Griechisch-Türkischer Krieg
Der Griechisch-Türkischer Krieg bezeichnet mehrere Kriege zwischen Griechenland und der Türkei von 1821 bis 1923. Dabei ging es zunächst um die Unabhängigkeit Griechenlands vom Osmanischem Reich und später um die Eroberung der von Osmanischen Reich beherrschten Gebieten. Die Auseinandersetzungen fanden Ihren Höhepunkt im Unabhängigkeitskrieg der Türken und in der Kleinasiatischen Katastrophe im Jahre 1923.
Vorgeschichte
Mit der Eroberung von Konstantinopel durch die Osmanen unter Mehmed II herrschten die Osmanen von 1453 bis 1830 über Griechenland. Viele griechisch besiedelte Regionen kamen teilweise erst im Laufe dieser Zeitspanne unter Osmanische Herrschaft. Mit der Schwächung des Osmanischen Reiches und dem erstarken des griechischen Nationalbewußtseins kam es anfang des 19. Jahrhundert zu einer Unabhängigkeitsbewegung auf dem Gebiet des heutigen Griechenland. Die Aufstände konnten vom Osmanischen Reich niedergeschlagen werden. 1830 setzten die europäischen Großmächte gegenüber dem Osmanischen Reich ein unahhängiges Griechenland durch. Erst im Balkankrieg vom 1912/1913 konnte Griechenland gegenüber dem Osmanischen Reich große Landgewinne verzeichnen. Die vorangegangenen Kriege verlor das junge Griechenland.
Siehe auch: Türkisch-Griechischer Krieg
Erster Weltkrieg und Besetzung des Osmanischen Reiches
Griechenland schloss sich im Ersten Weltkrieg der Entente an. Nach dem Sieg der Entente über das Osmanische Reich und seine Verbündeten wurden große Gebiete des Osmanischen Reiches unter den Siegermächten "aufgeteilt". Griechenland erhielt nach dem Vertrag von Sevres das Völkerbundmandat über Smyrna (heute İzmir) und das östliche Thrakien. Nach den Plänen des Vertrages sollten daneben ein unabhängiger armenischer Staat im Nordosten und ein kurdischer Staat im Südosten entstehen. Die arabischen Besitztümer des Reiches wurden an Frankreich und Großbritannien unterstellt. Italien wurde der Süden der Türkei zugesprochen. Letztlich sollte die Türkei auf eine kleine Region um Ankara beschränkt sein.
Dieser Vertrag wurde von der Regierung des Osmanischen Reiches unterzeichnet. Die sich abzeichnende oppositionelle Bewegung unter Mustafa Kemal lehnte die Bedingungen des Vertrages ab. Ziel von Mustafa Kemal war die Gründung eines modernen Nationalstaates der auf die "Kernregionen" der türksich besiedelten Gebiete im Osmanischen Reich begrenzt war und damit alle imperialen Gebietsansprüche in Arabien, Kaukasus und auf dem Balkan aufgab.
In der damaligen Zeit war unter den national gesinten Griechen die Idee der Megali Idea (Μεγάλη Ιδέα), sehr populär (vergleiche andere nationalistischen Ideen Panturkismus, Panslawismus). Demnach sollten alle griechisch besiedelten Gebiete in Anatolien und auf dem Balkan in einem großen Nationalstaat vereinigt werden. Die griechische Regierung beschloss daher gegen das krieggeschwächte Osmanische Reich einen Feldzug zu starten. Ziel war die Anexion von Gebieten in Westanatolien und Thrakien mit hohen griechischen Bevölkerungsanteilen. Aber auch Konstantinopel (İstanbul) sollte wieder erobert und eventuell später zur neuen Hauptstadt gemacht werden.
Zunächst waren die griechischen Soldaten, die mit Waffen und Material von Großbritannien unterstützt wurden, auch siegreich. Es kam dann zur erbittert geführten Schlacht am Pontos im Nordwesten Anatoliens, bei der die Türken unter Mustafa Kemal Atatürk den Griechen eine vernichtende Niederlage beibrachten. Die Offensive startete am 24. August 1922 und erreichte am 30. August 1922 ihren Höhepunkt, als die griechischen Linien von den türkischen Truppen durchbrochen wurden. Aufgrund dieses Sieges mussten sich alle griechischen Truppen aus Anatolien zurück ziehen. Seit diesem Tag wird der 30. August in der Türkei als "Tag des Sieges" jedes Jahr gefeiert.
Kleinasiatische Katastrophe
Am 9. September 1922 geschah nun das, was Griechen die "kleinasiatische Katastrophe" nennen. Atatürk, in Thessaloniki geboren, eroberte mit seinen Truppen Smyrna (İzmir).
Im armenisch besiedeltem Gebiet brach ein Feuer aus und vernichtete einen großen Teil der Stadt. Verschiedenen Quellen zufolge wurde das Feuer von armenischer bzw. griechischer Seite gelegt, damit vorhandene Waffenlager nicht den türkischen Truppen in die Hände fielen.
Ca. 25.000 Menschen wurden getötet und 200.000 vertrieben. Kurz zuvor war noch ein Teil der griechischen Bevölkerungsmehrheit unter z.T. dramatischen Umständen von englischen Schiffen aus der Stadt evakuiert worden; Schriftsteller wie der Literaturnobelpreisträger Giorgos Seferis machten diese Ereignisse zum Gegenstand ihrer Dichtung.
Die Folgen des verlorenen Krieges waren schwerwiegend: Zehntausende von Griechen mussten auch aus dem Pontos fliehen, viele starben auf der Flucht. Das Griechentum in Kleinasien, das eine über 2.500 Jahre alte Geschichte besaß, wurde vernichtet: In Smyrna (heute İzmir), dessen 941.000 Einwohner vor dem 9. September 1922 noch zu 70% Griechen gewesen waren, hörte auf, griechisch zu sein.
1923 wurde im Vertrag von Lausanne eine ethnische "Bereinigung" der Region durch forcierten Bevölkerungsaustausch beschlossen. Dadurch wurde die unfreiwillige Umsiedlung von über 1,5 Millionen Griechen und 500.000 Türken völkerrechtlich legitimiert. Durch den Zuzug der Griechen aus dem anatolischen Festland hatte Griechenland eine Flüchtlingsquote von ca. 25% zu bewältigen.
Die meisten der 500 000 Türken, die umgesiedelt wurden, besiedelten das ehemalige Nord-Griechenland, Makedonien und die ägäischen Inseln. Ausnahmen wurden nur für die Türken im westlichen Thrakien und für die Griechen in İstanbul auf den vorgelagerten Inseln Imbros und Tenedos gemacht.
Die damaligen Ereignisse bedeuten für viele Griechen heute ein Trauma und sind eine Hauptursache für die teils bis heute schwelenden Ressentiments zwischen beiden Völkern, etwa auf Zypern.
Siehe auch: Liste von Kriegen, Liste von Schlachten
Literatur
- Louis de Bernières: "Traum aus Stein und Federn", Frankfurt am Main 2005. ISBN 3-10-007125-5