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Taijiquan

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Taijiquan ist in der Volksrepublik China ein Volkssport
Volkssport Taijiquan in Lanzhou

Das Tàijíquán (chinesisch 太極拳 / 太极拳, IPA (hochchinesisch) [tʰaitɕitɕʰyɛn], W.-G. T'ai-chi-ch'üan), auch T'ai-Chi-Ch'uan oder chinesisches Schattenboxen genannt, ist eine im Kaiserreich China entwickelte innere Kampfkunst. In der Volksrepublik China ist Taijiquan in zumeist stark vereinfachter Form ein Volkssport und in den Parks der Städte sieht man in den Morgenstunden tausende von Menschen beim Üben der langsamen, fließenden Bewegungen.

Ursprünglich wurde Taijiquan als Kampfkunst entwickelt, die zur Selbstverteidigung geeignet ist. Vor allem in jüngerer Zeit wird es häufig auch als allgemeines System der Bewegungslehre oder als Gymnastik betrachtet, das einerseits der Gesundheit sehr förderlich sein soll, andererseits der Persönlichkeitsentwicklung und der Meditation dienen kann. Immer häufiger tritt der Kampfkunstaspekt hinter diesen Aspekten zurück und verschwindet bisweilen ganz.

Charakteristika

Das Hauptprinzip des Taijiquan ist die Weichheit – der Übende soll sich natürlich, entspannt, locker und fließend bewegen. Beim Üben des Taijiquan gibt es keine Kraft-, Schnelligkeits- oder Abhärtungsübungen, wie beispielsweise die in vielen Kampfsportarten üblichen Bruchtests. Im Gegenteil wird verlangt, dass die Bewegungen möglichst kraftlos ausgeführt werden. Anders als bei vielen Kampfkünsten wird das Taijiquan meistens langsam geübt. Dies soll dafür sorgen, dass die Techniken möglichst korrekt eingeübt werden und der Übende nicht durch Aufrechterhaltung der hohen Geschwindigkeit abgelenkt wird. Einige Taijiquan-Stile oder -formen werden jedoch auch schneller geübt, oder es kommen sehr schnelle und explosive Bewegungen vor.

Im Kampf versucht der Taijiquan-Kämpfer, am Gegner zu kleben, also immer im Kontakt mit dem Gegner zu bleiben. Anstatt auf bestimmte Angriffe des Gegners mit bestimmten Kontertechniken zu reagieren, soll der Körper spontan und natürlich reagieren, und den Angriffen keinen Widerstand entgegensetzen, sondern stattdessen die Kraft des Gegners ausnutzen und gegen ihn selber wenden.

Praxis

Wie in vielen traditionellen chinesischen Kampfkünsten erlernen Anfänger zunächst üblicherweise die Grundlagen und Bewegungsprinzipien des Taijiquan, ohne dabei die Anwendung der Bewegungen im Kampf zu üben. Sofern sie überhaupt vermittelt werden, praktizieren meist erst fortgeschrittene Schüler die Anwendungen des Taijiquan als Selbstverteidigung, häufig erst nach einigen Jahren des Lernens.

Grundlagen

In den verschiedenen Stilen und Schulen werden verschiedene Basisübungen praktiziert, die dazu dienen, die Bewegungsprinzipien des Taijiquan zu erlernen. Häufig werden dabei Übungen aus Systemen des Qigong verwendet, die auf das Praktizieren des Taijiquan vorbereiten.

Form

Im Zentrum des Übens von Taijiquan stehen meistens eine oder mehrere so genannte Formen (chinesisch 套路, Pinyin taolu), klar umschriebene Abläufe aufeinanderfolgender, meist fließend ineinander übergehender Bewegungen. Die grundlegenden Formen sind Einzelformen, bei denen jeder Übende die Bewegungen für sich selbst ausführt; allerdings üben oft viele Leute gemeinsam und gleichzeitig. Auch im Unterricht führen Lehrer und Lernende die Form in der Regel gemeinsam aus.

Eine Form setzt sich aus mehreren Bildern bzw. Einzelbewegungen zusammen. Viele Formen werden nach der Anzahl ihrer Bilder benannt, so zum Beispiel die 24-Bilder-Form („Pekingform“) oder die 37-Bilder-Form („Kurzform“) nach Zheng Manqing (chinesisch 鄭曼青, W.-G. Cheng Man-ch'ing, 1899–1974). Die längsten Formen haben über 100 Bilder. Die Ausführung der Form kann von wenigen Minuten bis zu eineinhalb Stunden dauern, je nach Anzahl der Bilder und Geschwindigkeit der Ausführung. Obwohl Taijiquan-Formen meistens langsam und ruhig ausgeführt werden, kann es je nach Stil, Form und Erfahrung des Übenden große Unterschiede geben.

Partnerübungen und -formen

Neben dem Einzelformtraining werden auch Partnerübungen oder ganze Partnerformen geübt, die als Vorformen zum freien Kampf gesehen werden können. Dabei kommt ein Schüler üblicherweise zum ersten Mal mit der Anwendung des Taijiquan im Kampf in Berührung.

Die bekannteste Partnerübung ist vermutlich das Tuishou (chinesisch 推手, Pinyin tuī shǒu – „schiebende Hände“, engl. Pushing hands), bei dem sich die Partner gegenüberstehen und einander an den Armen oder Händen berühren. In einer kontinuierlichen Bewegungsschleife übt einer der Übenden Druck auf die Arme des anderen Übenden aus, der versucht, dem Druck nachzugeben und zu neutralisieren, um anschließend selbst Druck auszuüben. In einer freieren Form des Tuishou ist das Ziel, den Gegner dazu zu zwingen, seinen Stand aufzugeben, und gleichzeitig den eigenen Stand zu behalten. Von dieser Form der Partnerübungen gibt es sogar Wettkämpfe.

Je nach Taijiquan-Stil gibt es weitere Partnerübungen (z. B. Dalü, San sau), die aufeinander aufbauend von einfachen Grundlagen bis zu freieren Sequenzen das Taijiquan in Anwendung, Selbstverteidigung und Wettkampf trainieren.

Partnerformen sind mehr oder weniger lange Abläufe, in denen die Partner einen imaginären, genau choreographierten Kampf ausfechten. In diesen Formen wird die Anwendung des Taijiquan als Kampfkunst deutlich.

Waffenformen

Ein Bild einer Fächerform des Taijiquan

Die gebräuchlichsten Formen des Taijiquan sind waffenlos, doch gibt es auch zahlreiche Waffen- oder Geräteformen. Traditionell werden erst fortgeschrittene Schüler in den Waffenformen unterrichtet. Waffen des Taijiquan sind:

  • das gerade, zweischneidige, einhändige chinesische Schwert (Jian)
  • der Langstock (Gun)
  • der chinesische Säbel (Dao)
  • der Fächer
  • der Kurzstock (Qi Mei Gun)
  • der drei Meter lange Stock (Dagan)
  • der Speer (Qian)
  • die chinesische Hellebarde (Guan Dao)

Freier Kampf und Wettkämpfe

Freie Anwendungen und freier Kampf werden im Westen sehr selten unterrichtet. Die seltenen Wettkämpfe im Taijiquan sind in der Regel Formenwettkämpfe, bei denen Punktrichter die Ausführung einer Form bewerten. Bisweilen gibt es auch Veranstaltungen, bei denen Taijiquan-Praktizierende im Tuishou gegeneinander antreten können, jedoch wird dabei normalerweise keine Rangliste erstellt. Wettkämpfe, bei denen Taijiquan-Praktizierende im freien Kampf gegeneinander antreten, finden nicht statt.

Prinzipien

Qi (Ch'i)

Wegen seiner engen Verbindung zum philosophischen Daoismus kommt im Taijiquan wie in allen inneren Kampfkünsten dem Konzept des Qi (chinesisch  / , Pinyin , W.-G. Ch'i) eine wichtige Bedeutung zu. Durch das Üben des Taijiquan soll der Übende in zunehmendem Maße in der Lage sein, das Qi wahrzunehmen und schließlich zu kontrollieren. Das Qi wird von vielen Praktizierenden als eine Art Energiefluss beschrieben, den man im Körper zirkulieren lassen kann. Es soll einerseits der Gesunderhaltung und Körperkontrolle dienen und andererseits im Kampf anwendbar sein.

Dabei wird der Begriff „Qi“ vor allem dazu verwendet, um bestimmte Bewegungen, Empfindungen und Effekte leichter erklären und veranschaulichen zu können. Es gibt keinen wissenschaftlichen Nachweis für die Existenz von Qi.

Die 10 Grundregeln

Die folgenden zehn Grundprinzipien werden Yang Chengfu (W.-G.: Yang Cheng-Fu, 1883–1936) zugeschrieben und sollen besonders im Yang-Stil beim Üben eingehalten werden:

  • Halte den Kopf aufrecht, um Deinen Geist zu entfalten
  • Lockere die Ellenbogen, damit die Schultern sinken
  • Brust und Rücken sollen entspannt sein
  • Lockere Deine Taille
  • Verteile das Gewicht richtig (Fülle/Leere)
  • Bringe Ober- und Unterkörper in Einklang
  • Deine Bewegungen sollen fließen
  • Verbinde den Geist mit dem Körper
  • Gebrauche Yi (chinesisch , Pinyin  – „Absicht, Intention“), nicht rohe Kraft (chinesisch , Pinyin  – „Muskelkraft“)
  • Suche die Ruhe in der Bewegung und die Bewegung in der Ruhe

Umschrift, Bedeutung und Übersetzung

In der heute für das Chinesische allgemein üblichen Pinyin-Umschrift wird der Name der Kampfkunst als Taijiquan transkribiert. Die im Deutschen häufig anzutreffende Umschrift T'ai chi ch'uan oder T'ai chi ch'üan geht auf das ältere, heute ungebräuchliche Wade-Giles-System zurück, das im Kampfkunstumfeld noch an vielen Stellen verwendet wird.

Das Tàijí-Symbol (chinesisch 太極圖 / 太极图, Pinyin Tàijítú) für die polaren Kräfte Yin und Yang

Taiji (chinesisch 太極 / 太极, Pinyin Tàijí) ist im Daoismus ein Synonym für das allerhöchste Wirkprinzip und schwer zu übersetzen, da es keinen entsprechenden Begriff in der deutschen Sprache gibt. Es wird meist dargestellt durch nebenstehendes Symbol, welches das harmonische Wechselspiel der Kräfte Yin und Yang zeigt. Quán (chinesisch ) bedeutet „Faust“, im Zusammenhang mit Kampftechniken wird es benutzt, wenn mit leerer Hand, also ohne Waffen gekämpft wird. Eine mögliche Übersetzung von „Taijiquan“ wäre daher: Kampfkunst nach den Prinzipien von Yin und Yang.

Historisch gesehen ist die Bezeichnung „Taijiquan“ etwa seit Beginn des 20. Jahrhunderts gebräuchlich, davor wurden andere Bezeichnungen für die Kampfkunst verwendet.

Im Westen wird das Taijiquan häufig abgekürzt als Tai Ji oder Tai Chi bezeichnet. Genaugenommen ist diese Bezeichnung falsch, da Taiji im Chinesischen eine eigene, gänzlich andere Bedeutung trägt (siehe oben). Da im deutschsprachigen Raum der Kampfkunstaspekt des Taijiquan manchmal vollständig in den Hintergrund tritt, der im Wort quán (chinesisch  – „Faust“) steckt, wird die verkürzte Bezeichnung dabei teilweise sogar bewusst verwendet.

Selten liest man auch die Schreibweise Thai Chi, die keiner gebräuchlichen Transkription entspricht und vermutlich einfach auf einen Schreibfehler zurückgeht.

Legenden und Geschichte

Über die Entwicklungsgeschichte des Taijiquan gibt es teils sehr widersprüchliche Angaben. Die meisten der heute Taijiquan Praktizierenden berufen sich auf Vorläufer oder Wurzeln aus dem 15. Jahrhundert oder früher. Des Weiteren sollen die Wurzeln oder Vorläufer nur innerhalb eines engen Personenkreises weitergegeben worden sein, etwa einem Kloster oder einer Familie. Entsprechend entziehen sich diese auch oft der offiziellen Geschichtsschreibung.

Zhang Sanfeng, die Wudang-Berge und Verbindungen zum Daoismus

Junger Mönch übt Taijiquan in den Wudang-Bergen

Innerhalb der chinesischen Kampfkünste wird Taijiquan zu den inneren Kampfkünsten (chin. Neijia) gerechnet und in Verbindung mit Prinzipien des Daoismus gebracht. Als legendärer Begründer der inneren Kampfkünste und damit auch des Taijiquan wird üblicherweise der daoistische Mönch Zhang Sanfeng betrachtet, der zwischen dem 10. und 14. Jahrhundert gelebt haben soll, aber dessen historische Existenz nicht belegt ist. Der Legende nach entdeckte er die Prinzipien der inneren Kampfkünste in den Wudang-Bergen, nachdem er den Kampf zwischen einer Schlange und einem weißen Kranich beobachtet hatte. Sehr selten berufen sich Anhänger des Taijiquan auch auf noch ältere Wurzeln des Taijiquan, die bis auf die Liang-Dynastie (502–557) zurückgehen sollen.[1]

Ob es eine historische Verbindung zwischen dem Taijiquan und dem Wudang gegeben hat, ist umstritten. Manche der Texte der sogenannten „Klassiker“ des Taijiquan tragen Namen von Autoren, die eine solche Verbindung nahelegen, jedoch ist umstritten, wann diese Texte entstanden sind und ob die Namen der angeblichen Autoren nicht erst später hinzugefügt wurden. Dies könnte geschehen sein, um einerseits den Texten mehr Gewicht zu geben, andererseits, um der konfuzianische Tugend der Bescheidenheit zu genügen, oder sogar nur, um die Verbindungen zum Wudang zu bekräftigen.[2]

Obwohl die Aussage historisch umstritten ist, berufen sich die heute lebenden daoistischen Mönche und Kampfkünstler der Wudang-Berge darauf, dass die inneren Kampfkünste (und damit auch das Taijiquan) seit Zhang Sanfeng in den daoistischen Klöstern der Wudang-Berge weitergegeben, entwickelt und tradiert wurden. Bis zur jüngeren Zeit wären sie jedoch nur selten an Außenstehende weitergegeben worden. So soll im 17. Jahrhundert der reisende Wudang-Mönch Wang Zongyue seine Kampfkunst im Dorf Chenjiagou gelehrt haben, weil er darum gebeten wurde.

Der in den Wudang-Bergen als Teil der inneren Kampfkünste praktizierte und mitterweile auch der breiteren Öffentlichkeit gelehrte Stil des Taijiquan unterscheidet sich deutlich von diesen Stilen und wird bisweilen als Wudang-Stil des Taijiquan bezeichnet, der aber nicht mit dem Mitte des 20. Jahrhunderts von Cheng Tin-hung in Hong Kong entwickelten Wudang Tai Chi Chuan zu verwechseln ist.

Entstehung der „5 Familienstile“

Yang Luchan, Gründer des Yang-Stils

Verlässlich lässt sich die Geschichte des Taijiquan bis etwa zur Mitte des 16. Jahrhunderts zurückverfolgen. Damals schrieb Qi Jiguang das Buch Die 32 Arten der Boxformen. Obwohl darin kein Taijiquan erwähnt wurde, enthält das Buch dennoch einige Techniken, die auch heute noch im Taijiquan zu finden sind.

Mitte des 17. Jahrhunderts tauchte im Dorf Chenjiagou ein Boxstil auf. Der Überlieferung der Familie Chen zufolge wurde der Stil von Chen Wangting aus seinen bestehenden Kenntnissen der Kampfkünste entwickelt. Ob dabei der Wudang-Mönch Wang Zongyue eine Rolle gespielt hat beziehungsweise ob es ihn überhaupt gegeben hat, ist historisch nicht nachzuvollziehen.

Fest steht, dass der Stil seit dieser Zeit zunächst als Familiengeheimnis der Familie Chen weiterentwickelt und tradiert wurde. Das Taijiquan der Chen-Familie wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert erstmals an einen Außenstehenden weitergegeben: Chen Changxing (1771–1853) akzeptierte Yang Luchan (1799–1872) als Schüler im inneren Kreis der Familie. Yang Luchan entwickelte das Gelernte weiter und wurde zum Begründer des Yang-Stils. Etwas später unterrichtete Chen Qingping (1795–1868) ebenfalls außerhalb der Familie Wu Yuxiang (1812–1880).

So wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Grundlage für die sogenannten fünf Familienstile gelegt, die jeweils innerhalb einer Familie weiterentwickelt und gepflegt wurden. Der Meister gab seinen Boxstil vollständig nur an seine Söhne weiter, so dass das Oberhaupt eines Taijiquan-Stiles gleichzeitig das Familienoberhaupt war. Zwischen den verschiedenen Familien gab es besonders zur Gründungszeit intensiven Austausch. Die fünf Familienstile sind:

Man beachte, dass das „Wu“ in „Wu Yuxiang“ ein anderes Schriftzeichen ist als in „Wu Jianquan“ – es handelt sich also um verschiedene Familien. Da das Taijiquan mittlerweile nicht mehr nur im Kreis der Familie weitergegeben wird, kann man in heutiger Zeit nicht mehr aus dem Namen eines Meisters auf seinen Stil zurückschließen[2].

Ausbreitung in der ganzen Welt

Im Rahmen der Machtübernahme des kommunistischen Regimes in China Mitte des 20. Jahrhunderts und der damit verbundenen Unterdrückung der alten Künste, speziell in der Kulturrevolution, sind viele der Taijiquan-Meister aus China geflohen und haben begonnen, ihre Kampfkunst außerhalb von China zu verbreiten.

Im Westen wurde das Taijiquan in der Mitte des 20. Jahrhunderts bekannt. Dabei tat sich insbesondere Zheng Manqing (chinesisch 鄭曼青, W.-G. Cheng Man-ch'ing, 1899–1974) hervor. Er war von 1928 bis 1935 ein Schüler des Yang-Stil-Meisters Yang Chengfu und entwickelte eine stark verkürzte Form in 37 Bildern. 1949 floh er nach Taiwan und ließ sich 1964 in New York nieder, wo er seine Form zu unterrichten begann. Vermutlich ist es der Einfachheit der Kurzform und der Offenheit von Zheng Manqing zu verdanken, dass sich seine Form im ganzen Westen verbreitete und damit maßgeblich zur Ausbreitung des Taijiquan im Westen beitrug. Dabei ist sowohl Zheng Manqing als auch seine Form nicht unumstritten, und seine Form wird von anderen Vertretern des Yang-Stils nicht anerkannt.

Neuere Geschichte

China

In der Volksrepublik China wurden im Jahre 1956 von offizieller Seite her die verschiedenen chinesischen Kampfkünste im „modernen Wushu“ zusammengefasst, darunter auch das Taijiquan. Dazu wurde die auf dem Yang-Stil beruhende Pekingform mit 24 Bildern eingeführt und zum „offiziellen“ Taijiquan erhoben, das in Wettkämpfen verwendet werden durfte. Die traditionellen Formen wurden unterdrückt und konnten nur im privaten Kreis weiterverbreitet werden. Aufbauend auf der Pekingform wurde 1976 eine Form mit 48 Bildern entwickelt, in die auch Elemente anderer Stile eingebunden sind. 1989 entstand die Form mit 42 Bildern als eine neuere Wettkampfform. Sie enthält deutlich erkennbar Elemente verschiedener Stile. Im gleichen Jahr wurde auch eine Wettkampfform im Yang-Stil mit 40 Bildern vorgestellt. Seit 1999 gibt es im Yang-Stil außerdem noch eine Form mit 16 und eine mit 10 Bildern.

Seit der zunehmenden Öffnung Chinas können auch die traditionellen Formen wieder in der Öffentlichkeit unterrichtet werden, und seit wenigen Jahren gibt es sogar wieder offizielle Wettkämpfe im traditionellen Wushu.

Außerhalb von China

Seitdem sich das Taijiquan zunehmender Beliebtheit erfreut und in der ganzen Welt verbreite, ist eine sehr große Diversität von Stilen zu beobachten. Es haben sich unzählige Weiterentwicklungen, Abkömmlinge und Mischungen entwickelt, die unter der Bezeichnung „Taijiquan“ gelehrt und praktiziert werden.

Dabei herrschen zwei Tendenzen vor:

  • Zurück zu den Wurzeln: ein Teil der Stile berufen sich auf möglichst alte, „authentische“ Wurzeln. Diese Stile tragen meistens den Namen eines der Familienstile oder auch noch älterer Stile.
  • Das Beste von allem: Der andere Teil der Stile sind Neuentwicklungen, welche die „besten“ Eigenschaften der anderen Stile kombinieren sollen. Dabei werden gerne auch Elemente aus anderen Kampfkünsten, aus dem Tanz oder von Meditationstechniken übernommen. Ein Beispiel dafür ist das Tang Lang Taijiquan.

Taijiquan in Deutschland

Die meisten in Deutschland praktizierten Taijiquan-Stile sind Varianten der offiziellen Formen oder Abkömmlinge des Chen-, Yang- oder Wu-Familienstils. Seit einiger Zeit findet auch das Taijiquan der Wudang-Tradition in Deutschland Verbreitung.

In vielen Fällen übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen der Gesundheitsvorsorge zumindest teilweise die Kosten von Taijiquan-Kursen, sofern diese von einem von der Krankenkasse zugelassenen Unterrichtenden durchgeführt werden.

In Deutschland gibt es zahlreiche Verbände, Schulen, Vereine und Einzellehrer, die sich der Verbreitung des Taijiquan verschrieben haben. Eine einzige, übergeordnete, von allen anerkannte Organisationsstruktur existiert bisher nicht. 2003 wurde der Deutsche Dachverband für Qigong und Taijiquan e. V. (DDQT)[3] gegründet, dem einige der großen Verbände der unterschiedlichen Stile angehören und der Ausbildungsrichtlinien für Taijiquan-Lehrende formuliert hat. Diese Ausbildungsrichtlinien sind auch in die Leitlinien der Krankenkassen zur Umsetzung von § 20 SGB V eingeflossen, in denen der DDQT e. V. als maßgebliche Fachorganisation zur Anerkennung von Qualifikationen für Qigong- und Taijiquan-Unterrichtende genannt ist.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Lu Shengli: Combat techniques of Taiji, Xingyi, and Bagua: principles and practices of internal martial arts; translated and edited by Zhang Yun. Blue Snake Books, ISBN 9781583941454
  2. a b Barbara Davis: Taijiquan classics: an annotated translation; including a commentary by Chen Weiming. North Atlantic Books, ISBN 1556434316
  3. http://www.ddqt.de

Literatur

  • Frank Aichlseder, Helmut Oberlack: Taijiquan für Einsteiger: Ein Special des Taijiquan & Qigong Journals. A & O Media, Hamburg 2003.
  • Das Tajiquan & Qigong Journal (deutsch)
  • Freya und Martin Bödicker: Philosophisches Lesebuch zum Tai Chi Chuan 1 und 2. ISBN 3-9810407-0-8 und ISBN 3-9810407-1-6.
  • Rainer Landmann: Taijiquan, Konzepte und Prinzipien einer Bewegungskunst Analyse anhand der frühen Schriften. ISBN 3-936212-02-3.
  • Wu Runjin, Zhu Lichan, Thomas Jonasson: Die Vielfalt des Tai Chi Chuan und seine Verankerung in der Traditionellen Chinesischen Medizin. ISBN 978-3-901618-50-5.