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Freiwirtschaft

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Freiwirtschaft ist eine Theorie basierend auf den Ideen von Silvio Gesell, die in der wissenschaftlichen Welt allerdings nur ein Nischendasein führt.

Thesen der Freiwirtschaft

Überblick

  • im Fundament:
    • Das Geld einer Freiwirtschaft ist Freigeld, es wird nur befristet ausgegeben (wie Einkaufsgutscheine) und danach kostenpflichtig umgetauscht.
    • Aktien, Anleihen und Bankguthaben ermöglichen die langfristige Kapitalanlage, während das Geld allein für kurzfristige Tauschzwecke dient.
    • Der Boden gehört als Freiland der Gemeinde und kann von Privatpersonen nur gepachtet werden.
    • Einnahmen, die nicht durch aktives wirtschaftliches Handeln, sondern allein durch Überlassung knapper Güter erzielt werden, sollen abgeschafft werden.
  • in den (angestrebten) Folgen:


Fehler des Geldsystems

Der Theorie der Freiwirtschaft nach hat unser derzeitiges Geldsystem einen Fehler.

Normale Märkte nach Adam Smith haben die Eigenschaft, über den Preis Informationen weiterzugeben. Beispielsweise kann man aus sinkenden Preisen schließen, dass mehr Angebot oder weniger Nachfrage besteht. Dies regt die Käufer an, mehr zu kaufen, und die Verkäufer, lieber etwas anderes zu produzieren. Nach diesen Reaktionen steigt der Preis wieder an. So bildet der Preis zusammen mit den Marktakteuren einen Regelkreis, der um einen "Ruhepunkt", einer Art "idealem Preis" schwankt. An diesem Ruhepunkt besteht idealer Marktzustand, keiner zahlt zuviel oder zuwenig, und es bestehen keine gemeinschaftlichen Tendenzen der Teilnehmer, diesen Marktpreis zu ändern. Dieses Schwanken um den Ruhepunkt nennt man selbststabilisierend.

Beim Geldmarkt ist das nun nicht der Fall. Ohne die Geldmengenerweiterung der Zentralbank über das Wirtschaftswachstum hinaus würden die Nachfrage ständig fallen, da die Umlaufgeschwindigkeit ständig abnimmt. Durch die mangelnde Nachfrage sind Unternehmen gezwungen, ihre Preise zu senken, da sie sonst überhaupt keinen Absatz finden. Setzt erst einmal ein Preissenkungsschub ein, dann warten die Käufer so weit wie möglich ab mit dem Kauf, da bis zu diesem Zeitpunkt die Preise noch weiter gesenkt sein könnten, ihr Geld also effektiv mit der Zeit immer wertvoller wird. Durch dieses zusätzliche Abwarten geht die Nachfrage noch weiter zurück. Dadurch sinken die Preise noch weiter. Die Preise sinken dann so tief, dass Unternehmen keine Gewinne mehr abwerfen. Im Gegensatz dazu lassen sich sich durch unproduktives Geldanhäufen Zinsen erwirtschaften, ggf. jedoch nicht mehr in Waren ausreichend zurücktauschen. Sehr oft mangelt es dann auch an Liquidität, da zwar durch die laufenden Kosten Geld ausgegeben, durch die mangelnde Nachfrage kaum Geld eingenommen wird. Durch den Liquiditätsmangel versuchen Unternehmen verzweifelt an Liquidität zu kommen, und deswegen senken sie noch weiter die Preise, was den Zurückhaltungseffekt der Käufer noch verstärkt. Letztendlich ist das Unternehmen nicht mehr lohnend, es kommt zu Kündigungen, gesamtwirtschaftlich zu Pleitewellen. Merken andere Arbeitnehmer, dass sie von einer Wirtschaftskrise betroffen sein könnten, so sparen sie mehr Geld und geben weniger Geld aus. Folglich wird der Zurückhaltungseffekt der Käufer noch weiter verstärkt, und die Preise sinken immer weiter. Letztendlich wird dadurch die gesamte Wirtschaft verfallen und zerstört. (Obiger beschriebener Prozess ist übrigens eine Deflation.)

Der Fehler im System ist nun die über den Preis falsch transportierte Information. Geld ist nämlich nichts anderes als ein Anspruch auf Leistung gegen die Wirtschaft, die dieses Geld akzeptiert. Verfällt diese Wirtschaft oder wird sie schwächer, dann bekommt man weniger für sein Geld, da weniger geleistet werden kann. Bekommt man weniger für sein Geld, so müsste der Geldwert fallen, man müsste also mehr bezahlen für das gleiche Produkt. Es müsste eine Inflation stattfinden. Statt dessen aber steigt der Geldwert in einer Deflation, man muss also weniger bezahlen für das gleiche Produkt. Die Marktteilnehmer merken nicht, dass sie durch Geldzurückhaltung genau die Wirtschaft zerstören, die ihnen für Geld etwas leisten soll. Sie werden eher durch die durch Geldzurückhaltung fallenden Preise bestärkt, noch mehr Geld zurückzuhalten. Diese Rückkopplung in die genau falsche Richtung ist selbstdestabilisierend. Der Theorie der Freiwirtschaft nach ist diese systembedingte Selbstdestabilisierung eine der Hauptursachen für den Krisenzyklus der Wirtschaft.

Diese systembedingte Destabilisierung ist neben der Liquiditätsprämie aus Sicht der Freiwirtschaft der hauptsächliche Systemfehler des Geldes.

Durch Freigeld soll dieser Systemfehler beseitig werden.

Als Beleg für die Geldhortung verweisen Freiwirtschaftler auf die Tatsache, dass Geldscheine mit hohem Nennwert im täglichen Geldumlauf zwar keine große Rolle spielen, im Banknotenumlauf insgesamt aber einen beträchtlichen Wertanteil von ein Drittel (Deutschland) bis über die Hälfte (Schweiz) haben (Stand: Ende 2000). Bereits im ersten Jahr des Euro (2002) verdreifachte sich die Zahl der ausgegebenen 500-Euro-Scheine, ein starkes Indiz für enorme Bargeldhortung. Die gängige Wirtschaftswissenschaft erklärt dieses Phänomen dagegen mit der Schattenwirtschaft sowie illegalen Transaktionen, in denen das anonyme Bargeld nach wie vor eine große Rolle spielt, während legale Geschäfte in der Regel bargeldlos abgewickelt werden.


Zur Rolle der Freiwirtschaft in den Wirtschaftswissenschaften

Die Freiwirtschaft spielt praktisch keine Rolle in der gängigen wissenschaftlichen Diskussion. In den Lehrbüchern der VWL findet sie nur als Fußnote der Theorien von John Maynard Keynes Platz. Auch in den führenden ökonomischen Zeitschriften lässt sich praktisch keine Forschungstätigkeit der Freiwirtschaftler belegen. Lediglich im Zusammenhang mit der Liquiditätsfalle, in der sich die Volkswirtschaft Japans befunden hat, wurden neben anderen Lösungsvorschlägen auch freiwirtschaftliche Ansätze von Vertretern renommierter Institutionen in die Diskussion geworfen.

Die Vertreter der Freiwirtschaft bilden eine kleine, aber vehemente Gemeinschaft, die ihre Thesen als simple Lösung vieler ökonomischer Probleme betrachtet. Sie publizieren eigene Zeitschriften, um ihre Ideen zu propagieren, und stellen ihr Konzept auf eigenen Seiten im WWW vor, so auch auf den Seiten, zu denen die Weblinks dieses Artikels verweisen.

Kritik an der Freiwirtschaft

Die Gegner der Freiwirtschaft - also die überwiegende Mehrheit der Wirtschaftswissenschaftler - betrachten das Konzept als irrelevant, da es von aus ihrer Sicht falschen Annahmen (Geldhortung) ausgeht. Ein weiterer Vorwurf, der gegenüber den Anhängern der Freiwirtschaft erhoben wird, sind die "strukturellen Ähnlichkeiten" einer verkürzten Kapitalismuskritik, die sich lediglich auf das Geld und die Zirkulationsphäre bezieht, und dem Antisemitismus.

Nur eine Minderheit freiwirtschaftlicher Autoren hat Wirtschaftswissenschaften studiert. Während die Gegner der Freiwirtschaft dies als Beleg für fehlende Fachkenntnis und die Bedeutungslosigkeit der Theorie nehmen, sehen viele Verfechter der Freiwirtschaft in der vermeintlichen Ignoranz der gelernten Ökonomen ein Indiz für das Versagen der Wirtschaftswissenschaften, neue Denkweisen und ungewöhnliche Konzepte anzunehmen.


Weiterführende Web-Sites zur Freiwirtschaft: