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Andreas Maislinger

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Beate Klarsfeld, Andreas Maislinger und Altösterreicher Jean Serog in Paris (2008)

Andreas Maislinger (* 26. Februar 1955 in St. Georgen bei Salzburg) ist ein österreichischer Historiker und Politikwissenschaftler. 1992 gründete er den Gedenkdienst.

Herkunft und Jugend

Landgasthaus Auwirt

Andreas Maislinger stammt aus einfachen Verhältnissen. Seine Mutter Franziska Maislinger (1918-2005)[1] führte mit ihrer Schwester Hildegard das Landgasthaus Auwirt und sein Vater Andreas Maislinger (1918-2007)[2] arbeitete im benachbarten Sägewerk Ratkowitsch in Sankt Pantaleon. Sein Nachbar war der Schriftsteller Georg Rendl[3]. In der Hauptschule Ostermiething war Karlheinz Schönswetter bereits Ende der 60er Jahre sein unkonventioneller und anregender Lehrer. Im Musisch-pädagogischen Bundesrealgymnasium Salzburg las er angeregt durch seinen in England und den USA ausgebildeten Deutschlehrer Herbert Hofer Die Ermittlung von Peter Weiss und maturierte über die Todesfuge von Paul Celan.

Studium und Engagement

ASF-Freiwilliger in Polen (1981)

Andreas Maislinger studierte Rechts- und Politikwissenschaft in Salzburg, sowie Politikwissenschaft und Geschichte in Wien mit Studienaufenthalten unter anderem in Frankfurt am Main, an der FU Berlin, der Universität Innsbruck und dem Salzburg Seminar. Während seines Studiums in Salzburg war er Mitglied der Österreichischen Studentenunion und engagierte sich für ausländische Studenten in der Österreichischen Hochschülerschaft und versuchte eine österreichische Beteiligung an der Internationalen Jugendbegegnungstätte Auschwitz zu erreichen. Bundespräsident Rudolf Kirchschläger hatte dies jedoch mit der Begründung "ein Österreicher hat in Auschwitz nichts zu sühnen" abgelehnt. Später anerkannte Kirchschläger "das positive Ergebnis" des von Maislinger "durchgesetzten Gedenkdienstes"[4]. 1980 promovierte er bei Anton Pelinka zum Dr. phil. mit einer Dissertation über Probleme der österreichischen Verteidigungspolitik. Im Folgenden war er mit Joachim Schlör Freiwilliger im von Volker von Törne und Christoph Heubner geleiteten Polenreferat der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste tätig. [5] Im Museum Auschwitz-Birkenau betreute er deutsche Jugendgruppen. Der Auschwitz-Überlebende Jerzy Adam Brandhuber war während dieser Zeit sein Vertrauter und Tadeusz Szymanski sein Lehrer. Hermann Langbein klärte ihn über den Antisemitismus von ZBoWiD in Polen auf.[6] Auf Anregung von Jan Parcer rief er in Österreich zur Unterstützung des Baus der Maximilian Kolbe Kirche in Oswiecim auf.[7]

Anschließend leistete Maislinger seinen Zivildienst beim Internationalen Versöhnungsbund in Wien und arbeitete mit dem Service Civil International (SCI) zusammen. In Wien gehörten Viktor Matejka, Albert Massiczek und Ernst Schwarcz zu seinen engsten Freunden. In der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Friedensinitiativen Österreichs war er mit Georg Breuer, Reinhard Farkas und Gerhard Jordan vor allem für den Dialog mit Friedensgruppen in Osteuropa engagiert.

Andreas Maislinger im Club 2

Von 1982 bis 1991 war Maislinger am Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck, an der University of New Orleans, an der Humboldt-Universität zu Berlin, an der Johannes Kepler Universität Linz und an der Hebräischen Universität Jerusalem tätig. Zu seinen Studenten gehörten Armin Wolf und Gerhard Mangott. 1986 war er Gründungsmitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft Tirol und 1988 im Auftrag der Internationalen Helsinki-Föderation für Menschenrechte in der DDR. Dieser und frühere DDR-Aufenthalte Maislingers wurden von der Stasi beobachtet. Mit Bischof Kurt Scharf setzte er sich erfolgreich für die Freilassung politischer Häftlinge in der DDR ein. Die von Maislinger erstmals 1984 organisierte Fahrt zum Museum Auschwitz-Birkenau wird von der Gesellschaft für politische Aufklärung bis heute angeboten. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Maislinger vor allem durch seine Auftritte im Club 2 bekannt.

Andreas Maislinger mit Gerhard Skiba und Gedenkdienern

Seit 1992 ist Maislinger der wissenschaftliche Leiter der jährlich stattfindenden Braunauer Zeitgeschichte-Tage in Braunau am Inn. Bürgermeister Gerhard Skiba hatte diese von Maislinger vorgeschlagene Tagung ermöglicht. Ihm ist es dabei von Anfang an gelungen Themen zu behandeln und Personen einzuladen, die erst Jahre später in Österreich breitere Beachtung fanden. Der Wehrmachtsdeserteur Ludwig Baumann und der Fälscher Adolf Burger sind nur zwei Beispiele.

Die Würdigung der österreichischen Gerechten neben dem Mahnstein und vor dem Geburtshaus 2002 soll 2011 durch eine ständige von A Letter To The Stars erstellte Gerechten-Ausstellung fortgesetzt werden.

Österreichischer Gedenkdienst

Gerechter Paweł Roszkowski neben Andreas Maislinger (links)

Maislinger ist der Gründer des österreichischen Gedenkdienstes. Er setzte sich mehr als ein Jahrzehnt[8] für die gesetzliche Verankerung dieser Art des Militärersatzdienstes ein, der die Aufklärung über den Holocaust zum Ziel hat[9]. Unterstützt wurde er dabei vor allem von Simon Wiesenthal, Teddy Kollek[10], Ari Rath, Herbert Rosenkranz, Gerhard Röthler und Karl Pfeifer. Am 10. Oktober 1980 hatte er die Möglichkeit in der von Dolores Bauer geleiteten ORF-Sendung "Kreuzverhör" seinen "Zivildienst in Auschwitz" vorzustellen. Einer der Söhne Röthlers hat später Gedenkdienst geleistet und Pfeifer veröffentlichte ein Interview in der IKG-Zeitschrift "Die GEMEINDE".[11] Als Vorsitzende des Vereins Gedenkdienst wurden er und Andreas Hörtnagl allerdings 1997 abgewählt [12] und so gründeten sie, nach einer längeren Auseinandersetzung mit dem neuen Vorstand des Vereins Gedenkdienst, gemeinsam mit Michael Prochazka den Verein Österreichischer Auslandsdienst.[13]

Weitere Projekte

Bis 1996 veröffentlichte Andreas Maislinger Kolumnen in der Jüdischen Rundschau[14] und in der Innsbrucker Zeitung tip. Zu dieser Zeit organisierte er auch Sommerakademien für hochbegabte Kinder und sprach darüber bei Barbara Karlich, Barbara Stöckl und im ORF-Magazin Report. Nach der FPÖ-Regierungsbeteiligung im Jahr 2000 schlug Maislinger der Stadt Braunau am Inn vor, im Geburtshaus von Adolf Hitler ein Haus der Verantwortung einzurichten.

Seit 2003 leitet er das von ihm begründete Georg Rendl Symposion, das sich mit Leben und Werk des Malers und Schriftstellers Georg Rendl befasst, dessen Bekanntschaft Maislinger schon als Kind in St. Georgen gemacht hatte. Bereits in den 80er-Jahren beschäftige er sich mit dem ehemaligen „Arbeitserziehungslager“ und „Zigeunersammellager“ Weyer in der Nachbargemeinde Sankt Pantaleon. Ludwig Laher griff den Stoff auf und veröffentlichte 2001 den Roman „Herzfleischentartung“.

Ab 2006 leitet Maislinger das zweijährlich in Bürmoos bei Salzburg stattfindende Ignaz-Glaser-Symposion zum Thema Integration. Im August 2006 verlegte Gunter Demnig auf Einladung Maislingers im Bezirk Braunau am Inn 13 Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus. Bereits am 19. Juli 1997 wurden zwei Stolpersteine für die hingerichteten Zeugen Jehovas Johann Nobis und Matthias Nobis in Maislingers Heimatgemeinde verlegt. [15]

AHMA-Verleihung in Paris (2008)

Weiters stiftete Andreas Maislinger 2006 den Austrian Holocaust Memorial Award (AHMA), welcher an Personen vergeben wird, die sich besonders für die Erinnerung an die Shoa einsetzen. Die bisherigen Preisträger waren Pan Guang (China), Alberto Dines (Brasilien), Robert Hébras (Frankreich) und Jay Ipson (USA). Der am 29. September 2007 in Braunau am Inn zum ersten Mal vom Verein für Zeitgeschichte vergebene Egon Ranshofen-Wertheimer Preis wurde von Maislinger initiiert.

Auf Einladung von Branko Lustig organisiert Maislinger beim Jüdischen Film Festival Zagreb 2010 mit Helene Maimann und Jörg Reitmaier Workshops über Gerechte und den Gedenkdienst.

Veröffentlichungen

Herausgeberschaft

  • Costa Rica. Politik, Gesellschaft und Kultur eines Staates mit ständiger aktiver und unbewaffneter Neutralität. Inn-Verlag, Innsbruck 1986 ISBN 3-85123-091-4
  • Der Putsch von Lamprechtshausen. Zeugen des Juli 1934 berichten. Eigenverlag, Innsbruck 1992 ISBN 3-901201-00-9[16]
  • Handbuch zur neueren Geschichte Tirols. Band 2 Zeitgeschichte. (gemeinsam mit Anton Pelinka) Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 1993

Literatur

Wegen seines Engagements[17] gegen den antisemitischen Anderl von Rinn-Kult verhöhnte der Tiroler Schriftsteller Helmut Schinagl in seinem Roman "Die Ferien des Journalisten B." Andreas Maislinger in der Figur des Soziologen Peter Spitzmeußl.

Dokumentarfilm

Andreas Maislinger und Branko Lustig in Los Angeles (2009)
  • Keine gebrochenen Frauen.[19] (Österreich 1986; 50 min), Buch und Regie: Andreas Riedler, Idee und Redaktion: Andreas Maislinger

Auszeichnungen

Trivia

Andreas Maislinger ist ein Tierfreund und publiziert unter dem Namen seiner Hündin Sunny[23] (Parson Russell Terrier) Kolumnen in der Kronenzeitung. Als Tierschützer engagiert er sich mit Johann Maier für ein Schweizerkracher-Verkaufsverbot.[24] Maislinger leidet an Tinnitus und hat in Innsbruck einige Jahre eine Selbsthilfegruppe geleitet[25].

Quellen

  1. Andreas Maislinger über seine Mutter Franziska Maislinger (2005)
  2. Andreas Maislinger über seinen Vater Andreas Maislinger sen. (2007)
  3. Georg Rendl im Roman Haus in Gottes Hand über den Großvater von Andreas Maislinger.
  4. Brief von Dr. Rudolf Kirchschläger an Dr. Andreas Maislinger, Wien 3. Februar 1995
  5. Einsam unter Friedensengeln: Wehrdienstverweigerer Andreas Maislinger lebt alternativen Friedensdienst vor, PROFIL, 12. Juli 1982
  6. Brief von Hermann Langbein an Andreas Maislinger, Wien 20. Dezember 1980
  7. Kirchenbauer für Auschwitz gesucht. Salzburger Nachrichten 31. Juli 1981
  8. Pressearchiv und Briefarchiv dokumentieren das erwähnte Engagement für den Gedenkdienst seit 1977.
  9. "Zivildienst in Holocaust Gedenkstätten": Dr. Peter Huemer und Dr. Andreas Maislinger, ORF Moment - Leben Heute, 9. März 1988
  10. Teddy Kollek zum Projekt Gedenkdienst (Tiroler Tageszeitng, 12. Jänner 1993)
  11. Interview mit Dr. Andreas Maislinger, Die GEMEINDE, 22. Dezember 1982
  12. "Keine Spielwiese", Oberösterreichische Nachrichten vom 18.06.1997
  13. "Einem Obmann zum Gedenken", KURIER, Tirol, 5. Dezember 1997
  14. Kolumnen Gedenkdienstpflicht, Braunau am Inn, Entschuldigung, „Vergangenheitsbewältigung“, Oswiecim u.a. sind online.
  15. „Stolpersteine“ zur mahnenden Erinnerung (19. Juli 1997)
  16. "Zeugen des Juli 1934 berichten" auf Maislinger.net
  17. Andreas Maislinger, Nicht nur in Rinn. In: Wiener Tagebuch 10/1985.
  18. Bauern gegen Hitler. Eine Dokumentation von Andreas Maislinger. Informations- und Pressedienst der Österreichischen Widerstandsbewegung Nr. 1/199
  19. Dokumentarfilm "Keine gebrochenen Frauen" (Österreich 1986)
  20. Maislinger: Auszeichnung für Lebenswerk
  21. Auszeichnung durch den Weltmenschverein
  22. Bremer Friedenspreis 2009. Vom Mut, Schwellen zu überschreiten. Andreas Maislinger. Gedenkdienst gegen das Vergessen. Vorgeschlagen von Angelika Trawöger. S. 46f.
  23. Sunny
  24. Mail an die Abgeordneten zum Österreichischen Nationalrat vom 24. Dezember 2007.
  25. Entstehung und Entwicklung der Tinnitus-Bewegung in Österreich.