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Der Speer ist eine der ältesten Jagdwaffen der Menschheit. Wann zum ersten Mal eine bearbeitete Steinspitze an einem zur Jagd benutzten Stock befestigt wurde, verliert sich ebenso im Dunkel der Urgeschichte wie die erste Gelegenheit, bei der dieses Werkzeug auch zum sportlichen Kräftemessen verwendet wurde. Zu den ältesten Funden zählen die paläolitischen Speere von Lehringen und Schöningen in Niedersachsen.
Nach der griechischen Mythologie war bereits Herakles ein ausgezeichneter Speerwerfer. Der verzauberte, von Zwergen geschmiedete, Speer des nordischen Gottes Odin heisst Gungnir. Bei den Olympischen Spielen der Antike708 v. Chr. soll es erstmals als Disziplin des Fünfkampfs auf dem Olympischen Programm gestanden haben. Der Speer wurde allerdings in den Teildisziplinen Weit- und Zielwurf mit Hilfe einer Schleuder, der sogenannten Ankyle, „geworfen“. Das war eine Schnur, die mehrmals um den Speer gewunden und am Ende zu einer Schlinge gebunden wurde, in die der Werfer zwei Finger einführte. Beim Wurf wickelte sie sich ab und gab dem Speer einen Drall und somit eine ruhigere Luftfahrt. Tatsächlich haben moderne Versuche ergeben, dass ungeübte Speerwerfer mit dieser Technik größere Weiten erzielen können als ohne Wurfschlinge.
Im 18. Jahrhundert erfreute es sich in Skandinavien wieder großer Beliebtheit. Besonders für die Finnen wurde der Speer und damit das Speerwerfen zum nationalen Symbol der Unabhängigkeit.
In seiner bis heute nahezu unveränderten Form (dem Weitwurf) kehrte das Speerwerfen 1906 in Athen (Männer) bzw. 1932 (Frauen) ins Olympische Programm zurück.
Dominierten bei den Herren lange Zeit skandinavische Werfer die Wettkämpfe, war das Bild bei den Damen weniger homogen. Seit den 1970er und 1980er Jahren schoben sich immer öfter Athleten aus den sozialistischen Staaten an die Weltspitze. Wie in allen Olympischen Sportarten waren dabei Sportler aus der DDR überproportional vertreten.
Bei einem hochklassig besetzten internationalen Sportfest1984 in Berlin übertraf Uwe Hohn aus Potsdam mit 104,80 m erstmals die 100-Meter-Marke so deutlich, dass die IAAF das Reglement änderte und den Schwerpunkt des Speers verlagerte. Die damit verbundene Verkürzung der Weiten war aus Sicherheitsgründen notwendig geworden – die Stadien wurden zu klein. Hohns Speer blieb nicht weit entfernt von den parallel durchgeführten Sprungwettbewerben und der Laufbahn stecken.
1988 stellte Petra Felke aus Jena mit exakt 80,00 m ebenfalls einen ewigen Weltrekord auf. 1999 verordnete die IAAF auch den Damen einen veränderten Speer.
Bedeutende Athleten und Weitenentwicklung
Männer
Mauritz Mexmontan (Finnland) warf 1883 mit bescheidenen 30,58 m den ersten registrierten Rekord der Neuzeit. Allerdings war der Speer leichter als 750 Gramm.
Eric Lemming (Schweden) stellte 1899 mit 49,32 m den ersten offiziellen Rekord auf und dominierte ca. 15 Jahre die Entwicklung. Seine 62,32 von 1912 hatten bis 1928 Bestand.
Franklin Held (USA) sorgte mit seinem Aluminium-Hohlspeer in den Fünfziger Jahren für Rekordweiten in Serie - und für technische Reglementierungen. 1953 warf er als Erster über 80 m weit: 80,41 m.
Mit 91,72 m pulverisierte der Norweger Terje Pedersen 1964 die 90-Meter-Schranke. Erstmals geriet damit die "magische" Marke von 100 Meter ins Visier.
Doch so greifbar sie auch schien - erst ab den 70er Jahren tasteten sich die weltbesten Werfer mit Standardweiten deutlich über 90 Meter langsam heran. 1973 warf der Deutsche Klaus Wolfermann 94,08 m.
Sportler wie der Finne Seppo Räty, Steve Backley (GB), Jan Železný (damals noch CSSR) wetteiferten in den 80ern mit den Deutschen Klaus Tafelmeier (West), Uwe Hohn und Detlef Michel (Ost) um die besten Weiten. Letzterer wurde 1983 Weltmeister mit "nur" 89,48 m.
Uwe Hohn schockierte schließlich 1984 die Konkurrenz. Fassungslos starrten Zuschauer und Offizielle beim Olympischen Tag in Berlin auf die Anzeigetafel, die 04,80 m zeigte – sie war nur für zweistellige Weiten präpariert. Die Funktionäre beschlossen danach eine Verlagerung des Schwerpunkts nach vorn. Die neue Regelung trat 1986 in Kraft.
Klaus Tafelmeier aus Deutschland erzielte im September 1986 den ersten Weltrekord mit dem neuen Gerät: 85,74 m, konnte sich aber nur wenige Monate darüber freuen.
Mit 87,66 stellte Jan Železný im Mai 1987 die Ordnung wieder her. Der Tscheche, aktueller Weltmeister und mit je drei Olympiasiegen und WM-Titeln bester Speerwerfer aller Zeiten schraubte die Rekordmarke bis 1996 kontinuierlich auf den noch heute gültigen Wert von 98,48 m. Ihm immer auf den Fersen blieben bis Ende der 1990er die Altmeister Räty und Backley.
Frauen
Der erste überlieferte Rekord bei den Frauen stammt von der Tschechin Božena Šrámková aus dem Jahr 1922. Sie beförderte das 600 Gramm leichte Gerät auf die stolze Weite von 25,01 Meter.
1928 warf Guschi Hargus 38,39 Meter und begründete eine lange Tradition erfolgreicher deutscher Werferinnen, Ihr folgten u.a.Ellen Braumüller, die 1930 als erste über 40 Meter schaffte (40,27 m) und Annelie Steinheuer (47,24 m).
Die nächsten beiden Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten eine erdrückende Dominanz sowjetischer Athletinnen. Natalja Smimitskaja übertraf 1949 Steinheuers Rekord von 1942 um mehr als 6 Meter und eroberte deutlich die 50er Marke: 53,41 m.
In den Folgejahren trieben fast ausschließlich sowjetische Werferinnen den Rekord Richtung 60 Meter. Mit 62,40 m war es schließlich Jelena Gorschakova, die 1964 diese Schranke durchbrach.
Ruth Fuchs aus der DDR führte in den Siebzigern die deutsche Tradition fort und bestimmte rund ein Jahrzehnt lang die Weltspitze mit. Zweimal hintereinander verbesserte sie den Weltrekord. Dazwischen lagen acht Jahre! Trotzdem war es ihr nicht vergönnt, die nächste Schallmauer zu durchbrechen. Mit 69,96 m im Jahr 1980 verfehlte sie diese um ganze 4 Zentimeter. Noch im gleichen Jahr warf Tatjana Birjulina den Speer auf 70,08 m und verbuchte wieder einmal einen historischen Rekord für die Sowjetunion.
Doch schon stand Fuchs´ würdige Nachfolgerin für die DDR am Start. Der Kampf zwischen Petra Felke und der Finnin Tiina Lillak um die Weltspitze bestimmte die 80er Jahre. Die Britin Fatima Whitbread, Weltmeisterin von 1987, griff ebenfalls ein. Felke nahm mit 75,40 m 1985 mit einem gewaltigen 5-Meter-Schritt auf Birjulinas Marke zunächst die Zwischenhürde, nahm 1987 mit 78,90 m Maß und setzte mit passgenauen 80,00 m 1988 eine Schranke, die bisher nie wieder erreicht wurde. Mit dem Olympiasieg von 1988 krönte sie ihre Karriere (Weite: 74,68 m).
Seit den 1990er Jahren führte an der Norwegerin Trine Hattestadt kein Weg vorbei. Die Weltmeisterin von 1993 und 1997 musste 1996 trotzdem der Finnin Heli Rantanen den Olympiasieg überlassen und sich mit Bronze begnügen. Die Deutschen Silke Renk und Karen Forkel traten zunächst die Nachfolge von Petra Felke an und gewannen neben anderen internationalen Medaillen bei den Olympischen Spielen 1992 Gold bzw. Bronze, konnten aber auf Dauer ebensowenig mit der überragenden Norwegerin mithalten wie später Steffi Nerius und Tanja Damaske.
1999 verordnete der Internationale Leichtathletikverband auch den Frauen einen veränderten Speer und rückte damit Felkes Rekord endgültig in nahezu unerreichbare Ferne. Mit der aktuellen Weltmeisterin und seit 2001 mit 71,54 m Rekordhalterin mit dem neuen Gerät, Osleidys Menendez (Kuba), scheint Hattestadt ihre Meisterin gefunden zu haben.
Falls die von allen internationalen Verbänden seit den 1990er Jahren forcierten strengen Dopingkontrollen beibehalten werden und keine einschneidenden Veränderungen bei Materialien und im Reglement eintreten, dürften die historischen Rekorde von Felke und Hohn noch viele Jahre Bestand haben.
Weitere Weltrekordentwicklung
Bereits vor Uwe Hohns Rekordwurf wurde der Speer schon verändert, um die schnell wachsenden Weiten einzuschränken, die aufgrund neuer Materialien und verbesserter Flugeigenschaften eintraten. Die Änderungen sind jedoch umstritten, da sie die Vergleichbarkeit der Rekordentwicklung erschweren und nach jeweils einigen Jahren bereits wieder Weiten in den gleichen Größenordnungen erreicht werden.
Schon 1992 warf der Brite Steve Backley mit dem „neuen“ Speer wieder über 91 m. Der tschechische Ausnahmeathlet Jan Železný, der schon zu Hohns Zeiten zur Weltspitze zählte und als bester Werfer aller Zeiten gilt, verbesserte den Weltrekord seit 1993 in Serie und ist inzwischen bei 98,48 m (aufgestellt schon 1996) angelangt. Bei den Damen hält die KubanerinOsleidys Menendez seit 2001 mit 71,54 m den Rekord mit dem neuen Gerät. Beide sind auch die aktuellen Weltmeister.
Technik und Reglement
Der Speerwurf ist eine der technisch anspruchsvollsten Disziplinen. Im Gegensatz zu anderen Wurfdisziplinen ist ein kurzer Anlauf gestattet, aus dem heraus die Phasen des Schwungholens und Abwurfs miteinander synchronisiert werden.
Der Speer ist ein schlanker, sich nach beiden Enden verjüngender Stab aus Holz, Metall, Carbon oder Kombinationen daraus. Die Länge beträgt bei den Herren 2,70 m – 2,80 m, bei den Damen 2,20 m – 2,30 m, das Gewicht 800 g bzw. 600 g. Alle Speere haben eine 25 cm bis 30 cm lange Metallspitze. In der Mitte, an der Griffstelle, befindet sich eine textile Umwicklung, einschließlich derer der Durchmesser nicht mehr als 30 mm bzw. 25 mm (Damen) beträgt.
Der Wurfbereich ist ein Kreissektor mit 29° Öffnungswinkel und einer Länge von 95 m. Er wird an der Abwurfstelle durch einen 4 m langen bogenförmigen Abwurfbalken begrenzt, der vom Werfer nicht berührt oder überschritten werden darf.
Der Speer muss laut Reglement in der Mitte gefasst werden und die Spitze muss beim Abwurf in Wurfrichtung zeigen. (Das ist nicht selbstverständlich! Anfang des 20. Jahrhunderts durfte das Gerät noch mit dem Ende auf den Fingerspitzen „geschleudert“ werden.) Er muss mit der Spitze zuerst und innerhalb des Sektors auftreffen, braucht aber nicht stecken zu bleiben. Gemessen wird von der Stelle des ersten Einstichs bis zur Innenkante des Balkens.
Alle Werfer absolvieren im Wettkampf zunächst drei Würfe. Die acht Besten haben drei weitere Versuche und ermitteln die vorderen Plätze unter sich.
Physik des Speerwurfs
Die Bahnkurve, die der Speer bei einem Wurf zurücklegt, unterliegt den Gesetzen der Physik. Dabei sind zwei Effekte zu berücksichtigen:
Die Wurfparabel: Wenn man die Luft vernachlässigt, beschreibt der Speer eine Parabel als Flugbahn. Diese ist leicht asymmetrisch, weil sich der Abwurfpunkt etwas höher befindet (ca. in Schulterhöhe des Athleten) als der Auftreffpunkt. Daher erreicht man die maximale Weite mit einem Wurfwinkel von knapp unter 45°. Selbstverständlich ist die Entfernung auch von der Abwurfgeschwindigkeit abhängig.
Aerodynamik des SpeerwurfsDie Aerodynamik: Aufgrund seiner Form wirkt auf den Speer eine durch die Luftströmung verursachte Auftriebskraft (so ähnlich wie das auch bei einem Flugzeugflügel der Fall ist). Diese Auftriebskraft setzt am Formschwerpunkt an, der in diesem Fall mit dem geometrischen Mittelpunkt (also dem Halbierungspunkt des Speers) übereinstimmt. Die Kraft ist umso größer, je weiter die Achse des Speers von der Flugrichtung abweicht. Um den Auftrieb kleiner zu halten, wurde bei den neuen Speeren der Massenschwerpunkt weiter vor den Mittelpunkt des Speeres gelegt (etwa 2 cm). Dadurch kippt der Speer während des Fluges schneller mit der Spitze nach unten und erfährt weniger Auftrieb.