Wehrmacht
Unter dem Begriff Deutsche Wehrmacht sind die durch das Gesetz über den Aufbau der Wehrmacht vom 16. März 1935 aus der damaligen Reichswehr hervorgegangenen regulären deutschen Streitkräfte in der Zeit bis zum Jahr 1945 zu verstehen.
Wortbedeutung damals und heute
Davor war der Begriff Wehrmacht, nach der Bedeutung der Wortteile, lediglich ein anderes Wort für Streitmacht. Im damaligen Sprachgebrauch wurden auch die Streitkräfte anderer Staaten als Wehrmacht bezeichnet, so beispielsweise die Italienische Wehrmacht, oder auch die Englische Wehrmacht.
Von 1936 bis 1944 gab es auch eine deutsche Zeitschrift mit dem Namen Die Wehrmacht.
Geschichte
Geschichtliche Grundlagen
Nach der Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg war durch den Versailler Vertrag die zulässige Truppenstärke des deutschen Heeres auf 100.000 Mann (plus 15.000 Mann Marine) beschränkt worden, mit der zusätzlichen Auflage, keine schweren Waffen, keine schwere Artillerie, keine Panzer und keine Luftwaffe zu besitzen. Am 23. März 1921 wurde die Reichswehr unter diesen Auflagen gegründet. Von Beginn an aber war es Ziel deutscher Militärpolitik, die Reichswehr unter Umgehung dieser Auflagen zu einer schlagkräftigen Armee auszubauen. So gab es zum Beispiel nach dem Rapallo-Vertrag eine geheime militärische Zusammenarbeit zwischen der Reichswehr und der sowjetischen Roten Armee. Auch war der Anteil der Soldaten, die als Offizier oder Unteroffizier dienten, im Gegensatz zu den Mannschaftsdienstgraden extrem hoch. So war es später möglich, innerhalb weniger Jahre die Armee um ein Vielfaches zu vergrößern.
Im Februar 1923 reiste der neue Chef des Truppenamtes, Generalmajor Hasse, zu Geheimverhandlungen nach Moskau. Deutschland unterstützte den Aufbau der sowjetischen Industrie, Kommandeure der Roten Armee erhielten eine Generalstabsausbildung in Deutschland. Dafür erhielt die Reichswehr die Möglichkeit, Artilleriemunition aus der Sowjetunion zu beziehen, Flieger- und Panzerspezialisten auf sowjetischem Boden auszubilden und dort chemische Kampfstoffe herstellen zu lassen. Auf dem Flugplatz Lipezk wurden etwa 300 Militärpiloten, der Stamm für die Jagdfliegerwaffe, ausgebildet. Bei Kasan wurden Panzerfachleute ausgebildet, allerdings erst ab 1930 und nur ungefähr 30. Bei Saratow wurde Giftgas entwickelt.
Die Wehrmacht im Dritten Reich
Unmittelbar nach dem Tode Paul von Hindenburgs am 2. August 1934 wurden die Streitkräfte auf die Person Hitlers vereidigt. Viele Soldaten führten diesen persönlichen Eid als Begründung dafür an, dass sie keinen aktiven Widerstand gegen verbrecherische Befehle der Führung leisteten.
1935 wurde die Wehrpflicht unter Verletzung des Versailler Vertrages wieder eingeführt, wobei nacheinander jeweils 100.000 Soldaten eingezogen wurden. Nach der Soldatenausbildung wurden alle Eingezogenen wieder aus der Armee entlassen, und es wurden die nächsten 100.000 Soldaten eingezogen.
Ungefähr 5,3 Millionen Angehörige der Wehrmacht starben allein bis zur Kapitulation 1945 durch direkte Kriegseinwirkung. Die absolute Zahl wird deutlich höher liegen, da nicht genau belegt ist, wie viel von den 11 Millionen Soldaten, die in Kriegsgefangenenschaft gerieten, starben.
Truppenstärke und Gliederung
Nach den Recherchen des Historikers Rüdiger Overmans umfasste die Wehrmacht 18,2 Millionen Soldaten, die im Verlauf des Krieges eingezogen wurden und nicht alle zeitgleich dienten.
Zusammensetzung:
Während des Zweiten Weltkrieges gehörten auch viele nichtdeutsche Freiwillige, so u.a. Volksdeutsche, Niederländer, Balten, Balkanbewohner, Russen, Kaukasier unter der Bezeichnung Ostlegionen, Russische Befreiungsarmee (bekannt auch als Wlassow-Armee) zur Wehrmacht. Für diese war im Oberkommando des Heeres (OKH) als General der Freiwilligenverbände der General der Kavallerie Ernst-August Köstring zuständig. Sie stellten ca. 5 % der Personalstärke der Wehrmacht.
Die Gliederungen der Heeresgruppen und Armeen ist etwas chaotisch, da die gleichen Armeen zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlchen Heeresgruppen unterstellt waren.
Heeresgruppen A bis H:
- Heeresgruppe A (in den Kaukasus vordringend)
- 2. Armee, 4. Armee, 9. Armee, 12. Armee, 16. Armee, 17. Armee,
- 1. Panzerarmee, 4. Panzerarmee
- Heeresgruppe B (ab 1943 Frankreich unter Erwin Rommel)
- 4. Armee, 18. Armee (14. Juni Paris), 17. Armee
- Heeresgruppe C
- 1. Armee, 2. Armee, 6. Armee, 7. Armee
- Heeresgruppe D
- 1. Armee, 7. Armee, 15. Armee
- Heeresgruppe E , Heeresgruppe F, Heeresgruppe G, Heeresgruppe H
Besondere Heeresgruppen:
- Heeresgruppe Afrika
- 1. italienische Armee, 5. Panzerarmee
- Heeresgruppe Don (=Heeresgruppe Süd) 886.000 Soldaten Generaloberst Gerd von Rundstedt, Erich von Manstein; 1943 bei Charkow)
- Heeresgruppe Kurland
- Heeresgruppe Mitte (1943 bei Kursk; 1944 Bei der Operation Bagration der sowjetischen Armee aufgerieben)
- Heeresgruppe Nord
- Heeresgruppe Nordukraine
- Heeresgruppe Ostmark
- Heeresgruppe Süd
- Heeresgruppe Südukraine
- Heeresgruppe Weichsel
Militärische Grundlagen
Militärische Grundlagen der Wehrmacht bildeten die Auftragstaktik, die geradezu sprichwörtliche Disziplin und, was insbesondere im Offizierkorps zu Reibungen mit der NSDAP führen konnte, unbedingter Gehorsam.
Die außerordentlich hohe Kampfkraft der Wehrmacht wird von dem Militärhistoriker Martin van Crefeld ausführlich untersucht und verglichen, wobei er dieses Phänomen aus dem politisch-militärischen Gesamtzusammenhang herauslöst und damit isoliert betrachtet. Er schreibt:" Das deutsche Heer war eine vorzügliche Kampforganisation. Im Hinblick auf Moral, Elan, Truppenzusammenhalt und Elastizität war ihm wahrscheinlich unter den Armeen des zwanzigsten Jahrhunderts keine ebenbürtig." Zu einem ähnlichen Urteil kommt der französische Historiker Philippe Masson (s.u., Bibliographie).
Ausrüstung
Die Wehrmacht war partiell sehr modern ausgerüstet, jedoch ermöglichten die begrenzten Ressourcen Deutschlands es nicht, diese moderne Ausrüstung umfassend in allen Truppenteilen einzuführen.
Entgegen dem heute herrschenden Eindruck von der Wehrmacht als einer Hochtechnologie-Streitmacht, waren beispielsweise nur etwa 40 Prozent aller Wehrmachtseinheiten motorisiert. Die übrigen 60 Prozent waren Pferdebespannt, d.h. der sogenannte Troß (Stäbe, Feldküchen, Nachschub usw.) hatte für den Transport Zugpferde zur Verfügung, die kämpfenden Einheiten gingen zu Fuß oder waren teilweise auch mit Fahrrädern ausgerüstet.
Der Aufbau einer schlagkräftigen Panzertruppe - und später Luftwaffe - sicherten der Wehrmacht ihre Blitzkrieg-Erfolge. Die zahlreichen Einflüsse der politischen Führung des damaligen Nazi-Regimes, insbesondere taktische und strategische Entscheidungen Hitlers, waren der Grund für schwere Krisen und Niederlagen im Zweiten Weltkrieg. Militärische Erfolge im Blitzkrieg gegen Polen und Frankreich überzeugten auch kritische Stimmen in der deutschen Militärführung von dem neuen Konzept der Streitkräfte, welches auf eine »Tiefenrüstung« verzichtete und bewusst eine »Breitenrüstung« wählte, was sich während des Kriegsverlaufs, als stärkere Länder nicht mehr innerhalb weniger Wochen überrannt werden konnten, rächte.
Die militärischen Erfolge und Misserfolge der Wehrmacht sind im Artikel 2. Weltkrieg dargestellt.
Wichtige Persönlichkeiten
- Adolf Hitler, Ludwig Beck, Fedor von Bock, Walther von Brauchitsch, Karl Dönitz, Wilhelm Flicke, Werner von Fritsch, Heinz Guderian, Franz Halder, Erich Hoepner, Hermann Hoth, Alfred Jodl, Wilhelm Keitel, Ewald von Kleist, Albert Kesselring, Hans Günther von Kluge
Erich von Manstein, Friedrich Olbricht, Friedrich Paulus, Erich Raeder, Erwin Rommel, Hans-Ulrich Rudel Gerd von Rundstedt, Claus Graf Schenk von Stauffenberg, Erwin von Witzleben
Literatur
- Manfred Messerschmidt: Die Wehrmacht im NS-Staat. Zeit der Indoktrination, Hamburg, 1969
- Klaus-Jürgen Müller: Das Heer und Hitler, Stuttgart, 1969
- Georg Tessin: Deutsche Verbände und Truppen 1918-1939, Osnabrück, 1974
- Rudolf Absolon: Die Wehrmacht im Dritten Reich, 1969-1995 (6 Bände)
- Rolf-Dieter Müller (Hg.): Die Wehrmacht. Mythos und Realität, München, 1999, ISBN 3-486-56383-1
- Hans Adolf Jacobsen: Kommissarbefehl und Massenexekutionen sowjetischer Kriegsgefangener in: Martin Broszat/Hans-Adolf Jacobsen/Helmut Krausnick, Anatomie des SS-Staates, Band 2 ISBN 3-423-02916-1
- Christian Streit: Die Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen und völkerrechtliche Probleme des Krieges gegen die Sowjetunion in: Gerd R. Ueberschär/Wolfram Wette, "Unternehmen Barbarossa". Der deutsche Überfal auf die Sowjetunion, 1984, ISBN 3-506-77468-9
- Hannes Heer: Stets zu erschiessen sind Frauen, die in der Roten Armee dienen, 1995 ISBN 3-930908-06-9
- Martin van Creveld: Kampfkraft.Militärische Organisation und militärische Leistung 1939-1945, Verlag Rombach Freiburg, 1989, ISBN 3-7930-0189-X
- Philippe Masson: Die Deutsche Armee. Geschichte der Wehrmacht 1935-1945, 1994/96, ISBN 3-7766-1933-3
- Hans Poeppel, W.-K. Prinz v. Preußen, K.-G. v. Hase, Die Soldaten der Wehrmacht, 1998, ISBN 3-77662-057-9
Siehe auch
- Dienstgrade in der Wehrmacht
- Liste der Handwaffen der Wehrmacht
- Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes
- Eisernes Kreuz
- Deutsche Militärfahrzeuge des 2. Weltkrieges
- Deutsche Flugzeuge im Zweiten Weltkrieg
- Liste deutscher U-Boote (bis 1945)
- Kriegsendphasenverbrechen
- Wehrmachtsbordell
- Verbrechen der Wehrmacht
Weblinks
- Deutsches Historisches Museum, Berlin
- Lexikon der Wehrmacht
- Zwangsprostitution für Wehrmacht und SS
- Das Archiv für technische Dokumente 1900-1945 (enthält das Verzeichnis der Wehrmachts-Vorschriften)
- www.wehrmacht.org/
Nähere Informationen zu Ausrüstung, Ausbildung, Einberufungspraxis, Rängen, sowie Bilder wären wünschenswert