die – außer im Libanon – den liberalen Parlamentarismus beseitigen und, während sie das Kräfteungleichgewicht gegenüber Israel nicht überwinden können, die Gesellschaften bald einer Gefängnisordnung unterwerfen.“ Doch wenn man angesichts dieses arabischen Unglücks die Hoffnung aufgebe, daran zu glauben, dass die Araber aus dieser Sackgasse nicht mehr herausfinden, dann negiert man den Gedanken an eine Wiedergeburt und verschlimmert das Gefühl der Ausweglosigkeit. Diesen Zustand wiederum macht sich der dschihadistische Islamismus zu Eigen. Er entfaltet seine mitreißende Wirkung, weil er einen Ausweg aus der Opferrolle zu bieten scheint. Kassir sieht in der Opferideologie den Preis für die Niederlage einer weltoffenen Haltung, die mit von der Idee gespeist wird, dass die Araber das vorrangige Angriffsziel des Westens seien. „In ideologischer Hinsicht geht es um den Zusammenschluss der verknöcherten Reste des arabischen Na-tionalismus, die, weil sie verknöchert sind, sich von ihren ursprünglichen universalistischen Inspirationsquellen losge-sagt haben, und jenes islamischen Nationalismus, der sich hingegen von jeder weltoffenen Haltung ausdrücklich abgrenzt, ja sie sogar ersetzen will.“ Kassir schließt mit dem Appell an das Umdenken. Auf der arabischen Seite den Opferstatus zu relativieren, und damit einhergehend anzuerkennen, dass das 20. Jahrhundert neben allem anderen, den Arabern auch so viele Errungenschaften gebracht habe, dass sie am weltweiten Fortschritt teilnehmen könnten. „Vielleicht muss man hier klarstellen, dass Überlegenheitsdenken nicht nur eine weiße Eigenschaft ist: Wenn sich bestimmte Angehörige islamischer Gesellschaften aus einer Abwehrhaltung heraus dem radikalen Islamismus anschließen, dass heißt, weil sie sich bedroht fühlen, so gibt sich die Rhetorik der Kriegsherren dieses radikalen Islamismus offensiv, und ihr aggressiver Bekehrungseifer wird mit der Herabsetzung der dekadenten Zivilisation des Anderen gerechtfertigt.“ Für beide Seiten, also die Araber und die Europäer appelliert Kassir daran, sich mit Widerstand und Terrorismus auseinander zusetzen und beides nicht zu verwechseln. Einschub Conzen „Aus psychoanalytischer Sicht verbergen sich hinter fanati-schen Identitätsverengungen oft Existenzängste, Selbstwert- und Intimitätsprobleme.“ Das Unwohlsein in arabischen Ländern, welches Kassir be-schreibt, greift Heinsohn unter einem anderen Aspekt auf: seiner youth bulge-These. In seinem Buch „Söhne und Weltmacht“ fokussiert er auf den Zusammenhang zwischen Kinderreichtum und nationalen Unterschieden im Umgang mit Kriegssituationen. Man stelle sich das vor, 4.geborener Sohn zu sein. Welchen Platz will man versuchen sich in der Gesellschaft zu erobern? An dieser Stelle geht es eher um das Gefühl „über zu sein“. „Diese Zweit- bis Viertgeborenen sind passabel ernährt und gebildet. Soweit sie nicht auswandern können, werden die ihre Heimatländer destabilisieren, da ihrem Ehrgeiz dort kein angemessener Status winkt.“ Seine Analyse soll keine umfassende Erklärung bieten, aber hinweisen auf mögliche Konfliktlagen, die nicht ignoriert werden sollten. „Wo nun zwei oder mehr Söhne in den Familien um Zuwendung konkurrieren, gibt es nicht nur Reibereien, sondern auch eine wachsende Bereitschaft, die jungen Männer risikoreich einzusetzen – nicht nur, um ihnen ein Auskommen zu ermöglichen, sondern auch, um den sozialen Frieden zu erhalten. Eine Nation mit youth bulge (überdurchschnittlich hoher Anteil an Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren) entwickelt also ein ganz anderes Temperament als eine in absoluten Zahlen viel größere Nation, die ohne interne Probleme mit überzähligen Söhnen lebt oder bereits mit einem Sohnesmangel konfrontiert ist.“ In tabellarischen Auflistungen führt er aus, wie Bürgerkriege, Genozide und Terror mit diesen youth bulges Staaten korrelieren
„Das aktuell qualitativ beeindruckendste Beispiel für youth bulges liefern die islamisch geprägten Länder, die in nur fünf Generationen (1900 – 2000) von 150 auf 1200 Millionen Menschen zugenommen haben und immer noch – neben einigen schwarzafrikanischen Nationen – das Siegesbanner der Fortpflanzung tragen.“
In seinem Buch „Die Krise des modernen Islam“ fokussiert Bassam Tibi auf das kulturelle Bewusstsein der Menschen der so genannten dritten Welt. Die kulturelle Identität des Westens, welche sich mit fortschreitender Globalisierung immer weiter ausdehnt, geht für diese Menschen nicht auf. Die Gegenbewegung dazu, diesem überbordendem Fremden etwas Eigenes gegenüber zu stellen, führt zu Erscheinungen wie die der Re-Islamisierung und ist somit als Suche nach eigener Identität zu betrachten. Für die betroffenen, außerhalb Europas lebenden Völker, bedeutet es ein Form von Gewalt von Europa kulturell infiltriert zu werden, was oft mit der gewaltsamen Auflösung ihrer Lebenskultur einhergeht. Um dieses Verhältnis zu beschreiben benutzt Tibi den Begriff der Akkulturation: „Der Begriff umschreibt die Ausdehnung der westlich-europäischen Kultur auf die gesamte Welt und die Überlagerung der nicht-europäischen Kulturen. Diese superiore Kultur ist industriell und technisch-wissenschaftlich begründet, während die beherrschten außerokzidentalen Kulturen vorindustriell sind.“ „In diesem übergeordneten weltgesellschaftlichen Rahmen er-scheint der moderne Islam als eine vorindustrielle Kultur, die der dominierenden technisch-wissenschaftlichen Kultur untergeordnet ist. Die Re-Politisierung des Islams interpretiere ich in diesem Kontext als Gegenakkulturation.“ Weiter widmet sich Tibi der Unterschiedlichkeit von Subjektivitätspositionierungen. Er kritisiert die Idee von Subjektivität, welche bei der Begründung von Menschenrechten zugrunde gelegt wurde. Dort wird der Mensch als autonomes Subjekt aufgefasst, welches selbst bestimmt sein Leben angeht. Das trifft aber nicht auf alle Subjektpositionierungen zu und widerspricht der religiösen Doktrin des Islam, welche den Menschen als Geschöpf Gottes proklamiert. Dieses Geschöpf Gottes hat vor allem Pflichten gegenüber der religiösen Gemeinschaft, verfügt aber nicht über individuelle Rechte.
Traditionalisierung | Moderne Wie schon eingangs erwähnt lässt sich auch die Unterscheidung zwischen Modernität und Traditionalität nicht entlang nationalstaatlicher Grenzen diskutieren. Eher verlaufen diese Entwicklungen innerhalb jeder Gesellschaft unterschiedlich ausgeformt. Die europäischen Gesellschaften zeichnen sich aus durch etwas, was Ulrich Beck mit Freisetzung umschreibt. Daraus ergibt sich ein Sich-Auflösen von Verbindlichkeiten, welche über lange Zeiten bestand hatten, das Leben rahmten und Vorgaben für einzelne Lebensentwürfe enthielt. Die Menschen wurden in dem Gesellschaftswandel innerhalb der Moderne aus den Sozialformen der industriellen Gesellschaft wie Klasse, Schicht, Familie, Geschlechtslage von Männern und Frauen, freigesetzt. Das hat zur Folge, dass die Menschen gezwungen sind, selber zum Zentrum ihrer eigenen Lebensplanung zu werden. „Die freigesetzten Individuen werden arbeitsmarktabhängig und damit bildungsabhängig, konsumabhängig, abhängig von sozialrechtlichen Regelungen und Versorgungen, von Verkehrsplanungen, Konsumangeboten, Möglichkeiten und Moden in der medizinischen, psychologischen und pädagogischen Beratung und Betreuung. Dies alles verweist auf die besondere Kontrollstruktur institutionenabhängiger Individuallagen, die auch offen werden für implizite politische Gestaltungen und Steuerun-gen.“ So entsteht in Europa die Durchsetzung einer Individualisierung (Pietschmann geht so weit von Atomisierung zu sprechen um die sich durchsetzende Vereinzelung besonders zu unterstreichen) einher mit einer Abhängigkeit von Institutionen und damit verbunden der Notwendigkeit sich permanent neu zu informieren und zu definieren. Über diese Bewegung wird jeder sozusagen zu seines eigenen Glückes Schmied. Dabei ist nicht zu übersehen, dass diese Durchsetzung einher geht mit ebensol-chen Verschärfungen von Ungleichheiten, welche allerdings nicht offen diskutiert werden, sondern als Einzelschicksale getarnt daherkommen. „Der einzelne wird zwar aus traditionalen Bindungen und Versorgungsbezügen herausgelöst, tauscht dafür aber die Zwänge des Arbeitsmarktes und der Konsumexistenz und der in ihnen enthaltenen Standardisierungen und Kontrollen ein.“ Damit erleben wir eine Krisenanfälligkeit der so entstandenen Individuallagen. Die Geschwindigkeit, mit der sich diese Entwicklung umgesetzt hat lässt die Vermutung nahe liegen, dass die Individuen dieser Veränderung noch nicht ganz gewachsen sind. Die entstehenden Problemlage sind als Individuallagen zu begreifen, nicht mehr als Klassenlagen. Damit einher geht der Verlust des Gefühls von Gemeinsamkeit des Schicksals. In der Konfrontation mit einer anderen Kultur, einer tradierten Kultur, liegen zwei mögliche Reaktionen nahe: die Gastkultur kann die Brüche, die im Heranwachsen in der Heimatkultur sich aufgetan haben, schließen, abschwächen. Die anderen Formen der kulturellen Entwicklung könnte andere Subjektpositionierungen zulassen, welche das Individuum aussöhnen mit den anderen Gegebenheiten des Herkunftslandes. Denkbar ist ebenso, dass nun, in der Gastkultur, all das, was in der Herkunftskultur nicht zu kritisieren war, in Projektion dort kritisiert bis gebrandmarkt wird. Diese letztere Bewegung war zu beobachten bei der Entdeckung Amerikas, wo es nahe lag, sich die Frage zu stellen, wovon gerade die Sprache war: einem neu entdeckten Kontinent, oder von Spanien. Erdheim sieht einen Zusammenhang zwischen der Anschauung einer fremden Kultur und der Art und Weise, wie die eigene Kultur intellektuell bewältigt werden kann: „Ob die Idee der Barbaren bzw. des edlen Wilden Inhalte des kollektiven Unbewussten sind, bleibe dahingestellt; sicher aber sind es leitende Ideen, mit deren Hilfe die Vielfalt der Informationen über die eigene und die fremde Kulturen in je verschieden strukturierte Zusammenhänge gebracht werden können.“ Das Ineinandergreifen von Moderne und Tradition ist in den westlichen Gesellschaften am ehesten durch den Blick auf Migranten zu verstehen. Der gängige Migrationsdiskurs hier zeigt schon was nicht ins Bild passt, wird nicht hinterfragt. Der monokulturelle Blick der Einheimischen weist den Migranten ihren Raum zu, ohne darin zu reflektieren, dass der Rückgriff auf tradierte Strukturen in einem fremden Land ebenso eine Antwort auf die dortigen Zuschreibungen, Ausgrenzungen und Widersprüche enthalten kann und somit eine Technik gegen die Assimilationszwänge darstellt. „Warum ist in den Köpfen der Einheimischen immer noch das Entweder-Oder präsent, die starre Gegenüberstellung von Tradition versus Moderne, obwohl in der Lebenswelt der Migranten sich längst vielerlei Mischformen durchgesetzt haben, aus denen ein eigenständig Neues erwächst?“ Das Durchbrechen dieses monokulturellen Blickes würde anders herum Gewissheiten in Frage stellen. Denn jeder, der nicht in seinem Heimatland lebt, hat mindestens zwei „Kulturen“ in sich. Zugespitzt findet sich der Umgang mit Migranten in der For-schung zu eben jenem Sachverhalt, in dem Blick des Sozialwissenschaftlers. „Die Grundraster des einheimischen Blicks werden aufgenommen und verdoppelt in der Axiomatik der sozialwissenschaftlichen Beobachterperspektive. So verfährt die amtliche Statistik auf der Grundlage von starren Gegensatzpaaren – „Inländer“ versus „Ausländer“ -, die der Dynamik der neuen Migrationsbewegungen und der im Zeitalter von Mobilität und Globalisierung entstehenden Mischverhältnisse, Zwischenkategorien, Mehrfachverbindungen immer weniger gerecht werden, ja diese verkennen und verfälschen.“
Bezogen auf arabische Länder steht der Umgang mit tradierten Lebensformen unter einem anderen Stern: „Die Äußerung kultu-reller Differenz macht die binäre Aufteilung in Vergangenheit und Gegenwart, Tradition und Moderne auf der Ebene der kulturellen Repräsentation und ihrer autoritativen Ausrichtung problematisch. Das Problem besteht darin, wie etwas, das die Gegenwart signifiziert, im Namen der Tradition wiederholt, neu verortet und übersetzt werden kann: in der Verkleidung eines Vergangenseins, das jedoch nicht notwendigerweise ein verlässliches Zeichen historischer Erinnerung ist, sondern in erster Linie eine Strategie der Repräsentation von Autorität, die sich des Artefakts des Archaischen bedient.“ Der Zivilisationsfortschritt der einzelnen Gesellschaften sollte nicht aus dem Blick verloren werden. Der Wechsel zwi-schen den Kulturen impliziert ein Ineinandergreifen ungleichzeitiger sozialer Entwicklungsstadien. Der Säkularisierungsprozess, welcher im Westen vollzogen ist, hat alle Lebensbereiche gestreift. Sei es der Umgang der Geschlechter untereinander, sei es die Erziehung, die Politik oder das Rechtswesen. Er führte zu gesellschaftlichen Umwälzung und zu Demokra-tisierungsprozessen, welche eine Neubewertung familiärer und gesellschaftlicher Autorität mit sich brachte. Ebenso ist, die uns heute so selbstverständlich gewordene Gedankenfreiheit diesem Prozess zu verdanken. Arabische Länder zeichnen sich aus durch ein Ineinandergreifen von Familie und Staat, was die Aufrechterhaltung der Systeme dient und es so schwer macht, Veränderungen durchzuführen. Dabei werden Erklärungsmuster aus vergangenen Zeiten bemüht. In Syrien haben wir es mit einer Gesellschaft zu tun, die von patriarchaler Autorität durchdrungen ist. Es ist eine Gesellschaft formal strenger Verhaltensregeln, welche in der Wahrung der Familienehre ihre Zuspitzung findet und Normen der Fremdüberwachung durch die Familie, dort besonders die männlichen Mitglieder mit sich bringt. Für die Töchter impliziert das vor allem früh vorgelebte Verhaltensstandards, welche auf die sexuelle Selbstkontrolle zielen. Die Beweglichkeit des Denkens ist dort nicht selbstverständlich.
Fazit: Die Auseinandersetzung mit kulturellen Identitäten ist wich-tig, um deren Entstehungsgeschichte nachvollziehen zu können. Diese Auseinandersetzung kann einer Erklärung ansonsten unverstandenen Verhaltens dienen. Dabei sollte jedoch immer bedacht sein, dass das was jemanden als Fremdes abstößt nur allzu vertraut daher kommt und auf den verdrängten Teil der eigenen tabuisierten Verhaltensweisen verweist. Um dieses Passungsgefüge beschreibbar zu machen wird auf kulturvergleichende Forschung zurückgegriffen. Hofstede unterscheidet dabei: - Individualismus | Kollektivismus – dient der Beschreibung der Einstellung des Einzelnen zu seinen Mitmenschen „Die von Kollektivisten als bedeutsam angesehenen Werte sind: Harmonie, Gesicht wahren, Verpflichtung gegenüber den Eltern und der Ingroup, Zurückhaltung und Sparsamkeit. Die zentralen Werte der Individualisten sind: Individuelle Freiheit, Unabhängigkeit, Mobilität und Anerkennung der selbständig erbrachten Einzelleistung.“ - Machtabstand – welcher die Unterschiede in der gesell-schaftlichen Hierarchie und den Umgang damit beschreibt - Unsicherheitsvermeidung – - Maskulinität | Femininität – soll die Unterscheidung der Geschlechterrollen in einer Gesellschaft beschreiben
Sich mit der Entwicklung kultureller Identität zu beschäfti-gen, sich zu bemühen hinein zu versetzen in fremde Entwick-lungslinien kann der Erklärung ansonsten unverstandenen Ver-haltens dienen. Erst durch das Durchbrechen der Denkstrukturen, öffnend von der unterstellten Binarität, hin zu dem Zulassen einer Viel-heit, würde die Konzeption des Anderen zu einer Andersheit und nicht um durch den Unterschied Ausschluss zu implizieren. Es geht um das prozesshafte Aushandeln von kulturellen Differenzen, unter der Einsicht, dass eben durch die Differenzierung die dem innewohnenden Elemente erneut heraufbeschworen werden.
Sport
- Siehe auch: Fußball in Syrien
Feiertage
Hauptartikel: Feiertage in Syrien
In Syrien gibt es sowohl staatliche als auch religiöse Feiertage.[27] Grundlage für die staatlichen Feiertage ist dabei, wie in mittlerweile fast allen arabischen Ländern, die christliche Zeitrechnung, für die islamischen Feiertage die Hidschra-Zeitrechnung nach dem Mondkalender. Da das Mondjahr elf Tage kürzer ist als das Sonnenjahr, „wandern“ die islamischen Feiertage jedes Jahr entsprechend „nach vorn“.
Bekannte Syrer
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Weblinks
Atlas: Syrien – geographische und historische Karten bei Wikimedia Commons
- Linkkatalog zum Thema Syrien bei curlie.org (ehemals DMOZ)
- Botschaft der Syrischen Arabischen Republik
- Deutsche Botschaft Damaskus
- Der Spiegel über das Verhältnis Syriens zum Terrorismus (20. April 2006)
- Der Deutschlandfunk über Syriens Abschied von der Planwirtschaft (3. September 2006)
- Deutsche Welle: Syrien Kompakt (9. Oktober 2009)
Einzelnachweise
- ↑ International Monetary Fund, World Economic Outlook Database, April 2008
- ↑ Adwan Shehab, Ahmet Karataş, Zuhair Amr, IbrahimM Mamkhair, Mustafa Sözen: The Distribution of Bats (Mammalia: Chiroptera) in Syria. Vertebrate Zoology, 57 (1) 2007, Seiten 103–132. (online)
- ↑ Eugen Wirth: Syrien, eine geographische Landeskunde. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1971, Karte 7
- ↑ Naval Intelligence Division (Hrsg.): Syria. B.R. 513 (Restricted). Geographical Handbook Series. April 1943. Archive Editions, Buckinghamshire 1987, S. 191
- ↑ Richard F. Nyrop, S. 51
- ↑ Syrien. World Gazetteer
- ↑ Richard F. Nyrop (Hrsg.): Syria, a country study. Foreign Area Studies. The American University, Washington D. C. 1979, S. 58
- ↑ Richard F. Nyrop, S. 60
- ↑ Erziehung und Wissenschaft in Syrien
- ↑ Grundlinien der Kulturpolitik
- ↑ Statistics by Diocese by Catholic Population.
- ↑ Richard F. Nyrop, S. 60 f
- ↑ Syrien: Präsident besucht erstmals Patriarchen. Radio Vatikan vom 30. Dezember 2006
- ↑ Verfassung Syriens vom 13. März 2003 http://www.servat.unibe.ch/law/icl/sy00000_.html
- ↑ Vorb. zu Art.13ff. EG in Staudinger, Kommentar zum BGB
- ↑ Syrien (Staat) - Staat und Gesellschaft auf lexikon.meyers.de (Seite nicht mehr abrufbar)
- ↑ Meldung der Tagesschau vom 28. Oktober 2007
- ↑ http://www.tagesschau.de/ausland/syrien2.html
- ↑ a b IAEO findet verdächtige Uranspuren in Syrien auf www.tagesschau.de Abgerufen am 2. Oktober 2009
- ↑ Berliner Morgenpost: Israel und Syrien wollen Frieden schließen vom 22. Mai 2008.
- ↑ Türkische Vermittlungen zwischen Syrien und Israel
- ↑ Country Profile: Syria. Library of Congress, April 2005
- ↑ The World Factbook. CIA
- ↑ Dieter Noll (Hrsg.): Die Hedschas-Bahn. Eine Deutsche Eisenbahn in der Wüste. Werl 1995. ISBN 3-921700-68-X
- ↑ Eisenbahningenieur 10/2006, S. 70
- ↑ Deutsche Gesellschaft für Eisenbahngeschichte: Syrien : Mit Dampf und Diesel vom Jarmuktal nach Palmyra
- ↑ Embassy Holidays. Embassy of the United States, Damascus und Interreligiöser Feiertagskalender 2003. Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen ACK
Koordinaten: 35° N, 39° O





